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Ein Museumswärter setzt alles auf eine Karte, um seiner kürzlich verstorbenen Frau einen Wunsch zu erfüllen. ***Erzählung Nr.16 aus dem Sammelband "In einer Bar unter dem Meer"*** Die Figuren in Christoph W. Bauers Erzählungen mögen auf den ersten Blick verschroben wirken. Dabei sind sie vertrauter, als einem lieb ist: Sie trauern verpassten Chancen nach, verrennen sich in Träume, sind unglücklich in ihren Berufen, sprechen von Treue und wandern von einem Bett ins andere, geben sich kühl und erfahren, im nächsten Moment innig und schmachtend. In den unterschiedlichsten Tonarten sprechen sie an, was wir alle kennen: Einsamkeit, Sehnsucht, Liebe und Verlust. Temporeich und direkt sind Bauers Geschichten, manchmal kurz und energisch wie ein Punksong, manchmal eigenbrötlerisch und elegisch wie ein Blick aufs Meer. Dabei oft von einer bestechenden Komik und voll plötzlicher Wendungen, die unversehens den Blick öffnen auf eine Wirklichkeit, die uns alle betrifft. Alle Erzählungen aus "In einer Bar unter dem Meer": Zwei plus eins Die Meidlinger Bellevue Kalifornien Tannertschok Irgendwo in Deutschland Samsas Erben Windburgen Der Fall Branzer Traunstein Das Gewicht Full Shot Fassbare Formen Eine Melange im Nirgendwo Schusstechnik Emira und das Meer Figuren Stecknadeln
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Seitenzahl: 16
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Christoph W. Bauer
Relaunch, Schauraum sieben
Erzählung
„Und glaub ich noch ans Meer, so hoffe ich auf Land.“
Ingeborg Bachmann
Lunz sah immer schon ältlich aus. Früh fing man an, ihn zu siezen, und als ihm in der Tram das erste Mal der Platz angeboten wurde, war er noch keine vierzig. Die hohe Stirn überm runden Antlitz und sein fassförmiger Oberkörper waren ihm vom Vater mit auf den Lebensweg gegeben worden, seine Hamsteraugen folgten der Mutter.
Sein Blick könnte zum Problem werden, hatte man ihm einst beim Einstellungsgespräch eröffnet und ihn in Turbulenzen gestürzt. Denn seit seinem siebten Geburtstag, an dem ihm seine Eltern einen gemeinsamen Besuch im Naturhistorischen Museum geschenkt hatten, war ihm lediglich eins erstrebenswert gewesen: ein Messingplättchen mit seinem Namen am Sakkokragen. Oft hatte er seiner Martha von diesem schicksalsträchtigen Tag erzählt, und wie er abends aufgekratzt durch die Wohnung geflitzt sei, bis ihm sein Vater den Arsch versohlt, die Mutter ihn ins Bett verfrachtet habe. Dies erinnernd, sei er vor dem Personalchef gestanden, erschrocken bis ins Knie und doch wild entschlossen, allen Widrigkeiten zu trotzen. Dass er das geschafft habe, wundere sie nicht, allein sein Äußeres zeuge von Reife, wie sie bei jungen Männern selten sei, hatte sie dann wiederholt, und wenn er jetzt an Martha dachte, bereute er zutiefst, sie nicht mit dem Kopfkissen erstickt zu haben.