Inspirationen aus dem Parelli-Land - Nicola Steiner - E-Book

Inspirationen aus dem Parelli-Land E-Book

Nicola Steiner

4,5

Beschreibung

'Natural Horsemanship: Was ist das eigentlich?' - 'Welche Pferdepersönlichkeitstypen gibt es und wie werden sie motiviert?' ... Ursprünglich sollten all diese Artikel im Lehrbuch der Autorin 'Westernreiten meets Natural Horsemanship" erscheinen, aber dies hätte den Umfang des Lehrbuchs gesprengt. Aus zwei mach drei war dann die Devise, denn es wird einen Horsemanship-Band und einen zum Westernreiten geben mit Fotos, Hintergrundgeschichten, Anekdoten und den Artikeln, die die Autorin für diverse Pferdeportale wie 4my.horse, Hufgeflüster und Artgerecht-Pferd geschrieben hat. Im Parelli-Band gibt es nicht nur Fachartikel zum Natural Horsemanship, sondern die Autorin berichtet von ihrem Besuch bei Pat Parelli in Florida. Die Tochter der Autorin wurde aus weit über 1.000 Bewerbern für einen von fünf kostenlosen Plätze bei einem Gewinnspiel ausgewählt (siehe Vorwort auf S. 8) Was die beiden in Florida erlebt haben, lesen Sie ebenfalls in diesem Sammelband. Nicht nur der Kurs war spannend, schon die Anreise hatte es in sich, denn mitten in der Nacht standen Mutter und Tochter vor einem Schild, weswegen sie sich nicht zu ihrer Unterkunft trauten. Auf dem Schild stand: 'Kein Zutritt: Wer es trotzdem tut, wird erschossen. Überlebende werden erneut erschossen' ...

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Meiner Tochter Larissa gewidmet

Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit: Die Geburtsstunde des 12-Oaks-Sammelbandes

TEIL 1 - Meine Artikel für Pferdeportale

Natural Horsemanship – was ist das eigentlich?

Passende Strategien für unterschiedliche Pferdepersönlichkeitstypen und Gedanken zur Phase 4

Umgekehrte Psychologie für Pferde

Jungpferde einreiten: Infoabend mit Parelli-Instruktor David Zünd

Gymnastizierung von Pferden im Natural Horsemanship

Erfahrungsbericht: Pat Parellis Yoga for horses

TEIL 2 Der Florida-Blog: Level-4-beyond-Kurs bei Pat Parelli persönlich

Wie alles begann: Wie es für Larissa war, ausgewählt zu werden

Kurs-Impressionen

12-Oaks-Adventure Tours in die Südstaaten

Die anderen Teilnehmer – Begegnungen aus aller Welt

Fotos aus dem Parelli-Land

TEIL 3: Gedanken zum Urheberrecht und zur Ausrüstung

(zwei weitere meiner Artikel für das Pferdekursportal 4my.horse)

Literaturverzeichnis

Buchempfehlungen

ZUM GELEIT:

Die Geburtsstunde der 12-Oaks-Sammelbänder „Best-of-Blog“

Die hier abgedruckten Artikel der Autorin für die Pferdeportale 4my.horse, hufgefluester.eu und artgerecht-pferd.de sollten ursprünglich in ihr Lehrbuch „Westernreiten meets Natural Horsemanship“ integriert werden.

Da dieses aufwändige Lehrbuch aufgrund der Anleitungsfotoserien (sowie die Links zu über einem Dutzend Lehrvideos) über 200 Seiten hat, erwies es sich als sinnvoller, diese Artikel auf zwei kleine handliche und kostengünstige Sammelbänder aufzuteilen. Dieses hier betrifft das Natural Horsemanship, bei dem nun auch der Florida-Blog der Autorin integriert ist, denn ihre Tochter wurde von über Tausend Bewerbern für einen kostenlosen Platz in einem so genannten Level-4-beyond-Kurs bei Pat Parelli persönlich ausgesucht. Mutter und Tochter haben nicht nur viel gelernt (wovon das Lehrbuch u.a. handelt), sondern auch einiges erlebt bei den 12-Oaks-Adventure-Tours durch den Sunshine-State im Regen.

Im zweiten Sammelband werden dann die Artikel veröffentlicht, in denen es nicht ums Natural Horsemanship geht. Außerdem gibt es dort einen Best-of-Turnierblog mit Witzigem & Spritzigem, z.B. wie Jungpferd Queenie bei ihrem ersten Kurs eine Reitanlage mehr oder weniger in Schutt und Asche legt. Dieser zweite Band hat den Titel „Westernreiten zwischen Witz und Wissenschaft“. Auf S. → finden Sie auch die bereits veröffentlichten Bücher der Autorin. Nicht nur Pferdebücher, sondern auch eine sozialkritische Satire, die sich liest wie ein Krimi. Geplant sind Sammelbände zu den 12-Oaks-Blog-Themenmonaten.

Die Autorin bittet um Verständnis dafür, dass das Format der einzelnen Artikel und Blogbeiträge weitgehend beibehalten wurde, so dass das Format des vorliegenden Buches nicht zu 100 Prozent einheitlich ist. In den Fußnoten finden Sie gelegentlich Videos der Autorin zum Thema.

Natural Horsemanship – was ist das eigentlich?

Die Autorin mit Pat Parellis Sohn Caton und Ausnahme-Pferd „Magic“

Es ist in aller Munde: Das Natural Horsemanship (NHS). Es ist so sehr in aller Munde, dass man manchmal den Eindruck gewinnt, dass es alles und nichts ist. Manche Befürworter sehen darin schlicht eine positive Einstellung zum Pferd, die vom ruhigen und gewaltfreien Umgang geprägt ist. Böse Zungen nennen es ein sinnloses Wedeln mit einem orangefarbenen Stöckchen. Obwohl es für die Einen ein Weg zu sein scheint, eine innigere Beziehung zum eigenen Pferd aufzubauen, gibt es Andere, die sagen, dass die Pferde hier mechanisch und lustlos Übungen absolvieren und froh sind, wenn sie es endlich hinter sich haben. Da (abgesehen von Tierkommunikatoren) noch niemand ein Pferd dazu befragen konnte, bewegen wir uns im Bereich der Spekulationen.

Bestandteile des großen Ganzen

Weniger umstritten ist die Tatsache, dass der Begriff Natural Horsemanship vom US-Amerikaner Pat Parelli geprägt wurde, der ein gleichnamiges Buch geschrieben hat, das vor 20 Jahren auch in deutscher Sprache erschienen ist. In diesem Buch spricht Parelli noch vom lateralen Longieren, stellt bestimmte Techniken vor, macht aber hier schon deutlich, dass Einstellung und Techniken nur ein paar Bestandteile des großen Ganzen sind. Parelli hat das Rad nicht neu erfunden, aber er hat sich die Mühe gemacht, bei den großen Horsemen seiner Zeit zu lernen und er versäumt auf keiner Veranstaltung, den Namen dieser Horsemanship-Legenden zu nennen: Troy Henry, Ray Hunt, die Dorrance-Brüder und Freddy Knie senior – um nur einige wenige zu nennen. Parellis einzigartiger Verdienst ist es, dass er Pferdewissen, dass so alt ist, dass es schon wieder neu ist zu einem bisher einzigartigen erlernbarem System zusammen gefasst hat, das heute unter dem Begriff der sieben Spiele bekannt ist. Es ist aber nicht so sehr ein Programm, bei dem Pferde etwas lernen sollen, sondern besonders in den ersten Levels eine (Pferde-)Menschenschule.

Mehr Menschenschule als Pferdeausbildung

Im ersten Level lernt der Mensch nur Bodenarbeit, als Fortgeschrittener das Reiten auf allerhöchsten Niveau über Travers und Schulterherein zum fliegenden Galoppwechsel. Da vor dem Respekt immer das Vertrauen steht, beginnt der Neuling im Natural Horsemanship mit dem Friendly Game, bei dem es vereinfacht gesagt um rhythmische Bewegungen geht. Manche würden dies desensibilisieren nennen, aber Parelli bevorzugt den Begriff des Vertrauens. Das zweite Spiel heißt Porcupine Game (Stachelschwein-Spiel), bei dem der Mensch lernt, stetigen Druck auszuüben. Die andere Möglichkeit aufs Pferd in irgendeiner Form einzuwirken, ist der rhythmische Druck – bei Parelli Driving Gamegenannt. Bis hierhin sind dies die Basisspiele, sozusagen das ABC des Horseman. Wir kennen nun also die Buchstaben der Pferdesprache, die wir später zu Wörtern und einfachen Sätzen kombinieren, wenn wir folgende Zweckspiele erlernen.

Beim Yoyo-Game geht es um Übergänge auf geraden Linien, also vorwärts und rückwärts. Das Circling Game unterscheidet sich vom Longieren vor allem dadurch, dass der Mensch nicht auf das Pferd einwirkt und dem Pferd damit den Komfort gibt, den Pferde wirklich lieben: Das Neutral, das im Westernreiten auch Null-Wirkung genannt wird. Das Seitwärtsspiel beschäftigt sich mit den unzähligen Möglichkeiten ein Pferd seitwärts zu bewegen und beim Squeeze-Game, dem Durchquetsch-Spiel geht es um Engpässe. Das können Lücken sein, um das Pferd auf die Enge im Pferdeanhänger vorzubereiten oder auch Sprünge oder Planen.

Sicherheit erlangen

Beim Stichwort Hindernis sind wir übrigens mitten im Level 2 gelandet, in dem all diese Spiele mit Hindernissen aller Art gespielt werden, z.B. auch mit einem Ball oder Podesten. Ab hier spielt der NHS-Schüler mit einem 7-Meter-Seil, so lang wie eine Longe und es kommt ein zweiter Bereich hinzu: das Reiten am langen Zügel, auch Freestyle-Reiten genannt. Hier geht es noch vorrangig um das Thema Sicherheit und bestimmte Notfallhilfen bzw. entsprechende Zügelarten. Bis hierhin habe ich beschrieben, was der Mensch in den ersten Monaten lernt, wenn er ins NHS einsteigt: Grundlagen, die noch für Reitanfänger gedacht sind und den fortgeschrittenen Reiter zu Höherem befähigen.

Kommunikation statt Kontrolle

Und das Höhere beginnt in den Levels 3 und 4. Hier beginnt auch erst die Freiheitsdressur, die im Parelli-Programm Liberty genannt wird. Ab Level 3 endlich bin ich auch bereit, dem Pferd etwas beizubringen und Verhaltensmuster der Pferde zu durchbrechen. Wenn ich als Mensch nach einigen Monaten den Level 3 erreicht habe, steige ich nämlich erst in die vielfältige Faszination des Natural Horsemanship ein. Ein System, bei dem die Beziehung zum Pferd an allererster Stelle steht und mein Pferd so fein reagiert, dass ich es ganz ohne Kopfstück reiten, lenken, ja sogar aus dem Galopp anhalten kann. Jetzt, wo ich das alles kann, bin ich erst fit genug mit Gebiss oder auch mit konstanten Zügelkontakt zu reiten, denn dann nutze ich die Zügel nicht mehr für die Kontrolle, sondern für die Kommunikation, z.B. wenn ich das Pferd gymnastiziere oder ihm Reining-Manöver oder die klassische Dressur beibringe.

So leicht wie das Einmaleins

Parelli hat dieses Programm veröffentlicht und viele seiner Schüler zu so genannten Instruktoren ausgebildet. Viele bleiben jahrelang Instruktor, manche dieser ehemaligen Schüler sind dann irgendwann so gut, dass sie sich selbständig machen wie z.B. Steve Halfpenny in Australien, Honza Blaha in Tschechien oder Birger Gieseke in Deutschland. Andere kopieren dieses Programm, ohne jemals bei Parelli oder seinen Instruktoren gelernt zu haben. Es soll sogar hin und wieder Menschen geben, die das Programm kopiert haben, um es sodann als ihr eigenes zu erklären.

Alles in allem: Die Idee des Natural Horsemanship hat das Reiten in allen Sparten unterwandert, wenn nicht gar revolutioniert. Es gibt viele Klassisch-Reiter im System, die erfolgreich auf Turnieren reiten. Auch Pat Parellis Frau Linda ist Klassisch-Reiterin. Ich selbst bin Westernreiterin und habe schon bei vielen Westerntrainern Unterricht genommen und immer wieder stolpere ich über Inhalte, die ich aus Parellis Buch kenne: Dass man als Reiter auf seinen Weg sieht, dass man das Pferd mit Sitz und Beinen lenkt. Sogar die Parelli-Pattern finde ich im Westernreiten wieder wie z.B. die Acht oder das Kleeblatt wie auch das System der Hilfensteigerung in vier Phasen. Im Westernreiten wird dieses Vorgehen auch Anklingeln, Anklopfen und Tür-Eintreten genannt. Bis hierhin also ein System, das so leicht zu lernen ist wie das Einmaleins und das Alphabet.

Level 3: Das Pferdetraining beginnt

Wer am Anfang vielleicht noch damit gehadert hat, solch ein starres System zu erlernen, erlebt dann im Level 3 eine Überraschung. Wenn ich nämlich meine sieben Spiele, sozusagen mein Handwerkszeug, gelernt habe, ist es vorbei mit dem immer gleichen Vorgehen. Immer öfter hört man von seinem Instruktor die Antwort: „Es kommt drauf an.“ Und jetzt sehnt man sich zuweilen zurück zu den Zeiten, in denen man einfach sieben Spiele abspulen konnte. Aber das war eben nur die Menschenschule, mittlerweile sind wir mitten im Pferdetraining gelandet und es sind eben nicht alle Pferde gleich.

"Keep it natural"

Um auch dies für den Menschen erlernbar zu machen, hat Parelli den Begriff der Horsenalities geprägt und unterscheidet hier grob vier Pferdepersönlichkeitstypen, wobei es allerdings auch Mischformen geben kann oder Pferde, die je nach Situation von einem Persönlichkeitstyp zum anderen wechseln. Auch hier möchte ich nicht in die Tiefe gehen, aber ein wunderbares Zitat von Linda Parelli trifft den Nagel auf den Kopf: „Gib dem Pferd, was es braucht und es gibt Dir, was Du willst.“ So braucht ein ängstliches Pferd Führung vom Menschen, um sicher zu sein, dass dieser es vor dem etwaigen Angriff eines Tigers schützen kann. Ein selbstbewusstes Pferd sollte natürlich erst einmal einen gewissen Gehorsam lernen, aber wenn man sich dieses Gehorsams sicher ist, kann man einmal ganz außergewöhnliche, ja gar widersinnig erscheinende Strategien ausprobieren, z.B. jede einzelne Idee des Pferdes aufgreifen und umsetzen. Das Pferd geht z.B. bei der Bodenarbeit nach rechts, obwohl ich nach links wollte und statt mich auf den Streitversuch des Pferdes einzulassen, sage ich: „Ach, weißt Du was, eigentlich möchte ich ja auch lieber nach rechts.“ Es ist nicht zu glauben, aber ich weiß es aus eigener Erfahrung. Bei Pferdetypen, denen das „Du-bist-nicht-mein-Chef“ quasi im Gesicht geschrieben steht, führt diese Strategie oft genug dazu, dass es sie langweilt, wenn sie mit ihren Streitversuchen ins Leere laufen. Und was passiert dann? Die Idee kommt vom Pferd und es teilt auf seine Art mit: „So wie Du spielst, ist doch doof – kannst Du nicht auch einmal etwas vorschlagen?“ Dies ist ein Beispiel für umgekehrte Psychologie.

Andere Pferdetypen erfordern ein anderes Vorgehen, z.B. das so genannte „Zero Brace“, bei dem ich als völlig entspannter Passagier mit dem Pferd in der Reitbahn bin und dem Pferd die Lenkung überlasse. Mit spielfreudigen Pferden kann ich am Boden Cutting spielen, denn es gibt für ein Pferd kein schöneres Spiel als das Fangen spielen. Pferde sind Bewegungsfanatiker und haben auch Spaß daran, am Boden fliegende Galoppwechsel oder Spins zu erlernen. Gleiches gilt für die Lektionen aus dem klassischen Reiten. Wer einmal eingetaucht ist in dieses System, hört mit dem Lernen nicht mehr auf. Getreu dem Motto „Keep it natural“ wird auch die Haltung der Pferde in Frage gestellt: Gruppenhaltung statt Boxenhaft, Winterfell statt Decken. Wer nun fürchtet, dass das System so starr ist, dass für Individualität kein Platz ist, der irrt. Dieser Befürchtung möchte ich mit zwei Parelli-Zitaten begegnen, die besagen: „Sag niemals nie, sag nicht immer immer, normalerweise sag normalerweise“ oder auch „Wenn Du die Regeln kennst, dann kannst du die Regeln auch einmal brechen.“

Weg von den Extremen

Das System will weg von den Extremen, was schon die verwendete Ausrüstung beweist. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der Carrot Stick – auf Deutsch etwas holprig als Karottenstecken zu übersetzten. Der heißt so, weil es bei Pferdemenschen zwei Extreme gibt: Die Stockmenschen, die alles mit Prügel lösen und die Karottenmenschen, die alles mit Liebe und Futter regeln wollen – beides ist falsch. Parelli sagt von sich selbst, dass auch er extrem ist: nämlich ein extremer Verfechter des Mittelwegs. Wo wir gerade beim Thema Ausrüstung sind: Achten Sie auf Qualität, denn wer billig kauft, kauft meistens zwei Mal (siehe Beitrag auf S. →). Ihre Bodenarbeitsseile sollten aus Yachtleine gefertigt sein, so dass Sie sich keine Brandblasen holen, falls Ihr Pferd einmal versuchen sollte, sich loszureißen und runde Messingdrehkarabiner haben durch ihr Gewicht den Vorteil, dass Ihr Seil sofort bewegungslos ist, wenn sie aufhören zu schütteln. Wenn man bedenkt, dass Timing nicht etwas, sondern alles ist und Druck zwar motiviert, aber das Loslassen lehrt, können sogar Zehntelsekunden von entscheidender Bedeutung sein.