In den Händen des Ritters - Mary Spencer - E-Book
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In den Händen des Ritters E-Book

Mary Spencer

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Beschreibung

Ihre Schönheit bringt sie in schreckliche Gefahr: Die Ritter-Romanze »In den Händen des Ritters« von Mary Spencer jetzt als eBook bei dotbooks. England im Jahre 1414. Viele Jahre lang war die schöne Amica of Lancaster eine Gefangene des grausamen Lord Duncan – nun gelingt ihr endlich die Flucht! Aber kann eine zarte junge Frau wie sie die gefährliche Reise zur Burg eines Verbündeten wirklich überleben? Doch Hilfe ist näher, als Amica denkt: der Ritter Sir Thomas nimmt sich ihrer an und schwört, sie in Sicherheit zu bringen. Langsam, ganz langsam fasst Amica, die unter Duncan Fürchterliches erleiden musste, Vertrauen zu Thomas … und mehr noch als das: Zum ersten Mal in ihrem Leben wünscht sie sich, dass ein Mann sie zärtlich berührt! Auch Thomas scheint sich nichts anderes wünschen, als sie glücklich zu machen – aber darf Amica ihm wirklich vertrauen? Und noch dazu hütet sie ein Geheimnis, das der Ritter niemals erfahren darf … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Historische Liebesroman »In den Händen des Ritters« von Mary Spencer. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 452

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Über dieses Buch:

England im Jahre 1414. Viele Jahre lang war die schöne Amica of Lancaster eine Gefangene des grausamen Lord Duncan – nun gelingt ihr endlich die Flucht! Aber kann eine zarte junge Frau wie sie die gefährliche Reise zur Burg eines Verbündeten wirklich überleben? Doch Hilfe ist näher, als Amica denkt: der Ritter Sir Thomas nimmt sich ihrer an und schwört, sie in Sicherheit zu bringen. Langsam, ganz langsam fasst Amica, die unter Duncan Fürchterliches erleiden musste, Vertrauen zu Thomas … und mehr noch als das: Zum ersten Mal in ihrem Leben wünscht sie sich, dass ein Mann sie zärtlich berührt! Auch Thomas scheint sich nichts anderes wünschen, als sie glücklich zu machen – aber darf Amica ihm wirklich vertrauen? Und noch dazu hütet sie ein Geheimnis, das der Ritter niemals erfahren darf …

Über die Autorin:

Mary Spencer, auch bekannt unter dem Namen Susan Spencer Paul, wollte seit ihrer Schulzeit Schriftstellerin werden. Zehn Jahre später gelang ihr der Durchbruch mit ihrem ersten historischen Liebesroman. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern in Los Angeles.

Von Mary Spencer erscheinen bei dotbooks auch:

»Verliebt in einen Viscount«

»Verliebt in einen Earl«

»Verliebt in einen Lord«

***

eBook-Neuausgabe Juni 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1996 unter dem Originaltitel »Honor« bei HarperCollins, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Wenn aus Verlangen Liebe wird« bei Bastei Lübbe.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1996 by Mary Spencer Liming

Published by Arrangement with Mary Susan Liming

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / anetta / oOhyperblaster / lunamarina / iLongLoveKing / biletskiyevgeniy.com/ O.S.

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-627-9

***

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Mary Spencer

In den Händen des Ritters

Roman

Aus dem Amerikanischen von Bettina Albrod

dotbooks.

Dieses Buch widme ich in tiefer Liebe der Erinnerung an eine Dame, die mir sehr am Herzen liegt und die ich meine zweite Mutter nennen durfte. Ich betrauere ihren Verlust mit jedem Tag mehr.

CAROL JUNE BOWDEN

15. Juli 1938–23. November 1994

Einer der großen Vorteile beim Schreiben ist der Umstand, dass man so viele nette Menschen kennen lernt, und in dieser Hinsicht habe ich besonderes Glück gehabt. Ich möchte mich bei ein paar sehr guten Freunden bedanken, die mir in den letzten Monaten geholfen haben, insbesondere nach Carols Tod.

Mein Dank gilt Suzy Winschel von B. Daltons, weil sie mich stets freundlich unterstützt hat, Vickie Denney, weil sie mich bei jedem Gespräch zum Lachen bringt und meine Vorliebe für Romantik teilt, und all meinen Bekannten von American Online, den reizenden Damen in der Schreibgruppe und jedem, der sich dorthin verirrt. Ich würde euch gerne alle mit Namen nennen, aber das wäre dann ein neues Buch.

Prolog

»Verzeihung, Mylord, aber der Aderlasser sagt, dass sie es nicht mehr lange machen wird. Wenn Sie sie noch einmal sehen wollen, müssen Sie jetzt kommen.«

Duncan Selwyrn, Lord of Sacre Placean, riss seinen faszinierten Blick von dem roten, zappelnden Körper seines neugeborenen Sohnes los, dessen Protestschreie angesichts seines ersten Bades durch den Raum hallten, und wandte sich seinem Kammerdiener zu.

»Ist der Priester fertig, Alfred?«

»Aye, Mylord.«

»Sehen Sie sich meinen Sohn an!« Duncan beobachtete, wie zwei Kindermädchen seinen Erben aus der Wanne hoben. »Ist er nicht großartig?«

»Ein kräftiger und gesunder Junge, Mylord.«

»Sie wollte mich besiegen«, fuhr Duncan fort und verschränkte die Hände auf dem Rücken, »aber am Ende habe ich gewonnen. Ich habe einen Sohn, und sie konnte nichts dagegen machen.« Er lachte leise. »Was für ein erfreulicher Gedanke. Sie ist eine törichte Frau, ist es immer gewesen.« Dann lächelte er breit. »Aber von heute an nicht mehr.«

Alfred antwortete nicht und trat beiseite, als sein Herr das Zimmer verließ. Dann folgte er ihm durch die Halle in ein entferntes Zimmer.

Der Arzt und der Priester traten vom Bett zurück, als der Lord eintrat, sodass der Blick auf eine junge Frau im Bett frei wurde.

Sie lag noch genauso blass und still da wie in dem Moment, als der Kammerdiener sie verlassen hatte, und als sein Herr auf sie zuging, zog Alfred sich in den Schatten an der Wand zurück.

Der Lord of Sacre Placean setzte sich aufs Bett und strich der Frau ein paar feine braune Haare aus der Stirn. Bei seiner Berührung schlug sie die Augen auf.

»Mein Sohn«, flüsterte sie. »Bitte.«

»Er ist gut versorgt«, antwortete Duncan. »Du brauchst seinetwegen keine Sorge zu haben.«

»Sorgen«, wiederholte sie, »ich habe in den letzten Monaten nichts anderes getan, als mich um ihn zu sorgen.« Zitternd sog sie den Atem ein. »Ich wünsche, dass Gott ihm gnädig ist und ihn auf der Stelle sterben lässt.«

Duncan lachte leise. »Gott hat dich an der Nase herumgeführt, du törichtes Weib. Du hast mir einen gesunden Sohn geboren, der noch lange weiterleben wird, nachdem du gestorben bist.«

Ihr nächster Atemzug war mühsam, und sie kämpfte darum, die Augen aufzuhalten.

»Lass mich ... meinen Sohn sehen ... bitte ... nur einmal ...«

Duncan streichelte sanft ihre Stirn. »Ehe du stirbst, Alys? Das werde ich tun, aber du kennst den Preis. Du musst mir verraten, wo sie ist.«

Mit einem schwachen Schluchzen schloss sie die Augen. »Nein.«

Er fuhr fort, sie sanft und beruhigend zu streicheln. »Dann wirst du sterben, ohne ihn einmal gesehen zu haben. Wie schade, Alys.«

Wieder schluchzte sie, und ein paar Tränen liefen ihr über die Wangen.

»Bitte.«

Sein Finger strich über ihre Schläfe. »Ich werde ihm sagen müssen, dass seine Mutter ihn nicht so dringend hat sehen wollen. Ich werde ihm sagen müssen, dass ihr Stolz ihr wichtiger war als er. Willst du das wirklich?«

Sie versuchte, seiner Berührung zu entkommen.

»Gott wird für ihn sorgen«, erwiderte sie mit tränenschwerer Stimme. »Und Gott wird Amica retten.«

»Dich hat Gott nicht gerettet«, wandte Duncan ein, »und er wird auch deine Schwester nicht retten, egal, ob du mir sagst, wo sie ist, oder nicht. Ich schwöre dir, ich werde Amica finden. Sag mir besser, was du weißt, statt stumm zu sterben, ohne je das Gesicht deines Sohnes gesehen zu haben.«

»Nein«, flüsterte sie, »du wirst sie nie finden. Ich habe ihr schweres Unrecht angetan, das will ich ihr nicht auch im Tod noch zufügen.« Mit einiger Mühe hielt sie seinem Blick stand. »Sie ist vor dir sicher, Duncan Selwyrn, dafür habe ich gesorgt.«

Duncan hielt inne, die Hand in der Schwebe über ihrer kühlen Wange. »Bist du dir sicher?«

Wieder holte sie mühsam Luft, ihre Augen schlossen sich, und ihre Worte klangen verwischt, als sie fortfuhr: »Du wirst sie nie finden. Du hast meinen Sohn, aber sie wirst du nie bekommen. Gott schütze ...«

Noch viele Tage danach sprachen alle im Schloss nur von der seltsamen und wütenden Reaktion des Lords auf den Tod von Lady Alys. Duncan Selwyrn war ein Mann, der seine Gefühle immer unter Kontrolle hatte; für seine unerschütterliche Ruhe war er ebenso bekannt wie für seine gute Herkunft, da er zu den ersten Familien Englands zählte und sich bis zu den Kelten zurückverfolgen ließ, die schon das Land besiedelt hatten, ehe die Römer kamen. Und doch hatte er geflucht wie ein Wilder, als Lady Alys starb, und beinahe einen der Stallburschen umgebracht, als sich herausstellte, dass Jennie, die Zofe Myladys, nur wenige Stunden vor dem Tod ihrer Herrin Sacre Placean verlassen hatte, ohne dass jemand wusste, wohin sie geritten war. Aber warum das den Lord so erzürnte, wusste sich keiner der Bediensteten zu erklären. Sie hatten nicht mit Jennie oder Lady Alys sprechen dürfen; die beiden Damen waren in den letzten Monaten oben eingesperrt gewesen, genauso, wie die andere Dame und ihre Zofe. Keiner im Schloss kannte sie besonders gut.

Es war alles sehr seltsam, aber diejenigen, die Lord Selwyrn kannten, wussten es besser, als lange hinter seinem Rücken zu tuscheln. Der Kammerdiener Alfred, der bei Myladys Tod dabei gewesen war, sprach einmal am Morgen danach über die Sache, als er in der Küche eine Schüssel Haferbrei aß. Alle Anwesenden scharten sich um ihn, um ja kein Wort zu verpassen. Aber in Wahrheit sagte er wenig, und nichts davon erklärte, warum der Herr so wütend geworden war.

»Sie 1st ganz plötzlich gestorben«, hatte Alfred gesagt und einen Löffel Brei in den Mund geschoben. »Ihr Tod war leicht und friedlich. Der Lord saß an ihrem Bett, und sie ist mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben. Es war ein zufriedenes Lächeln, friedlich. Und das ist alles.«

Kapitel 1

Nordenglands Küste, Frühjahr 1414

»Großvater? Großvater, kannst du mich hören?« Amica beugte sich über ihren Großvater und strich ihm sanft über die Stirn.

»Großvater?«

Mit einem ärgerlichen Murmeln wachte er auf und blinzelte sie an. »Mmmm?«

»Es tut mir leid, dich zu stören, aber ich muss zum Fluss gehen, und du hast noch nichts gegessen.«

»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte er. »Und du solltest nicht alleine zum Fluss gehen.«

»Ich weiß.« Amica schob die Hände unter sein Kissen, um ihm aufzuhelfen. »Du musst ein wenig von der Brühe zu dir nehmen, damit du wieder kräftig wirst. Komm jetzt.« Sie hob seinen schweren Körper an und schob ihm ein weiteres Kissen unter den Oberkörper. »Es dauert nicht lange. Bitte, Großvater.«

Er spitzte die Lippen, als sie ihm einen Löffel voller Brühe anbot, und wandte den Kopf ab. »Ich habe keinen Appetit, und nichts wird mich wieder kräftig machen.« Mit einiger Anstrengung hob er die Hand, um den Löffel zurück in die Schüssel zu schieben. »Lass mich in Frieden sterben.«

»Du wirst nicht sterben. Du wirst bald wieder gesund sein. Wenn du nur etwas essen würdest ...«

»Das macht keinen Unterschied, Amica«, erklärte ihr Großvater sanft, als er sah, wie sie die Lippen zusammenpresste. »Hör auf, dir etwas vorzumachen, und bereite dich darauf vor. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich dich nicht verlassen, aber nichts kann Gottes Willen aufhalten. Ich werde schon bald sterben, und du musst darauf vorbereitet sein.«

Amica senkte den Kopf und setzte die Schüssel auf dem Nachttisch ab.

Andrew Fawdry ergriff die Hand seiner Enkelin und drückte sie mit dem Rest Kraft, der ihm noch verblieben war.

»Es wird alles gut werden«, murmelte er. »Der König wird meine Nachricht erhalten und jemanden schicken, und dann bist du sicher. Selwyrn soll dich nie bekommen.«

Amica hob den Blick und sah ihn trotzig an. »Ich werde dich nicht alleine lassen. Und wenn der König seine ganze Armee schickt, ich bleibe bei dir!«

Andrew Fawdry lächelte schwach. »Es tut gut, dich so feurig sprechen zu hören, Mädchen. Ich habe Gott gebeten, dir Mut zu schenken, wenn ich nicht mehr bin.« Er wurde ernst. »Du musst dich an alles erinnern, was ich dir beigebracht habe, Amica, und du darfst nie deine Angst zeigen. Egal, was in dir vorgeht, Mädchen, du musst dich beherrschen und dir nichts anmerken lassen. Das kann dich eines Tages retten. Vergiss das nie!«

»Du wirst nicht sterben«, wiederholte Amica dickköpfig und entzog ihm ihre Hand. »Du redest wirr, und ich werde nicht hier sitzen und mir das anhören.« Sie erhob sich und griff nach der Schüssel mit der unberührten Brühe. »Ich muss zum Fluss gehen und mich um die Wäsche kümmern, sonst wird sie nie fertig.«

»Nein, Amica, nicht. Warte, bis die Männer des Königs da sind. Sie müssen spätestens morgen kommen.«

Amicas Wangen röteten sich. »Ich kann nicht warten, Großvater, die Bettwäsche ... Wir haben keine saubere mehr.« Rasch wandte sie sich dem Feuer zu, um die Brühe in den Kessel zurückzuschütten, der darüber hing.

Andrew fluchte leise. »Das ist egal«, sagte er dann.

»Das ist es nicht. Ich werde nicht zulassen, dass du in einem schmutzigen Bett liegst.« Amica ergriff ihre Haube und band sie sich um. »Ich bin bald zurück«, versprach sie und eilte an sein Bett, um ihm einen Kuss zu geben.

»Es ist gefährlich«, warnte ihr Großvater sie beunruhigt. »Geh nicht.«

»Ich werde aufpassen und zurück sein, ehe die Sonne dein Bett berührt.« Sie deutete auf die Nachmittagssonne, die an jedem klaren Tag durch die Fenster fiel. »Wenn ich zurückkomme«, sagte sie lächelnd, »dann werde ich dich wecken und dir die Brühe geben. Bis dann, Lieber« – sie gab ihm einen Kuss –, »ruh dich aus.«

Die drei Reiter standen nebeneinander auf der Straße, und jeder blickte in eine andere Richtung.

»Hier ist nichts«, verkündete Derryn Thewlis, »und die Straße wird immer schlechter. Es kann nicht weiter sein.«

»Aye, wir sind daran vorbeigeritten«, stimmte Stevan of Hearn zu. »In so einer Gegend lebt nur Gesindel. Lasst uns umkehren.« Er sah den Mann in der Mitte an. »Wir sind sicher vorbeigeritten.«

Thomas of Reed betrachtete die Straße vor ihnen, deren Schlaglöcher und Steine verrieten, wie selten sie benutzt wurde und wie wenig Menschen in dieser Gegend lebten.

»Wir reiten weiter, bis es nicht mehr geht«, entschied er, »und dann wenden wir uns Richtung Fluss.«

Die beiden anderen Männer stöhnten laut.

»Du glaubst doch nicht, dass sie hier wohnt«, wandte Derryn ein. »Das ist unmöglich.«

»Keiner im Dorf hat von ihnen gehört«, warf Stevan ein. »Sie können unmöglich hier wohnen, ohne dass jemand von ihnen weiß. Unser Herr muss sich geirrt haben ...«

Thomas packte ihn am Kragen. »Unser Herr irrt sich nie«, sagte Thomas ruhig und hob den kleineren Mann aus dem Sattel, als er ihn zu sich heranzog, »und wir werden weiterreiten, bis wir da sind, wo er uns hingeschickt hat.«

Mit einer Hand versuchte Stevan, sem nervöses Pferd unter Kontrolle zu halten, mit der anderen, die Hand abzuschütteln, die ihm den Atem nahm. »Natürlich, Tom«, keuchte er. »Du weißt genau, dass ich nicht ungebührlich über unseren Lord of Reed reden wollte. So etwas würde ich nie tun.«

Thomas runzelte die Stirn, und sein Griff wurde noch fester.

»Lass ihn los, Junge«, wies ihn Derryn ruhig an. »Sir Eric wird wütend werden, wenn du einen seiner besten Männer tötest, und du wirst es bedauern, wenn du einen der wenigen Männer auf der Welt hinschlachtest, den du einen Freund nennen kannst. Lass ihn los, sage ich.« Er schlug ihm auf die Schulter, und das Geräusch hallte dumpf nach.

Thomas holte tief Luft und ließ Stevan los, der nach Atem rang. Dann setzte er sich gerade hin und bedachte den Mann neben sich mit einem wütenden Blick. »Du bist mir ein feiner Kamerad«, beschwerte er sich. »Wann wirst du begreifen, dass ein Mann sich einmal falsch ausdrücken kann? Ich wollte unseren Lord nicht beleidigen, ich schätze Sir Eric genauso wie du.«

Thomas sah ihn finster an. »Ich wollte dir nichts antun, aber wir werden weiterreiten, wie unser Lord es uns aufgetragen hat.« Damit ergriff er die Zügel und trieb sein Pferd voran.

Derryn und Stevan tauschten einen Blick, schüttelten den Kopf und folgten ihm dann.

Eine halbe Stunde später standen sie in einem dichten Wald und beobachteten eine Frau, die einen Korb Wäsche am Fluss abstellte und zu waschen begann.

»Sie wird eine Hexe sein«, flüsterte Derryn. »Ich habe gehört, dass sie an so finsteren Orten wie diesem hier leben. Sie stammen aus der Zeit Williams.«

»Kelten«, murmelte Stevan voller Bewunderung. »Echte Britannier.«

Thomas sah ungläubig von einem Mann zum anderen. »Was seid ihr nur für Narren. Sie ist nichts weiter als eine Frau, die die Wäsche wäscht.«

»Eine Frau, die hier lebt?«, fragte Derryn und deutete auf ihre Umgebung. »Wie soll sie das ohne die Hilfe einer überirdischen Macht schaffen? Das hat noch nie jemand gewagt.«

Verunsichert sah Thomas sich in dem wilden Wald um. Es stimmte, das Land war ungezähmt und ursprünglich, aber daran war nichts Unheimliches. Er hörte die Irische See rauschen, die eine Viertelmeile entfernt war, und das Geräusch klang rhythmisch und beruhigend. Die Luft schmeckte leicht nach Salz. »Das ist ein paradiesischer Ort«, stellte Thomas fest, »friedlich und ruhig. Es ist ein Leichtes, hier zu leben.«

Stevan erschauerte und rieb sich die Arme. »Es ist dunkel und feucht«, murrte er. »Hier kommt die Sonne kaum durch die Bäume. Selbst die Pferde sind unruhig.«

Wie zum Beweis bewegte sich Thomas’ Pferd Maelgwn unruhig, zerrte am Zügel und stampfte ein paarmal auf.

»Nun gut«, gab Thomas nach, »ihr beide bleibt bei den Pferden, während ich mit der Frau spreche.«

»Nein, warte.« Stevan hielt Thomas zurück. »Bei deinem finsteren Gesicht jagst du dem Mädchen einen Heidenschreck ein. Lass mich gehen.«

Besagtes Gesicht wurde noch finsterer. »Das stimmt nicht«, wehrte Thomas ab, »ich gucke nicht finster.«

»Lass mich mit ihr sprechen«, hielt Derryl dagegen und fuhr sich mit den Fingern glättend durch die langen schwarzen Haare. »Ich kann gut mit Frauen umgehen.« Seine Begleiter starrten ihn an, und er lächelte zufrieden. »Nun, aber es stimmt. Mein Gesicht verschreckt ja nun wirklich keine Frau.« Er begann, sich den Staub vom Umhang zu klopfen. »Und auch, wenn es mir schwer fällt, das zu sagen, Tom, alter Knabe, aber du schaust in der Tat finster drein. Vor allem bei Frauen. Du würdest den Teufel zurück in die Hölle scheuchen, wenn du ihn einmal wild ansehen würdest.«

»Hör auf anzugeben, Sir Pfau«, schimpfte Thomas und drückte Derryn die Zügel seines Pferdes in die Hand. »Die Pferde beeindruckst du damit nicht.«

Das Mädchen war jünger, als er auf die Entfernung gedacht hatte, und nicht hässlich. Sie war mit ihrer Arbeit beschäftigt und schrubbte ein Laken in einem Eimer voller Seifenlauge. Dabei summte sie leise vor sich hin, ohne Thomas zu bemerken, der am anderen Ufer stand und zusah, wie sie erst das Laken im Fluss ausspülte und es dann über einen Felsen zum Trocknen breitete, ehe sie ein weiteres Stück Wäsche in den Eimer steckte.

Er wartete schweigend, dass sie ihn bemerken und ansprechen würde, aber sie setzte nur ihre Arbeit fort, sodass er sich schließlich räusperte und rief: »Hallo, Mädchen, hör mir zu!«

Ihre Reaktion war so heftig, dass Thomas zusammenzuckte und sich sofort darüber ärgerte, dass er sich wie ein unerfahrener Welpe benahm, und so kam es, dass er sie doch finster anstarrte, als sie aufkeuchte und die Wäsche fallen ließ.

Im nächsten Moment hob das törichte Geschöpf die Röcke und flüchtete in die Büsche, sodass Thomas nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen. Sie war der einzige Mensch, den sie an diesem Morgen gesehen hatten, und damit seine einige Chance, die Lady zu finden, die sie suchten. Er war nicht gewillt, sich diese Chance entgehen zu lassen, nur weil eine Frau Angst vor ihm hatte.

Der Fluss war breit, aber zum Glück hier flach – auch wenn Thomas wusste, dass er dem Mädchen selbst durch die Irische See gefolgt wäre, wenn sie sich hineingeworfen hätte. Er durchquerte ihn rasch, ohne darauf zu achten, dass seine Stiefel voller Wasser liefen. Rasch holte er das Mädchen ein, obwohl es mit bewundernswerter Geschwindigkeit floh. Zweimal rief er ihr zu, anzuhalten, aber sie achtete nicht auf ihn, bis Thomas hinter ihr war und die Hand ausstreckte, um sie am Arm festzuhalten. Doch sie lief weiter und versuchte sich loszureißen, bis beide das Gleichgewicht verloren und auf den schlammigen Boden sanken, wo sie auf den Rücken fiel und Thomas mit dem Gesicht zuerst in den Schlamm.

Erneut wütend hielt Thomas das zappelnde Geschöpf fest, spuckte den Dreck aus und schrie: »Dummes Mädchen!«, ehe er sie ansah und das schönste Gesicht erblickte, das er je gesehen hatte.

Thomas hatte schon viele schöne Frauen in seinem Leben gesehen, und wurde nicht die Frau seines Herrn, Lady Margot, als schönste Frau Englands gepriesen? Sowohl in Belhaven, wo er geboren war, als auch in Reed, wo er lebte, gab es Frauen – edler und niedriger Abstammung –, die durchaus als hübscher Anblick bezeichnet werden konnten. Nicht dass er je Zeit damit verschwendete, sie anzusehen, aber da er für die Männer der Armee seines Herrn verantwortlich war, hatte er doch wissen wollen, was sie so oft in Narren verwandeln konnte. Er hatte rasch erkannt, dass eine schöne Frau sowohl lästig als auch eine Quelle von Problemen sein konnte, nicht minder als eine gut trainierte feindliche Armee. Thomas hatte sich im Gegensatz zu anderen Männern seltsam unberührt gegenüber weiblicher Schönheit gezeigt.

Bis jetzt.

Er stammte aus armen Verhältnissen von einer Mutter, die zu früh gestorben war, als dass er sich an sie erinnern könnte, und von einem Vater, der ihn benutzt hatte, um seinen Zorn abzureagieren. So hatte Thomas es gelernt zu träumen. Das war seine eine geheime Freude als Kind gewesen, jede freie Minute mit seinen Tagträumen zu füllen. Sie waren ihm so wichtig wie sein Atem gewesen, durch sie hatte er überlebt, und nichts hatte ihn je tiefer berührt.

Bis jetzt.

Sie war die Erfüllung seiner Kinderträume. Wunderschön, perfekt, unwirklich ... Er wusste nicht warum und wollte auch nicht darüber nachdenken. Sie lag vor ihm, die blauen Augen vor Schreck geweitet, die langen goldbraunen Haare aus dem Tuch befreit und im Schlamm liegend, das Gesicht verschmutzt, und doch war sie so vollkommen, dass es Thomas den Atem verschlug.

Plötzlich erfüllte ihn eine unerklärliche Scheu, und er rückte von ihr ab, als wenn ihm von ihr eine ungeheure Gefahr drohen würde. Dann sofort wurde die Scheu von der Wut darüber abgelöst, dass eine Frau, mochte sie noch so schön sein, in der Lage war, solche Reaktionen in ihm hervorzurufen.

»Dummes Mädchen«, wiederholte er, nur zu bereit, seinen Zorn an ihr auszulassen. »Warum bist du weggerannt? Ich wollte dir nichts ...«

Thomas hatte nicht einmal gesehen, wie sie nach dem Ast griff, er spürte ihn nur, als sie ihn auf seinen Kopf schlug, immer wieder, wobei sie eine erstaunliche Kraft bewies.

»Stopp!«, schrie er sie an und entriss ihr den Ast. Als er den Fehler machte, sie loszulassen, um die lästige Waffe zu zerbrechen, sprang das Mädchen auf. Doch Thomas war schneller, packte ihren Knöchel und brachte sie erneut zu Fall, wo sie keuchend und buddelnd liegen blieb, als wollte sie ein Loch graben, um ihm zu entkommen.

Ärgerlich warf Thomas das Mädchen auf den Rücken und setzte sich auf sie, um sie dazu zu bringen, still zu liegen. Dann ergriff er ihre schmalen Handgelenke und presste sie über ihrem Kopf zu Boden.

»Ich will dir nichts tun.« Seine Stimme klang barsch, als er versuchte, seinen Zorn zu beherrschen. »Ich suche jemanden, der hier lebt, und will nach dem Weg fragen, das ist alles.« Als sie das Gesicht abwandte, gab er eine ihrer Hände frei und packte ihr Kinn, damit sie ihn ansah. »Du wirst mir gehorchen, Weib, und mir antworten. Wie heißt du? Wo wohnst du?«

Sie antwortete nicht. Das Einzige, was sie tat, war die Zähne zusammenzubeißen und laut zu atmen, als ob sie Schmerzen hätte und nicht genug Luft bekäme.

Thomas glaubte, dass er vielleicht zu schwer für sie war, und verlagerte sein Gewicht so, dass er über ihr kniete.

»So«, sagte er, »und nun verrate mir, wie du heißt. Und sieh mich an«, setzte er lauter hinzu. »Ich habe doch gesagt, dass ich dir nichts tue.«

Doch sie antwortete nicht, schloss die Augen und schüttelte den Kopf, sodass Thomas vollends die Beherrschung verlor.

»Tu, was ich sage!«, brüllte er. »Antworte mir.«

Sie fuhr fort, den Kopf zu schütteln, und dann begann sie heftig zu zittern und schließlich zu schluchzen, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.

Schockiert von ihrem Verhalten, mit dem Thomas im Traum nicht gerechnet hätte, spürte er erneut eine unbekannte Scheu ihr gegenüber. Er gab sie frei und kniete sich neben sie.

»Bist du krank, Frau?«, fragte er und sah sie genauer an. Dann fiel ihm etwas ein. »Krank im Kopf, wette ich«, murmelte er. »Eine Irre.« Er umfasste ihr Handgelenk fester, wo er ihren Puls schlagen spürte, und betrachtete ihr seltsames Verhalten von Kopf bis Fuß. Noch immer hatte sie die Augen geschlossen und die Zähne zusammengepresst. »Na klar, verrückt«, wiederholte er sicherer. »Oder vielleicht ... nur ein bisschen verwirrt?« Er bemühte sich um einen sanfteren Ton. »Kannst du nicht sprechen? Eh, Mädchen?« Als sie nur still liegen blieb und zitterte und weinte, berührte Thomas ihre Stirn mit den Fingerspitzen, um sie zu beruhigen. »Komm, dir ist nichts geschehen. Sprich mit mir, wenn du kannst, dann lasse ich dich gehen. Der König hat mich geschickt, um eine Lady zu suchen, die hier in der Gegend leben soll. Sie heißt Amica of Lancaster und lebt bei ihrem Großvater, Sir Andrew Fawdry. Kennst du die beiden?«

Das Mädchen erstarrte und keuchte auf, ehe es die Augen aufschlug und Thomas anstarrte.

Für eine Irre hatte sie sehr schöne Augen, dachte Thomas. Groß und blau wie der Himmel und immer noch voller Furcht.

Sie hatte den Kampf längst aufgegeben und lag nur noch zitternd da, sodass Thomas sie freigab und sich vor sie hockte.

»Da, du bist frei.« Er hob die Hände, um es ihr zu beweisen. »Wenn du nicht wieder fortläufst, rühre ich dich nicht an. Kennst du Amica of Lancaster?«

Sie öffnete den Mund, holte tief Luft und formte dann ein Wort, als wenn sie mit ihm sprechen wollte.

»Ja?«, ermutigte Thomas sie und neigte den Kopf. »Sag es mir.«

Einige Sekunden lang kämpfte sie um Worte, doch dann hielt sie inne und schüttelte traurig den Kopf.

»Tom!«, rief Derryl durch den Wald. »Ist alles in Ordnung? Wo bist du?«

Das Mädchen setzte sich sofort auf, aber Thomas legte ihm die Hand auf den Arm.

»Bleib da«, sagte er ruhig. »Das sind Männer unter meinem Kommando, die dir nichts tun werden. Verstehst du mich?«

Sie nickte und entzog ihm ihren Arm.

Thomas ließ sie nicht aus den Augen und rief: »Hier! Bringt die Pferde mit!«

»Himmel«, rief Stevan aus, als er das Mädchen sah, »das ist ja eine Schönheit!«

»Wer ist eine Schönheit?«, fragte Derryl, der hinter ihm herankam und Maelgwn und sein eigenes Pferd am Zügel führte. »Die Hexe? Ah, beim Himmel, aber du hast Recht.« Er sah Thomas stirnrunzelnd an. »Du hättest mich mit ihr sprechen lassen sollen. Es bringt nichts, dich mit einer schönen Frau sprechen zu lassen.«

Thomas warf ihm einen raschen Blick zu. »Es wird auch dir nichts bringen. Das Mädchen ist bei schwachem Verstand.«

»Wirklich?« Stevan ließ sich neben Thomas nieder. »Ah, was für ein Jammer. Armes, kleines Mädchen.« Als er die Hand ausstreckte, um ihr über die Wange zu streicheln, zuckte sie zurück. »Himmel, sie ist unglaublich schön.«

»Ja?« Thomas stieß Stevans Hand weg. »Lass sie, sie hat wie ein wildes Tier gekämpft. Ich will nicht, dass es wieder losgeht.«

Jetzt kam auch Derryn heran, blieb aber stehen, als das Mädchen ihm einen scharfen Blick zuwarf.

»Weiß sie, wo wir unsere Lady finden können?«

»Weißt du es, Mädchen?«, fragte Thomas. »Kennst du Lady Amica of Lancester?«

Sie runzelte die Stirn, nickte aber langsam.

Thomas stieß erleichtert den Atem aus.

»Kannst du uns zu ihr bringen? Kannst du uns zeigen, wo sie wohnt?«

Sie warf einen misstrauischen Blick auf die Männer, nickte aber wieder.

»Ein Glück«, murmelte Thomas, streckte die Hand aus und half ihr hoch.

Kapitel 2

Sie konnte das Zittern ihrer Hände einfach nicht abstellen, genauso, wie sie nicht aufhören konnte, durch den Mund zu atmen, um genug Luft zu bekommen. Es war erniedrigend, bei jedem Atemzug laute Geräusche zu machen, aber Amica wusste sehr gut, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als die Furcht abebben zu lassen, um wieder die Gewalt über ihren Körper zu bekommen. Dennoch schämte sie sich zutiefst und hielt den Blick auf den Boden geheftet, um nicht die neugierigen Gesichter der drei Männer ansehen zu müssen, die ihr folgten.

Die Männer des Königs! Warum, in Dreiteufelsnamen, hatte sie sich vor den Männern des Königs so zum Narren machen müssen? Großvater würde so enttäuscht sein, wenn der finstere Riese, der sie gefangen hatte, ihm alles erzählen würde. Himmel, dachte sie und warf dem düster blickenden Mann einen Blick zu, wenn sie nur ihre Stimme wiederfand, dann würde sie ihn bitten – nein, anflehen, nichts davon zu erwähnen, da ihr Großvater nicht mehr lange zu leben hatte und seine wenige Zeit nicht damit verbringen sollte, sich wegen ihrer vielen Schwächen Sorgen zu machen.

Wenn sie doch nur ihre Stimme wiederhätte ...

»Hast du Kummer?«, fragte der Riese, und Amica sah auf.

Er war kein Mann, auf den die Bezeichnung hübsch gepasst hätte wie auf die beiden anderen Männer, aber er hatte etwas, was einen zweimal hingucken ließ. Er war ein großer Mann mit breiten Schultern, und sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie stark er war. Dunkelgraue Augen erwiderten ihren Blick ruhig und aufmerksam, ohne eine Regung preiszugeben. Nicht nur seine Augen, sondern auch sein Gesicht verriet nichts, als wäre er aus Stein und nicht aus Fleisch und Blut und als besäße er keine Seele.

Amica wollte ihm antworten und das Wort nein sagen, aber alles, was ihr über die Lippen kam, war ein unverständliches Krächzen.

»Hör auf, dem Mädchen Angst zu machen«, sagte einer der beiden anderen Männer, der Hübsche mit den schwarzen Haaren. »Siehst du denn nicht, dass sie Angst vor dir hat?«

»Hör auf, sie so finster anzusehen«, mahnte auch der rothaarige Mann mit Bart und so teurer Kleidung, dass Amica wusste, dass er entweder reich war oder von edler Herkunft.

»Ich sehe nicht finster drein«, erklärte der Riese ihnen, »und ich jage ihr keine Angst ein.«

Als wenn er sich ihre Worte trotzdem zu Herzen genommen hätte, ging er jedoch langsamer und fiel zurück, sodass Amica wieder alleine ging.

Der Mann lag im Sterben – das sah Thomas auf den ersten Blick. Sir Eric hatte ihn vorgewarnt, dass Andrew Fawdry nur noch kurze Zeit zu leben hatte, und Thomas war mit seinen Männern schnell geritten, damit Amica Lancaster nach dem Tod ihres Großvaters nicht alleine und schutzlos zurückblieb. Obwohl er also erwartet hatte, den berühmten Ritter krank und hilflos vorzufinden, hatte ihn das doch nicht auf den Anblick vorbereitet, den der Mann bot, dessen viele Ruhmestaten ihn zu einem Helden hatten werden lassen. Thomas erschauerte und betete stumm darum, dass sein eigenes Ende anders sein mochte. Lieber wollte er ein Schwert in den Leib gerammt bekommen, als so langsam vor sich hin zu siechen.

Andrew Fawdry sah ihn aus roten, geschwollenen Augen an und hob langsam die dünne Hand von der Bettdecke.

»Endlich seid Ihr da«, murmelte er schwach, »ich habe darum gebetet, dass Ihr bald kommt. Ich bin sehr schwach.«

Thomas wusste, welche Anstrengung die Begrüßung den alten Mann kostete, und rasch ergriff er seine Hand und setzte sich auf den Stuhl, den das Mädchen herbeigebracht hatte. »Ich bin Thomas of Reed, Mylord, und bin mit meinen Männern gekommen –« Er nickte in Richtung des Tisches, an dem Derryl und Stevan jetzt saßen und von dem Mädchen etwas zu essen serviert bekamen. »Mein Herr und mein König haben mich geschickt. Mein Herr, Sir Eric Stavelot, Lord of Reed, schickt seine Grüße und besten Wünsche. Er wäre gerne selber gekommen, aber seine Frau ist hochschwanger, sodass er sie nicht alleine lassen will. Er bittet euch, das zu verstehen.«

Andrew Fawdry lächelte, wenn auch nur mit Mühe. »Eric Stavelot ... ja, er ist ein guter Mann. Ich kannte ihn schon als Kind und war mit seinem Vater Garin manches Jahr befreundet. Ich habe ihm geholfen, als er Elaine Bowen aus dem Haus ihres Vaters entführt hat. Und ich war derjenige, der ihm ihren Vater und ihre Onkel vom Hals gehalten hat, während er sie zu seiner Frau gemacht hat. Ja, Garin wusste, was er wollte. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.«

Der alte Mann schloss die Augen und lächelte. Thomas wartete geduldig, und als ein, zwei Minuten vergangen waren, schlug Andrew Fawdry die Augen wieder auf und sah ihn direkt an.

»Sie ist Amica of Lancaster? Dieses Mädchen?«, fragte Thomas und sah das Mädchen an, das ans Feuer getreten war und in einem Topf rührte, der dort hing.

»Ja, sie ist meine Enkelin.«

»Amica of Lancaster«, sagte Thomas ergeben. Er hatte gehofft, dass sie nur eine Magd wäre und Amica of Lancaster plötzlich hereinkäme und erklärte, dass sie draußen gewesen war, um Blumen zu pflücken oder was immer Mädchen im Frühling so machten. »Sie ist etwas zurückgeblieben?«

»Nein, ganz und gar nicht«, murmelte der Alte, »auch wenn sie es besser wäre. Nein, Amica leidet unter ihren Ängsten.«

Thomas runzelte die Stirn. »Ängste?«

»Ja, sie leidet sehr darunter, aber nicht auf die Art wie andere. Habt Ihr sie erschreckt?«

Thomas nickte kurz. »Nicht absichtlich, aber sie wirkte ... verschreckt.«

Andrew Fawdry seufzte traurig. »Sie war von Geburt an ängstlich, aber wenn sie erschreckt wird, leidet sie fürchterlich, das arme Kind. Es ist dann, als wäre sie von einem bösen Geist besessen und könnte nicht anders. Sie wird stumm und kann erst wieder sprechen, wenn sie keine Angst mehr hat.«

»Dann kann sie also sprechen?«

»O ja. Lasst ihr Zeit und seid sanft und geduldig, dann werdet Ihr sie hören. Ihre Stimme ist so hübsch wie ihr Gesicht. Sehr hübsch ...« Wieder döste er kurz, und als er erwachte, blickte er Thomas an, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Ihr seid schmutzig. Das wird Amica nicht gerne sehen hier drin.«

»Sie ist diejenige, die daran schuld ist«, erklärte Thomas ihm, »und sie ist diejenige, die mich säubern muss.« Als Andrew Fawdry ihn fragend ansah, erklärte Thomas: »Meine Kleidung und meine Stiefel.«

»Ah, Amica hat Euch beschmutzt? Hat sie das?«

»Ja, sie ist vor mir davongelaufen, und ich habe sie verfolgt. Sie wehrte sich gegen mich, als ich sie eingeholt hatte.«

Ein Funken Hoffnung erschien in Andrews Augen. »Amica hat sich gewehrt?«

Thomas rieb sich die Schläfe, an der sich eine Beule gebildet hatte. »Sie hat mir ein paar ordentliche Schläge mit einem Ast verpasst.«

»Ein Glück. Das ist das erste Mal, dass sie so etwas getan hat.« Mit Mühe drehte Andrew Fawdry den Kopf und betrachtete seine Enkelin, die gerade einen Becher mit Wein füllte. »Ihr scheint nichts geschehen zu sein, außer, dass auch sie voller Schmutz ist.«

Thomas erkannte die tiefen Gefühle des Mannes, als er das Mädchen betrachtete. Er liebte seine Enkelin sehr.

»Ich schlage nie eine Frau ohne Grund«, erklärte er, »das hat mir mein Herr so beigebracht.«

»Sir Eric«, flüsterte der Alte erschöpft, »der Lord of Reed. Wenn jemand mein Mädchen in Sicherheit bringen kann, dann der Lord of Reed. Ich bitte Euch, Thomas of Reed, sie so schnell wie möglich zu ihm zu bringen. Lasst nicht zu, dass Duncan Selwyrn sie bekommt.«

»Ich werde nicht zulassen, dass jemand sie raubt«, versprach Thomas. »Mein Herr hat mich gebeten, sie nach Reed zu bringen, und das werde ich auch tun.«

Andrew Fawdry holte tief Luft und erschauerte. Thomas ergriff seine Hand.

»Lieber sollt Ihr sie töten ... ehe Lord of Sacre Placean sie in die Hände bekommt.« Er hielt Thomas Blick fest. »Schwört mir, dass Ihr sie eher umbringt.«

»Ich verspreche niemandem etwas außer meinem Lord of Reed«, erwiderte Thomas. »Er hat mich gebe ten, sie nach Reed zu bringen, und ich tue, was er be fiehlt.«

»Selwyrn wird alles daransetzen, sie zu bekommen. Selbst jetzt sucht er nach ihr, dessen könnt Ihr gewiss sein. Seid äußerst vorsichtig auf Eurer Reise.«

»Ich werde gut aufpassen. Weiß außer dem König und meinem Lord sonst noch jemand, dass sie hier ist?«

Andrew Fawdry rang nach Atem, ehe er antwortete: »Die Magd ... Alys’ Magd ... sie hat es geschafft, dem Teufel zu entkommen und zum Haus meines Bruders zu reiten. Er war bei mir und hat meine Botschaft dem König überbracht. Er war der Einzige, der es außer der Magd wusste ... Alys hat wahrscheinlich erraten, wo ich Amica versteckt habe, und hat es ihrer Magd gesagt. Ich weiß es nicht.« Er drückte schwach Thomas Hand. »Wenn sie es weiß ... und Selwyrn sie findet ... dann helfe Euch Gott, denn er wird nicht eher ruhen ... bis er sie findet oder umkommt.«

»Wer ist Alys?«, wollte Thomas wissen. Lord Eric hatte ihn gewarnt, sich vor Lord Selwyrn in Acht zu nehmen, aber ansonsten hatte er ihm nicht viel verraten. Thomas wusste nicht einmal, warum Amica überhaupt von Duncan Selwyrn verfolgt wurde oder warum sowohl sein Herr als auch der König sie vor ihm retten wollten.

»Alys ist meine Enkelin«, flüsterte Andrew Fawdry, während ihm schon wieder die Augen zufielen. »Alys of Lancaster. Amicas Schwester. Sie ist ... tot ... und Selwyrn will noch ein ...«

Thomas spürte, wie die Hand, die seine hielt, erschlaffte, und er beugte sich vor. »Mylord? Sir Andrew?«

Als Thomas ein Aufkeuchen hinter sich hörte, wandte er den Kopf, aber noch ehe er erkennen konnte, wer da hinter ihm stand, traf ihn eine kleine Faust an der Schulter. Amica of Lancaster sah ihn wütend an und zog dann an seinem Arm, bis er sich erhob. Dann drängte sie ihn vom Bett weg, wandte sich zu ihrem Großvater um und setzte sich an sein Bett. Zärtlich ergriff sie die Hand des alten Mannes und presste sie an ihre Wange. Ihre andere Hand streichelte sein Gesicht.

Thomas blieb eine Weile bei ihr stehen und lauschte den sanften, beruhigenden Lauten, mit denen sie den sterbenden Mann tröstete, und er fragte sich, was sie wohl für eine Stimme hatte und warum sie nicht sprach, wenn sie doch gar keinen Grund mehr zur Furcht hatte. Ihr Verhalten war sanft und rücksichtsvoll, und fasziniert sah Thomas zu, wie Amica ihrem Großvater ein paar Haarsträhnen aus der blassen Stirn strich.

Heutzutage gab er sich kaum noch seinen Tagträumen hin, denn das schien ihm für einen dreiundzwanzigjährigen Mann kein angemessenes Verhalten zu sein. Doch als er Amica so beobachtete, erlaubte er sich für einen kurzen Moment die Fantasie, dass er an Andrew Fawdrys Stelle dort auf dem Bett läge – natürlich nicht sterbend, vielleicht nur schlafend – und dass ihre Finger durch seine Haare strichen. Noch nie hatte eine Frau ihn auf diese Weise berührt, und es sah höchst verlockend aus ...

»Ich werde ihn nicht verlassen.«

Mit einem Kopfschütteln erkannte Thomas, dass das Mädchen ihn ansah und mit ihm gesprochen hatte. Er blinzelte, sah in ihre dunkelblauen Augen und fragte: »Was?«

Amica errötete. »Ich werde ihn nicht verlassen.«

Thomas sah, dass sie wieder zu zittern begann, und sein Gesicht wurde finster.

»Freiwillig würde ich nie einen sterbenden Mann alleine lassen«, erklärte er, seltsam ärgerlich. »Mein Herr würde mir den Kopf abreißen, wenn ich jemals so etwas täte. Euer Großvater wird bald sterben, und so lange werden wir ihm Gesellschaft leisten und zu Gott beten, dass er seine Seele empfangen werde, es sei denn, Duncan Selwyrn würde uns entdecken. Sollte das der Fall sein, würden wir gehen.«

Ihre Nasenlöcher blähten sich, und ihre Lippen spannten sich, als sie versuchte, etwas zu sagen, und Thomas erkannte bestürzt, dass er sie in dem Moment, als sie aussah wie ein Pferd und auch so klang, als sie einen Laut ausstieß, so wunderbar schön fand. Nach kurzem Kampf stieß Amica hervor: »Ich nicht!«

Thomas betrachtete sie in Ruhe. »Hört mir zu, Frau. Ihr werdet so lange bleiben, wie ich es Euch sage, und Ihr werdet gehen, wenn ich Euch das erlaube. Bis wir das Haus meines Herren erreicht haben, steht Ihr unter meiner Herrschaft und schuldet mir Gehorsam.«

Amica presste die Lippen noch fester zusammen und schüttelte langsam den Kopf, was Thomas nur noch mehr aufbrachte. »Oh, doch, Lady, das tut ihr. Und ich warne Euch, ich bin ein ungeduldiger Mann. Euer Großvater hat mir versichert, dass Ihr keineswegs zurückgeblieben seid, und wenn Ihr klug seid, unterwerft Ihr Euch mir, bis wir in Reed sind, und gehorcht meinen Befehlen. Ich habe einen Eid geleistet, dass ich Euch beschützen werde, und ob Ihr mir dabei helft oder nicht, ist mir egal. So ist es.«

Amicas Zittern verstärkte sich so sehr, dass Thomas plötzlich den Drang verspürte, ihr die Hand auf die schmale Schulter zu legen und sanfter mit ihr umzugehen, doch sie wandte sich ab, ergriff die Hand ihres Großvaters und senkte den Kopf.

Thomas dachte, dass sie vielleicht weinte, denn ihre Schultern zuckten, aber möglicherweise kam das auch nur durch ihre Angst. Er hatte noch nie jemanden kennen gelernt, der so ein Leiden hatte. Furcht, hatte Andrew Fawdry es genannt. Was immer es war, es gefiel ihm nicht, und er war auf der Hut. Frauen konnte man nicht trauen, und dieser seltsamen ängstlichen Frau schon gar nicht.

Kapitel 3

»Das war ein ausgezeichnetes Essen«, lobte Derryn Thewlis, als er Amica seine leere Schüssel zurückreichte. »Ich danke Euch, Mylady.«

Er ließ seinen Worten dasselbe charmante Lächeln folgen, das er ihr in den zwei Stunden, seit sie hier waren, bestimmt schon hundertmal geschenkt hatte, und Amica seufzte auf. Ohne auf seine Flirtversuche einzugehen, wandte sie sich zu Stevan of Hearn um und streckte die Hand aus, um auch seine Schüssel entgegenzunehmen, aber nur mit dem Erfolg, dass dieser Mann ihre Hand ergriff und einen galanten Kuss darauf drückte.

»Das stimmt, Mylady«, erklärte er und grinste, als ihm Amica ärgerlich ihre Hand entriss. »Das war ein richtiges Festmahl.«

Thomas of Reed, der neben seinem rothaarigen Freund saß und gerade den Rest aus seiner Schüssel schlürfte, grunzte missbilligend. »Es waren doch nur Suppe und Brot«, erklärte er, als er den Mund leer hatte. Dann reichte auch er seine Schüssel an Amica zurück. »Mach nicht mehr daraus, als es war, nur um dem Mädchen den Kopf zu verdrehen. Solche Dummheiten werde ich nicht zulassen. Warte, bis wir wieder in Reed sind, ehe du dich zum Narren machst.«

Der andere lachte leise, und Amica wandte sich ab, um die Schüsseln in die Wanne zu legen, die sie zum Abwaschen benutzte.

»Du bist herzlos, Thomas«, hörte sie Derryn Thewlis mit seinem Herrn schimpfen.

»Mag sein«, kam die ruhige Antwort.

»Ich habe noch nie einen unhöflicheren Mann als Thomas of Reed gekannt«, erklärte Stevan of Hearn, aber das entlockte dem blonden Riesen nur ein weiteres Grunzen.

Amica folgte ihrer Unterhaltung, während sie ihren Pflichten nachging, auch wenn sie sie wenig interessierte. Die Nachwirkungen ihrer Furcht waren seit über einer Stunde abgeklungen, sodass ihr Körper ihr wieder gehorchte. Sie konnte wieder sprechen, hatte aufgehört zu zittern und hatte keine Angst mehr vor den drei seltsamen Rittern. Stattdessen empfand sie hauptsächlich Wut und Abneigung für sie. Die Vorstellung, viele Tage und Nächte in ihrer Gesellschaft verbringen zu müssen, während sie nach Reed ritten, gefiel ihr gar nicht, vor allem dann nicht, wenn sie die ganze Zeit über das Zwinkern und Flirten der beiden hübschen Männer ertragen musste. Der finstere Riese mochte mürrisch und unhöflich sein, aber zumindest setzte er sie nicht diesen Torheiten aus. Tatsächlich bezweifelte Amica, ob er sie überhaupt irgendeiner Sache aussetzen würde, wenn es nicht unbedingt sein musste. Er schien sie genauso wenig zu mögen wie sie ihn.

Niemals würde sie ihren Großvater alleine zurücklassen, wenn er im Sterben lag. Sie hatte vor Duncan Selwyrn mehr Angst als vor jedem anderen Menschen auf der Welt, aber lieber würde sie sich ihm stellen, als zu fliehen, ehe ihr Großvater ein anständiges Begräbnis erhalten hatte. Andrew Fawdry würde schon auf den Priester verzichten müssen, der ihm die Letzte Ölung gab, er würde keinen Sarg haben, keinen Gottesdienst und keine Predigt. Alles, was Amica dem Mann bieten konnte, den sie mehr liebte als sonst jemanden auf der Welt, war ein schäbiges Grabtuch, das sie aus zwei Mänteln genäht hatte, und eine anständige Beerdigung, bei der sie ihre Gebete für ihn sagen würde. Das war nichts im Vergleich zu der prächtigen Beerdigung, die er gehabt hätte, wenn er sich nicht mit ihr in diesem finsteren Wald hier versteckt hätte, aber es war alles, was Amica ihm geben konnte, und sie würde nicht eher gehen, bis er nicht wenigstens das bekommen hatte, egal, was Thomas of Reed sagte.

Bei dem Gedanken sah sie auf und warf dem Mann einen wütenden Blick zu, nur um zu entdecken, dass auch er sie musterte. Sein Gesicht war hart und entschlossen, als wenn er ihre Gedanken erraten könnte. Ja, dachte sie, er war ein harter Mann. Wie der Lord of Sacre Placean ließ er nur zu, was er selber wollte.

Ihr Großvater erschauerte und stöhnte auf. Rasch befeuchtete Amica ein Tuch und eilte an seine Seite, um ihm kühlend das Gesicht abzuwischen.

»Schlaf gut«, murmelte sie, »es ist alles gut.«

Ein großer Körper beugte sich von hinten über sie und hüllte sie in seine Wärme ein, als der Mann die Hand ihres Großvaters ergriff und ihm den Puls fühlte, dann nach dem Puls an seinem Hals tastete. Nach einem Moment richtete Thomas of Reed sich auf und sagte: »Es wird nicht mehr lange dauern. Habt Ihr schon einen Platz für sein Grab gewählt? Sollen wir alles vorbereiten?«

Seine Worte versetzten Amica einen Stich. »Nein, noch nicht.« Sie drehte sich um und sah zu ihm auf. »Hat das nicht noch Zeit?«

Er nickte kaum wahrnehmbar. »Wir müssen uns aber bald darum kümmern, weil wir aufbrechen, sobald er unter der Erde ist. Habt Ihr alles bereit für Euch?«

Amica hatte vor ein paar Tagen ihre wenigen Kleider zusammengepackt, weil ihr Großvater darauf bestanden hatte. Sie deutete dorthin, wo ihre Ledertasche neben der Tür stand. »Das ist alles, was ich habe.«

»Mehr nicht?« Er klang überrascht.

»Mehr nicht«, gab sie zurück und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Großvater zu.

Die Nacht verging nur langsam, und Amica, die am Bett ihres Großvaters wachte, kam jede Stunde länger vor als die davor.

Sie bekam kaum mit, womit die drei Ritter sich die Zeit vertrieben, auch wenn sie sie in tiefen Tönen miteinander reden hörte und sie ab und zu die Hütte verließen. Einmal brachte Derryn Thewlis ihr ihren Schal und legte ihn ihr um die Schultern, und Thomas of Reed erschien immer wieder am Bett und fühlte ihrem Großvater den Puls. Beim letzten Mal hatte er sie gefragt, ob sie schon für das Seelenheil ihres Großvaters gebetet habe. Als Amica nur stumm den Kopf schüttelte, kniete Thomas of Reed sich neben das Bett und betete. Als er fertig war, stand er auf und befahl ihr mürrisch, sich das Gesicht abzuwischen, und da erst merkte Amica, dass sie weinte.

Das war eine halbe Stunde her, und jetzt zeigte der veränderte Atem ihres Großvaters ihr an, dass es nicht mehr lange dauern würde. Sie kniete sich neben sein Bett, wo Thomas of Reed vorhin gekniet hatte, ergriff die Hand ihres Großvaters, küsste sie und versuchte zu beten. Doch ihr wollte keines der Worte einfallen. Da hörte sie Thomas of Reed hinter sich.

»Es kommen Berittene. Ihr müsst jetzt mit mir kommen.«

Amica wandte sich um und sah zu ihm auf. »Reiter?«

Thomas ging auf sie zu, ihre Tasche in der Hand. »Es können nur Selwyrns Männer sein. Wer sonst würde in der Dunkelheit hierher kommen? Kommt mit, ich werde Euch verstecken.«

»Mein Großvater!«, protestierte Amica, als er ihren Arm ergriff.

Thomas zog sie vom Boden hoch und schleppte sie in Richtung Tür.

»Ich kann ihn nicht alleine lassen!« Amica wehrte sich gegen seinen Griff. »Er liegt im Sterben!« Sie begann, seinen eisenharten Arm mit ihren schwachen Fäusten zu bearbeiten. »Ich werde nicht gehen! Ich will ihn jetzt nicht alleine lassen!«

»Seid ruhig!«, befahl Thomas ärgerlich.

Amica hörte nicht auf, gegen ihn anzukämpfen, und hob einen Fuß, um ihn zu treten. »Ich lasse ihn nicht alleine! Er stirbt doch!«

Thomas of Reed riss sie zu sich herum, um sie anzusehen. »Ihr werdet mir gehorchen, Frau, sonst werde ich – uuuff!«

Amicas Knie traf sein empfindlichstes Ziel, und Thomas of Reed krümmte sich, wobei er sie unwillkürlich von sich stieß. Amica fiel nach hinten, und seine Hand, die sie halten wollte, war für längere Zeit das Letzte, was Amica sah.

Als sie wieder zu sich kam, war es dunkel, ihr Kopf schmerzte, und sie stand geknebelt und gefesselt an einem Baum. Ihr Körper schmerzte, und stöhnend hob Amica den Kopf. Wie lange war sie schon hier? Furcht überkam sie, als ihr Kopf langsam klar wurde. Sie konnte Geräusche hören ... nicht weit weg, Pferde und miteinander kämpfende Männer. Und sie roch – Rauch? Amica reckte sich und sah Flammen in der Dunkelheit.

Amica rief einen Protest in ihren Knebel, aber die Flammen flackerten immer höher und verzehrten die kleine Hütte. Vor den Flammen zeichneten sich die dunklen Umrisse kämpfender Männer ab, aber sie konnte nicht erkennen, wer wer war und wie viele dort kämpften.

Der Kampf dauerte lange. Amica hörte die Männer rufen und schreien und wünschte sich, sie hätte die Hände frei, um sich die Ohren zuhalten zu können. Zitternd lehnte sie sich an den Baum und weinte vor Angst und Trauer. Sie stellte sich vor, von Duncan Selwyrn gefangen genommen zu werden, und sie wusste, dass sie lieber tot als in seiner Gewalt wäre.

Sie merkte gar nicht, dass Thomas of Reed kam, bis er vor ihr kniete und ihre Fesseln durchschnitt. Der Wald war pechschwarz, aber sie konnte ihn im Feuerschein erkennen. Sein Gesicht sah grimmig aus, die Haut war schmutzig und blutverschmiert, und sein Haar war vom Feuer angesengt. Er sah sie erst an, nachdem er ihr auch den Knebel aus dem Mund genommen hatte.

Er warf das Tuch beiseite, und Amica sog keuchend die frische Luft ein, froh, wieder befreit zu sein. Thomas of Reed nahm ihr Gesicht in beide Hände und betrachtete sie forschend.

»Ist Euch auch nichts geschehen?«, fragte er und drehte ihr Gesicht zum Feuer hin, um sie besser sehen zu können.

Amica mochte Thomas of Reed nicht – sie mochte keinen Mann, der so hart und kalt war –, aber in diesem Moment empfand sie bei der Berührung durch seine rauen Hände Erleichterung und Dankbarkeit.

Weinend bedeckte sie seine Hände mit ihren und presste sie an sich, um zu merken, dass sie noch am Leben war und dass es keinen Grund für sie gab, Angst zu haben. Dieser Mann hatte sie beschützt und würde sie auch weiterhin beschützen.

Thomas of Reed starrte sie erstaunt an. Seine Hände an ihrem Gesicht lagen still, seine grauen Augen wurden groß, und sein Mund öffnete sich. Dann blinzelte er, und Ärger zeigte sich auf seinem Gesicht.

»Ihr weint öfter als ein Neugeborenes«, stellte er fest und berührte die Beule an ihrem Kopf. Als sie zusammenzuckte, runzelte er die Stirn. »Ihr habt Euch bei Eurem Sturz den Kopf am Tisch angeschlagen. Es scheint nichts passiert zu sein, aber Ihr werdet einen Tag lang Schmerzen haben. Vielleicht wird Euch das daran gemahnen, mir ohne Widerrede zu gehorchen, wenn wir nach Reed reisen.«

»Mein Großvater«, flüsterte Amica.

Mit überraschender Zärtlichkeit strich sein Daumen über ihre Wange und wischte ihr die Tränen ab. »Ich weiß nicht, ob Andrew Fawdry noch am Leben war, als das Feuer begann. Wir konnten nichts tun. Selwyrns Männer –«

»Also waren es Duncans Leute?«

»Sie trugen die Farben von Sacre Placean. Als sie Euch nicht in der Hütte fanden, zerrten sie das Holz aus dem Kamin. Wir konnten nichts machen, aber jetzt sind sie tot und in demselben Feuer vor ihren Richter getreten wie Euer Großvater.«

»Ihr habt sie getötet?«

Thomas hob sie auf seine Arme. »Ja, das haben wir.«

»War Duncan bei ihnen?«

Thomas trug sie rasch durch den Wald in Richtung des Flusses. »Ich habe ihn nie gesehen und kann es deshalb nicht sicher sagen, aber es waren Krieger, keine Edelleute. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Lord of Sacre Placean an einen Ort wie diesen selber kommt.«

»Nein«, stimmte Amica ihm zu, »das würde Duncan nicht tun.«

Sie erreichten den Fluss, wo Stevan of Hearn und Derryn Thewlis schon mit den Pferden auf sie warteten.

»Wir werden keinerlei Risiko eingehen«, befahl Thomas, als er Amica hinter sich auf sein Pferd setzte. »Wir reiten die Nacht durch. Was macht dein Arm, Stevan? Kannst du einen langen Ritt durchstehen?«

»Er blutet nicht mehr so stark«, erwiderte Stevan, aber Amica dachte, dass er sich so anhörte, als litte er ziemliche Schmerzen. »Ich habe schon mit besseren Leuten als dir Schritt gehalten, Thomas of Reed, keine Angst.«

»Wenn du uns aufhältst, lasse ich dich zurück«, warnte ihn Thomas of Reed, und erneut dachte Amica, wie kalt dieser Mann war.

»Alles andere würde mich bei dir auch erstaunen«, erwiderte Stevan of Hearn und lachte leise, während er sein Pferd wendete, um seinem Herrn in die Nacht zu folgen.

Kapitel 4

Sie ritten nicht den Pfad entlang, der durch den Wald führte, wie Amica angenommen hatte, sondern folgten dem Fluss, wobei sie sich so dicht am Ufer hielten, dass immer wieder Wasser aufspritzte und ihre Kleidung benetzte. Es war vollkommen finster bis auf wenige Augenblicke, in denen die Wolkendecke aufriss und das Licht von Mond und Sternen durchschimmerte, und das verlangsamte ihr Vorankommen beträchtlich. Derryn Thewlis ritt vorneweg, um ihnen einen Weg zu bahnen und Ausschau nach weiteren Männern Duncans zu halten. Stevan of Hearn war irgendwo hinter ihnen, hoffte Amica, aber sie wusste es nicht, denn Thomas of Reed hatte getreu seiner Ankündigung nicht einmal einen Blick nach hinten geworfen, um zu sehen, ob der Verletzte noch Schritt halten konnte.

Amica zitterte vor Kälte und nieste. Thomas of Reed fluchte leise und zog sie näher an sich, um sie zu wärmen.