Westernreiten meets Natural Horsemanship - Nicola Steiner - E-Book

Westernreiten meets Natural Horsemanship E-Book

Nicola Steiner

4,6

Beschreibung

Westernreiten und Horsemanship unter einem Hut - mit Trainingstipps von Elias Ernst und Thomas Günther Wir alle wissen meist ziemlich gut, wie wir unsere Pferde körperlich trainieren bzw. gymnastizieren. Wir vergessen nur allzu schnell, dass unsere Pferde denkende Wesen sind, die in der Lage sind, selbstständig gestellte Aufgaben zu erledigen. Deswegen sollte unser Augenmerk neben der körperlichen Fitness auch auf den emotionalen und mentalen Belangen unserer Pferde liegen. Die Autorin zeigt Wege auf wie das Turnier zum gemeinsamen Projekt von Pferd und Mensch wird, in dem das Pferd genauso viel Ehrgeiz und Energie ins Ziel 'Turniererfolg' investiert wie der Mensch. Das Buch gibt Anleitungen, wie Sie die Athletik Ihres Pferdes verbessern, während das Pferd das Training als Spiel empfindet. Viele Manöver können wir bereits dem jungen Pferd spielerisch am Boden erklären und das Gelernte dann später in den Sattel übertragen. Aber auch fürs erwachsene Pferd lohnt sich der Blick über den Tellerrand, denn selbst wenn das Pferd schon vieles kann, so kann der Mensch auf jeden Fall seine Begeisterung durch Horsemanship steigern und dem Pferd auch das Gefühl vermitteln, dass es etwas zurück erhält. Denn das ist das A & O des Natural Horsemanship (NHS): Wir stellen die Beziehung zum Pferd an die allererste Stelle. Das Buch gibt nicht nur Anleitungen zu grundlegenden Techniken des NHS, sondern enthält Vorschläge und Anleitungen wie dies in den Disziplinen Trail, Westernhorsemanship, Westernriding, Reining, Cutting und Working Cowhorse angewandt werden kann. Letztere Disziplinen beruhen auf dem, was die Autorin und ihre Tochter bei einem Kurs bei Horsemanship-Legende Pat Parelli gelernt haben. Die Tochter wurde von weit über Tausend Bewerbern für einen kostenlosen Platz bei einem Kurs in Florida ausgewählt, bei dem ausnahmaslos Pat Parelli persönlich unterrichtet hat und in dem es um das Natural Horsemanship auf einem sehr fortgeschrittenen Niveau ging. Im Buch enthalten sind Fotoserien als Schritt-für-Schritt-Anleitung (135 Farbfotos insgesamt) und über 60 Links zu zum Text passenden (Lehr-)videos der Autorin auf Youtube.

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„Nimm Dein Pferd zu Wettbewerben mit wie Turnieren, Spieletagen Ropings etc. ... Geh hin und mach etwas mit Deinem Pferd“ (Pat Parelli)

Marko Pohland gewidmet 16.11.1964 bis 27.1.2014

Mein besonderer Dank gilt Thomas Günther für die Genehmigung der Verwendung von Passagen aus dem Pro-Ride-Konzept, isbd. für seinen Beitrag auf S. →, den er exklusiv für dieses Buch geschrieben hat.

pro-ride.net

Wir danken auch unserem Trainer Elias Ernst für sein Fachwissen, auf dem bspw. das Kapitel auf S. → beruht und für all das, was wir bei ihm gelernt haben.

Zu diesem Buch: Wir alle wissen meist ziemlich gut, wie wir unsere Pferde körperlich trainieren. Wir vergessen nur allzu schnell, dass unsere Pferde denkende Wesen sind, die in der Lage sind, selbstständig gestellte Aufgaben zu erledigen. Deswegen sollte unser Augenmerk auch auf den emotionalen und mentalen Belangen unserer Pferde liegen. Die Autorin zeigt Wege auf, wie das Turnier zum gemeinsamen Projekt von Pferd und Mensch wird, in dem das Pferd genauso viel Ehrgeiz ins gemeinsame Ziel „Turniererfolg“ investiert wie der Mensch. Das Buch gibt Anleitungen, wie Sie die Athletik Ihres Pferdes verbessern, während das Pferd das Training als Spiel empfindet. Viele Manöver können wir bereits dem jungen Pferd am Boden erklären und das Gelernte später in den Sattel übertragen. Aber auch fürs erwachsene Pferd lohnt sich der Blick über den Tellerrand, denn selbst wenn das Pferd schon vieles kann, so kann der Mensch auf jeden Fall seine Begeisterung durch Natural Horsemanship steigern und dem Pferd auch das Gefühl vermitteln, dass es etwas zurück erhält.

Die vorgestellten Strategien werden durch Fotoserien mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen illustriert; in den Fußnoten finden Sie Links zu kostenlosen (Lehr-)videos der Autorin (die jeweiligen Suchbegriffe bzw. Titel sind fett markiert; URL wird ebenfalls angegeben – wenn Sie einfach die Buchstabenkombination, die hinter „https://youtu.be/“ steht in die Youtube-Suchleiste eingeben, erscheint das gesuchte Video).

VORWORT von Larissa Steiner

Ich habe von meinem Trainer Elias Ernst viel gelernt; aber, dass ich es mit meinem Pony Lucky ganz nach oben geschafft habe, habe ich meiner Mutter zu verdanken. Sie hat mir gezeigt, wie ich den Will-to-please bei einem Pferd installiere. Das körperliche Training ist immer nur die eine Seite der Medaille. Mindestens genauso wichtig ist es, dass ein Pferd die Leistung wirklich erbringen will. Luckys Motivation entspringt dem Natural Horsemanship. Auf der einen Seite bekommt das Pferd etwas zurück: Nämlich Spiel und Spaß. Auf der anderen Seite lernt es alle Manöver zunächst ansatzweise am Boden, so dass Arbeit und Freizeit fürs Pferd ineinander verfließen. Meine Mutter hat mir beigebracht, wie man Pferde zum Denken bringt und mit Psychologie und Einfühlungsvermögen ein Turnierpferd an seiner Seite hat, das in seiner Freizeit die Manöver übt, weil es begeistert ist und seinem Menschen gefallen will. Wenn ich die Weide betrete, kommt Lucky mir entgegen und wenn er einmal krank ist, versteht er die Welt nicht mehr und verfolgt mich regelrecht. Jetzt könnte man meinen, dass mein Erfolg mit Lucky nur ein Zufall ist. Aber selbst dann, wenn ich unserer kleineres Pony Cisco just for fun mit aufs Turnier nehme, zeigt auch dieser den Will-to-please so sehr, dass es mir sogar einmal im Trail gelungen ist, mit Lucky Erste und mit Cisco Zweite in einer LK-1-Prüfung zu werden. Wenn Sie erfahren möchten, wie es gelingt, mit (nur) einem Pony gegen Appaloosas, Paint- Quarterhorses zu bestehen: Lesen Sie dieses Buch und lernen, Ihr Pferd zu motivieren.

Bronze-Medaille in der Superhorse & Vize-Landesmeisterin in der Reining sowie 7 x Allaroundchampion & zwei Jahre in Folge Leistungsklassensiegerin LK 1/2B.

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

von Larissa Steiner

EINFÜHRUNG:

Mein Dank an die Trainer, die mich inspiriert haben

TEIL: GRUNDLEGENDE GEDANKEN

Vorurteile gegen das Westernreiten als Turniersportart

Vorurteile gegen Natural Horsemanship

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Trainerwahl ist Qual der Wahl: Horsemanship ist nicht gleich Horsemanship

TEIL: PFERDEPERSÖNLICHKEITSTYPEN & LÖSUNGSANSÄTZE

Ohne Vertrauen kein Respekt, ohne Respekt keine Freundschaft

Ponywallach Lucky: Vom Problempferd zum Turnierpony

Der blauäugige Cisco: Klein, frech und vorwitzig

Ponystute Indian Lady friert ein, wenn sie Angst hat

Paintstute Fancy ist immer auf der Flucht: nervös, ängstlich und schnell

Die selbstbewusste Jungstute Queenie: Verspielt, anhänglich und auf Streit aus

TEIL: GRUNDLAGEN DER BODENARBEIT

Von Körpersprache und innerer Haltung

Große Ziele, kleine Schritte

Wer bewegt wen? Die beiden Grundtechniken, ein Pferd weichen zu lassen

Anklingeln, Anklopfen, Tür eintreten – das Geheimnis liegt in der Steigerung

Besser als jedes Leckerli: Durch Pausen belohnen

Die Kraft des Neutral: Wie die Phase 4 zur Nullwirkung führt

Varianten fürs Rückwärts

Varianten, um die Hinterhand zu bewegen

Varianten, um die Vorhand zu bewegen

Vor und zurück auf geraden Linien: Übergänge am Boden erarbeiten

Spielen mit Kreisen und Achten - Longieren war gestern

Varianten des Seitwärts

Grundlagen mit Hindernissen und Engpässen am Boden erarbeiten

Verladetraining: Zwischen dem Training und dem Turnier steht die Fahrt

TEIL: TURNIERDISZIPLINEN MIT HORSEMANSHIP VERFEINERN

Zwischen fein und effektiv: Das am Boden Gelernte in den Sattel übertragen

Nicht nur körperliche Hilfen, sondern auch die mentale Energie nutzen

Nicht nur die Sporen muss man sich verdienen, sondern auch das Gebiss

Für den Notfall gewappnet sein: die Zügelarten für die Kontrolle

Kommunikation mit den Beinen: Sektionen für Beinhilfen nach Pat Parelli

Tipp von Reiningtrainer Elias Ernst: Mehr Beinhilfen als Zügelhilfen

Trail am Boden erarbeiten: Übungsbeispiele

Die Rinderdisziplinen Cutting und Working Cowhorse

Vom Einfachen zum Schwierigen – logische Lernschritte am Beispiel des Spin

Fallendes Blatt: Den Rollback am Boden erklären

Der fliegende Galoppwechsel am Boden und im Sattel

Neun NHS-Übungen für einen guten Sitz helfen bei der Westernhorsemanship

Showmanship at halter ist Natural Horsemanship pur

Desensibilisierung und Sensibilisierung am Beispiel des Showmanship-Pferdes

- Bei schwierigen Übungen Spaß erhalten, indem die Lektion zum Spiel wird

TEIL: ERST JUNGPFERDEAUSBILDUNG, DANN GYMNASTIZIERUNG

Vom ersten Tag an Natural Horsemanship: Vom Fohlen bis zum Reitpferd

Die Bedeutung von Pattern fürs Pferd

Die Versammlung ganzheitlich betrachten: Emotional, mental und körperlich

Biomechanik & Gymnastizierung: Nackenband & Untertreten der Hinterhand

Exklusiv-Beitrag von Thomas Günther (ProRide) zur Kopfhaltung des Pferdes

Tabuthema Kopf

Das Fallen auf die innere Schulter – Lösungswege am Boden und im Sattel

TEIL: THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Das Regelbuch: Will der Turnierrichter Natural Horsemanship Pferde sehen?

Die Ausbildung des Pferde-Menschen nach Pro-Ride

Die Ausbildung des Pferde-Menschen im Parelli-Natural-Horsemanship-System

TEIL: DIE AUSRÜSTUNG

NACHWORT zur Identität des Westernreiters

BUCHEMPFEHLUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

BILDNACHWEIS

EINFÜHRUNG: Mein Dank an die Trainer, die mich inspiriert haben

In Bezug auf mein Hobby Reiten und die Pferdeausbildung hatte ich vor einigen Jahren manchmal das Gefühl, dass zwei Seelen in meiner Brust schlagen, die sich nicht vereinbaren ließen. Auf der einen Seite die Faszination, die das Westernreiten auf mich ausübt und auf der anderen Seite das Natural Horsemanship, bei dem Pferde nur auf Fingerzeig schwierige Lektionen am Boden ausführen und das zum Teil ohne Halfter oder Seil. Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob sich beides vereinbaren lässt und hatte die Hoffnung, zumindest in Bezug auf dementsprechenden Reitunterricht, aufgegeben.

Meine Tochter und ich sind von Westerntrainer zu Westerntrainer gewechselt und haben in der Tat einige Widersprüche gefunden. Wir dachten, dass wir uns für eins von beiden entscheiden müssten: Westernreiten oder Natural Horsemanship. Dann haben wir Marko Pohland kennen und schätzen gelernt, dem ich dieses Buch widme. Denn Marko hat uns gezeigt, dass es keinen Widerspruch gibt. Beide Systeme lassen sich auch dann vereinbaren, wenn man auf Turnieren erfolgreich sein möchte – sogar mit einem kleinen Mix-Pony wie unserem Lucky, mit dem meine Tochter Larissa sich nicht nur für die German Open qualifiziert hat, sondern zwei Jahre in Folge Beste ihrer Leistungsklasse wurde. 2015 in der LK 2 B und 2016 in der LK 1 B des EWU-Landesverbandes im Rheinland1. Sie war ebenfalls zwei Jahre in Folge Siegerin in den Disziplinen Reining, Superhorse und Westernriding – erst in der Leistungsklasse 2 B und dann in der höchsten Leistungsklassse 1 der Jugendlichen. 2014 und 2015 hat Larissa zudem die Rheinland-Trophy im LK-2 bzw. LK-3-Trail gewonnen.

Eigentlich wollte ich Marko noch fragen, ob wir dieses Buch, wozu mir die Idee seit Monaten im Kopf herumschwirrte, nicht zusammen schreiben sollten. Doch wir haben Marko Pohland an dem Tag zu Grabe getragen, an dem ich diese Worte formuliere. Daher kann ich mir keinen besseren Tag vorstellen, um mit diesem Buch anzufangen.

Marko hat nicht nur Pferde und Reiter auf Turniere vorbereitet; er vertrat auch den Standpunkt, dass ein Pferd nicht verhätschelt werden möchte. Es sei vielmehr auf der Suche nach einem natürlichen Leader, denn als Beutetier möchte es vor drohenden Gefahren beschützt werden. Marko hat immer verdeutlicht, dass ein Pferd sich bei einem zögerlichen Menschen nicht sicher fühlen kann. Marko wusste aber auch, dass Zu-Viel-Druck den Widerstand manchmal überhaupt erst hervorruft und gerade in der Pferdeausbildung weniger meist mehr ist. Marko hat uns aufgezeigt, dass man meist die Wahl hat, ob man mit seinem Pferd kämpft, um eine bestimmte Lektion zu erlernen oder ob man einfach klüger ist als das Pferd, indem man dem Pferd das Lernen leicht macht und eine Lektion so aufbaut, dass das Pferd selbst die Lösung findet.

Als einer der bekanntesten Horsemen Deutschlands ist wohl Thomas Günther zu nennen, der mich ebenfalls inspiriert hat und aus dessen Pro-Ride-Konzept ich fast vollständig ins Buch integriert habe. Zum Umgang mit Druck schreibt auch Günther: „Training und Ausbildung ohne Druck gibt es nicht. Wichtig ist der richtige Umgang mit Druck.“ Thomas Günther bezeichnet Pferde als Lateral-Denker, die sich ungewohnten Situationen nicht direkt nähern: „Wollen wir als Direktdenker etwas auf dem kürzestem Weg erreichen, in dem das Pferd noch nicht trainiert ist, werden wir auf entsprechende Gegenwehr stoßen.“ Wir brauchen psychologisches Geschick beim Pferdetraining, so dass wir das Pferd zum Denken bringen. Günther habe ich auf einem Trainer Contest angesprochen, weil er ein gutes Beispiel dafür ist, wie sich Westernreiten mit den Natural-Horsemanship-Grundsätzen vereinbaren lässt. Er ist nicht nur Horseman, sondern auch Trainer A im Westernreiten. Sein Pro Ride Konzept steht auf drei Säulen: 1. Verständnis 2. Vertrauen 3. Respekt, die mit Weichheit und Leichtigkeit einher gehen.

Auf dem Turnier wollen wir Pferde sehen, die sich mit unsichtbaren, feinen Hilfen durch schwierige Manöver dirigieren lassen. Es gilt, dass Pferde nicht nur einem Druck weichen, sondern lernen, einem Gefühl zu folgen. Günthers Kriterien für die „Qualität in den Bewegungen eines Pferdes sind Freiheit, Losgelassenheit und Ungezwungenheit.“ Genau das verlangt auch das Regelbuch der EWU, worauf ich im Theorieteil eingehe. Günther schreibt, dass es zum Horsemanship Überlieferungen gibt, die bis zur Zeit des Philosophen Xenophon vor mehr als 2.000 Jahren zurück gehen, es damit keine neue Disziplin sei und sich Menschen seit Jahrhunderten damit beschäftigen.

Auch der weltberühmte Horseman Pat Parelli sagt von sich selbst, dass sein Wissen so alt ist, dass es schon wieder neu ist. Parellis Verdienst ist, dass er Pferdewissen, das in den USA fast schon in Vergessenheit geraten ist, aufgezeichnet und systematisiert hat. Pat Parelli war ein Schüler vieler US-Horsemen wie z.B. Troy Henry, die Dorrance-Brüder oder Ray Hunt, hat aber u.a. auch bei dem bekannten Pferdetrainer Fredy Knie senior in Europa gelernt. Pat Parelli hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das damals noch sehr unbekannte Wissen über Pferdeausbildung in die Welt hinauszutragen. Parelli spricht von „Love, Language and Leadership in equal doses“: Wir brauchen Liebe, Sprache und Führungsqualitäten jeweils zu einem Drittel. Parelli hat zwar den Begriff „Natural Horsemanship“ geprägt; doch sind viele seiner Schüler, Partner und auch andere Trainer (Klassisch- und Westernreiter) ganz oder teilweise in seine Fußstapfen getreten.

Der von Pat Parelli entwickelte Carrot Stick symbolisiert, dass es Menschen gibt, die alle Probleme mit der Karotte lösen wollen, wohingegen andere versuchen, alles durch Druck, Schläge und Einschüchterung zu klären. Beides ist zu extrem. Der Pferdemensch sollte vielmehr den goldenen Mittelweg finden und weder so nachgiebig sein, dass er vom Pferd nicht mehr ernst genommen wird, noch so hart, dass sein Pferd ihn fürchtet. Das Ideal ist eine Partnerschaft, bei der Pferd und Reiter zum Team verschmelzen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen und das kann auch der Turniererfolg sein – egal, auf welchem Niveau. Auch Pat Parelli nimmt regelmäßig an Cutting-Wettbewerben in den USA teil. Im Jahr 2014 wurde Pat 16. in der Weltrangliste, seine Topstudentin Elli Pospischil aus der Schweiz hat es sogar auf Platz 6 der Weltrangliste im Cutting geschafft und Sohn Caton Parelli konnte unter den gehandicapten Reiten einige Siege im Cutting und in der Reining verbuchen.

Meine Tochter Larissa wurde 2015 von über 1.000 Bewerbern für einen von fünf kostenlosen Plätzen bei einem so genannten Level-4-beyond-Kurs bei Pat Parelli ausgesucht und ich habe sie begleitet, so dass auch Inhalte von diesem Kurs einfließen. Unser Fazit aus dem Kurs ist, dass Natural Horsemanship die Pferde ins emotionale und mentale Gleichgewicht bringt und so zu einem leistungsbereiten Pferd führt, das nicht gehorchen muss, sondern gehorchen will.

Pat Parelli hat uns seinerzeit auch einige Reining-Manöver gezeigt und meine Tochter sagte am laufenden Band: „Genau die Übung habe ich zuhause bei unserem Trainer Elias Ernst gemacht.“ Denn wir fanden nach Markos Tod auf Anhieb einen neuen Trainer, der uns weit über uns selbst hinaus wachsen ließ. In diesem Buch werden auch einige Trainingstipps von Elias Ernst vorgestellt und wir danken ihm von ganzen Herzen, für die Raffinesse, die hinter seinem System steht. Denn auch bei ihm gibt es Gemeinsamkeiten, z.B. das Steigern der Hilfen in Phasen oder die Pause als eine Art Dankeschön, um dem Pferd zu sagen, dass es auf dem richtigen Weg ist. Elias zeigt uns immer wieder, wie viele verschiedene Trainigsansätze und Übungen es gibt, die sinnvoll aufeinander aufbauen, erinnert uns aber auch daran, zu bedenken, dass Pferde in Hierarchien leben. Wenn der Mensch sich selbst als rangniedrig dem Pferd gegenüber präsentiert, wird das Pferd die Führung übernehmen.

Deswegen müssen wir nicht nur die Freundschaft, sondern auch den Respekt des Pferdes gewinnen. Es ist unabdingbar mit dem Pferd in einer Sprache zu kommunizieren, die es versteht. Im Idealfall ist das die Art und Weise wie Pferde untereinander kommunizieren, wobei sie innerhalb des Spiels ihre Rangordnung ausmachen. Im Natural Horsemanship wird das Pferd manchmal vom Menschen körperlich berührt, z.B. geschubst oder angerempelt, wenn der Mensch einen Biss oder einen Tritt imitiert. Weil dies manchen Pferdefreund irritiert, schreibt Thomas Günther: „In einem sicheren Umgang mit Pferden muss der Mensch zwangsläufig in eine Führungsrolle schlüpfen. Er muss Bestimmtheit, Konsequenz, Klarheit, Dominanz, Durchsetzungsvermögen zeigen, viel Energie aufbringen können und dabei emotionale Kontrolle über sich selbst haben. Wir als über den Dingen stehender Leader (Anführer) müssen Schwächen und Fehler des Pferdes ausgleichen, es motivieren und negatives Verhalten in positives umwandeln. Es geht bei Respekt also nicht darum, den Boss zu spielen, sondern sich anzustrengen, dem Pferd ein guter Chef zu sein.“

Ziel meines Buches ist es nicht, eine neue Trainingsmethode vorzustellen, denn davon gibt es schon unzählige, die auch gut funktionieren. Es geht eher darum, dass ich neben dem körperlichen Training auch die mentalen und emotionalen Aspekte mit ins Boot nehmen möchte. Denn ein Pferd, das zu einer Übung keine Lust hat, wird zwar die Übung ausführen, aber keine Topleistungen bringen wollen. Der Schlüssel ist also die Motivation: Wie gelingt es mir, dass meine Idee zur Idee des Pferdes wird? Ich bin der festen Überzeugung, dass die Anmut des Pferdes, die den Reiter auf Turnieren punkten lässt, nur entsteht, wenn sie von innen kommt. Es muss uns gelingen, dass das Pferd auf kleinste Signale und in perfekter Manier im richtigen Moment und am richtigen Ort genau das tut, was wir wünschen und das völlig entspannt und ohne Angst. Deswegen können wir nicht nur den Körper des Pferdes trainieren, wir müssen auch den Geist und die Seele ansprechen. Pat Parelli spricht in diesem Zusammenhang von emotionaler und mentaler Versammlung. Dieses Buch will demnach eine Grundlage dafür schaffen, wie ich zunächst am Boden ein Kommunikationssystem mit dem Pferd aufbaue, das meine Bindung und meine Beziehung zum Pferd vertieft und somit auch die Leistungsbereitschaft des Pferdes erhöht. Wenn das Pferd Spaß an seiner Arbeit hat, dann wird es in seiner Freizeit über das Gelernte nachdenken. Es gilt also einen Mittelweg zu finden, der es uns einerseits ermöglicht, das Pferd ernst zu nehmen, bei dem wir aber andererseits zu einer Art Vorgesetzten des Pferdes werden.

Dieses Buch will verdeutlichen, was Natural Horsemanship eigentlich ist und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Westernreiten herausstellen. Mit Fallbeispielen und Übungsanleitungen möchte ich aufzeigen, wie ich auf eine Art und Weise, die für das Pferd natürlich ist, selbst schwierige Manöver wie den fliegenden Galoppwechsel oder den Rollback zumindest soweit am Boden erarbeiten kann, dass das Pferd die Übung verstanden hat, bevor ich sie im Sattel verfeinere und das Pferd erst etwas später in eine bestimmte Form bringe. Entscheidend ist hier zum Einen, dass ich die Lernschritte in so viele, kleine Einzelelemente wie möglich unterteile, so dass das Pferd dies gut umsetzen und verstehen kann, und zum Anderen geht es darum, dass ich die Beziehung zum Pferd an die erste Stelle setze. Eine Beziehung, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist und beiden Seiten Spaß macht.

Genauso wie es Pferd-Mensch-Kombinationen gibt, in der das Pferd gequält, unterdrückt oder misshandelt wird, gibt es auch Paare, bei denen der Mensch derjenige ist, der in der Beziehung zu seinem Pferd nahezu entrechtet wird. Er opfert Geld und Zeit für sein Pferd, aber das Pferd möchte nichts zurück geben – aus mangelnder Liebe zum Menschen oder mangelndem Respekt.

Natural Horsemanship bedeutet für mich, dass eine Win-Win-Situation entsteht, von der beide Seiten nicht nur profitieren, sondern in der beide sich auf die gemeinsame Arbeit freuen. Es geht in erster Linie darum, ein Kommunikationssystem zu erarbeiten, das vom Pferd deswegen gut verstanden wird, weil es fürs Pferd natürlich ist.

Ich selbst habe vier Pferde und wenn ich auf die Weide gehe, kommen alle zu mir, als wollten sie sagen: „Nimm mich“. Bis vor wenigen Monaten hatten wir noch fünf und diese fünf haben sehr unterschiedliche Charaktere. Jedes benötigt einen anderen Weg, um motiviert zu werden. Auch darauf möchte ich in diesem Buch eingehen: die unterschiedlichen Pferdepersönlichkeiten. Denn das ist das A und O. Ein Gefühl dafür zu entwickeln, was das Pferd eigentlich braucht, wie viel es leisten kann und wo sein ureigenes Talent liegt. Dafür braucht es Gefühl und eine bestimmte Haltung dem Pferd gegenüber.

Wie man diese Haltung für sich findet, ist sehr individuell und schwer über ein Buch zu vermitteln. Aber es gibt bestimmte Techniken, die jeder lernen kann und auch die möchte ich in diesem Buch anreißen. Die Techniken führen dazu, dass die Hilfengebung irgendwann über den Bauchnabel des Menschen und seine Energie erfolgt. Das ist Pferdisch: Denn Tiere nutzen nicht nur die Körpersprache, sondern verständigen sich auch über eine energetische Sprache. Jeder Pferdemensch hat dies sicher schon einmal selbst beobachtet. Wenn in der Herde die Leitstute den Kopf hebt, heben alle anderen Pferde ihn auch – nicht nacheinander, sondern wirklich zeitgleich.

Da die energetische Sprache beim Menschen zwar vorhanden, aber oft verkümmert ist, beschreibt der dritte Teil des Buches, wie ich systematisch durch meine Körpersprache und den Wechsel aus Aktivität und Ruhe das System von Komfort und Diskomfort auch über meine eigenen Emotionen und meine Energie transportiere. Das System führt vom Einfachen zum Schwierigen. Es kann somit hier nur gestreift werden. Es soll vor allem als Inspiration dienen, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Bevor ich allerdings die Brücke zwischen dem Natural Horsemanship und dem Turnierreiten schlage, möchte ich zunächst herausstellen, was beides auf den ersten Blick trennen mag. Selbst wenn sich bei diesen Überlegungen herausstellen würde, dass das Natural Horsemanship vielleicht nicht in jeder Übung das übliche Pferdetraining ergänzen kann, so bin ich sicher, dass man hiermit einen Ausgleich fürs Pferd schafft und den so genannten Will-to-please sogar bei den Pferden steigern kann, bei denen jeder denkt, sie seien für Turniere nicht geeignet.

1Larissa gewinnt Trophyendwertung: https://youtu.be/gTlT4yBtWgw

1. TEIL: Grundlegende Gedanken

Vorurteile gegen das Westernreiten als Turniersportart

Der größte Vorwurf, den Turnierreiter jeder Art zu hören bekommen, ist der, dass das Pferd zum reinen Sportgerät verkommt. Da ist von unschönen Szenen auf Turnieren die Rede, die bekanntlich meist besser im Gedächtnis haften bleiben als die Überzahl der Pferd-Reiter-Paare, die harmonisch und respektvoll miteinander umgehen.

Das Wort „miteinander“ wähle ich in diesem Zusammenhang ganz bewusst, denn ein Turnier darf natürlich auch für das Pferd nicht zu einer Art Freibrief werden, denn es gibt gleichzeitig Reiter, die sich nicht trauen, dem Pferd auf einem Turnier Grenzen zu setzen, weil jegliche Korrektur mit Minuspunkten abgestraft wird und es gibt auch Pferde, die genau das erkennen und ausnutzen. Es gibt aber auch die Turnierreiter, die weniger Skrupel haben und man findet weiße Haare an Flanken mancher Pferde durch den harten Dauereinsatz von Sporen. In Internetforen liest man entsprechende Postings, dass Reiter nicht (mehr) auf Turniere gehen, weil sie diese Art von Pferdemissbrauch nicht unterstützen wollen. Turniersport wird von ihnen mit Missbrauch und Tierquälerei gleichgesetzt, obwohl zuweilen Ausnahmen und Einzelbeispiele schlicht generalisiert werden.

Die Mehrzahl der Turnierreiter stellen unter Beweis, dass man Tiere nicht quälen muss, um erfolgreich zu sein und es ist auch nicht völlig auszuschließen, dass zuweilen Neid im Spiel ist, weil man selbst auf dem Turnier nicht so gut abgeschnitten hat wie erträumt. Ein Blick ins Regelbuch der EWU (Erste Westernreiterunion Deutschlands) beweist, dass die Reiter am Besten bewertet werden, die am Wenigsten auf ihr Pferd einwirken. Man will unsichtbare Hilfen und Harmonie sehen – wie kann es also sein, dass der Turniersport der Westernreiter überhaupt bei manchen Menschen in Verruf gekommen ist? Da ich selbst schon mehrfach auf EWU-Turnieren gesehen habe, dass Reiter wegen zu grober Einwirkung disqualifiziert worden sind und gerade in Reiningprüfungen nicht nur die Gebisse, sondern auch die Flanken der Pferde untersucht werden, dürften (wenn überhaupt) die Negativbilder ja eigentlich nur auf dem Abreiteplatz zu finden sein. Bei der EWU sind mittlerweile Aufsichten auf den Abreiteplätzen vorgeschrieben: die Stewards. Gewisse Hilfsmittel, wie Ausbinder sind dort sogar verboten. Wer in einer Reining-Prüfung keinen geeigneten Beschlag hat, wird disqualifiziert. Die EWU hat schon vor Jahren eingeführt, dass nur Pferde starten dürfen, die älter als vier sind. Tierschutz wird also groß geschrieben. Wer Turniere kritisiert, muss sein Augenmerk also auch auf die Reiter legen, die platziert werden. Denn wenn jemand grob einwirkt und entsprechend nicht platziert wird, dann beweist ja genau das, dass Zwang und Einschüchterung eben nicht das ist, was der Turnierrichter sehen will.

Die Kritik gegen den Turniersport kann sich dann nur gegen die Trainingsmethoden richten, die hinter verschlossenen Türen für die Öffentlichkeit unsichtbar vermutet werden. Müssen wir wirklich annehmen, dass Zwang automatisch zum Erfolg führt? Wo ziehe ich die Grenze zwischen Zwang und klarer Führung, die ein Pferd vom Naturell her einfach braucht? Pferde leben in Hierarchien und stellen somit auch die Position des Menschen immer wieder in Frage. Wer nicht Chef ist, ist rangniedrig und wir werden keinen Erfolg haben, wenn das Pferd der Chef im Ring ist.

Wenn wir in einer modernen Zivilisation Haustiere halten, dann sind wir verpflichtet, diese zu Gehorsam zu erziehen, egal ob es um den Hund geht oder um unser Pferd, aber wir wollen natürlich nicht deren Willen brechen. Im Westernreitsport wird oft von Pferden gesprochen, die „broke“ sind. Das klingt dann für Ausstehende so, als sei damit das deutsche Wort „gebrochen“ gemeint. Es bedeutet aber „durchlässig“. Wie komme ich nun zu einem durchlässigen Pferd? Man könnte auf die Idee kommen, es einzuschüchtern und dem Pferd die Botschaft vermitteln, dass es ihm schlecht geht, wenn es nicht tut, was ich will. Doch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Pferd, das zu etwas gezwungen wurde, losgelassen also locker sein und Leichtigkeit und Athletik zeigen kann. Diese freiwillige Anmut benötige ich aber, wenn ich auf höchstem Turnierniveau reiten möchte.

Vorurteile gegen das Natural Horsemanship (NHS)

Dem Natural Horsemanship wird nachgesagt, dass es gar keine Pferdeausbildung, sondern vielmehr eine Menschenausbildung ist. Das trifft vor allem auf die ersten beiden Levels des Systems zu. Dennoch sieht man in der Pferdewelt Schüler, die zu lange in den ersten beiden Lernstufen stecken bleiben, ja sogar glauben, dass das Reiten mit Knotenhalfter das System überhaupt ausmacht. Das ist ein Missverständnis und Fehlurteil.

Richtig ist vielmehr, dass es um Grundlagen und Grundkenntnisse geht, die auf das Reiten auf höchstem Niveau vorbereiten sollen. Hier wird nicht nur dem Pferd, sondern auch dem Menschen das Lernen leicht gemacht. Große Lerneinheiten werden in möglichst kleine überschaubare Schritte unterteilt, um am Ende alles wieder zu einer Einheit zusammen zu setzen.

Einige Anhänger des Natural Horsemanship denken hingegen, es ginge allein um eine innere Haltung und eine gewaltfreie Methode, ein Pferd auszubilden und sie haben grundsätzlich nicht ganz Unrecht mit dieser Annahme. Pferdetrainer wie Monty Roberts propagieren, dass sie ihr Pferd gewaltfrei im Roundpen trainieren, denn beim so genannten „Join Up“ wird das Pferd tatsächlich nicht geschlagen und für dominante Pferde oder ungerittene Wildpferde ist das „Join Up“ vielleicht sogar ein Ansatz, mit dem man eine erste Annäherung zum Pferd erreicht.

Ich orientiere mich eher an Pat Parelli oder Alfonso Aguilar, die die Bodenarbeit üblicherweise zunächst an einem langen Seil erarbeiten und die Freiheitsdressur oder join-up-ähnliche Methoden erst in den höheren Stufen des Lernsystems anwenden, denn ein Join-Up ist nichts für Anfänger. Mir gefällt an deren Ansatz, dass das System vom Einfachen zum Schwierigen führt und nicht aufhört, wenn der Mensch das Vertrauen des Pferdes gewonnen hat. Der Anspruch, dass Natural Horsemanship eine gewaltfreie Pferdeausbildung ist, besteht zwar, definiert sich aber eher dadurch, dass weder Zwang noch Einschüchterung angewandt werden. Gewaltfrei heißt in diesem Zusammenhang nämlich nicht, dass ich meinem Pferd niemals einen Klaps gebe. Es kommt ganz entscheidend darauf an, wie, wie oft und wann ich diesen Klaps gebe. Es darf nie eine Strafe sein, das verstehen Pferde nicht.

Im ProRide-Konzept von Thomas Günther steht hierzu: „Macht unser Pferd Fehler darf es keine Strafe sondern Einwirkungen als negative Verstärkung nur in Form von verständlichen Korrekturen bzw. Erklärungen geben. Sehr effektiv ist dann Komfort und Diskomfort zu nutzen, um mein Pferd zu etwas zu bewegen. Damit kommen positive und negative Verstärkung als Motivatoren zum Einsatz. Wir können Diskomfort mit Druck oder einer unbequemen Situation gestalten und Komfort durch Druck wegnehmen bzw. einer bequemen Situation geben. Gutes Timing ist hier extrem wichtig.“ Das Timing macht den Unterschied.

Pat Parelli nennt in seinem Buch mit dem Titel „Natural Horsemanship“ als bestes Beispiel den Elektrozaun. Berührt das Pferd ihn, kommt unmittelbar der Stromimpuls. Und genauso müssen auch unsere Korrekturen sein, wenn wir sie denn brauchen: so zeitnah wie möglich. Das Geheimnis liegt oft im Verhältnis. Pat Parelli empfiehlt 80 Prozent positive Verstärkung (Stimmlob, Kraulen, ggf. Futter nach einer guten Leistung) und zu 20 Prozent negative Verstärkung (Wegnehmen von Druck), bei der es auf das Wie ankommt2.

Stellen Sie sich einen Ventilator vor. Er ist nicht aggressiv und hat einen gleich bleibenden Rhythmus. Aber wer riskiert es schon, seinen Finger in einen Ventilator zu stecken? Also lernen wir auf eine Art und Weise Druck aufs Pferd auszuüben, die nicht aggressiv ist, aber dennoch Respekt verschafft.

Positive Verstärkung ist gut, um erwünschtes Verhalten zu verfestigen. Ich brauche jedoch auch Methoden, um unerwünschtes Verhalten abzustellen, z.B. um den unabdingbaren Sicherheitsabstand einzuhalten. Wie wir später noch sehen werden, kann es im Natural Horsemanship vorkommen, dass das Pferd einen Klaps vom Menschen erhält oder es kann im Extremfall passieren, dass der Karabiner des Führseils das Pferd am Kiefer trifft, was Sie vermeiden, wenn Sie einen schweren Karabiner wählen. Auch bei Leichten sind das seltene extremen Notfällen, wenn der Mensch zur eigenen Sicherheit seine Individualdistanz verteidigen muss! Leider wird Natural Horsemanship von vielen Menschen dennoch auf diese Einzelmaßnahme reduziert.

Mir wurde schon wörtlich gesagt, dass Natural Horsemanhip das ist, wo man das Seil so sehr schüttelt, dass das Pferd den Karabiner gegen die Nase bekommt. Natural Horsemanship ist viel, viel mehr. Es ist ein komplexes System, das ich in diesem Buch näher vorstelle, mit dem Ziel, dass die Pferde am Ende auf allerfeinste Signale reagieren bzw. einem Gefühl folgen – nicht aus Angst, sondern aus Freude an der Zusammenarbeit mit dem Menschen. Zwar zielen die ersten Grundlagen im NHS in der Tat darauf ab, auf die fürs Pferd natürliche Weise, den Gehorsam zu sichern, denn es gilt der Grundsatz: Safety first. Zeitgleich steht aber die Beziehung zum Pferd an erster Stelle.

2 Aus dem Zirkus- & Vlog-Kanal von 12-Oaks-TV: Der große Irrtum von der positiven Verstärkunghttps://youtu.be/r9eI-uxqA8Oo sowie Playlists zu Zirkuslektionen, z.B. mit Larissa: https://www.youtube.com/playlist?list=PLPpvt83Cqt-QB4JjkEsDKWkn7_bULlmQyk

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Sowohl das Westernreiten als auch das Natural Horsemanship basieren auf feinen Signalen. Man möchte bei beiden Systemen ein williges Pferd, das gerne und freiwillig kooperiert und dabei locker und entspannt ist. Auch bei der Hilfengebung finde ich immer wieder Gemeinsamkeiten, insbesondere wenn ich die Grundausbildung der Pferde in beiden Systemen betrachte. Es gibt z.B. sowohl den wegweisenden (direkten) Zügel wie auch den indirekten Zügel, der auch als One-Rein-Stop bekannt ist. Das Ziel ist in beiden Systemen, dass das Pferd sich übers Bein oder noch besser über Sitzhilfen lenken, verlangsamen und anhalten lässt. Was im Westernreiten Neck-Rein genannt wird, ist im NHS der „Supporting Rein“, der sogar in der klassischen Reitweise nach Phillippe Karl als „rêne d'appui“ zu finden ist. In beiden Systemen gibt es bestimmte Kriterien, die als Grundlage gelten und somit auch prüfbar sind.

Im Natural Horsemanship gibt es zumindest bei Parelli die Möglichkeit, einen bestimmten Level abzulegen, der im Level 1 ausschließlich die Bodenarbeit und im Level 4 dann sowohl Bodenarbeit als auch Freiheitsdressur und zudem zwei verschiedene Arten des Reitens betrifft. Beim Freestyle-Reiten reitet man dem Grunde nach am langen Zügel – zeigt aber in den Levels drei und vier auch oft das Reiten ganz ohne Kopfstück mit Manövern wie fliegenden Galoppwechseln oder das Anhalten aus dem Galopp nur mit einem Seilchen (String) um den Pferdehals. Wenn man ein so rittiges Pferd hat, ist es meist kein so großes Problem mehr, es einhändig auf Westernturnieren vorzustellen. Erst ab Level 4 kommt das Reiten mit Zügelkontakt im Parelli-System hinzu. Das Programm ist also auch für Klassischreiter geeignet. Parelli hat einmal gesagt, dass es ab Level 4 eigentlich erst losgeht.

Er nennt sein System ein Grundlagenprogramm, das nicht nur für jede Reitweise geeignet sei, sondern auch von jedem Pferd bzw. Pferdemenschen gelernt werden sollte, bevor er z.B. die im so genannten Finesse-Reiten verlangten Übungen wie Seitengänge (z.B. Travers, Schulterherein oder Traversalen) bzw. Gymnastizierung des Pferdes überhaupt absolviert. Wer den Level 4 im Finesse-Reiten bestehen möchte, muss ebenfalls einen fliegenden Galoppwechsel zeigen, aber dieses Mal mit Zügelkontakt. Parelli vergibt für die verschiedenen Levels unterschiedliche farbige Strings (= Horsemanship-Seilchen), wobei der Absolvent im Level 4 den schwarzen „String“ erhält – ähnlich dem schwarzen Gürtel im Judo. Ich selbst habe den kompletten Level 3 und im letzten prüfbaren Level, also dem Level 4, die beiden Reitprüfungen Freestyle und Finesse bestanden.

Beim Westernreiten gibt es die Möglichkeit, verschiedene Trainerlizenzen beim Westernreitverband der EWU zu erwerben. Diese werden Trainer C, Trainer B oder Trainer A genannt, wobei A der höchste ist. Außerdem können bei der EWU auch verschiedene Reitabzeichen erworben werden, wobei ich Inhaber des Bronzenen bin. Um dieses zu erwerben, muss man erst das Abzeichen IV absolvieren, bei dem eine Westernhorsemanship-Aufgabe sowie ein Trail geritten und außerdem eine Theorieprüfung abgelegt werden muss. Das goldene Reitabzeichen kann man nur über Turniererfolge erhalten. Bei den Parelli-Auditions und Reitabzeichen geht es dem Grunde nach um „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Auf dem Turnier steht aber die Frage im Vordergrund, wer der Beste der Besten ist. Nur ein motiviertes Pferd ist bereit, Höchstleistungen zu vollbringen, besonders wenn es dabei auch entspannt aussehen soll, wobei sich Entspannung nicht vortäuschen lässt.

Bei einem Turnier kann der Richter allerdings nur das beurteilen, was er in der Prüfung sieht. Der Weg zum Ziel fließt in die Bewertung nicht ein. Wenn also im Training Zwangsmittel oder Ausbinder angewendet wurden, dann kann der Richter dies auf dem Turnier nicht abstrafen. Was das Thema Ausbinder betrifft, so wird im Westernreiten zuweilen die Trainingsfork (eine Art Martingal) benutzt, die durchhängt, wenn das Pferd den Kopf locker fallen lässt. Im Natural Horsemanship werden Ausbinder eher abgelehnt und man möchte das Fallenlassen des Kopfes über die emotionale und mentale Entspannung des Pferdes erreichen. Parelli lehrt aber kein starres System, sondern propagiert vielmehr: „Never say never, don’t say always always, usually say usually.“ oder auch: “If you know the rules, you can break the rules.” So können im Ausnahmefall selbst Schlaufzügel zumindest in der Hand eines Profis bei vereinzelten Pferden von Nutzen sein, da ein guter Profi weiß, wann er sie wie einsetzt bzw. wann er deren Einsatz beendet. Also seien Sie flexibel genug, um auf die Besonderheiten Ihres Pferdes einzugehen, aber verrennen sie sich nicht darin.

Andererseits sollten Sie auch nicht in die Falle tappen, sich von jedem System das Beste heraussuchen zu wollen, da oft genug eins aufs andere aufbaut und man versucht ist, gerade die schwierigen oder auch die auf den ersten Blick langweiligen Aufgaben weg zu lassen. Aber genau das Auslassen von Basisübungen rächt sich dann im Nachhinein und kann zu Problemen führen.

Larissa Steiner auf dem C-Turnier in Lindlar 2016. Mit gleich zwei Ponys siegreich im LK-1B-Trail gegen Quarter Horses: Erste mit Lucky, Zweite mit Cisco.

Trainerwahl ist Qual der Wahl: Horsemanship ist nicht gleich Horsemanship

Es gibt in letzter Zeit eine Tendenz, dass jeder, der in irgendeiner Form Bodenarbeit macht, sich selbst Horseman nennt und für sich in Anspruch nimmt, Natural-Horsemanship-Prinzipien anzuwenden.

Es gibt hier keine Berufsbeschränkung oder Mindestqualifikation. Daher kennen manche selbsternannten Horsemen leider nur einige wenige Elemente aus einem riesigen Pool von Methoden. Wenn diese wenigen Methoden dann nicht oder nur sehr zäh zum Erfolg führen, wird dem Pferd schnell der Stempel Problempferd aufgedrückt und den Besitzern erzählt, dass sie halt Geduld haben müssten. Meist braucht man wirklich Geduld, aber erste kleine Fortschritte sollten sich schon im ersten Umgang sehen lassen, ansonsten haben Sie Anlass zu Misstrauen. Natural Horsemanship muss man genauso lernen wie das Westernreiten und es sollte nicht geschehen, dass es irgendwann so verwässert wird, dass jeder (egal, was er macht und egal, ob es dem Pferd hilft oder nicht) für sich den Begriff Natural Horsemanship in Anspruch nehmen darf.

So weit ich weiß, hat Parelli diesen Begriff ursprünglich rechtlich schützen lassen, dann aber wieder darauf verzichtet, weil er die Vision hatte, dass sein System zum Grundlagentraining von Pferden wird, bevor sie auf Turnieren vorgestellt werden. Es gibt zuweilen auch Trainer, die Einzelelemente aus diesem System verwenden und es als ihr Eigenes deklarieren. Hier werden oft die Wünsche der Menschen aufgegriffen, die nicht immer realistisch sind. Auch ich würde es schön finden, wenn es so funktionieren würde, wie manche Horsemen es uns glauben machen wollen: Wenn ich nur nett zum Pferd bin, ist es auch nett zu mir. Die Erfahrung zeigt, dass oft genug das Gegenteil der Fall ist. Gefühle wie Dankbarkeit sind dem Pferd fremd – es ist und bleibt ein Herdentier.

Auch wird oft von mehr oder weniger qualifizierten Horsemen behauptet, dass man ein Pferd ausbilden könnte, indem man einfach nur ruhig ist. Es wäre wirklich schön, wenn es so einfach wäre. Die innere Ruhe ist aber vielmehr nur die Grundvoraussetzung für alles andere. Denn es gehört eben auch Bestimmtheit, Wissen, Technik und vieles mehr dazu. Man kommt um ein Lernsystem als Mensch einfach nicht herum, denn sich von allem das auf den ersten Blick Beste herauszusuchen, kann sehr wohl nach hinten losgehen. Das ist etwa so, als würden Sie 500 französische Wörter mit 1.000 englischen Wörtern und einer Prise von 50 russischen Wörtern kombinieren. Niemand würde Sie verstehen, es sei denn, er kann alle drei Sprachen fließend.

Parelli wird oft vorgeworfen, er sei ein Guru (wörtlich übersetzt: Lehrer) und das ganze System sei eine Sekte, weil zunächst Grundlagen und Handwerkszeug erlernt wird, das für jeden (menschlichen) Schüler gleich ist. Oft wissen wir im ersten, zweiten Schuljahr der Grundschule noch nicht, dass dieses Wissen und die erlernten Fertigkeiten später im Abitur gebraucht werden. Wir müssen erst einmal alles lernen und können erst am Ende entscheiden, auf welche Elemente wir im Einzelfall den Schwerpunkt legen, weil es immer aufs Pferd ankommt. Zweifellos ist die NHS-Methode gut geeignet, um Anfänger ans Pferd zu führen oder junge Pferde auszubilden, zumal ich in altersgerechten Schritten mit der Pferdeausbildung schon beim Fohlen mit der Prägung beginnen kann. Bei Parelli zielen die Levels 1 und 2 einzig darauf ab, dem Menschen die Pferdesprache beizubringen. Dies sollte man im Hinterkopf behalten.

Der schnell genannte Vorwurf „Sekte“ ist in meinen Augen ziemlich absurd, denn Pat Parelli scheint sehr gut mit Unterschieden umgehen zu können, denn seine Frau Linda hat nicht nur einen ganz anderen Stil als er: Sie reitet noch nicht einmal Western, sondern ist Klassischreiterin. Und auch bei den Instruktoren gibt es durchaus Unterschiede – aber es gibt auch (wie im Westernreiten) gewisse Grundlagen bzw. Basics, die man sich aneignen sollte, bevor man aus bestimmten Gründen davon abweicht. Nach Parellis Grundsatz „If you know the rules, you can break the rules”, kann man jede Vorgehensweise auch erst dann be- oder verurteilen, wenn man sie kennt und versteht. So erlebe ich Vorurteile gegen das System, weil das System oft genug falsch verstanden angewendet wird. Viele Schüler verharren in den Levels 1 und 2, was von außen nach einem Wedeln mit dem Carrot Stick aussehen mag und bei dem die Pferde sich durch das sture Wiederholen von Übungen eher langweilen als sich zu entwickeln. Festzuhalten ist, dass bei diesen Leuten das System schlicht und ergreifend falsch interpretiert wurde und ohne das nötige Hintergrundwissen angewandt wird.

Marko Pohland hat mir einmal erzählt, dass er auf der Pferdemesse „Equitana“ in Essen Leute mit Carrot Stick getroffen hat, die behauptet haben, Parelli würde alle Probleme mit Karotten lösen. Das Gegenteil ist der Fall. Eigentlich hat Parelli die orangene Farbe des Carrot Sticks deswegen gewählt, weil die orangene Farbe die Karotte symbolisiert und der Stock Menschen, die durch Prügel versuchen, sich ihr Pferd zu Willen zu machen. Parelli lehnt aber beide Extreme ab und ist ein Verfechter des Mittelwegs, der ja nicht umsonst als der Goldene bezeichnet wird.

Im Pro-Ride-Konzept von Thomas Günther wird ein ganz ähnlicher Ansatz formuliert: „Ziel von Ausbildung sollte nicht die bloße Kontrolle sein, sondern ein Höchstmaß von harmonischer Kommunikation. Zu vorsichtigen oder weichen Menschen sei hier gesagt: Man muss auch mal Kontrolle ausüben können. Forsche oder harte Menschen kann man an dieser Stelle ermahnen, dem Pferd die Möglichkeit, den Raum und die Motivation zur Kommunikation nicht durch Überkontrolle bzw. Zwang zu nehmen. Ein Pferd, das gerade willig kommuniziert, wird völlig ohne kontrollierende Einwirkungen den Vorschlägen des Reiters folgen.“ Genau wie bei der Auswahl Ihres Westerntrainers, sollten Sie die Qualifikation Ihres Horsemanship-Trainers auf Herz und Nieren prüfen. Ich wäre auch vorsichtig bei so genannten Problempferdetrainern, die ausschließlich Problempferde korrigieren und sonst keine weiteren Qualifikationen vorweisen können, denn das kann so ziemlich jeder Trainer, ohne dies allzu sehr herauszustellen. Gute Trainer korrigieren nicht ausschließlich die Pferde, sondern schulen deren Besitzer im Umgang mit ihren Vierbeinern. Oft genug verhalten sich Pferde ohnehin nur deswegen problematisch, weil der Besitzer (oder gar Trainer) Fehler macht, bspw. indem er Druck aufrechterhält, obwohl das Pferd sich bemüht. Lassen Sie sich vom Trainer erklären, was er wann und warum macht oder noch besser: Lernen Sie selbst die NHS-Prinzipien bei einem Trainer, der transparent macht, was er tut, wo er gelernt hat und ob er in irgendeiner Form von Dritten geprüft wurde.

So sollte gutes Horsemanship aussehen. Die Körpersprache zeigt Entspannung, weil die Unterlippe herab hängt und die Ohren des Pferdes offenbar in Bewegung sind. Ein Zeichen der Entspannung ist auch das Blinzeln mit den Augen. Natürlich ist Harmonie nicht immer gleich beim ersten Training zu erreichen und manchmal muss es erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann, aber es sollte unterm Strich kontinuierlich aufwärts gehen. Falls dies nicht der Fall ist, fragen Sie Ihren Trainer nach seiner Qualifikation und den Gründen für sein jeweiliges Vorgehen (Hinweis: hängt die Unterlippe dauerhaft, kann dies ein Hinweis auf Traumatisierung sein).

2. TEIL: PFERDEPERSÖNLICHKEITSTYPEN & LÖSUNGSANSÄTZE

Bei einem seriösen Trainer steht anfangs der Aspekt Sicherheit im Vordergrund. Sie lernen sich das Pferd vom Leib zu halten, wenn es Sie bedrängt und werden immer mehr zum natürlichen Leader. Wenn Sie diese Techniken beherrschen und sicher sein können, dass Sie sich zumindest im Notfall und bei drohender Gefahr durchsetzen könnten, wenn Sie es wollten, dann gibt es im Natural Horsemanship auch einige Strategien, bei denen Sie auf Vorschläge Ihres Pferdes eingehen oder umgekehrte Psychologie anwenden. Beispielsweise können Sie bei einem faulen Pferd, statt es immer anzutreiben, auch einmal versuchen, es so langsam zu machen, dass es fast schon schleicht. Solange bis vom Pferd die Idee kommt: „Können wir vielleicht mal etwas schneller laufen?“ Ein schnelles Pferd könnten Sie ein wenig schneller reiten, als es möchte, indem Sie 'sagen': „Du willst laufen, komm ich helfe dir dabei.“ Bis das Pferd fragt, ob es langsamer laufen darf. Bei einem streitsüchtigen Pferd können Sie bei der Bodenarbeit versuchen, auf alles einzugehen, was das Pferd vorschlägt, so dass all seine Diskussionsversuche ins Leere laufen, bis das Pferd quasi zu Ihnen sagt: „Wie langweilig – kannst du vielleicht auch mal etwas vorschlagen?“ Wobei das keine Patentrezepte sind. Es kommt immer aufs Pferd an. Das Natural Horsemanship bietet einen riesigen Pool von Problemlösungsstrategien.

Horseman Thomas Günther warnt allerdings davor zu sehr auf die einzelne Pferdepersönlichkeit einzugehen, denn eigentlich seien sich alle Pferde doch recht ähnlich. Wenn also ein so genanntes Problempferd zeigt, wie viel instinktives Pferd in ihm steckt, muss es nach Günther unsere Aufgabe sein, ein Pferd zum Denken zu bringen, so dass die reaktive, instinktive Seite seines Gehirns verkümmert: „Bevor wir anfangen, charakterspezifisch an Pferde heranzugehen, sollten wir uns den immer gleichen grundlegenden Instinkten, Verhaltensweisen und Merkmalen bewusst sein. Ein Pferd ist einfach ein Pferd. Ein aus menschlicher Sicht schwieriges Pferd ist meist einfach viel Pferd, d.h. es zeigt einem besonders gut wie Pferde von Natur her sind.“

Als das Buch „Natural Horsemanship“ von Pat Parelli erschienen ist, war es noch ein Trainingsprogramm, das für jedes Pferd funktionieren sollte. Zwischenzeitlich hat Pat Parelli aber unterschiedliche Pferdepersönlichkeiten heraus differenziert, die er in vier grobe Bereiche unterteilt. Grob vereinfacht bedeutet das, dass es schnelle und langsame Pferde gibt. Außerdem unterscheidet Parelli Pferde, die eher reaktiv und instinktiv mit ihrer rechten Gehirnhälfte das Leben bewältigen und Pferde, die mit der linken Gehirnhälfte denken. Er nennt dies „Horsenalitys“ und empfiehlt für die Pferdetypen unterschiedliche Trainingsansätze. Es gibt auch Pferde, die zwischen zwei oder drei Typen wechseln.

Ohne Vertrauen kein Respekt, ohne Respekt keine Freundschaft

Wenn ein Pferd große Angst hat, ist es erst einmal schwierig, am Respekt zu arbeiten und in der Regel auch nicht sinnvoll, denn es ist schnell passiert, dass man das Pferd noch mehr verängstigt. Das Pferd muss also erst einmal überzeugt davon sein, dass es nicht vom Raubtier „Mensch“ gefressen wird. Andererseits sind Pferde so genannte „natürliche Gefolgsleute“, die immer auf der Suche nach einem souveränen Führer sind, denn schließlich hängt aus ihrer Sicht ihr Überleben davon ab. Es vertraut dem Menschen, wenn es überzeugt davon ist, dass der Mensch so tough ist, dass er es vor Raubtieren schützen kann. Man muss den goldenen Mittelweg finden und aus dem riesigen Pool der Strategien, die das Natural Horsemanship für unterschiedliche Pferdetypen bietet, die Passende auswählen. Wie beim Menschen ist es auch beim Pferd natürlich so, dass es in verschiedenen Situationen anders reagiert und mal ängstlich, mal selbstbewusst ist. Das muss ich erkennen und berücksichtigen.

Im ersten Moment würde man vielleicht denken, dass ich ein ängstliches Pferd mit Ruhe und Geduld ganz langsam an neue Aufgaben heranführe und dem dominanten Pferd zeige, wer der Boss ist. So einfach ist es allerdings leider auch nicht. So kann es erforderlich sein, dass ein Pferd, das bei Angst, die Flucht ergreift, sich viel besser beruhigt, wenn man ihm eine Aufgabe gibt. Jeder kennt ja auch die symbolische Ohrfeige, die man einem hysterischen Menschen gibt, um ihn aus diesem erregten Zustand zu befreien. Beim streitsüchtigen, aber verspielten Pferd kann ich auch einmal alle Ideen, die das Pferd anbietet, umsetzen, bis es dem Pferd so langweilig wird, dass es von sich aus zu erkennen gibt, dass es sich einen aktiveren Partner wünscht. Grundsätzlich sollte man im Zweifel unterschiedliche Strategien mindestens in drei Versuchen ausprobieren, um zu erkennen, ob die Strategie fürs Pferd funktioniert und sich nicht an einer Strategie fest beißen, die schon zehn mal nichts gebracht hat.