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Christoph W. Bauer erzählt die Geschichte von Innsbruck, der Stadt seiner Wahl, und zeigt, welcher Genuss es sein kann, sich in der Historie zu verlieren: Häuser sind nicht nur die steinernen Zeugen einer Zeit, sie sind auch diese Zeit selbst, berichten von Schicksalen und Persönlichkeiten, von großen Ereignissen der Weltgeschichte und den kleinen eines unscheinbaren Lebens, nicht zuletzt erzählen sie von der Endlichkeit ihrer Bewohner. Häuser sind Bücher, in denen das Ferne nahe rückt, in ihnen zu blättern heißt, sich selbst zu begegnen.
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Seitenzahl: 292
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Christoph W. Bauer
Im Alphabet
der Häuser
Roman einer Stadt
„There is a continent outside my window“
Derek Walcott
1
Ein Haus bekam ich vor die Nase gesetzt, ein Haus ums andere, bis mein Blick zugemauert war und ich eine Geschichte erfand, um etwas sehen zu können, sagte er, schaute mich unverwandt an. Seine Augen glänzten und ließen auf einen nicht unerheblichen Alkoholkonsum schließen, obwohl
Wenn ich es nüchtern betrachte, sehe ich schon lange nichts mehr, fuhr er fort, und ich vermute, dir geht es nicht anders, oder?
Was für eine Geschichte, fragte ich, wich einer Antwort aus, sein Blick war mir unangenehm, er führte mich auf mich selbst zurück, ich fühlte mich durchröntgt. Als drehten sich meine Augen um hundertachtzig Grad und wiesen hinein in meine Gedankenvierwände, was sah ich Mauern? Ein Haus bekam ich vor die Nase gesetzt, ein Haus ums andere, murmelte ich, und weißt du, setzte er fort, ich habe es zunächst nicht einmal bemerkt.
Was für eine Geschichte, setzte ich erneut an, war irritiert.
Die Geschichte nimmt hier ihren Anfang, hier in dieser Bar, in der wir uns täglich treffen und in der wir beinahe jeden beim Namen nennen können. Betritt einmal eine fremde Person das Lokal, ist das schon ein Ereignis, nicht? Lass uns Fremde sein! Wir gehen uns viel zu selten fremd, sind mit der Gewohnheit so intim geworden, dass wir uns ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen können. Sind also neu in dieser Bar, nein, besser noch Neuankömmlinge in der Stadt, als solche verirren wir uns zwar leicht, aber sorgt nicht die Orientierungslosigkeit mitunter für die schönsten Blickerlebnisse? Wie oft schon haben wir uns dem Erkunden des Unbekannten hingegeben, stolperten von einem O ins nächste, schrieben Postkartengrüße an die Daheimgebliebenen Das müsst ihr euch unbedingt ansehen! Ergriffen von der historischen Gewachsenheit eines Orts, schmunzelnd über Anekdoten aus dem alltäglichen Leben, die irgendein Hotelportier von sich gab: Wissen Sie, an dieser Stelle befand sich früher ein Bordell, freilich davor schon eine Schlosserwerkstatt.
Ich ließ ihn reden, starrte auf das Bier in seiner Hand, sah, wie er das Glas an die Lippen führte, ich trank. Während ich wieder abstellte, fuhr er fort:
Wir schauen uns um in der Bar, nur ein Menschenleben ist es her, da hatte hier noch der Obst- und Gemüsehändler Guido Passemani sein Geschäft. Der Urgroßvater des jetzigen Barbesitzers muss ihn gekannt haben, gehörte dem das Haus doch seit dem Ersten Weltkrieg. Die Passemani waren ein weiteres Mal in dieser Straße vertreten, mit einem Trödelladen nur ein paar Häuser weiter, Innstraße 9. Das Haus dort bietet Stoff für mehr als einen Roman.
Er sah mich durchdringend an, als wartete er auf ein Wort von mir, dann glitt sein Blick den Boden entlang, plötzlich:
Pferdeäpfel müssen hier einst gelegen haben, jede Menge Fallobst, er lachte, ich wusste nicht, was er meinte.
Noch heute befindet sich über uns ein Gasthof, erstmals wird er 1521 erwähnt, und früher war es eben üblich, im ersten Stock die Gäste einzuquartieren, währenddessen zu ebener Erde die Pferde untergestellt wurden. Aber Schwemme hin, Obsthändler her, am aussagekräftigsten an dieser Bar ist, dass der eigentliche Betrieb am Gehsteig vor dem Lokal stattfindet. Ein Gedränge herrscht dort wie auf einem Marktplatz! Als spielten die Gäste täglich wieder das Stück vom Platzmangel jener mittelalterlichen Siedlung namens Anbruggen hier auf der linken Innseite.
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