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Die wahre Liebe überwindet jedes Vorurteil: Der historische Romantik-Roman »Verliebt in einen Earl« von Mary Spencer jetzt als eBook bei venusbooks. London, 1818. Gwendolyn Wells hat es gut getroffen: Mit Schönheit und einem großen Erbe gesegnet, fehlt ihr zum Glück eigentlich nur noch eines – der passende Mann! Diesen glaubt sie nun in Jack Sommerton gefunden zu haben. Obwohl er ihr nicht abgeneigt scheint, gilt der attraktive Earl of Rexley als ausgesprochen überzeugter Junggeselle … und als erklärter Feind der Ehe! Gwendolyn wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht alles daransetzen würde, ihn mit ihrem Charme und ihrer Schlagfertigkeit um den kleinen Finger zu wickeln. Aber kann sie es schaffen, ihn zu einem Antrag zu bewegen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: der Regency-Roman »Verliebt in einen Earl« von Mary Spencer ist der zweite Teil der Regency-Lovers-Reihe, der auch unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 540
Über dieses Buch:
London, 1818. Gwendolyn Wells hat es gut getroffen: Mit Schönheit und einem großen Erbe gesegnet, fehlt ihr zum Glück eigentlich nur noch eines – der passende Mann! Diesen glaubt sie nun in Jack Sommerton gefunden zu haben. Obwohl er ihr nicht abgeneigt scheint, gilt der attraktive Earl of Rexley als ausgesprochen überzeugter Junggeselle … und als erklärter Feind der Ehe! Gwendolyn wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht alles daransetzen würde, ihn mit ihrem Charme und ihrer Schlagfertigkeit um den kleinen Finger zu wickeln. Aber kann sie es schaffen, ihn zu einem Antrag zu bewegen?
Über die Autorin:
Mary Spencer, auch bekannt unter dem Namen Susan Spencer Paul, wollte seit ihrer Schulzeit Schriftstellerin werden. Zehn Jahre später gelang ihr der Durchbruch mit ihrem ersten historischen Liebesroman. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern in Los Angeles.
Von Mary Spencer erscheinen bei dotbooks auch:
»Verliebt in einen Viscount«
»Verliebt in einen Lord«
»In den Händen des Ritters«
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eBook-Neuausgabe Juli 2021
Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1998 unter dem Originaltitel »Lady’s Wager« bei Dell Publishing, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Zärtliche Verlockung« bei Lübbe.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1998 by Mary Spencer Liming
Published by Arrangement with Mary Susan Liming
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Copyright © der Neuausgabe 2021 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Mariabo 2015; AdobeStock/jamesdavidphoto und Periodimages
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-96898-137-6
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Mary Spencer
Verliebt in einen Earl
Regency-Roman
Aus dem Amerikanischen von Britta Evert und Bettina Albrod
venusbooks
März 1818
Seine Suche war fast beendet.
Jack Sommerton zwang sich, ein gewisses Maß an Ruhe zu bewahren, als seine Kutsche langsam über das Pflaster der dunklen Straße rollte. Er lehnte sich in den gepolsterten Sitz zurück, sah aus dem Fenster und versuchte sich auf den unablässig fallenden Regen zu konzentrieren. Er hatte zu lange darauf gewartet, die Frau zu finden, um jetzt zuzulassen, daß ihn seine Nerven in letzter Minute im Stich ließen, und er hatte gelernt, in diesen Dingen die Geduld zu behalten.
Neunzehn Jahre, dachte er bedrückt. Neunzehn lange, frustrierende Jahre. Er war zehn gewesen, als er zum ersten Mal die Gerüchte aufgeschnappt hatte, obwohl er mit dem Instinkt eines Kindes vielleicht schon immer gespürt hatte, daß nicht alles so war, wie man es ihn glauben machen wollte. Seit damals versuchte er, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Jetzt endlich war er dicht vor dem Ziel.
Die Kutsche hielt bei einer schmalen, dunklen Gasse, überschwemmt von Abwässern, die in dünnen Rinnsalen die Straße hinunterliefen. Ein Lakai sprang von seinem Sitz auf dem Kutschendach und hielt seinem Herrn den Wagenschlag in die feuchte, nächtliche Tristesse auf. Jack schob seine Pistole griffbereit in die Falten seines Mantels und drückte seinen Hut fest auf den Kopf, bevor er ausstieg. Sein Gesicht wurde sofort naß vom Regen, aber das kümmerte ihn nicht. Ein großer Mann trat zu ihm.
»M’lord.«
»Victor«, erwiderte Jack den Gruß. »Tut mir leid, daß du so lange im Regen warten mußtest. Es war mir nicht möglich, früher zu kommen. Bist du sicher, daß es sich um die Frau handelt, die wir suchen?«
Victor nickte, und Regenwasser tröpfelte von seiner Hutkrempe. »Sie ist es, M’lord. Ob sie reden wird, weiß ich allerdings nicht. Gerne bestimmt nicht, schätze ich.«
»Verstehe. Bring mich zu ihr.«
Victor drehte sich um und ging voran in die dunkle Gasse, gefolgt von Jack, der nur einmal kurz stehenblieb, um nach einer fetten Ratte zu treten, die ihm zwischen die Füße gelaufen war.
Es war nicht weit bis zu der kleinen, verräucherten Spelunke. Als sie das überfüllte Wirtshaus betraten, erstarb schlagartig jedes Geräusch, und Jack sah sich als Zielscheibe der Blicke sämtlicher Anwesender. Es störte ihn nicht. Er wurde immer angestarrt, wenn er Orte wie diesen aufsuchte. Die Mitglieder der guten Gesellschaft suchten solche schmierigen Kaschemmen kaum auf, wenn es sich vermeiden ließ. Jack hingegen hatte von jeher eine Schwäche für sie gehabt, und dieser Gedanke machte ihm zu schaffen. Das war der Beweis, hatte er vor langer Zeit entschieden, daß seine Herkunft sich von allem, was in der Gesellschaft als akzeptabel galt, kraß unterschied.
Nach einigen Augenblicken völliger Stille setzte leises Stimmengemurmel ein. Er hörte von den Lippen einiger Gäste seinen geraunten Titel – Rexley –, aber auch das störte ihn nicht. Er war in diesen Kreisen wohlbekannt, auch wenn er diesen speziellen Schuppen noch nie betreten hatte. Er war in nahezu allen finsteren, schäbigen Vierteln Londons wohlbekannt.
»Hier entlang, M’lord.« Victor deutete mit einer Kopfbewegung auf den hintersten Winkel des Lokals. »Ich habe dem Wirt Geld gegeben, damit er dafür sorgt, daß sie bleibt.«
Die Menge machte Jack Platz, als er seinem Untergebenen folgte, fast als hätten die Leute Angst, seine elegante Abendkleidung auch nur zu streifen. Auch daran war er gewöhnt, obwohl es nicht immer so gewesen war. Es hatte einige Jahre gedauert, sich unter diesen abgebrühten Mitbürgern den Respekt zu verschaffen, der erforderlich war, um zu verhindern, daß seine kostspielige Kleidung von neugierigen Händen befingert und seine Taschen geschickt geleert wurden.
Es war unmöglich, in dem dichten Rauch, der in der Kneipe hing, mehr als ein paar Schritte weit zu sehen, aber als sie sich der dunklen Ecke näherten, wurde die zusammengekauerte Gestalt deutlicher. Sie konnte, wenn sie die gesuchte Frau war, erst Mitte Vierzig sein, wie er wußte, aber sie sah viel älter aus. Ihr Haar war grau und strähnig, ihr Gesicht weit über ihre Jahre hinaus von Furchen durchzogen, ihr Körper schmächtig und gebeugt. Sie war in einen wollenen Schal gehüllt, der so zerlöchert war, daß er sie kaum wärmen konnte. In ihren Händen hielt sie einen Humpen Ale, den sie mit gesenktem Blick anstarrte.
»Annie?« Victor berührte die Frau an der Schulter. »Er ist da. Der Earl of Rexley. Ich hab’ ihn mitgebracht, genau wie ich gesagt habe.«
Sie hob langsam den Kopf und ließ ihren Blick vom Saum von Jacks schwarzem Kutschermantel bis zu seinem Gesicht wandern. Einen Moment lang starrte sie ihn aus weit aufgerissenen Augen an, dann versuchte sie, sich von ihrem Stuhl zu erheben.
»Nein, nein, keine Angst«, sagte Victor beruhigend und drückte sie energisch auf ihren Platz zurück. »Der tut dir nichts.«
»Gewiß nicht«, sagte Jack freundlich. »Ich möchte nur mit Ihnen sprechen, Annie. Darf ich mich setzen?« Er nickte zu einem leeren Stuhl hin.
Obwohl sie wie ein verschrecktes Kaninchen in der Falle wirkte, nickte sie wortlos, und Jack zog den Stuhl heran und setzte sich.
»Sie haben nichts zu befürchten«, versicherte er ihr. »Ich bin nur auf der Suche nach Informationen, von denen ich annehme, daß Sie sie mir geben könnten. Ihr Name ist Annie Grey, nicht wahr?«
Sie antwortete mit einem kurzen, nervösen Nicken.
»Und Sie haben vor etlichen Jahren für eine Hebamme namens Margaret Bidwell gearbeitet?«
»Old Meggie«, wisperte sie. »Ja.«
»Waren Sie ihr bei einer bestimmten Geburt vor neunundzwanzig Jahren behilflich, als sich eine junge Prostituierte namens Lara an Sie um Hilfe wandte?«
»Ich … ich kann mich nicht erinnern. Ist lange her.«
»Mir ist klar, daß Sie damals noch ein junges Mädchen waren«, sagte Jack vorsichtig, »aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie versuchen könnten, ihr Gedächtnis anzustrengen. Es muß irgendwann im Oktober gewesen sein. Lara war neu in dem Viertel und arbeitete erst ein paar Monate auf der Straße, bevor sie das Kind zur Welt brachte. Sie starb kurz darauf, und niemand wußte, woher sie gekommen oder wer ihre Familie war.«
»Ach ja ….« Die trüben Augen der Frau erhellten sich bei der Erinnerung. »An so eine kann ich mich erinnern. Hübsch und jung, mit feinen Manieren. Sie war nicht wie die anderen Huren. Nettes Ding war sie.« Sie schüttelte den Kopf. »Hätte nie auf der Straße landen dürfen. Hat nie viel geredet. Blieb für sich. Sehr beliebt bei den Herren, bis die Schwangerschaft zu weit fortgeschritten war.«
Jack beugte sich ein wenig vor. »Als ihre Zeit gekommen war, schickte sie nach Old Meggie?«
»Ach ja, das haben sie doch alle gemacht, die Huren. Sie wußten, daß sie bei Old Meggie gut aufgehoben waren.«
»Und Sie haben bei dieser einen Niederkunft geholfen?«
Sie dachte nach und legte einen schmutzigen Finger an ihr Kinn. »Kann mich nicht erinnern …. scheint so … ja, scheint so. Ich kann mich an das Baby erinnern. Ein feiner Junge, das hübscheste Baby, das ich je gesehen hab’. Hat kaum geschrien und sich sofort hungrig auf seine Mama gestürzt, obwohl sie fast zu schwach war, um ihn zu stillen. Sie war … dunkelhaarig, soweit ich mich erinnern kann, aber das Baby war hell wie der Tag.«
Jacks Herz schlug so laut, daß es in seinen Ohren dröhnte, und er atmete tief durch, um ruhiger zu werden. Noch nie war er so nahe dran gewesen wie jetzt, und er konnte kaum fassen, daß die Wahrheit endlich zum Greifen nah war.
»Wie lange lebte Lara noch? Wer kümmerte sich um das Baby?«
»Nur ein, zwei Tage, dann ging sie von uns. Kam nicht mal mehr aus dem Bett, nachdem das Kleine geboren war. Und sie wußte, daß es mit ihr zu Ende ging, o ja. Sie hielt das Kind, solange sie konnte, und weinte schrecklich, als Mrs. Toby es ihr wegnahm.«
»Mrs. Toby?«
Die Frau nickte. »Sie führte die Pension, wo die meisten Huren wohnten.«
»Wo war diese Pension?«
Ihr Lächeln entblößte die Zahnlücken in ihrem Mund.
»Oh, die werden Sie nicht mehr finden. Ist schon vor Jahren abgebrannt.«
»Was machte Mrs. Toby mit Laras Kind?«
»Behielt es bei sich, bis ein feiner Herr kam und es mitnahm. Sein Pa, schätze ich. Sie waren beide lichtblond.«
Jacks Kehle schnürte sich in einem altvertrauten Schmerz zusammen. »Dieser blonde Gentleman … Haben Sie ihn gesehen? Sein Gesicht? Oder seinen Namen gehört? Sah er … vielleicht so ähnlich aus wie ich?«
Wieder weiteten sich ihre Augen, und sie starrte ihm direkt ins Gesicht. »Hab’ ihn nicht von der Nähe gesehen, M’lord. Sagen Sie«, fuhr sie vorsichtig fort, »das waren doch nicht Sie, der Vater dieses Babys, oder?« Ihr Blick wanderte über seine elegante Kleidung, vom Kopf bis zu den Zehen und wieder zurück zu seinem Gesicht. »Aber das können Sie nicht sein. Das würden Sie nicht wollen.«
»Sein Name«, bohrte Jack nach. »Ich werde Sie gut bezahlen, wenn er Ihnen wieder einfällt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab’ ihn nur vom Fenster aus gesehen, M’lord. Er kam in einer feinen Kutsche, kurz bevor Lara starb, und dann, als sie tot war, fuhr er mit dem hübschen Baby weg.«
»War ein Wappen auf der Kutsche? Irgend etwas, an das Sie sich erinnern können?«
»Nein, M’lord. So weit zurückdenken kann die alte Annie nicht, nicht mal, wenn Sie ihr dafür die Kronjuwelen geben. Mrs. Toby ja, die könnte es Ihnen vielleicht sagen.«
»Sie lebt noch?« fragte Jack ungläubig.
»O ja. Gesund und munter, aber in einem ziemlich schlimmen Gewerbe, hab’ ich gehört.« Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Gehen Sie ihr lieber aus dem Weg, M’lord. Sie durfte über dieses Baby nichts verraten. Wir haben alle probiert, aus ihr rauszukriegen, wer der feine Pinkel war, aber ihr Mund war fest verschlossen. Sie hatte ein Papier unterschrieben, wissen Sie, richtig, wie es sich gehört, und dagegen konnte sie nichts machen. Aber vielleicht erzählt sie es Ihnen jetzt, wenn Sie genug zahlen.«
Enttäuschung stieg in ihm auf, heiß und schmerzhaft. So nahe. Er war so nahe dran. Und doch so weit entfernt wie eh und je.
»Wissen Sie, wo ich Mrs. Toby finden könnte, Annie?«
Wieder dachte sie nach.
»Queen’s Crossing«, sagte sie schließlich. »Das habe ich jedenfalls gehört, glaube ich. Bestimmt kann Victor sie für Sie finden.«
»Ich danke Ihnen, Annie.« Jack zog eine kleine Lederbörse aus den Tiefen seines Mantels und drückte sie ihr in die Hand. »Ich würde Ihnen gern mehr geben als diesen kleinen Beweis meiner Dankbarkeit«, sagte er. »Ich habe in Somerset einen Besitz mit mehreren kleinen Cottages. Sie können eines davon haben, wenn Sie wollen, und darüber hinaus Unterhalt für den Rest Ihres Lebens. Es wäre mir eine Freude, als Gegenleistung für den großen Dienst, den Sie mir heute nacht erwiesen haben, dafür zu sorgen.«
Ein Hauch Farbe kroch über ihre faltigen Wangen, und sie grinste ihn an. »Ach nein, M’lord. Ist nicht nötig, daß Sie soviel für mich tun. Ich hab’ von Ihnen gehört, auch, daß Sie Leute aufnehmen, vor allem Straßenmädchen und so. Aber ich bin hier ganz zufrieden, M’lord, und möchte nicht woanders sein. Trotzdem danke für das Angebot.«
»Ich bin es, der Ihnen dankbar zu sein hat«, sagte er. »Und ich werde es auch bleiben. Sie wissen, wie Sie mich erreichen können, falls Sie mich je brauchen sollten, Annie. Geben Sie mir durch Victor Bescheid, und ich komme.« Er beugte sich vor, um kurz ihre Hand zu drücken, und wandte sich dann zum Gehen.
»M’lord«, rief sie ihm nach. Er drehte sich um. Sie hielt die Börse, die er ihr gegeben hatte, fest umklammert. »Sie waren ein schönes Baby, M’lord. Das schönste, das ich je gesehen habe. Ihre Mama hat sich das Herz aus dem Leib geweint, als sie Sie hergeben mußte, solchen Kummer hat es ihr gemacht.«
Er starrte sie einen langen Augenblick an.
»Danke, Annie«, murmelte er. »Danke.«
Er ging, wie er gekommen war, indem er gelassen aus der stillen Schenke in den kalten Regen hinaustrat und in der Dunkelheit verschwand.
Der Sturm tobte erst seit drei Tagen, aber Gwendolyn Wells kam es viel länger vor.
»Dieses Schiff hätte auf einen anderen Namen getauft werden sollen«, murrte sie, als sie langsam die Stiegen von den Unterdecks der Fair Weather zu der Kabine hinaufstieg, die sie mit ihrem Vater bewohnte. »Wogende Massen wäre viel passender gewesen.« Eine hohe Welle verhinderte einen Moment lang, daß sie weitergehen konnte. Gwendolyn stützte sich an die Seitenwand, bis die hölzernen Planken unter ihren Füßen weniger bedrohlich auf und ab schwankten, und setzte dann ihren Weg fort, bis sie vor der Kabinentür stand.
In der einen Hand hielt sie einen Kübel, den sie absetzte, als sie die Schwelle überschritten hatte, in der anderen mehrere feuchte Tücher.
»Da ist ja mein Engel der Barmherzigkeit«, sagte Professor Wells und blickte von dem Tisch auf, an dem er mit unerschütterlicher Gelassenheit arbeitete. »Wie geht es denn unseren Mitreisenden, liebes Kind?«
Gwendolyn wischte sich das erhitzte Gesicht mit einem der Tücher ab und warf es dann mit den übrigen in den Kübel. »Mrs. Blaylock hat mir die Vollmacht erteilt, sie über Bord zu werfen und sie aus ihrem Elend zu erlösen, und Mrs. Geoffrey hat mir versprochen, mich in ihrem Testament zu bedenken, wenn ich für sie dasselbe tue.«
Professor Wells zog die Augenbrauen hoch. »Sieh mal einer an. Ich hatte keine Ahnung, daß die Ausübung christlicher Nächstenliebe so profitabel sein könnte. Brauchst du jemanden, der dir hilft, die beiden über deine Schulter zu wuchten?«
Ohne seiner Bemerkung Beachtung zu schenken, durchquerte Gwendolyn die kleine Kabine und ließ sich in einen Sessel fallen. »Mrs. Sutcliffs Niederkunft steht unmittelbar bevor, fürchte ich, und sie ist ohnehin schon sehr geschwächt. Ich wünschte, Dr. Hallam wäre nicht krank. Man sollte meinen, die Konstitution eines Schiffsarztes wäre so stark wie der selbstgebrannte Whiskey von Onkel Hadley.«
»Da unser Kapitän gleichermaßen in Mitleidenschaft gezogen ist«, bemerkte Professor Wells, »gibt es meiner Meinung nach nichts, dessen Dr. Hallam sich schämen müßte. Es mutet allerdings sehr seltsam an, daß die Besatzung eines Schiffs so anfällig für schlechtes Wetter ist. Oh, apropos Besatzung, Mr. Hanbury kam vorhin vorbei, um sich nach dir zu erkundigen. Tropfnaß war er – vom Herumklettern in der Takelage, nehme ich an –, und das war ein Glück, weil ich sonst genötigt gewesen wäre, ihn hereinzubitten.« Er seufzte. »Ich befürchte, er ist deinem Zauber verfallen, Liebes. Wie ein Großteil der übrigen Besatzung. Ich war geradezu erleichtert, als Captain Joseph krank wurde, da ich ansonsten wohl das fragwürdige Vergnügen gehabt hätte, ihn um dich anhalten zu hören.«
»Armer Papa«, sagte Gwendolyn mit einem schwachen Lächeln. »Ich weiß, wie lästig das für dich ist.«
»Es hätte mir nichts ausgemacht, wenn es nur ein oder zwei Bitten um deine Hand gewesen wären, meine Liebe, aber nach dem ersten Dutzend begann es ermüdend zu werden. Ich wünschte wirklich, du würdest dich bemühen, einige dieser Gentlemen zu entmutigen, Gwennie. Oder aber einen von ihnen zu akzeptieren.«
»Das werde ich«, versicherte sie ihm. »Wenn ich den richtigen gefunden habe. Ich werde ja sagen, noch bevor er mich fragt.«
»Aber meine Liebe, die Hälfte der Männer in Boston hat sich dir bereits zu Füßen geworfen. Allein der Gedanke an all die Burschen, die darauf bestanden, dich an Bord unseres Schiffs zu begleiten, verursacht mir Kopfschmerzen. Was für ein trübseliger Haufen sie doch waren, als sie dich anflehten, nicht zu fahren. Ich hätte beinahe mein Frühstück wieder von mir gegeben. Allmählich glaube ich, der Mann, den du willst, existiert überhaupt nicht.«
Gwendolyn schloß die Augen und wünschte, sie könnte ein kurzes Nickerchen machen. Aber sie hatte Mrs. Sutcliff versprochen, innerhalb einer Stunde wiederzukommen. Wenn es ihr nur gelang, die junge Frau ruhigzuhalten, verzögerte sich die Geburt des Kindes möglicherweise lange genug, bis sich das Unwetter endlich verzogen hatte und Mrs. Sutcliff wieder ein wenig zu Kräften gekommen war.
»Er existiert, Papa, und ich werde ihn sofort erkennen, wie ich dir immer wieder gesagt habe.«
»Ja, richtig. Du wirst ihm einfach in die Augen schauen und es wissen.«
Sie ignorierte den leicht sarkastischen Ton ihres Vaters. Ihre Überzeugung, wie sie ihren zukünftigen Lebensgefährten finden würde, klang tatsächlich etwas albern, und trotzdem wußte Gwendolyn, daß es genau so sein würde, wie sie behauptete. Sie würde den Mann ihres Lebens sofort erkennen, wenn sie ihn endlich treffen würde. Sie würde es genauso blitzartig wissen, wie sie bisher bei jedem anderen Mann gewußt hatte, daß er nicht der richtige war.
»Es wird nur einen Augenblick dauern, und ich werde meiner Sache ganz sicher sein. Und es wird viel mehr dazugehören als nur ein Blick in seine Augen. Vielleicht muß ich auch seine Stimme hören.«
»Verstehe«, sagte Professor Wells. »Und wann, glaubst du, wirst du dem fraglichen Herrn begegnen? Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft, wie ich zu hoffen wage? Es dauert nicht mehr lang bis zu deinem vierundzwanzigsten Geburtstag, und du wirst schließlich nicht jünger, Gwennie.«
»Ach, Papa«, sagte sie gähnend, »ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß es ihn gibt und daß ich weiter nach ihm suchen muß, bis ich ihn gefunden habe.«
»Na schön, wenn du den Burschen endlich ausfindig gemacht hast, wirst du mir hoffentlich sofort Bescheid sagen. Ich werde außerordentlich erleichtert sein.«
Sie lachte. »Du wirst es als erster erfahren, Papa. Ich werde einfach auf ihn zeigen und sagen : ›Der da!‹. Und das wär’s.«
»Ach ja, tatsächlich?« sagte der Professor skeptisch. »Aus irgendeinem Grund bezweifle ich das. Nichts, was dich angeht, war jemals einfach, Gwennie, mein Liebes. Und in der Zwischenzeit bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als die Scharen von Verehrern abzuweisen, die du unweigerlich anlockst.«
Sie ließ die Augen geschlossen und lächelte. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um der männlichen Bevölkerung Englands keine Hoffnungen zu machen, das verspreche ich. Aber vielleicht wird das gar nicht nötig sein. Cousin Lad meint, ich hätte nichts zu befürchten, weil die meisten achtbaren Gentlemen in England mit Amerikanern nicht viel zu tun haben wollen. Abgesehen von Lord Severn, versteht sich. Lad schrieb in seinem letzten Brief, daß der Viscount es kaum noch erwarten kann, deine Bekanntschaft zu machen.«
»Ah ja, Viscount Severn«, sagte der Professor. »Ich freue mich wirklich schon sehr darauf, nach dieser unerquicklichen Reise mit einem Kollegen plaudern zu können. Und ich habe über den jungen Mann bemerkenswerte Dinge gehört. Ich bin sehr froh, daß Lad ein Treffen arrangieren konnte.«
»Genauso wie Lord Severn. Lad schrieb, der Mann wäre bei der Vorstellung, dich kennenzulernen, beinahe in Ohnmacht gefallen. Dein Ruhm ist dir bis nach Europa vorausgeeilt, Papa. Sogar die Royal Academy brennt darauf, deinen Vortrag zu hören.« Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
Professor Wells errötete leicht, verzog jedoch keine Miene. »Es ist eine große Ehre, vor der Akademie sprechen zu dürfen. Ich hoffe nur, niemand nimmt daran Anstoß, daß ich Amerikaner bin.«
»Pah! Ich weiß sehr wohl, daß dich solche unsinnigen Ideen nicht kümmern, trotz allem, was Lad über die Gefühle der Engländer bezüglich der Vereinigten Staaten sagt. Der Krieg ist jetzt seit gut vier Jahren vorbei.«
»Aber es gibt immer noch Ablehnung auf beiden Seiten. Wer war noch dieser Gentleman, über den uns Lad immer wieder schreibt? Der, der Amerikaner so sehr verabscheut? Er hat uns gewarnt, daß es mit dem Burschen problematisch werden könnte, falls wir ihm je begegnen sollten. Erinnerst du dich noch?«
»Rexley«, sagte Gwendolyn. »Der Earl of Rexley. Sein jüngerer Bruder ist im Krieg gefallen, und seither haßt er Amerikaner. Lad sagt, er wäre ein unerträglicher Snob und sich seines Ranges sehr bewußt, aber irgendwie sind sie trotzdem Freunde geworden. Ich kann es mir kaum vorstellen. Lad konnte solche Leute doch nie ausstehen. Ich hoffe, er hat sich nicht allzusehr verändert, seit er den großartigen und glanzvollen Titel Earl of Kerlain geerbt hat. Ich kann mich noch gut erinnern, wie zuwider es ihm war, die Staaten zu verlassen, um sein Erbe anzutreten. Er hat damals geschworen, in kürzester Zeit zurückzukehren, aber jetzt sieht es so aus, als wäre er bereit, den Rest seines Lebens in England zu bleiben.«
»So etwas passiert, wenn eine Frau ins Spiel kommt«, lautete die praktische Erwiderung ihres Vaters. »Lad verliebte sich, und plötzlich sah alles ganz anders aus. Denk lieber daran, bevor du dir einen Mann aussuchst, Liebes.«
»Das werde ich ganz bestimmt«, sagte Gwendolyn.
Eine weitere Woge brachte das Schiff zum Schwanken und schleuderte Gwendolyn und ihren Vater beinahe von ihren Stühlen. Ihr Vater warf gerade noch rechtzeitig beide Arme auf die Papiere, an denen er arbeitete, um zu verhindern, daß sie auf den Boden rutschten, und Gwendolyn umklammerte mit beiden Händen ihren Stuhl.
Einen Moment später, als sich das Schiff wieder senkte, lachte Gwendolyn. »Eigentlich macht es Spaß, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat. Wie ein Galopp auf einem feurigen Hengst.«
»Ich werde nicht versäumen, dich daran zu erinnern, wenn wir zufällig sinken sollten«, sagte ihr Vater, und sie mußte wieder lachen.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl, beugte sich über ihren Vater und küßte seine bärtige Wange. »Ich muß dich wieder deinen chemischen Formeln überlassen, Papa, und nach unten gehen. Ich habe Mrs. Sutcliff versprochen, bald zurückzukommen.«
»Du darfst dich nicht überanstrengen«, sagte er und musterte sie besorgt. »Gwennie, wann hast du zum letztenmal geschlafen? Du bist schrecklich blaß.«
»Mir geht’s gut«, versicherte sie ihm und drückte beruhigend seine Hand. »Wirklich, Papa. Du brauchst dir um nichts Sorgen zu machen, schon gar nicht um mich.«
Er seufzte. »Ich fürchte, das ist unmöglich, meine Liebe. Ich mache mir ständig Sorgen um dich.«
»Ich weiß«, sagte sie mitfühlend. »Vor allem, weil ich keinen Ehemann habe, der es an deiner Stelle tun könnte. Aber ich verspreche dir, Papa, daß ich mir große Mühe geben werde, den Mann zu finden, der dir diese Last von den Schultern nehmen kann. Und ich werde mich in London untadelig benehmen. Ich gebe dir mein feierliches Ehrenwort, daß ich dir nicht die geringsten Sorgen machen werde.«
»Das scheint Ihnen gut gefallen zu haben, M’lord.« Die junge Frau kicherte und rückte ein wenig näher. »Oder etwa nicht?«
Mit einem Seufzer tiefster Befriedigung schlang Jack einen Arm um die mollige Hüfte des Mädchens und schloß die Augen.
»Wundervoll, Georgie. Wie immer.« Er gähnte, fühlte sich herrlich entspannt und durch und durch wohl. »Einfach wundervoll.«
»Ich weiß, was du jetzt brauchst«, flüsterte Georgie ihm ins Ohr, und Jack lächelte.
»Du wirst mich noch umbringen, Süße. Ich brauche eine kurze Pause.«
»Oh, nicht für das, was mir vorschwebt.« Ihre Lippen und Zunge kitzelten die Haut unter seinem Ohr, während sich eine ihrer geschickten Hände unter die Decke stahl und seinen Oberschenkel streichelte. »Bleib schön liegen, und laß dich von Georgie verwöhnen.«
Jack ließ ihr gern ihren Willen, und schon bald spürte er, wie sein ausgelaugter Körper wie durch ein Wunder zu neuem Leben erwachte. Georgie war ein hinreißendes Mädchen. Eine seiner Favoritinnen, obwohl es davon viele gab. Er konnte sich nichts Angenehmeres vorstellen, als in ihrem bequemen Bett zu liegen und sich ihr auszuliefern.
»Georgie«, stöhnte er, als ihr Kopf mit dem zerzausten roten Haar unter der Decke verschwand und dem Pfad folgte, den ihre Hand bereits genommen hatte. »Du süße kleine Hexe.«
Ein lautes Klopfen dröhnte an der Tür, und Jack stöhnte wieder auf, diesmal allerdings vor Verdruß. Georgie setzte sich abrupt auf, und die Decke rutschte ans Bettende.
»Was ist das?« fragte sie erschrocken und starrte die Tür an, als erwartete sie, daß ein Polizist hereinstürmen würde.
Wieder ein lautes Klopfen.
»Weg da!« rief Jack. »Ich habe für den ganzen Nachmittag bezahlt.«
Die Stimme einer älteren Frau ertönte hinter der Tür. »Es tut mir leid, M’lord«, sagte Mrs. May, die Dame des Hauses, »aber hier ist ein Gentleman, der nach Ihnen fragt. Er ist sehr hartnäckig.«
»Verdammt«, knurrte Jack halblaut. Er streckte eine Hand aus und tätschelte beruhigend Georgies bloßes Knie. Zu Mrs. May sagte er: »Wer es auch ist, schicken Sie ihn weg. Ich will von niemandem gestört werden. Ist das klar?« Er konnte sich nicht vorstellen, daß ihm einer seiner engeren Bekannten hierher folgen würde, auch wenn sie wußten, daß er diesen Ort frequentierte. Wulf und Lucky würden es ganz sicher nicht tun, und Kerlain verkehrte seines Wissens nach überhaupt nicht in derartigen Lasterhöhlen, es sei denn, irgendeine Form von Glücksspiel fand dort statt.
»Er behauptet, Viscount Severn zu sein, M’lord«, sagte Mrs. May, die allmählich ziemlich verzweifelt klang. »Und um die Wahrheit zu sagen, ich habe Angst, daß er mein Haus in Trümmer schlägt. Meine Mädchen werden langsam nervös. Er ist ein Schrank von einem Mann, M’lord, und nicht davon abzubringen, Sie zu sehen. Bitte kommen Sie und beruhigen Sie ihn, Sir. Ich flehe Sie an.«
»Gott.« Jack setzte sich auf und sah sich nach seinen Sachen um. Er hätte Wulf dafür umbringen können, ihn ausgerechnet jetzt zu stören. Dieser Schwachkopf! Wenn es ihm gelungen war, eine so furchteinflößende Frau wie Mrs. May einzuschüchtern, mußte er sich in Rage hineingesteigert haben.
Zehn Minuten später öffnete er die Tür zu Mrs. Mays Privatsalon und sah seinen Freund, rastlos vor dem Kaminfeuer auf und ab gehen und an den Fingernägeln einer Hand kauen. Jack konnte gut verstehen, warum Mrs. May um die Sicherheit ihres Hauses gebangt hatte. Wulffrith Lane, Viscount Severn, glich eher einem massiven Berg, dem Arme und Beine gewachsen waren, als einem gewöhnlichen Sterblichen. Noch dazu schien er hauptsächlich aus Muskeln zu bestehen. Hätte der Bursche nicht ein gleichermaßen beeindruckendes Gehirn besessen, das allerdings nicht imstande zu sein schien, logisch zu denken, wenn es sich nicht gerade um Zahlen oder chemische Formeln handelte, wäre er vielleicht Englands gefürchtetster Schläger gewesen. Aber Kämpfen war einer von Wulfs größten Schwachpunkten. Nicht etwa, daß er keine fürchterlichen Verheerungen anrichten konnte, wenn er in Rage war, aber er ging dabei immer ausgesprochen chaotisch vor. Es war für ihn allerdings kaum je erforderlich, sich einer solchen Anstrengung zu unterziehen. Ein Blick auf Wulf reichte im allgemeinen aus, um auch die lästigsten Raufbrüder abzuschrecken.
»Was zum Teufel ist los mit dir?« fuhr Jack ihn scharf an. »Hättest du dir nicht denken können, daß ich beschäftigt bin?«
Wulf zuckte zusammen, als er seine Stimme hörte, und starrte ihn erleichtert an.
»Jack, Gott sei Dank!« Er rang seine fleischigen Hände in einer flehenden Geste. »Gott sei Dank! Ich habe dich überall gesucht. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich dich nicht gefunden hätte.«
»Was hast du jetzt schon wieder angestellt?« wollte Jack wissen, der es mehr als gewohnt war, die Schwierigkeiten zu bereinigen, in die sich Wulf hineinmanövrierte. Menschen mit einem überragenden Verstand, hatte Jack festgestellt, waren oft hilflos wie ein Baby, wenn es um das Zusammenleben mit normalen Menschen ging.
»Nichts, das schwöre ich!« sagte Wulf ernst. Er rang die Hände. »Aber du mußt mir helfen, Jack. Kerlain ist krank geworden. Er … er ist bettlägerig!«
Jack starrte ihn an. »Du kommst in Mrs. Mays Haus und ruinierst mir den Nachmittag, um mir zu erzählen, daß Kerlain krank ist? Wulf …«, er seufzte und rieb die Stelle zwischen seinen Augen, an der sich ein pochender Schmerz entwickelte, »… wenn Kerlain nicht gerade auf seinem Sterbebett liegt, lasse ich dich in eine Irrenanstalt einweisen, das schwöre ich.«
»Aber du verstehst nicht«, sagte Wulf verzweifelt. »Ich wäre zu Lucky gegangen, wenn er in der Stadt wäre, aber das ist er nicht, und du bist der einzige, der mir helfen kann. Es geht um Professor Wells. Professor Wells, Jack. Sein Schiff legt heute an. Heute nachmittag. Und Kerlain ist nicht in der Lage, ihn abzuholen.«
»Aha«, sagte Jack, dem jetzt einiges klar wurde. »Professor Wells.« Wulf hatte in den letzten vier Monaten von kaum etwas anderem gesprochen, von dem Zeitpunkt an, als Kerlain verkündet hatte, daß er einen Besuch des berühmten Chemikers bei der Royal Society arrangiert hatte. Wulf verehrte Professor Wells beinahe ebensosehr wie seinen Mentor Viscount Hemstead. »Verstehe. Aber was hat das mit mir zu tun?«
»Nun ja, ich … Jack, da Kerlain ausfällt, mußt du ihn mit mir abholen und mir helfen, ihn und seine Tochter ins Clarendon zu bringen. Außer dir gibt es niemanden. Wie ich bereits sagte, ist Lucky draußen in Pearwood.«
Jack wußte, daß es keinen Sinn hatte, Wulf vorzuschlagen, Wells und seine Tochter allein in Empfang zu nehmen. Bei Wulfs schusseliger Art würden sie es nicht einmal schaffen, aus den Docks herauszukommen. Nicht, daß es Jack besonders kümmerte. Immerhin waren Wells und seine Tochter Amerikaner. Ihm wäre es in jedem Fall lieber gewesen, sie hätten die Reise nach England gar nicht erst angetreten.
»Was ist mit Hemstead?« schlug er vor. »Er ist doch sicher besser dazu geeignet.«
Wulfs kantiges Gesicht legte sich in kummervolle Falten, und sein wirres, schwarzes Haar flog hin und her, als er den Kopf schüttelte. »Er steckt gerade mitten in einem Experiment mit Wasserstoff. Ich habe ihn gebeten mitzukommen, aber er kann momentan nicht aus dem Haus. Du weißt ja, wie sehr es bei der Chemie auf die korrekte Reihenfolge und den Zeitablauf ankommt.«
Jack wußte nichts dergleichen und war auch nicht sonderlich daran interessiert. Er seufzte erneut. Laut.
»Und was ist mit Robby? Er tut es bestimmt. Und überleg doch mal, was für einen Eindruck es auf Professor Wells und seinen Ableger machen würde, an Englands schönen Gestaden vom Earl of Manning in Empfang genommen zu werden.«
Wulf stöhnte. »Er und Lady Manning sind bei Lucky in Pearwood, um das neue Baby zu bewundern. Sie kommen erst in zwei Tagen zurück.«
»Bei Gott, das stimmt«, murmelte Jack. Es überraschte ihn selbst, nicht daran gedacht zu haben. Normalerweise hielt er sich über das, was der Earl of Manning tat, immer auf dem laufenden.
»Dann muß ich wohl einspringen«, sagte er schicksalsergeben.
»Danke«, sagte Wulf mit unverhohlener Erleichterung. »Danke, Jack. Du bist der beste Freund, den ein Mann nur haben kann.«
»Ja«, sagte Jack trocken. »Ich will nur hoffen, du erinnerst dich daran, wenn ich dich das nächste Mal um einen Gefallen bitte. Und ich hoffe, Kerlain ist wirklich krank. Wenn das eins seiner Spielchen sein sollte …«
»Bestimmt nicht«, versicherte Wulf eifrig. »Ihm geht’s hundeelend, das kann ich beschwören. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen. Ich habe noch nie einen Menschen in einem so erbärmlichen Zustand gesehen, und dabei ist es nicht einmal vom Trinken.«
»Kerlain hat dich schon öfter hinters Licht geführt, mein Freund«, bemerkte Jack mit einem sehnsüchtigen Blick zur Zimmerdecke, über der Georgie auf seine Rückkehr wartete. »Na los, gehen wir. Ich schaffe dich lieber hier raus, bevor entweder deine Verlobte oder deine Mätresse dahinterkommt, daß du am hellichten Tag in Mrs. Mays Haus warst. Bella würde dir den Kopf abreißen, und Yvette würde dich kastrieren. Du hast wohl nicht daran gedacht, deine Kutsche zu nehmen? Nein? Dann müssen wir erst nach Brannard House, um meine zu holen.«
Die Fair Weather legte am vorgesehenen Tag der Ankunft in London an, was angesichts der Unwetter, die im mittleren Atlantik getobt hatten, einem Wunder gleichkam.
»Hoffentlich wartet Lad nicht schon lange«, bemerkte Gwendolyn, als sie die Bänder ihrer Haube unter dem Kinn fester schnürte. »Aber wenigstens scheint es ein schöner Tag zu sein. Nach allem, was wir von London gehört haben, hatte ich eher mit Regen gerechnet.«
»Ich hoffe nur, der Junge ist da«, sagte Professor Wells, der gerade sorgfältig die Notizen verstaute, die er sich zu seiner jüngsten Studie gemacht hatte. »Es wäre mir nicht sehr lieb, ohne Hilfe durch die uns fremden Straßen Londons zu kutschieren.«
»Keine Angst, Papa. Dein Orientierungssinn mag bescheiden sein, aber ich werde schon auf dich aufpassen. Was meinst du, bin ich passend angezogen? Ich möchte Lad nicht in Verlegenheit bringen, falls sich die Mode in England zu sehr von der in den Staaten unterscheidet.«
»Meine Liebe«, sagte ihr Vater, während er ihr einen Blick zuwarf, »das wird nicht die geringste Rolle spielen. Du wirst jeden Mann, der dich sieht, sofort in Verzückung versetzen, und das wird Lad bestürzend finden. Es ist sechs Jahre oder mehr her, seit dich der Junge zum letztenmal gesehen hat. Ich bezweifle, daß er auf die Veränderung vorbereitet ist.«
»Papa, du übertreibst mal wieder«, erwiderte Gwendolyn, wobei sie einen Seufzer unterdrückte. Er stellte sie dar, als wäre sie die schöne Helena oder schlimmer noch, Medusa. Ihr war durchaus bewußt, daß sie gut aussah, aber sie war weit davon entfernt, eine betörende Sirene zu sein. Das zeigte ihr Spiegel deutlich genug. Rotblondes Haar, blaue Augen, und ein Gesicht, das in keiner Weise aus dem Rahmen fiel. Daß die Männer darin etwas sahen, das sie um den Verstand brachte, konnte sie nicht ändern.
»Ich wünschte, es wäre so«, sagte der Professor. »Bist du fertig, meine Liebe? Die anderen Passagiere gehen bereits an Land.«
»Sofort«, sagte Gwendolyn. »Ich muß nur noch diesen einen Koffer zu Ende packen. Geh ruhig schon vor und sieh dich nach Lad um, Papa. Ich komme gleich nach.«
»Na schön.« Er hob die Tasche auf, die seine kostbaren Notizen enthielt. »Ich schicke einen der Männer, um das Gepäck holen zu lassen. Laß uns nicht warten, Gwennie.«
Sie widmete sich umsichtig ihrer Aufgabe, als ihr Vater die Kabine verlassen hatte, wobei sie nur ein, zweimal innehielt, um sich zu vergewissern, daß sie nichts vergessen hatte, und, wichtiger noch, daß ihr Vater keine seiner Kritzeleien liegenlassen hatte. Wie Gwendolyn wußte, konnte einem Wissenschaftler kaum etwas Schlimmeres passieren als der Verlust solcher scheinbar unbedeutender Zettel.
Sie war gerade damit fertig, die Schubladen des kleinen Schreibtischs zu kontrollieren, an dem ihr Vater während der Überfahrt gearbeitet hatte, als es kurz an die Tür klopfte.
»Herein«, rief sie, und Mr. Hanburys angenehmes, wettergegerbtes Gesicht spähte zur Tür herein.
»Miss Wells, ich hoffe, ich störe nicht?«
»Nein, natürlich nicht«, versicherte sie ihm fröhlich, während sie sich bückte, um unter den Schreibtisch zu schauen. »Mein Koffer ist jetzt fertig gepackt. Tut mir schrecklich leid wegen der Verspätung. Das ist eine meiner größten Schwächen, fürchte ich. Zu spät dran zu sein.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie Fehler haben, Miss Wells«, sagte er. Er klang ziemlich komisch, fand sie.
»Dann läßt Sie Ihre Vorstellungskraft im Stich, lieber Herr. Papa sagt immer, ich würde ihn noch in ein frühes Grab treiben und dann zu spät zur Beerdigung kommen.« Sie lachte und richtete sich wieder auf. »Was vermutlich zutrifft, wenn man bedenkt, daß ich …« Die Worte erstarben auf ihren Lippen, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Dieser Ausdruck war ihr mehr als vertraut, und innerlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus. »Mr. Hanbury«, begann sie, aber er kam bereits näher.
»Miss Wells, bitte lassen Sie mich sprechen«, sagte er in einem so ernsten Tonfall, daß ihr der Mut sank. Sie wünschte aus ganzem Herzen, sie hätte ihren Vater nicht weggeschickt. »Ich habe versucht, die Gefühle zu unterdrücken, die in meinem Herzen für Sie aufgekeimt sind …«
Du meine Güte, dachte sie. Es war schlimmer, als sie erwartet hatte. Ihr war jetzt schon nach Lachen zumute.
»… aber es ist unmöglich. Mir ist bewußt, daß ich nur Erster Offizier an Bord bin und daß Sie jeden Mann haben könnten, den Sie wollen, aber falls auch nur die geringste Möglichkeit besteht, daß Sie meine Werbung in Betracht ziehen könnten, würden Sie mich zum glücklichsten Mann auf der Erde machen.«
Sie mußte sich fest auf die Innenseite ihrer Lippe beißen, bevor sie ihm gelassen antworten konnte.
»Sie sind sehr liebenswürdig, Mr. Hanbury«, sagte sie so sanft sie konnte, »und Sie waren während der Überfahrt sehr nett zu meinem Vater und mir, aber ich fürchte, ich kann nicht …«
»Oh, das ist mir klar!« sagte er und war so schnell bei ihr, daß sie nicht mehr ausweichen konnte, bevor er ihre Hände nahm. »Ich weiß um die Schwierigkeiten, die eine Verbindung zwischen uns mit sich bringt. Ihr Vater zum einen, und zum anderen der Standesunterschied. Aber Liebe vermag alles zu überwinden!« Er überschüttete ihre Hände mit glühenden Küssen.
»Mr. Hanbury! Bitte nicht!«
Ihre Versuche, sich von ihm zu befreien, trugen nur dazu bei, seine Glut anzufachen. Bevor Gwendolyn wußte, wie ihr geschah, hatte er beide Arme um sie geschlungen.
»Ich liebe Sie!« verkündete er feurig und preßte sie so fest an sich, daß sie kaum noch Luft bekam. »Wenn Sie nur das eine Wort sagen, werde ich jeden Feind abwehren, um Sie zu beschützen!«
»Mr. Hanbury, das einzige Wort, das ich zu sagen wünsche, ist nein! Bitte lassen Sie mich sofort los!«
Er schien sie nicht zu hören.
»Kein Mann könnte Sie je so innig lieben wie ich, Miss Wells«, verkündete er. »Ich werde Sie bis in alle Ewigkeit und noch länger anbeten.«
»Wenn Sie mich nicht vorher mit leerem Gewäsch um den Verstand bringen«, brachte sie nach Luft schnappend hervor. »Mr. Hanbury, ich bitte Sie! Lassen Sie mich los!«
Er schien nicht geneigt, ihrer Bitte nachzukommen, sondern begann die eine Seite ihres Gesichts mit heftigen, leidenschaftlichen Küssen zu übersäen, womit er allerdings nur bewirkte, daß ihre Haube verrutschte und sie noch angewiderter war. Gwendolyn behielt jedoch einen klaren Kopf. Sie war früher schon in ähnlich unerfreulichen Situationen gewesen und beherrschte eine ganze Reihe wirkungsvoller Methoden, um damit fertig zu werden. Sie hatte gerade eine Hand zur Faust geballt und ausgeholt, um sie nutzbringend einzusetzen, als sie jemanden mit unverkennbaren englischem Akzent sprechen hörte.
»Verzeihung, bitte.«
Mr. Hanbury erstarrte und wandte den Kopf. Im nächsten Moment verlor er buchstäblich den Boden unter den Füßen. Gwendolyn wich erleichtert einen Schritt zurück. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf einen hochgewachsenen, muskulösen Gentleman mit hellem Haar, der hinter Mr. Hanbury auftauchte, ihn am Kragen packte und hochhob, als wäre er nicht schwerer als ein Kind.
»Ich denke, die Dame hat sich unmißverständlich geäußert«, fuhr der Gentleman fort, ohne Mr. Hanburys Gezappel und erstickte Protestlaute zu beachten. »Sie wünscht nicht belästigt zu werden, und daran werden Sie sich halten, jetzt und auch in Zukunft.«
»Das ist eine … Privatangelegenheit!« keuchte Mr. Hanbury und schwenkte einen Arm in dem sinnlosen Versuch, seinen Peiniger zu treffen. »Lassen Sie mich los!«
»Nicht sehr angenehm, wenn man selbst das Opfer ist, nicht wahr?« sagte der andere und schleuderte Mr. Hanbury mühelos durch die Kabine, wo er an einer Wand landete. »Ich würde gern versuchen, Ihnen diese Sache noch deutlicher zu erklären, Sir, aber ich habe eine ausgeprägte Abneigung dagegen, meine Zeit auf beschränkte und ungehobelte Kretins zu vergeuden. Verschwinden Sie, bevor ich die Geduld verliere.«
Irgend etwas im Tonfall des Mannes schien Mr. Hanbury davon zu überzeugen, daß es besser war, seiner Aufforderung nachzukommen, denn der Erste Offizier stand prompt auf, klopfte den Staub von seiner Uniform, verbeugte sich hastig vor Gwendolyn und verschwand.
Der blonde Gentleman wartete, bis die Tür ins Schloß gefallen war, bevor er sich zu ihr umdrehte. Er sah überwältigend gut aus – der Typ Mann, der bei einer Frau Neid und Bewunderung zugleich erwecken kann. Sein Haar war so hell, daß es mit Weiß durchsetzt schien, eine Farbe, von der sich das Blau seiner Augen kraß abhob. Sein Gesicht war aristokratisch und fein geschnitten und dennoch durch und durch unleugbar männlich. Seine Kleidung, aus feinstem Tuch und nach der letzten Mode geschnitten, verhüllte eine Gestalt, die nicht nur muskulös und sportlich, sondern auch perfekt proportioniert war. Er musterte Gwendolyn von seiner überlegenen Höhe mit einem verächtlichen Blick, als wäre ihr Anblick allein Grund genug, sie abzulehnen.
Vielleicht lag es daran, daß sie es nicht gewöhnt war, von Männern mit einem Stirnrunzeln bedacht zu werden, vielleicht war es auch die Erinnerung an den Vorfall mit Mr. Hanbury, aber aus einem unerfindlichen Grund hielt Gwendolyn diesem kalten, mißbilligenden Blick stand und fing an zu lachen. Sie konnte nicht aufhören. Und je mehr sie lachte, desto komischer schien alles zu sein. Sie bog sich vor Lachen, lachte, als könnte sie nie mehr aufhören, und ließ sich schließlich auf die Bettkante sinken.
»Oh!« sagte sie, kicherte noch einmal und wischte sich die Tränen weg, die ihr über die Wangen liefen. »Entschuldigen Sie bitte. Ich sollte nicht über den armen Mr. Hanbury lachen. Es tut mir leid.« Sie sah zu ihm auf, wobei sie sich große Mühe gab, ihre Erheiterung zu unterdrücken, und stellte fest, daß er sie mißbilligender denn je anstarrte. Bei diesem Anblick brach sie erneut in Gelächter aus. »Haben Sie ihn nicht gehört?« fragte sie. »W-was er alles gesagt hat!«
»Freut mich, daß Sie es so amüsant fanden«, sagte der Gentleman trocken.
»›Ich werde jeden Feind abwehren, um Sie zu b-beschützen!‹«, brachte sie heraus. »›Ich werde Sie bis in alle Ewigkeit anbeten und noch … n-noch länger!‹ Oh!« Sie ließ sich auf das Bett fallen. »Oh, ich habe Seitenstechen!«
Der gutaussehende Gentleman betrachtete sie schweigend, bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Sie grinste ihn wie ein betrunkener Idiot an.
»Finden Sie es denn kein bißchen amüsant?« fragte sie.
Nein, dachte Jack. Er fand es nicht amüsant. Und sie auch nicht, um genau zu sein. Die ganze Situation entbehrte jeder Komik. Im Gegenteil. Er war nicht nur kein bißchen belustigt, er war bis ins Mark erschüttert.
Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Wenn er versucht hätte, ein derartiges weibliches Wesen in seinen Träumen heraufzubeschwören, hätte diese fiktive Frau neben der realen nicht bestehen können. Sie lag vor ihm, die Haube verrutscht, das rotblonde Haar gelöst. Ihr Kleid straffte sich unter ihrem Körper, so daß sich der Stoff eng an ihre traumhafte Figur schmiegte, und sie sah zu ihm auf mit einem lächelnden Mund, der wie zum Küssen geschaffen war, und mit funkelnden blauen Augen, die unverkennbar einladend wirkten. Es war beinahe mehr, als jeder Mann, der bei klarem Verstand war, verkraften konnte. Er wünschte sich nichts mehr, als ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sich zu ihr aufs Bett zu legen.
Jack war nie den Frauen verfallen gewesen, außer jenen vielleicht, die sich in der Halbwelt bewegten. Aber diese munteren Vögelchen waren etwas anderes. Er liebte sie alle in einem allgemeinen Sinn, wobei er keine von ihnen bevorzugte oder sich auf ein längerfristiges Verhältnis einließ. Andere Frauen – die Art, die man heiratete – versuchten seit Jahren, sein Herz oder zumindest seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, waren aber stets gescheitert. Selbst die schönsten und charmantesten unter ihnen hatten kaum mehr erreicht als seinen milden Beifall. Aber diese Frau – sie machte ihm angst. Ihn streifte der flüchtige Gedanke, daß er, wenn sie je über Worte der Liebe, die er zu ihr sagte, ebenso lachen würde wie über den Hanswurst, der gerade hier gewesen war, sich am liebsten in die Themse stürzen und nie wieder auftauchen würde.
Schließlich setzte sie sich auf, immer noch albern grinsend, und begann, ihr Haar und ihre Haube zu richten.
»Meine Güte, es tut mir leid«, entschuldigte sie sich noch einmal. »Wie dumm von mir. Und es ist wirklich nicht nett von mir, mich über Mr. Hanbury lustig zu machen. Es schien ihm ernst zu sein, und obwohl mir seine Liebeserklärung unangenehm war, möchte ich nicht seine Gefühle verletzen. Danke, daß Sie mich gerettet haben.« Sie stand auf und nahm sich kurz die Zeit, ihre Röcke glattzustreichen, bevor sie eine behandschuhte Hand ausstreckte. »Ich bin Gwendolyn Wells.«
Jack starrte ihre Hand einen Moment an, bevor er sie nahm. Gwendolyn Wells war anmutig und weiblich, bis in die Spitzen ihrer zarten Finger. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und die Flucht ergriffen.
»Ich bin Rexley«, sagte er und beobachtete, wie sich ihre Augen weiteten, als sie seinen Namen hörte.
»Rexley?« wiederholte sie und zog ihre Hand zurück. »Der Earl of Rexley?«
»Ja.« Er fühlte sich leicht verunsichert. Kerlain schien seinen Verwandten in Amerika von ihm geschrieben zu haben, und er konnte sich gut vorstellen, was. Er und Kerlain waren Freunde, aber dennoch immer ein wenig auf der Hut. Kerlain lehnte die Engländer beinahe ebensosehr ab wie Jack die Amerikaner. »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, daß der Earl of Kerlain erkrankt ist. Ich bin an seiner Stelle gekommen, um Sie in England willkommen zu heißen.«
Sorge erfüllte ihr schönes Gesicht, und Jack verspürte den unwillkommenen Impuls, wieder ihre Hand zu halten.
»Lad ist krank? Ist es etwas Ernstes?«
»Ganz und gar nicht. Ein leichtes Unwohlsein, mehr nicht. Ende der Woche wird er sicher wieder auf den Beinen sein. Es wäre mir eine Ehre, Sie und Professor Wells an Kerlains Stelle zu Ihrem Hotel zu begleiten und darauf zu schauen, daß Sie gut untergebracht werden.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie mit ungekünstelter Dankbarkeit, und Jacks Herz begann wieder schneller zu schlagen. Sie war gefährlich, ohne Zweifel. Sowie er sie im Clarendon abgeliefert hatte, würde er sie meiden wie die Pest. »Mein Vater ist schon vorgegangen …«
»Viscount Severn und ich haben ihn getroffen. Ich ließ die beiden auf der Anlegestelle zurück und kam her, um nach Ihnen Ausschau zu halten. Wir hatten eine Viertelstunde gewartet und machten uns allmählich Sorgen.«
»War es so lang? Entschuldigen Sie bitte. Ich bin natürlich froh, daß Sie gekommen sind, sonst hätte ich es vielleicht nie erkannt. Aber ich bin sicher, irgendwann hätte ich es. Erkannt, meine ich.«
»Erkannt?« fragte er verwirrt.
»Ja.« Mehr sagte sie nicht. Das Lächeln, das sie ihm schenkte, fuhr ihm bis in die Zehenspitzen.
Gott im Himmel, dachte er. Eine gefährliche Frau in jeder Beziehung. Er mußte den Drang unterdrücken, sich zu bekreuzigen.
»Es ist eine solche Erleichterung, Sie endlich kennenzulernen«, sagte sie leise. »Nach all der Zeit. Es scheint eine Ewigkeit gedauert zu haben. Ich dachte schon, unsere Wege würden sich nie kreuzen.«
»Wie bitte?« Wovon in aller Welt redete die Frau? Seit wann hatte Kerlain ihn in seinen Briefen erwähnt? Er kannte den Mann doch erst seit zwei Jahren.
Sie seufzte leicht. »Sollten wir nicht gehen?«
Er kümmerte sich darum, daß ihr Gepäck zu seiner Kutsche gebracht wurde, und begleitete dann Miss Wells auf die Pier, wo ihr Vater und Wulf in eine angeregte Diskussion über Physik vertieft waren. Wulf schien von Miss Wells’ ungewöhnlicher Schönheit nicht im geringsten beeindruckt zu sein, als er ihr vorgestellt wurde. Aber das überraschte Jack nicht übermäßig. Wulf war nicht wie andere Männer, was Frauen anbetraf. Er liebte seine Verlobte Bella von ganzem Herzen und hatte, abgesehen von seiner Mätresse, kein Interesse an anderen weiblichen Wesen. Nachdem er seinem Entzücken, ihre Bekanntschaft zu machen, Ausdruck verliehen hatte, nahm Wulf Miss Wells’ zarte Hand in seine mächtige Pranke und schüttelte sie herzhaft, bis Jack ihn aufforderte, damit aufzuhören. Im nächsten Moment setzten er und Professor Wells ihr Gespräch fort.
Jack wandte seine Aufmerksamkeit widerstrebend Miss Wells zu. »Sie müssen von der langen Reise müde sein. Wir bringen Sie so schnell wie möglich in Ihr Hotel.« Auf sein Zeichen hin öffnete der Lakai den Wagenschlag, und Jack bot Miss Wells seine Hand, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein.
Gwendolyn lächelte ihn an und sagte: »Danke, Mylord. Würden Sie mir rasch noch ein Wort unter vier Augen mit meinem Vater erlauben? Ich muß ihm etwas Wichtiges sagen.«
Lord Rexley ließ seine Hand sinken und nickte. »Wenn Sie ihn vom Thema Wissenschaft ablenken können.«
Sie war froh, daß ihm klar war, wie schwierig ein solches Unterfangen war. Seine Erfahrungen mit Lord Severn schienen ihn einiges gelehrt zu haben.
Sie zupfte ihren Vater am Ärmel und beugte sich näher zu ihm.
»Papa«, wisperte sie. »Ich habe dir versprochen, daß du es als erster erfahren wirst. Der da.«
Selbst die Wissenschaft vermochte ihn angesichts einer solchen Eröffnung nicht zu fesseln. Professor Wells richtete sich auf und starrte seine Tochter an.
»Der da?«
»Ja.« Sie nickte. »Er ist es.«
Er sah an Lord Severn vorbei, der immer noch selig über Physik redete, zum Earl of Rexley, der gerade überwachte, wie Gwendolyns Gepäck verstaut wurde. »Er?« fragte er ungläubig.
»Ja.« Gwendolyn folgte dem Blick ihres Vaters. »Er.«
»Aber meine Liebe, du hast ihn eben erst kennengelernt. Du hast eben erst deinen Fuß auf englischen Boden gesetzt. Und der Mann hat bis jetzt nichts anderes getan, als dich mißbilligend zu mustern.«
»Trotzdem«, sagte sie. »Er.«
Professor Wells wußte es besser, als mit seiner Tochter zu debattieren, wenn dieses gewisse Leuchten in ihren Augen lag. Sie hatte ihr Herz eindeutig an den Earl of Rexley verloren, und wenn er der Mann war, den sie wollte, würde sie ihn bekommen.
»Na gut«, sagte er. »Wenn du dir ganz sicher bist.«
»Ich bin mir sicher«, sagte sie, wobei sie den fraglichen Mann betrachtete, als wäre er das herrlichste Geschöpf auf Erden. »Ganz, ganz sicher.«
»Aber wenn er dich nun nicht will, mein Liebes?«
Ihr Lächeln wurde spitzbübisch. »Dazu werde ich ihn schon bringen.«
»Gwennie«, sagte er warnend. »Ich möchte nicht, daß du etwas Unschickliches tust.«
Sie sah ihn überrascht an. »Ich, Papa? Wie kannst du so etwas nur denken?«
»Das fällt mir nicht schwer.«
»Ich werde mich benehmen«, versprach sie. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mylord?« wandte sie sich an Lord Rexley, der sich stirnrunzelnd zu ihr umdrehte. »Wir sind jetzt soweit.« Sie streckte ihre Hand aus und ließ sich von ihm in die Kutsche helfen.
Er hatte versucht, ihr in der Kutsche gegenüberzusitzen, aber irgendwie landete sie neben ihm, während Wulf seine massige Gestalt auf der anderen Seite in die Ecke quetschte, um genügend Platz für Professor Wells zu machen. Die beiden Chemiker setzten ihre Diskussion fort – Jack hatte den Versuch aufgegeben zu verstehen, worum es ging –, während Gwendolyn Wells sich vorbeugte, um aus dem Fenster zu schauen. Bei der Bewegung straffte sich der Stoff ihres Kleids über ihren Brüsten, und es irritierte Jack, daß er seinen Blick nicht sofort von diesem Anblick losreißen konnte.
»Was für ein schöner Tag«, sagte sie in einem unbefangenen, aber festen Tonfall, den sie wohl wählte, um die angeregte Diskussion der beiden Wissenschaftler zu übertönen. Jack hatte den Trick im Laufe seiner langjährigen Bekanntschaft mit Viscount Severn selbst gelernt. Genies, hatte er festgestellt, hatten die bedauerliche Neigung, die Existenz ihrer Mitmenschen zu vergessen, die, wenn sie nicht ignoriert werden wollten, Mittel und Wege finden mußten, sich bemerkbar zu machen. »Wir gerieten auf See in ein fürchterliches Unwetter.« Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. »Ich hatte die Befürchtung, London würde ebenso naß und trostlos sein.«
»Das wird es sicher noch«, sagte er dämpfend, da er nicht den leisesten Wunsch hatte, daß die Familie Wells ihren Aufenthalt unnötig in die Länge zog. »Bald. März und April können sehr launische Monate sein.«
»In den Staaten ist es leider genauso«, sagte sie mit einem Seufzer. »Aber dennoch ist es in Boston zu dieser Jahreszeit im allgemeinen sehr schön.«
Er wollte nicht über die Vereinigten Staaten sprechen, wo sein einziger Bruder in einem unvorstellbar sinnlosen Krieg gestorben war. Die Politiker Großbritanniens trugen daran genausoviel Schuld wie alle anderen Beteiligten, aber er brachte es nicht über sich, den ehemaligen Kolonien und ihren Bürgern zu verzeihen. David war in diesem fremden Land gestorben, durch die Hand eines Amerikaners, für eine hoffnungslose, fruchtlose Sache.
»Dann werden Sie wünschen, bald dorthin zurückzukehren«, gab er schärfer als beabsichtigt zurück. Wieder ärgerte er sich über sein Benehmen. Man hatte ihn von der Wiege an gelehrt, sich gut zu benehmen, selbst in unerwünschter Gesellschaft. Eine attraktive Amerikanerin würde seine Erziehung nicht zunichte machen. Es wäre natürlich leichter für ihn, wenn sie ihn nicht so reizend anlächelte. Und wenn der Duft ihres Parfums, leicht und blumig, seine Sinne nicht auf so erregende Weise kitzelte. Ihn streifte der flüchtige Gedanke, daß er Amerikaner bis jetzt immer für schmuddeliges, ungehobeltes Pack gehalten hatte. Offensichtlich hatte er sich geirrt. Die meisten Frauen brachten von einer langen Überfahrt über den Ozean den Geruch von abgestandenem Schweiß und Feuchtigkeit mit. Gwendolyn Wells ging von Bord eines Schiffs, auf dem sie über einen Monat eingepfercht gewesen war, und duftete wie ein Strauß frischer Lilien.
»Das hätte ich auch gedacht«, stimmte sie freundlich zu, »aber jetzt kann ich es wirklich nicht mehr sagen. Alles ist anders geworden.«
»Anders?«
Ihr Lächeln wurde weich, und sie lehnte sich näher zu ihm. Jack wich unauffällig ein Stück zurück. »Ja, natürlich«, sagte sie. »Ich erwarte natürlich nicht, daß Sie es verstehen. Schließlich haben wir uns gerade erst kennengelernt.«
Er starrte sie verständnislos an und fragte sich insgeheim, ob sie vielleicht ein bißchen verrückt war. Sie ersparte ihm die Notwendigkeit, eine Antwort auf ihre Bemerkung zu finden, indem sie abrupt das Thema wechselte.
»Verbringen Sie den Großteil des Jahres in London, Lord Rexley? Oder gehören Sie zu jenen Adligen, von denen wir in den Staaten hören, die ihre Zeit zwischen hier und dort aufteilen? Ich hoffe, daß Sie einstweilen in der Stadt bleiben. Ich würde mich so über die Gelegenheit freuen, Sie besser kennenzulernen. Mein Vater und ich würden uns beide freuen, sollte ich wohl sagen.«
Um Himmels willen! dachte Jack. Dieser Frechdachs war erst seit einer Stunde auf englischem Boden und fing schon an zu flirten. Und das ausgerechnet mit ihm. Sie war es vermutlich gewöhnt, daß sie nur mit den Wimpern zu klimpern brauchte, damit ihr die Männer reihenweise zu Füßen lagen, aber wenn sie sich einbildete, er wäre der Typ Mann, der ohne weiteres auf ihren reichlich vorhandenen Charme hereinfiel, hatte sie sich getäuscht.
»Miss Wells«, begann er, innerlich darauf vorbereitet, ihr eine schneidende, wenn auch absolut höfliche Abfuhr zu erteilen.
Sie ließ ihn nicht ausreden.
»Ach, du meine Güte! Ich habe etwas Falsches gesagt, stimmt’s? Das sehe ich an Ihrem Gesichtsausdruck.« Ihr Lächeln wirkte ganz und gar nicht zerknirscht. »Lad hat mich davor gewarnt, daß die Engländer an die offene Redeweise der Amerikaner nicht gewöhnt sind, aber ich hoffe, Sie werden mir verzeihen. Einen Tag wie heute erlebt man nicht oft. Im Grunde nur einmal im Leben.« Sie stieß einen glücklichen Seufzer aus und lehnte sich zurück. »Morgen werde ich mich untadelig benehmen, das verspreche ich. Wären Sie so nett, uns zu Lad zu fahren, bevor Sie uns in unser Hotel bringen, Mylord? Ich würde ihn gern sehen und mich vergewissern, wie es ihm geht.«
Amerikaner, hatte Jack schon vor langer Zeit festgestellt, waren ein hoffnungsloser Fall, wenn es darum ging, höflich Konversation zu machen. Er hatte genug Zeit mit Kerlain verbracht, um sich daran zu gewöhnen, daß ein Gesprächsthema in mehrere verschiedene Richtungen in ebenso vielen Minuten abschweifen konnte.
»Ich denke, es wäre besser, direkt zum Clarendon zu fahren, Miss Wells«, sagte er, in der Hoffnung, daß sie keine Einwände erheben würde. Es war sinnlos zu hoffen, ihr könnte bewußt sein, daß eine junge Frau nicht einmal in Begleitung eines Elternteils die Räumlichkeiten eines Gentlemans aufsuchen sollte. Wenn Kerlain den Anstand gehabt hätte, ein angemessenes Stadthaus zu mieten und Personal einzustellen, wäre es etwas ganz anderes gewesen. In diesem Fall hätte Jack Professor Wells und seine Tochter viel lieber zu diesem fiktiven Wohnsitz als zum Hotel gefahren. Aber Kerlain war berüchtigt dafür, ausgesprochen knickerig mit dem Vermögen umzugehen, das er in den letzten drei Jahren angehäuft hatte, und er hatte nur drei kleine, bescheidene Zimmer für sich selbst und seinen einzigen Bediensteten gemietet, in einem wenig respektablen Stadtteil. Es war kein Problem für seine männlichen Freunde, ihn dort zu besuchen – Jack selbst hatte etliche vergnügte Abende in Kerlains Salon damit verbracht, sich fröhlich zu betrinken und Geld zu verspielen –, aber für eine wohlerzogene junge Dame kam das nicht in Frage. Jedenfalls nicht, wenn sie den Wunsch hatte, ihren guten Ruf nicht aufs Spiel zu setzen. »Ich glaube, Lord Kerlain wäre es lieber, wenn Sie und Professor Wells sich erst einmal eingewöhnen, bis er sich in ein, zwei Tagen erholt hat. Es wäre mir jedoch ein Vergnügen, ihm heute nachmittag jede Botschaft zu überbringen, die Sie gern an ihn richten würden.«
»Aber wir müssen ihn persönlich sehen«, protestierte sie und streckte in der schwankenden Kutsche eine Hand aus, um an das Knie ihres Vaters zu tippen. »Findest du nicht, Papa? Wir müssen sofort zu Lad, nicht wahr? Bevor wir ins Hotel fahren. Es ist so lange her, und er wäre bestimmt überrascht, wenn wir ihn nicht gleich begrüßen kommen.«
Professor Wells blinzelte sie einen Moment lang verständnislos an, während er einen Teil seines Gehirns von der Wissenschaft loseiste. »Gewiß, meine Liebe«, sagte er. Er sah Jack an. »Ich würde meinen Neffen gern so früh wie möglich sehen. Ist das möglich, Lord Rexley?«
Wulfs Augen weiteten sich vor Schreck, und er wand sich vor Verlegenheit. »Oh nein, Professor. Sie wollen bestimmt nicht Kerlains Wohnung sehen. Und Sie können Miss Wells nicht dorthin mitnehmen.«
»Nicht?« Das schien Professor Wells zu überraschen. »Dagegen ist doch sicher nichts einzuwenden. Er ist schließlich mein Neffe und Gwendolyns Cousin.«
»Aber es … es gehört sich einfach nicht, Sir«, stammelte Wulf. Er warf Jack einen hilfesuchenden Blick zu.
»Was für ein Unsinn«, sagte Miss Wells mit einem Lachen. »Wenn wir nicht einmal einen Verwandten, der noch dazu krank ist, besuchen können, sind wir hier von vornherein zum Scheitern verurteilt. Stimmt’s, Papa?«
Jack gab ihr insgeheim recht, sagte aber statt dessen: »Ich glaube, es wäre Lord Kerlain lieber, Ihr so lange ersehntes Wiedersehen ein, zwei Tage aufzuschieben, Professor, bis er wieder bei Kräften ist und Sie in einer’ angemesseneren Umgebung empfangen kann.«
»Ja«, stimmte Wulf zu und nickte mit seinem dunklen, zotteligen Kopf. »Ja, so ist es. Es wäre nicht schicklich, eine junge Dame in eine Wohnung dieser Art zu führen. Kerlain wird sich zu einem korrekten Besuch im Clarendon einfinden, wenn er wieder gesund ist.«
»Es interessiert mich nicht, wie Lads Wohnung aussieht«, gab Miss Wells zurück und warf einen belustigten Blick in Jacks Richtung. Er hatte das Gefühl, daß sie gewohnt war, ihren Kopf durchzusetzen. »Und Papa sicher auch nicht. Bringen Sie uns bitte zu ihm, Lord Rexley.«