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"Ich habe gar keinen Enkel ..." Ehe kaputt, Weinhandlung pleite. Alles, was Sandra vom großen Glück geblieben ist, sind Likes auf Instagram. »Gejammert wird trotzdem nicht«, findet ihre rüstige Mutter Heike. Guter Wein muss her. Also auf nach Apulien! Doch die Reise der beiden wird schon am Gotthard-Tunnel jäh unterbrochen: Auf einer Raststätte gabeln sie den fünfzehnjährigen Federico auf. Er ist aus dem Heim abgehauen und will zu seinem Großvater Alessio nach Brindisi. Den kennt er allerdings nur vom Foto, weshalb Alessio wenig erfreut ist, als Sandra und Heike den Jungen bei ihm abladen wollen. Ein Bambino hat ihm gerade noch gefehlt! Der mürrische Alte lebt einsam auf einem Weinberg und behauptet, er habe gar keinen Enkel. Es braucht Heikes ganzen Einfallsreichtum und Federicos jugendlichen Charme, um Alessios, aber auch Sandras Glück ein wenig nachzuhelfen…
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Immer Ärger mit den Bambini
TESSA HENNIG schreibt seit vielen Jahren große TV-Unterhaltung und Bestseller-Romane mit Herz und Humor, die auch erfolgreich verfilmt wurden. Wenn sie vom Schreiben eine Auszeit benötigt, reist sie auf der Suche nach neuen Stoffen gern in den Süden.
Von Tessa Hennig sind in unserem Hause bereits erschienen:
Mutti steigt aus · Elli gibt den Löffel ab · Emma verduftet · Lisa geht zum Teufel · Mama mag keine Spaghetti · Alles außer Austern · Mit Oma in Roma · Bea macht blau · Nie wieder Amore! · Von wegen Dolce Vita! · Kann Gelato Sünde sein? · Erben wollen sie alle
Heike Seibold blickt einer mickrigen Rente entgegen, ihrer Tochter Sandra droht nach der Trennung von ihrem Mann das finanzielle Aus. Um ihre Weinhandlung zu retten, fährt Sandra in Begleitung ihrer Mutter ins Weinparadies Apulien. Beim Raststätten-Halt treffen die beiden auf den fünfzehnjährigen Federico. Er ist aus dem Heim abgehauen und auf der Suche nach seinem Großvater Alessio, von dem er nur weiß, dass er in Brindisi lebt. Da dieser Ort in einem malerischen Weingebiet liegt, beschließen Heike und Sandra, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Federico bei seinem Großvater abzuladen und neue Lieferanten zu finden. Doch kaum ist der Großvater nach langer Suche gefunden, folgt die große Überraschung: Statt zur tränenreichen Familienzusammenführung kommt es zum Eklat. Alessio entpuppt sich als schlecht gelaunter Misanthrop, der behauptet, er habe gar keinen Enkel. Doch so leicht gibt Heike nicht auf. Der alte Miesepeter muss doch irgendwie zu knacken sein. Und sie hat da auch schon eine Idee ...
Tessa Hennig
Roman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Juli 2022© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, MünchenTitelabbildung: © Gerhard GlückGesetzt aus der Quadraat Pro powered by pepyrusDruck und Bindearbeiten: CPI books GmbH, LeckE-Book-Konvertierung powered by pepyrusAlle Rechte vorbehalten.ISBN 978-3-8437-2738-9
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Epilog
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Konnte ein Tag überhaupt mieser beginnen? Vor Heikes Freiburger Laden für Schreibwaren, Tabak, Zeitungen und Zeitschriften, der zugleich Lottoannahmestelle war, hatte sich eine riesige Pfütze gebildet. Resultat eines Wolkenbruchs, gewürzt mit Donner und Blitz sowie Hagelkörnern, die nun wie weiße Pfefferminzdrops auf dem Trottoir herumlagen. Und das im Wonnemonat Mai! Trotz eines sturmsicheren Schirms, der angeblich bei starkem Wind nicht abknicken würde, war sie auf dem kurzen Fußweg von ihrer Wohnung unter einem inzwischen verbogenen Stahlgerippe pitschnass geworden. Geteiltes Leid war halbes Leid: Prinz Charles war es nicht anders ergangen. Sein Antlitz zierte heute den geschnürten Zeitschriftenstapel vor ihrer Ladentür. Eine Frauenzeitschrift ohne Royals – undenkbar. Darunter lagen die Tageszeitungen, was sinnbildlich für den Stellenwert der realen Welt war. Märchen first!
Knallen das Zeug einfach vor die Tür, dachte sie. Friss oder stirb! Dass dabei die Folie um die Zeitungen einreißen könnte, daran dachten diese Vertriebshiwis anscheinend nicht. Heike musste aber einräumen, dass sie es für das wenige Geld, das diese jungen Leute fürs Austragen der Ware bekamen, nicht anders machen würde. Dennoch war das ärgerlich. Wie soll man aufgeweichte Zeitschriften noch verkaufen? Vielleicht nach einer Runde Föhnen und Bügeln, bevor sie sie im Regal drapierte? Heike seufzte und zwängte sich zwischen den feuchtigkeitsbedingt gewellten Stapeln auf eine Fläche von maximal einem halben Quadratmeter, um im Schutz des Mauervorsprungs den Schirm irgendwie zusammenzufalten, ohne sich dabei die Augen auszustechen. Nun war er auch noch verbogen. Sei’s drum. Jetzt erst mal schnell alles ins Trockene bringen – sich selbst und Prinz Charles. Heike sperrte das Gitter vor der Tür auf und hoffte, dass es nicht wie üblich klemmte. Natürlich tat es das.
»Heut keine Zicken!«, blaffte sie das einbruchsichere, aber in die Jahre gekommene rostige Gitter an und zerrte mit Gewalt daran. Beleidigt gab es laut quietschend nach. Zorn verlieh anscheinend übermenschliche Kräfte, allerdings auch verhärmte Gesichtszüge. Heike erschrak über die grauhaarige Frau, die sie in der spiegelnden Scheibe ihrer Eingangstür anstarrte.
»Sahst schon mal besser aus«, brabbelte sie missmutig vor sich hin, obwohl die Scheibe einige ihrer Falten bereits wohlwollend glättete. Prompt setzte Heike ein trotziges Lächeln auf. Die Welt sah dann immer gleich viel schöner aus – und man selbst auch.
»Na also, geht doch.«
Heike trat ein, legte den Schirm mit den widerspenstigen Metallstreben auf den Boden und zerrte dann die beiden Zeitschriftenstapel und das darunterliegende Zeitungspaket herein. Das ging so was von ins Kreuz.
»Nur noch heute! Ab morgen Urlaub! Und bald Dauerurlaub«, sagte sie sich. Mit Letzterem meinte sie die wohlverdiente Rente, wobei von »verdient« eher nicht die Rede sein konnte. »Verdient« klang nämlich nach Kohle, die später fließen würde, und war daher irreführend. Wer als Selbstständiger nichts in die gesetzliche Rentenkasse einzahlte und zu wenig in die private, bekam naturgemäß nur wenig raus. Das ging auch schlecht, wenn einem vom Umsatz aufgrund der immer geringeren Gewinnspannen und der Abnahmeknebelungen der Zeitschriftenverlage gerade mal rund neunhundert Euro nach Abzug der laufenden Kosten, der Steuern und der Krankenversicherung blieben – die Witwenrente miteingerechnet. Vom Verkauf von Tabak- und Schreibwaren, Postkarten und ein paar Süßigkeiten wurde niemand mehr reich. Lotto? Früher mal ein guter Zuverdienst. Immer mehr Leute tippten nun online. Gleich hartzen? Weniger Stress wäre das allemal. Auch daran hatte Heike bereits des Öfteren gedacht. Aber Stütze? Niemals! Dazu war sie zu stolz, und noch waren ja ein paar Kröten von den fetten Jahren auf dem Sparbuch.
Heike schlüpfte flink aus ihrer Regenjacke, legte sie auf den Tresen und holte die große Schere aus der Schublade unter der Kasse. Sie hoffte inständig, dass vom Frauenstapel noch nicht alles durchtränkt war. – Wobei: Spielte das überhaupt noch eine Rolle? Was Charles mit seiner Camilla oder Harry mit seiner Meghan so trieb, lasen die Leute heutzutage doch sowieso viel lieber im Internet oder guckten dort gleich ein reißerisches Video. Wenn sie fünf davon in dieser Woche verkaufte, war das schon viel. Der zweite Stapel hingegen, fein säuberlich eingeschweißt, machte schon mehr Hoffnung auf Umsatz. Reisemagazine mit großartigen Fotos, die Laune machten. Die gingen noch ganz gut. Alles Hochglanz. Ideal für den Pool. Heute lag Bella Italia obenauf. Heike befreite den Stapel von der Folie und nahm das erste Exemplar an sich. Apulien. Wohnten dort etwa Zwerge? Diese weißen Häuser mit den Spitzdächern sahen aus wie Schlumpfhausen. Guten Wein soll’s da angeblich auch geben. Ein Wein-Special in der heutigen Ausgabe? Interessant. Da möchte man am liebsten gleich den Koffer packen. Für Heike galt das aber sicher nicht, denn der Urlaub einer Selbstständigen bestand aus Ausmisten, Putzen und der Steuererklärung. Ein kräftezehrender Gedanke, der sie sofort damit liebäugeln ließ, sich erst einmal im kleinen Kabuff neben dem Verkaufsraum eine zweite Tasse Kaffee zu gönnen und sich am Heizlüfter etwas aufzuwärmen. Könntest schon längst in Rente sein und die Füße hochlegen, überlegte sie nicht zum ersten Mal. Dann wanderte ihr Blick über die bunt ausstaffierten Regale, die seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren zu ihrem zweiten Zuhause geworden waren. Sie liebte diese spezielle Duftmischung aus Tabak, Papier und Druckerschwärze. So einfach würde es nicht werden, den Laden dichtzumachen. Der Hauptgrund, weshalb sie es trotz ihrer siebenundsechzig Jahre bisher nicht fertiggebracht hatte, in Rente zu gehen, waren aber ihre Stammkunden. Gerade kam Herr Renner herein. Sie und er waren aus dem gleichen Holz geschnitzt. Er war auch hart im Nehmen und beschwerte sich nie. Zwei Herzinfarkte in den letzten drei Jahren, ein lädiertes Knie und wetterbedingte Gelenkschmerzen hielten den Mitte-achtzig-Jährigen nicht davon ab, sich jeden Morgen noch vor dem Frühstück seine Zeitung zu holen. Ein wandelndes Vorbild. Heute eher ein hinkendes. Er ging am Stock und verbiss sich sichtlich eisern die Schmerzen.
»Morgen, Frau Seibold. Was für ein Sauwetter heut’, aber was einen nicht umbringt …«, scherzte er.
»Sie sagen es«, gab sie mit herzlichem Lächeln zurück. Die Frankfurter Allgemeine und die Bild zwecks Ausgewogenheit holte er sich jeden Morgen, obwohl er sich sicherlich auch ein Abo mit postalischer Zustellung leisten konnte. Er war allein, genau wie sie. Vermutlich hing er an ihrem morgendlichen Plausch. Routinen gaben einem im Alter Halt. Heike schnitt in Windeseile den Stapel auf und zog die beiden Zeitungen heraus.
»Dass sich der nicht mal die Augenbrauen trimmen lässt«, sagte Renner unvermittelt. Erst als sie seinem Blick auf den Boden folgte, wurde ihr klar, dass er Prinz Charles damit meinte. Das waren keine Brauen mehr, sondern Büsche, die ungebändigt über dem royalen Augenpaar wuchsen. Heike lachte und reichte Herrn Renner die beiden Zeitungen. Das Geld hielt er wie fast jeden Morgen bereits abgezählt in der Hand.
»Also wenn ich die Camilla wäre. Ich würde ihn zum Friseur schicken«, sagte Renner wenig überraschend. Er sah ja jeden Morgen aus wie aus dem Ei gepellt. Selbstdisziplin sei das A und O – Renners Worte. Recht hatte er.
»Ab morgen darf ich dann wieder zum Bahnhof marschieren. Wird mir aber guttun. Bewegung«, knirschte er sicher in Anspielung auf ihren Urlaub. »Und Sie fahren wirklich nicht weg?«, fragte er dann noch.
»Zu viel zu tun.«
»Sie sollten nicht so viel arbeiten. Lassen Sie doch einfach alles liegen und stehen. Mal die Seele baumeln lassen – aber ich weiß schon. So einfach ist das nicht. Muss man erst wieder lernen. Ach, Sie sind ja bald in Rente. Dann lernt man das.«
Heike nickte einsichtig, auch wenn sie die rein theoretische Einsicht nicht dazu führen würde, seinem Rat zu folgen.
»Was red ich für dummes Zeug. Ich fahr ja auch nicht weg. Meine Tochter wollte mich in so einen Bus verfrachten. Kaffeefahrt an die Nordsee. Stellen Sie sich das mal vor. Einmal gemacht und nie wieder. Da wird doch nur über Krankheiten geredet, und was will ich mit einem Schaffell?« Er guckte so empört aus der Wäsche, dass Heike erneut unwillkürlich lachte.
»Es soll hier die ganze Woche regnen. Sie sind noch jung. Brauchen keinen Stock. Vielleicht hat Ihre Tochter mehr Zeit als meine. Last minute. Ist kostengünstig.«
»Ich überleg’s mir«, versprach sie ihm, allerdings mit gedanklich gekreuzten Fingern hinter dem Rücken, denn Sandra, ihre Tochter, hatte so gut wie nie für sie Zeit.
»Na also. Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub. Und kommen Sie mir ja gesund wieder«, verlangte er, faltete seine Zeitungen und steckte sie in die Seitentasche seines Regenmantels. Er verabschiedete sich wie jeden Morgen mit einem aufmunternden Lächeln. Es war so bezaubernd, dass es aus einem bisher miesen Tag im Nu einen potenziell guten machte.
»Urlaub. Ich und Urlaub«, sagte Heike mehr zu sich. Und allein schon mal gar nicht.
Wer Instagram nutzte, durfte keine Katzenallergie haben. Sandra hatte medizinisch betrachtet keine. Diese war eher im Kopf entstanden. Ganz schleichend. Nun tauchten die Miezen auch schon neben Weinflaschen auf. Bücher, Kosmetik, Klamotten – na schön. Feminin. Katzen und Frauen – eine Einheit. Irgendwie assoziativ näher dran als an Alkohol. Und wie die Katze den roten Burgunder auf diesem Posting anhimmelte. Als wäre es Katzenfutter. Das Foto war von einer Followerin, die schon vier edle Weine von ihr bestellt hatte. Eine von inzwischen zweihunderteinundfünfzig, die online über den virtuellen Ladentisch gegangen waren. Daher sei es ihr verziehen. Sandra schloss die App, befestigte ihr Smartphone auf dem vor ihr stehenden Stativ und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Was nahm man nicht alles in Kauf, um sich als Influencerin langfristig einen Namen zu machen! Und wie das anstrengte. Es reichte ja nicht, regelmäßig irgendeinen ihrer edlen Weine ins Netz zu stellen. Schön drapieren, Deko drum herum – am besten Geäst, Reben, Moos und Früchte. Öko und Nature sells. Seit gut zwei Monaten war ihre Weinhandlung zum Fotostudio mutiert. Zwei Scheinwerfer, jede Menge Tücher für diverse Backgrounds und Reflektoren auf Stativen zierten eine Ecke ihres Büros. Der Begriff »Weinhandlung« traf es allerdings auch nicht mehr so ganz, denn dummerweise hatte Jürgen nach ihrer Scheidung die Stammkundschaft und die jahrelang aufgebaute Lieferkette gleich mit abgezogen. Beim Gedanken daran fiel es Sandra schwer, sich mit Hingabe der Deko ihres exquisiten toskanischen Primitivo aus den Restbeständen zu widmen und noch einmal hier und da an den Plastiktrauben zu zupfen oder sich rückzuversichern, dass das Glas vor der Flasche auch wirklich streifenfrei glänzte. Social Media waren die einzige Möglichkeit, sich schneller als im Wein-Business üblich einen Namen zu machen und den Onlinehandel anzuheizen. Da konnte man so tun, als ob man von Wein eine Ahnung hätte. Angelesenes mit etwas Fantasie mischen und ebenso Ahnungslose dazu ermuntern, sich auch ohne Katze im Bild ein paar Flaschen guten Weins zu bestellen. Leider gingen die wirklich edlen Tropfen zur Neige – Teil ihrer Abfindung nach der Trennung von ihrem Mann. An exklusivere Weine, die man nicht in jeder Weinhandlung und schon gar nicht im Supermarkt bekam, war schwer heranzukommen. Sandra verdrängte diese Gedanken, knipste das Motiv mit ihrem Smartphone und befand ihr Werk für gelungen. Dann schaltete sie die Frontcam ein. Nun hieß es, sich ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und mit verführerischer Stimme loszulabern. Der Spickzettel, auf dem all die Eigenschaften dieses Primitivo standen, klemmte am Stativ. Die Kamera diente zugleich als Spiegel. Schminke passte. Tele statt Weitwinkel, damit die Pausbäckchen nicht zu Hamsterbäckchen wurden. Das schulterlange blonde Haar glänzte nach der Spülung, und der Lippenstift war konturgenau aufgetragen. Perfekt! Das Doofe an diesen Videos war, dass man während der Aufnahme gut drauf sein musste, um den Followern pures Glück zu vermitteln. Ein angetackertes Breitmaulfroschgrinsen war schon zur Routine geworden. Sandra wusste, dass sie flippig, voller Energie, um nicht zu sagen manisch wie auf Droge, und so positiv gestimmt sein musste, dass sämtliche dunkle Materie dieser Welt in ein Paralleluniversum floh. Ihre Mundwinkel hingen momentan aber so schlaff herunter wie die Lefzen des Nachbarhundes, eines uralten Boxers.
»Test, Test«, sagte sie dann mit angeschlagener Stimme. Sandra schaltete das Handy wieder aus. Vielleicht vorher ein klitzekleines Schlückchen von diesem Dreizehnprozenter, um die quälenden Gedanken zu vertreiben und den Kreislauf anzuregen? Teurer Wein. Der war als Medizin zu schade. Die Flasche blieb daher zu. Sandra horchte in sich hinein. War es etwa der Frust beim heutigen Gang auf die Waage gewesen, der so stark nachhallte? Der Blick in den gut geleerten Keller? Das gestrige Telefonat mit ihrer ehemaligen Arbeitskollegin aus dem Schuhladen, die sie ernsthaft gefragt hatte, ob sie wieder als Buchhalterin arbeiten wolle? Ihre Kollegin wusste ja, dass es nicht gut um Sandras Weinhandlung stand. NEIN! Der wahre Grund fiel ihr augenblicklich ein. Schluckspechtle22 war’s. Sah so aus wie Jürgens Neue. Jung, schlank und knackig. Mit der kurvte er jetzt bestimmt wie früher mit seiner Frau durch die Toskana und kaufte seiner Ex die besten Weine vor der Nase weg. Reiß dich zusammen!, sagte sie sich. Ist ein Jahr her. Zwei Jahre, seit du ihn mit der Schlampe im Bett erwischt hast. Mist! Der Gedanke an diese Zeit, die ja angeblich alle Wunden heilte, erwies sich als kontraproduktiv, hatte er ihr doch just wieder dieses Bild ins Gedächtnis katapultiert. Sandra beschloss, die Aufnahme des Videos zu verschieben, bis sie wieder aufgedreht strahlen und von ihrem lausigen Restbestand an Spitzenweinen schwärmen konnte. Urplötzlich wurde es hell im Büro. Sandra drehte sich um und stellte mit Erleichterung fest, dass es aufgehört hatte zu regnen. Ein Sonnenstrahl fiel herein. Ihr war jetzt nach etwas Süßem. Wie praktisch, dass Mamas Laden nicht weit weg war.
Rund um die Uhr geöffnet gab’s bei Heike nicht. Das war ja jetzt in Mode, am besten noch bis zwanzig Uhr. Den ganzen Tag im Laden zu stehen, da machten die Füße nicht mehr mit. Von eins bis halb drei zu schließen, wie es die meisten kleineren Läden in ihrem Viertel praktizierten, ging leider auch nicht. Heike würde ihre persönlichen Highlights des Tages verpassen, und das waren zweifelsohne die Kinder. Der Unterricht in der Grundschule nebenan ging bis eins, und nicht wenige der ABC-Schützen schneiten danach bei ihr herein, um sich Schulsachen oder Süßigkeiten zu kaufen. Die Kleinen waren so putzig und konnten einem richtiggehend ans Herz wachsen. Auch dabei gab es Stammkundschaft. Die kleine Elena zum Beispiel. Sie kam jeden Dienstag und Freitag, um den Lottoschein für ihre Mutter zu bezahlen. Irgendwie erinnerte Heike die Kleine an Annika, die Freundin von Pippi Langstrumpf. Ein helles Köpfchen und, Heikes Ansicht nach, ziemlich reif für ihr zartes Alter.
»Die Lisa ist heute geschminkt zur Schule gekommen. Frau Maulbeck hat sie geschimpft. Und die Jungs gleich mit dazu. Die sagen nämlich jetzt Barbie zu ihr.« Wie immer erzählte Elena ihr von ihrem Schulalltag. Das belebte die Seele und erinnerte Heike an ihre Jugend. Irgendwie hatte sich da gar nicht so viel verändert, dachte man sich Smartphones und den ganzen Social-Media-Unsinn einmal weg. Beides trug nicht zur Erhellung von Kinderseelen bei.
»Ist sie denn auch blond, diese Lisa?«, fragte Heike, während sie die Lottoscheine am Terminal einscannte und dann die Belege druckte.
»Nein. Die hat die gleiche Haarfarbe wie ich. Und der rosa Lippenstift hat nicht einmal zur Farbe ihrer Fingernägel gepasst«, mokierte sich die Kleine. Sie war so hübsch, dass sie sich im Erwachsenenalter wahrscheinlich nie zu schminken brauchte. Griechisches Blut. Das sorgte für ausdrucksstarke große braune Augen und dunkles Haar. Eine richtige Schönheit.
»Und wieso macht sie das? Was denkst du?«
»Instagram.«
»Bist du da auch?«
»Mama sagt, das ist für Menschen, die sich klein fühlen. Ohne Selbstwertigkeitsgefühl oder so.«
»Da hat deine Mama aber wirklich recht«, erwiderte Heike schmunzelnd, weil sie sich über Elenas Verwurstelung vom »Selbstwertgefühl« amüsierte. Während Heike der Kleinen die Quittungen aushändigte, musste sie unwillkürlich an Sandra denken. »Klein fühlen« war seit der Scheidung ihrer Tochter ja noch weit untertrieben. An manchen Tagen passte ihre Tochter in ein Schnapsglas. Konnte man den Teufel nicht nur herbeireden, sondern auch herbeidenken? Sandra war im Anmarsch, wie Heike durch das Schaufenster sehen konnte, und dann klingelte es auch schon an der Ladentür. Herein kam eine »Lisa« in Groß und eine recht füllige noch dazu.
Elena wurde auch auf sie aufmerksam. Ihr Blick sprach Bände. Sie dachte sicherlich das Gleiche und wie recht ihre Mutter in Sachen »Selbstwertigkeitsgefühl« wohl hatte.
»Magst du eine Lakritzschnecke?«, fragte Heike die Kleine.
Elena nickte begeistert.
»Für mich auch«, verlangte Sandra, die sich zu Elena an den Tresen gesellt hatte und ihren Blick über die dort drapierten Süßigkeiten wandern ließ.
Elena starrte die überschminkte Frau nahezu fassungslos an, was Sandra sichtlich unangenehm war.
»Ist irgendwas?«, fragte Sandra etwas pampig.
Elena nahm kommentarlos ihre Quittungen, die Schnecke und biss erst einmal hinein.
»Danke, Frau Seibold.«
»Bis Dienstag.« Elena ging, nicht ohne sich noch einmal nach Sandra umzudrehen. Die wirkte nun etwas pikiert. Heike reichte ihr gleich zwei Lakritzschnecken.
»Ich weiß, warum ich keine Kinder habe. Wie die mich angestarrt hat. Unverschämt«, sagte Sandra, nachdem Elena den Laden verlassen hatte.
»Ach, wir haben gerade über eine Schulkameradin gesprochen, die sich schminkt. In dem Alter!« Das mit Instagram ließ Heike lieber weg.
»Na und? Was ist so schlimm daran?«
»Das Alter.«
Sandra kaute hektisch auf der Lakritzschnecke herum.
»Elena findet das doof. Ach, die Kleine ist total süß«, schmachtete Heike. In dem Moment wurde ihr schmerzlich bewusst, dass ihr Traum, eines Tages Enkelkinder zu haben, dank ihrer Tochter ja geplatzt war. Mit zweiundvierzig war der Zug für Sandra abgefahren, und einen Mann wollte sie ja auch keinen mehr.
»Allein schon, aber im Rudel. Die Wohnung in der Einflugschneise wäre wahrscheinlich ruhiger gewesen. Ich bin jeden Tag um halb sieben wach. Kinder müssen eingebaute Verstärker im Rachen haben«, beschwerte Sandra sich.
Heike wusste, dass sie vom Kindergarten gegenüber ihrer Wohnung sprach.
»Ein Glück, dass nicht alle so denken wie du. Die Menschheit würde sonst aussterben.«
»In Würde zu leben hat was. Geht mit Kindern nicht.«
Heike wusste nicht so recht, worauf ihre Tochter hinauswollte.
»Kann sich heutzutage doch eh keiner mehr leisten. Kinder. Entweder du bist stinkreich oder ernährst dich mit fleißiger Nachwuchsproduktion vom Sozialamt.«
»So gesehen …«, stimmte Heike zu, denn Ähnliches hörte sie oft genug von ihrer Kundschaft in Sandras Alter.
»Ich glaub, ich brauch noch was Süßes«, jammerte Sandra und schielte schon auf die Auslage mit den Plombenziehern.
»So schlimm?«
»Nachzahlung ans Finanzamt. Schleppende Geschäfte, und der großzügig überlassene Weinkeller ist bald leer.«
»Na, dann füll ihn halt auf. Hast doch schon Stammkundschaft.« Fleißig war sie ja, ihre Sandra, nur schien sie ihre Energie seit der Trennung von Jürgen falsch zu kanalisieren. Zehn Kilo mehr vor allem nördlich und südlich der Hüfte in nur einem Jahr kamen erschwerend hinzu – im wahrsten Sinne des Wortes. Daher war Heikes Widerwille groß, ihrer Tochter den karamellgefüllten Schokoriegel zu reichen.
»Die Firmen sind weg. Die ganzen Geschenke für Angestellte, Incentives, Geburtstage, Feiertage. Futsch. Damit haben wir gut verdient. Eigentlich sind so ziemlich alle Großkunden weg.«
»Jürgen.« Heike ließ es aus Solidarität mit ihrer Tochter wie einen Fluch klingen. Sie wusste ja, dass Sandras Ex auch für die Scheidung von ihrem Kundenstamm gesorgt hatte. Sandra riss daraufhin den Schokoriegel auf und biss kräftig hinein. Nervennahrung. So wahnsinnig viele Endorphine schien die Zuckerpampe im Moment aber nicht auszuschütten, denn Sandra ließ sich kraftlos auf einen der beiden Hocker neben dem Taschenbuchständer nieder.
»Du hast doch hoffentlich noch etwas Geld vom Hausverkauf übrig?«, fragte Heike besorgt nach. Sie erinnerte sich nur allzu gut an das damalige Scheidungsdrama. Das Übliche beim Verkauf des trauten Heims im Falle einer nicht gütlichen Trennung. Da freute sich die Bank, wenn das Hypothekendarlehen gegen fette Vorfälligkeitsentschädigung ausgelöst werden musste. Nach dem Kauf ihrer Zweizimmereigentumswohnung müsste sie aber noch mindestens dreißig Riesen haben.
»Nützt nur nichts. Die Händler von früher hab ich doch schon alle kontaktiert. Haben mich abgewimmelt. Rate mal, warum.«
»Jürgen.« Heike musste diesmal nicht nur ihrer Tochter zuliebe fluchen.
»Halb Italien ist ein Weinanbaugebiet. Dann fahr halt runter, und besorg dir andere Lieferanten«, forderte sie Sandra auf.
»Ich weiß ja nicht mal, welche Weine aus welchem Gebiet besonders gut sind, und schon gar nicht, wo die besten Reben wachsen. Ich war mit ihm ein paarmal in der Toskana, und bei den Händlern, die ich kenne, krieg ich keinen Fuß mehr in die Tür. Dafür hat er gesorgt. Exklusivverträge.«
»Probier die Weine vor Ort. Hör dich um.« Heike verdrehte die Augen. Manchmal brauchte ihre Tochter einen Tritt in den Hintern. War schon früher in der Schule so gewesen.
»Weil ich ja auch so gut Italienisch spreche«, kam es prompt zurück.
»Die Italiener verstehen dich auch mit Händen und Füßen, und viele sprechen Deutsch oder Englisch. Die meisten Händler doch auch, oder? Die haben doch deutsche Kundschaft«, wandte Heike ein.
Sandra war in den letzten Minuten bereits um mindestens weitere zehn Zentimeter in sich eingesunken. Dieses Selbstmitleidsgehabe machte Heike von jeher aggressiv. Ihr Blick streifte die Reisemagazine. Darin war doch auch dieses Wein-Special über Apulien. Angeblich seien die Region und ihre Weine im Kommen. So viel hatte sie beim Überfliegen des entsprechenden Artikels bereits mitbekommen. Kurzerhand schnappte Heike sich ein Exemplar und drückte es Sandra demonstrativ in die Hand, aber erst, nachdem ihre Tochter wieder die Finger sauber geschleckt hatte.
»Apulien? Ist das nicht in der Türkei?«
»Quatsch, das ist die Stiefelhacke.«
»Aber dort ist doch die Mafia!«
»Die ist in Kalabrien und auf Sizilien, und glaub mir, die verkaufen keinen Wein.«
»Aber ich kann doch nicht einfach da runterfahren …«
»Doch. Ich leih dir mein Auto.«
»Das sind doch bestimmt über tausend Kilometer. Ich bin schon ewig keine so langen Strecken mehr gefahren, und du weißt doch, meine Augen. Die brennen nachts wie Feuer.« Den Einwand ließ Heike gelten. Dass ihre Tochter nachtblind war, wusste sie. Die sicherste Fahrerin war Sandra ohnehin nicht. Hatte sich immer von ihrem Ex-Mann rumkutschieren lassen und sich seit ihrer Scheidung mangels Finanzen keinen eigenen Wagen mehr zugelegt. Besser so, denn wenn der Zeiger des Tachos über fünfzig schoss oder sie auf der Autobahn in die Verlegenheit kam, jemanden überholen oder zwischen zwei Lkws ausscheren zu müssen, geriet sie in Panik. Heike hatte das an der Seite ihrer Tochter bereits auf einer gemeinsamen Fahrt zu IKEA erlebt. Heike dagegen machten lange Autofahrten nichts aus.
»Jürgen war nie in Apulien, oder? Soll er doch seine Weine aus der Toskana haben. Du holst dir was Besseres.« Heike hielt dieses Argument für einen guten Köder.
Sandra nickte, aber zu wehleidig.
»Dann fahren wir eben zu zweit. Ich hab ab morgen Urlaub«, schoss es unvermittelt aus Heike heraus. Jetzt oder nie! Zeit mit Sandra. Ein idealer Anlass. Sie hatte zudem Herrn Renners Worte im Ohr. Urlaub in Italien. Warum nicht?
»Du willst mit mir nach Italien fahren?« Es klang so, als hätte Heike gerade vorgeschlagen, mit ihr eine Expedition zum Himalaja zu unternehmen.
»Geh heim, und pack schon mal. Morgen früh um sieben geht’s los.« Heike fackelte nicht mehr lange und hoffte, dass Sandra spurte.
»Mama?!«
Heike fragte sich gerade selbst, ob sie noch alle Tassen im Schrank hatte. Ihr Blick verfing sich erneut auf der Titelseite mit diesen schnuckeligen Häusern. Trulli hießen die. Und die Landschaft da unten – ein Traum. Zwei Küsten, eine im Westen, eine im Osten, und dazwischen Weinberge und Olivenhaine. Zumindest stand das so in dem Beitrag.
Sandra schien wieder um ein paar Zentimeter gewachsen zu sein. Sicherheitshalber reichte Heike ihr ausnahmsweise noch einen Schokoriegel. Oder sollte sie ihr gleich die ganze Schachtel geben? Die Glückshormone mussten schließlich bis morgen früh anhalten.
»Na ja …« Sandra wand sich wie ein Wurm. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie dem Vorschlag ihrer Mutter zustimmen würde.
»Also?«
»Und die haben dort wirklich guten Wein?«
Blöde Frage. Heike schlug das Magazin auf und hielt ihr die Aufnahme von den fett mit Trauben bewachsenen Weinstöcken auf sanften Hügeln hin.
»Schon um sieben?«
»Die Fahrt ist lang, und du bist nachtblind.«
Sandra schnappte sich den Schokoriegel.
»Na gut. Morgen um sieben. Darf ich das Magazin mitnehmen?«, fragte Sandra.
Heike drückte ihr die Zeitschrift in die Hand. Apulien. Mit Sandra. Heike konnte es selbst noch nicht fassen.
Mit Mama nach Italien? Was für eine Schnapsidee! Und das war noch das Harmloseste, was Sandra durch den Kopf geschossen war, als sie den Laden ihrer Mutter verlassen hatte. Auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung war sie sich wie ferngesteuert vorgekommen, geprägt von den schönen Fotos in diesem Reisemagazin und natürlich von Mamas vehementer Aufforderung, die im Grunde genommen überzeugender nicht sein konnte. Schließlich mussten neue Lieferanten von exzellenten Weinen her. Sie verkaufte schließlich nichts für den Massenmarkt, sondern baute sich eine Klientel auf, die das Besondere suchte. Trotzdem kam Sandra sich vor wie Mamas Marionette. Und die hatte sich gleich nach der Rückkehr in ihre Wohnung den großen Reisekoffer vom Schrank geholt, sich neben ihn auf das Bett gesetzt und eine gute Viertelstunde darauf gestarrt, um den Koffer schlussendlich wieder zurückzustellen. Mittlerweile lag er jedoch fast fertig gepackt erneut auf dem Bett. Sandra tigerte trotz der vor einer Stunde getroffenen Entscheidung, die Reise anzutreten, in ihrer Wohnung auf und ab und suchte nach allen möglichen Argumenten, die dagegensprachen. Was, wenn sie unterwegs für ihre Kundschaft nicht erreichbar war? Ab und an kamen dringende Bestellungen übers Internet rein. Da unten an der Stiefelhacke wimmelte es sicher nur so von Funklöchern. Ausrede! Sandra erinnerte sich daran, erst kürzlich gelesen zu haben, dass Deutschland die Funklöcher hatte, nicht Italien. Ihr Tarif beinhaltete zudem Roaming, und das Kilo mehr für das Notebook fiel im wahrsten Sinne des Wortes nicht ins Gewicht. Die Suche nach Argumenten, die dagegensprachen, verlor an Fahrt, denn eines wusste Sandra sicher: So ein paar schöne Bilder in traumhafter Landschaft, am besten inmitten prächtiger, mit Reben behangener Weinstöcke, das verkaufte sich auf Instagram noch besser als ihre Studiodeko und angelesenes Expertengelaber über die Geschmacksnoten eines ihrer Weine. Vor Ort sein. Das kam bestimmt gut an. Dieser Gedanke hatte schließlich den Ausschlag gegeben, sich auf das Abenteuer mit Mama einzulassen. Schminksachen nicht vergessen! Ungeschminkt im Weinberg. Das ging gar nicht.
Gegen Abend, nachdem sie ihr heutiges Video gepostet, die Kommentare gelesen, gelikt und mit Herzchen versehen hatte, stellte sich urplötzlich ein schlechtes Gewissen ein. Urlaub mit Mama? Zeit mit ihr zu verbringen? War doch sowieso überfällig. Haste lange nicht gemacht, weil du viel zu sehr mit dir selbst beschäftigt warst. Zeit mit Mama? Wann zuletzt? Gab’s denn da nicht auch viele schöne Momente?
Das Asia-Schnellgericht war im Magen, der Schokoriegel in der Hand und das Fotoalbum aus ihrer Kindheit nun auf dem Schoß. Dazu lief »All that she wants« von Ace of Base – einer der Titel aus ihrer Neunziger-Playlist. Die passte perfekt zu den Aufnahmen. Der erste Tanzkurs. Mein Gott, warste da noch schlank. Jürgenfreie Zone. Eine glückliche Zeit. Kino, Disco, Clique, See, Grillen, Fahrradtour, Picknick auf der Wiese und der letzte Urlaub mit Mama und Papa auf Gran Canaria – auch der letzte für Papa. Im gleichen Jahr hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Sandra erinnerte sich noch genau daran, dass sie eigentlich gar nicht mehr hatte mitfahren wollen. Mit fünfzehn fuhr man doch nicht mehr mit den Eltern in den Urlaub. Sie hatte sich fast dafür geschämt. Luxus war das keiner gewesen. Ein Billighotel. Und Extras nur vom Taschengeld. Nun gut, ihre Eltern waren damals nicht in Geld geschwommen, trotzdem hatten sie Sandras Ansicht nach zu spartanisch gelebt. Sich nichts gegönnt. Und das alles für diesen Laden. Wie schön war dieser letzte gemeinsame Urlaub dennoch gewesen. Die Ausflüge in die Bergwelt. Die Fahrt mit dem Boot zum Delfin-Watching. Jedes einzelne Foto, auf dem ihre Eltern und sie selbst strahlten, grub längst vergessene Gefühle aus ihrem Innersten aus. Und das waren Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit. Zurückbeamen ging leider nicht. Wann hatte sie aufgehört, sich bei Mama – sah man von den üblichen Streitereien in der Pubertät mal ab – pudelwohl zu fühlen? Jürgen. Hausbau. Die eigene Weinhandlung. Papas Tod. Viel unterwegs gewesen. Nur noch an sich gedacht. Das Leben genießen. Fürs Cabrio verschulden. Sandra bereute insbesondere ihren an Jürgens Seite gewachsenen Hedonismus. Sie legte das Album zur Seite, schenkte sich einen Schluck vom roten Tafelwein ein, der hoffentlich müde machte, denn morgen musste sie früh raus. Typisch Mama. Entschied einfach über ihren Kopf hinweg. Wie früher. Ein weiterer Schluck spülte auch diesen Gedanken herunter. Mach dich nicht verrückt. Ist ’ne Geschäftsreise. Mama und dir wird’s sicher auch guttun. Der dritte und letzte Schluck besiegelte den eben ans Universum erteilten Auftrag.
Für eine Geschäftsfrau sollte es eigentlich kein Problem sein, mal etwas früher aufzustehen. Sandra hingegen hatte heute Morgen ausgesehen wie durch den Fleischwolf gedreht. So eine Weinhandlung machte schließlich erst um zehn auf. Angeblich hatte sich früher vor elf sowieso niemand von der Kundschaft blicken lassen, und selbst auf ihrem Instawahn-Kanal trudelten die ersten Likes oder Kommentare nur selten am frühen Morgen ein. Bei der Art ihres Accounts war das kein Wunder, denn wahrscheinlich mussten erst einmal alle ihren Rausch ausschlafen. Das Kind hatte glatt bis kurz vor dem Gotthardtunnel geschlafen – dabei allerdings auch nichts verpasst, denn die Strecke über Basel bot entlang der Autobahnstrecke keine sonderlichen Highlights. Heike hatte die Zeit genutzt, um sich mit einer selbst gebrannten CD ihrer Italo-Classics auf Bella Italia einzustimmen, auch wenn die herzerfrischende Musik nicht zum wolkenverhangenen Himmel passte, der erst kurz vor dem Gotthardtunnel aufklarte. Die Sonne kam raus und kitzelte ihre Tochter sanft wach. Sandra rekelte sich auf dem Beifahrersitz und blinzelte aus verquollenen Augen in die reale Welt. Als sie sich zu ihr drehte, zuckte sie leicht zusammen. Anscheinend konnte sie es noch gar nicht so recht glauben, mit ihrer Mutter nach Italien zu fahren. Heike erging es ähnlich.
»Alles klar?«, fragte Heike.
Sandra nickte wenig überzeugend. »Wo sind wir?«, krächzte sie.
»Schweiz.«
Sandra rappelte sich wie in Zeitlupe hoch und blickte aus dem Fenster.
»Stullen und Wasser sind in der Kühlbox hinter dem Sitz. Kaffee ist in der Thermoskanne.« Heike erinnerte sich an die Zeit, als Sandra noch bei ihr zu Hause gewohnt hatte. Vor der ersten Tasse Kaffee war sie nicht ansprechbar gewesen.
Sandra brummelte, wälzte sich unter größter Kraftanstrengung zur Seite und pfriemelte erst einmal einen Plastikbecher und die Thermoskanne hervor, aus der sie sich etwas einschenkte.
»Die Sonne lacht. Bald sind wir am Lago Maggiore. Ist das nicht herrlich?«, frohlockte Heike.
Erfreut klangen die weiteren Brummlaute ihrer Tochter nicht. Heike bekam aus dem Augenwinkel aber mit, dass Sandra sich schluckweise zurück ins Leben trank.
»Das Lied kenn ich«, ertönte dann. Auch in Sandras Beine war wieder Leben gefahren. Die wippten im Takt zu »Felicità«.
»Wusstest du, dass Al Bano ein Weingut in Apulien hat? In der Nähe von Brindisi.«
»Al Bano?« Heike machte sich in dem Moment klar, dass Al Bano & Romina Power wohl vor Sandras Zeit gewesen sein musste. »Von dem ist der Song. Der war mal richtig berühmt. In ganz Europa«, erklärte Heike.
»Echt jetzt?«
»Sohn einer Winzerfamilie. Führt dort noch ein Hotel und ein Restaurant. Wein ist seine große Leidenschaft.«
»Woher weißt du das?«
»Aus ’ner Doku über Apulien. Hab ich mir gestern noch reingezogen.«
»Spitzenweine?«, hakte Sandra gleich nach.
»Wahrscheinlich zu Spitzenpreisen. Mit Promi-Aufschlag«, überlegte Heike laut.
Sandra seufzte. Die belebende Wirkung des Kaffees schien sich schneller als erwartet zu verflüchtigen.
»Vielleicht sollte ich wirklich wieder in der Buchhaltung arbeiten. Wie früher.«
»So ein Unsinn.«
»Und wenn wir keine guten Weine kriegen? Ich kann schließlich kein Vermögen investieren. Das Konto hat sich ausgedünnt. Ich leb seit Monaten von Reserven, Mama.«
»Da geht es dir so wie mir. Mit etwas Glück schaffst du das.«
»Glück!«, spottete Sandra.
»Jeder ist seines Glückes Schmied.«
»Du weißt, dass ich handwerklich nicht so begabt bin.«
»Du hattest schöne Jahre, auch wenn deine Ehe nicht gerade rühmlich endete.«
»Und wer sagt, dass ich ab jetzt wieder Glück hab?«
»Das musst du dir selbst sagen. Papa hatte schon recht. Die eine Tür geht zu. Dafür geht eine andere auf, aber den Türgriff musst du schon selbst in die Hand nehmen.« Heike hoffte, dass diese Lebensweisheit wirkte, denn auf Papa, Gott hab ihn selig, hatte ihre Tochter eigentlich immer gehört.
»Na ja, stimmt schon irgendwie«, meinte sie dann. Dass sich bei Sandra nun auch noch Appetit einstellte, wertete Heike als gutes Zeichen. Sandra fischte sich eine belegte Stulle aus der Kühlbox.
Heike überlegte, ob ihre Tochter schon immer so bequem und eher antriebslos gewesen war. In der Schule? Sie hatte fleißig gelernt. Auch später in der Lehre – keine Spur von Trägheit. Es war ihr doch immer alles zugeflogen, und was keine Flügel hatte, das hatte Papa ihr zukommen lassen. War es dann ein Wunder, wenn einen das erste richtige Problem – und ihre Scheidung war ein richtig massives Problem gewesen – aus der Bahn warf? Wer im Modern-Talking-Zeitalter in einer nahezu heilen Welt aufgewachsen war, dem fehlte es anscheinend an Antrieb. Aber Sandra war gottlob nicht allein unterwegs. Dann musste der Motor der Mama halt für die notwendige Bewegung sorgen.
Mein lieber Schwan! Die Schweizer Autobahn war wirklich top in Schuss. Da gab es nix zu meckern, aber mit Raststätten und somit Möglichkeiten, die Blase zu entleeren, geizten die Eidgenossen. Heike war nicht entgangen, dass Sandra schon seit gut einer Viertelstunde die Beine zusammenzwickte. Gotthard stand zwar unentwegt angeschrieben. Die Fahrt dorthin zog sich aber. Und das lag nicht daran, dass sie zu langsam fuhr, weil ihr alter Fiesta nicht mehr hergab. Ein kleiner Tunnel nach dem anderen. Nur der Gotthard kam nicht. Das schier endlose Grün nadelwaldgesäumter Berghänge konnte eine Blase mit Überdruck nicht wirklich besänftigen.
Erst kleckern und dann klotzen. Die Raststätte am Gotthard entpuppte sich als hypermoderner Riese mit ansprechender Architektur und allem Komfort, den man sich nur wünschen konnte. Ein Euro fürs Klo. Wucher! Sandra hatte angeblich kein Kleingeld zur Hand. Solange sie genug »Großgeld« dabeihatte, konnte Heike damit leben, denn weit kamen sie mit dem mageren Bestand in ihrem Geldbeutel in Italien sicher nicht. Im Restaurant musste sowieso schon die EC-Karte herhalten, zum einen, um die Barreserven zu schonen, und zum anderen, weil der Umrechnungskurs dann laut der Kassenkraft günstiger sei. Sandra hatte bereits einen sonnigen Platz im Außenbereich erspäht und war sogleich nach draußen gestürmt. Angeblich, um zu verhindern, dass jemand ihnen den sonnigen Platz vor der Nase wegschnappte. Dort waren doch noch so viele Tische frei. Aber auf diese Weise konnte sie sich vor dem Bezahlen drücken. Sandras Sprint zum Rand der sonnenschirmgepflasterten Terrasse hatte sich trotzdem gelohnt. Was für ein herrlicher Ausblick! Gleich daneben verlief ein Spazierweg vor einem rauschenden Fluss, über den sich eine Hängebrücke zum Fuß eines Berges spannte. Vermutlich war die Raststätte deshalb so gut besucht. Das war wie Urlaub vor dem Urlaub. Sandra schien diese Idylle ebenfalls zu genießen. Sie wirkte entspannt und nahm ihren Cappuccino und einen pappsüßen Nussplunder mit Wonne entgegen. Heike hingegen stärkte sich mit einem kräftigen Erbseneintopf.
Mit der Entspannung war es dann aber schlagartig vorbei, als eine Kleinfamilie mit einem schreienden Baby und einem Kleinkind in der Trotzphase keine zwei Tische weiter Platz nahm. Sandra gingen gleich die Augen über. Das Baby beruhigte sich, nachdem der junge Familienvater es aus dem Kinderwagen gehievt hatte und sanft tätschelte. Das schätzungsweise vierjährige Kind hingegen schrie die ganze Terrasse zusammen. Heike konnte ihrer Tochter ansehen, wie sehr sie litt. Prompt warf Sandra der Mutter des Schreihalses einen genervten Blick zu. Der wirkte, denn sie nahm das Mädchen auf den Arm und verzog sich mit ihm nach drinnen. Sandra atmete auf und fing endlich an zu essen. Heike ebenso. Warum versteifte sich ihre Tochter nun schon wieder? Wie ein Erdmännchen, das Gefahr witterte, kam sie Heike vor.
»Sag mal, ist der nicht etwas zu jung zum Trampen?«, fragte Sandra unwillkürlich. Sie blickte in Richtung eines Jungen mit Rucksack, der vor einem älteren Ehepaar stand, das offenbar nicht zu ihm gehörte. Bettelte der etwa um Geld? Wo um Himmels willen waren denn seine Eltern?
Die beiden grauhaarigen Eminenzen schüttelten einhellig den Kopf. Der Junge ließ sie stehen, sah sich für einem Moment suchend um und erspähte offenbar seine nächsten Opfer, die er, ohne mit der Wimper zu zucken, ansprach.
»Der will bestimmt Kohle«, mutmaßte nun auch Heike. Er war zwar recht klein, doch nach zweimaligem Hinsehen aus dem Grundschulalter raus. Das sah man an den Klamotten. Zu hip, und Babyspeck hatte er auch keinen mehr im Gesicht. Heike war gespannt, ob das zweite ältere Paar den Geldbeutel zückte. Nichts dergleichen geschah. Heike konnte aus der Distanz nicht vernehmen, welcher Art die Moralpredigt war, die sich der Junge anhören durfte, doch die abschließende Handbewegung ließ sich nur mit »Schleich dich!« interpretieren. Der Mann schüttelte noch den Kopf. Was wollte der Junge von diesen Leuten? Es konnte nur Geld sein. Mittlerweile stand er etwas ratlos da. Seine Schultern hingen sicher nicht, weil ihm der Rucksack mittlerweile zu schwer geworden war. Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke. Hübscher Kerl. Feine Gesichtszüge. Dunkles lockiges Haar und schöne dunkle Augen. Und die blickten wieder suchend umher. Anscheinend hatten ihn die jüngsten Abfuhren von älteren Herrschaften derart entmutigt, dass er es bei den nächsten Gästen dieser Generation gar nicht mehr versuchte. Er schlenderte in ihre Richtung, ohne sie jedoch ins Visier zu nehmen. Einen jungen Mann im Motorrad-Outfit ließ er links liegen. Eine Familie mit vier Kindern ebenfalls.
»Der scheint es nur auf ältere Leute abgesehen zu haben«, vermutete Sandra und sprach somit aus, was Heike sich dachte.
»Vielleicht braucht er Hilfe«, überlegte Heike laut. Wenn es um Kinder ging, auch wenn es größere waren, weitete sich sofort ihr Herz.
»Ich sag’s dir. Der will bestimmt nur Kohle für irgendeinen Scheiß«, mutmaßte Sandra.
»Also, ich frag ihn jetzt mal.«
»Was?« Sandra verschluckte sich fast an ihrem Cappuccino.
Heike winkte ihn prompt zu sich her. Und wie sich seine Miene da auf einmal aufhellte. Sandra schlang gleich das letzte Stück des Nussplunders in sich hinein, als ob sie Angst hätte, dem Jungen ein Stück davon abgeben zu müssen.
»Ich bin Heike, und das ist meine Tochter Sandra. Wir haben dich dabei beobachtet, wie du die Leute ansprichst.« Heikes direkte Art war ein Erfahrungswert im Umgang mit Jugendlichen, die sich bisher stets ausgezahlt hatte.
»Ich heiße Federico«, stellte er sich vor, nachdem er sich zu ihnen gesellt hatte.
»Brauchst du Hilfe? Sah irgendwie so aus.«
Der Junge schien für einen Moment zu überlegen, was Heike nun doch etwas irritierte.
»Bist du allein unterwegs? Und deine Eltern?«, fragte Sandra.
»Klassenfahrt. Aber der Scheißbus ist ohne mich abgefahren.«
»Was? Das gibt’s doch nicht«, entrüstete Heike sich.
»War aufm Klo. Hat länger gedauert. Ich kann halt nicht, wenn ich so früh am Morgen rausmuss. Die lassen einen nicht mal in Ruhe kacken. Und dann waren sie weg.«
Heike und Sandra tauschten entsetzte Blicke.
»Und wohin geht die Klassenfahrt?«
»Nach Italien«, rückte Federico dann heraus.
»Und wo genau nach Italien?«, hakte Heike nach.
»Puglia. Apulien.«
»Na. Das gibt’s doch nicht. Dort fahren wir auch hin«, entfuhr es Heike kopfschüttelnd.
Der Junge strahlte. Sandras Augen hingegen weiteten sich vor Entsetzen.
»Könnten Sie mich mitnehmen? Der Bus fährt ja die gleiche Strecke, und die fahren immer nur hundert max. Wenn Sie etwas schneller fahren, holen wir ihn bestimmt ein. Ist auch nicht zu übersehen. Knallrot mit weißer Schrift …«
Heike hielt den Vorschlag für bedenkenswert.
»Wie alt bist du?«, fragte Sandra argwöhnisch.
»Sechzehn«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Das deckte sich mit Heikes Einschätzung aufgrund der Art, wie er sprach und sich gab, obwohl er die Stimmbruchphase sicherlich noch nicht so lange hinter sich hatte. Vermutlich die Aufregung, sagte sie sich.
»Hast du ’nen Personalausweis? Ich meine, wir möchten keine Schwierigkeiten …«, hakte Sandra nach.
»Hab ich noch nicht beantragt. Und meinen Kinderausweis hat der Schneider. Unser Lehrer. Der hat die alle eingesammelt«, erklärte er.
»Kann der nicht zählen? Also unsere Lehrer haben früher auf Klassenfahrt nach Pinkelpausen immer im Bus abgezählt«, fuhr Sandra fort.
»Bio und Sport. Nicht der Hellste«, sagte Federico.
»Bist du Italiener? Dein Name klingt so …«, wollte Heike wissen.
»Ich nicht, aber mein Großvater.«
»Sprichst du Italienisch?«
»Nur ein paar Brocken. Ich hab meinen Vater und Großvater nie kennengelernt. Nehmen Sie mich jetzt mit?«
Der Junge hatte offenbar genug von der Fragerei. Heike konnte es ihm nicht übel nehmen. Sandra gab die Polizistin und stocherte schon lange genug in seinem Privatleben herum.
Sein fragender Blick wanderte zu Sandra, die nach wie vor wenig begeistert wirkte.
»Also ich hab das schon mal gelesen, dass auf einer Klassenfahrt ein Kind vergessen wurde«, versicherte Heike ihr.
Sandras üblicher Brummlaut folgte. Immerhin sah sie Federico nicht mehr so an, als ob er die Krätze hätte.
»Klar nehmen wir dich mit«, versicherte Heike ihm, doch erst als Sandra ebenfalls nickte, zeigte sich ein entspanntes Lächeln in seinem Gesicht.
»Könnten wir gleich gehen?« Sandra hatte es aber auf einmal eilig. Der Grund dafür erschloss sich Heike aus den Augenwinkeln. Der Schreihals war wieder im Anmarsch, und wie auf Knopfdruck legte die Kleine erneut los.
Federico verzog ebenfalls das Gesicht, als die Kleine anfing zu plärren. Damit schien er bei Sandra zu punkten, denn nun lächelte sie auch.
Mama hatte sich offenbar vorgenommen, den roten Bus auf alle Fälle noch vor der italienischen Grenze einzuholen. Der Fiesta röhrte bei Tempo hundertvierzig, und an den erhöhten Benzinverbrauch – seinetwegen – wagte Sandra gar nicht zu denken. Einmal mehr tanken. Mindestens.