Integratives Emotionscoaching mit emTrace - Dirk Eilert - E-Book

Integratives Emotionscoaching mit emTrace E-Book

Dirk Eilert

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Beschreibung

Die Emotionscoaching-Kompetenz auf den neuesten Stand bringen Warum versagen Menschen in Prüfungen, obwohl sie gut vorbereitet sind? Wieso der Griff zum Dessert, obwohl man eine Diät machen will? Und warum sind da, trotz bisheriger Erfolge, immer wieder Selbstzweifel? Studien zeigen: Emotionen beeinflussen fundamental das Selbstbild sowie Entscheidungen und Handlungen. Das gilt auch für die Fähigkeit, sein Wissen und Können punktgenau abzurufen. Eine Lösung liegt hier jedoch nicht auf der Ebene des Denkens, sondern auf der Ebene der Emotionen. Genau dies erreicht ein integratives Emotionscoaching mit emTrace. Neue Erkenntnisse aus Neurowissenschaften, Emotionspsychologie und Wirksamkeitsforschung zeigen immer klarer, warum bestimmte Interventionen (wie z. B. „Klopftechniken“ oder schnelle Augenbewegungen) wirken. Als Coach erfahren Sie in diesem Buch u. a., • welche vier Kompetenzrollen es zu meistern gilt, um noch effektiver und nachhaltiger zu arbeiten. • wie Sie mithilfe des Motivkompasses das emotionale Kernthema Ihrer Klient*innen punktgenau erfassen und bearbeiten. • wie Sie Ihren Coaching-Werkzeugkoffer um effektive, auf wissenschaftlichen Studien basierende Interventionen des Emotionscoachings erweitern können.

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Seitenzahl: 842

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Dirk. W. EilertIntegratives Emotionscoaching mitemTraceWie emotionale Veränderung wirklich gelingt

Über dieses Buch

Emotionscoaching — integrativ, systematisch, wissenschaftsorientiert 

Warum versagen Menschen in Prüfungen, obwohl sie gut vorbereitet sind? Wieso der Griff zum Dessert, obwohl man eine Diät machen will? Und warum sind da, trotz bisheriger Erfolge, immer wieder Selbstzweifel? Studien zeigen: Emotionen beeinflussen fundamental das Selbstbild sowie Entscheidungen und Handlungen. Das gilt auch für die Fähigkeit, sein Wissen und Können punktgenau abzurufen. Eine Lösung liegt hier nicht auf der Ebene des Denkens, sondern auf der Ebene der Emotionen. Genau dies erreicht ein integratives Emotionscoaching mit emTrace. 

Neue Erkenntnisse aus Neurowissenschaften, Emotionspsychologie und Wirksamkeitsforschung zeigen immer klarer, warum bestimmte Interventionen wirken. Als Coach erfahren Sie in diesem Buch u. a., 

welche vier Kompetenzrollen es zu meistern gilt, um noch effektiver und nachhaltiger zu arbeiten. wie Sie mithilfe des Motivkompasses das emotionale Kernthema Ihrer Klient*innen punktgenau erfassen und bearbeiten. wie Sie Ihren Coaching-Werkzeugkoffer um effektive, an wissenschaftlichen Studien orientierte Interventionen des Emotionscoachings erweitern können.

Dirk W. Eilert ist Experte für emotionale Intelligenz sowie Entwickler der Mimikresonanz-Methode und des emTrace- Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körperspracheexperten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. 

Mehr Informationen unter: http://www.eilert-akademie.de

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2021

Coverbild: © Anita Ponne – Shutterstock

Grafikdesign: Susanne Liebenow, netfish-design

Fotos: Hans Scherhaufer

Model für die Illustration der Körpersprache: Ute Eilert

Wissenschaftliche Mitarbeit: Ruben Langwara

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Wir behalten uns eine Benutzung des Werkes für Text und Data Mining i.S.v. § 44b UrhG vor.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2021

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0131-1

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0132-8 (EPUB), 978-3-7495-0134-2 (PDF).

ist markenrechtlich geschützt. Der besseren Lesbarkeit halber verzichten wir im Text auf das Registriermarke-Zeichen.

„Wir sind gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen,

um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können.

Freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße,

sondern weil die Größe der Riesen uns emporhebt.“

Bernhard von Chartres, um 1120

Ich danke all den Wissenschaftlern,

die ihr Leben der Erforschung des neuronalen Wunderwerks in unserem Kopf,

den Geheimnissen der Emotionen und der stillen Sprache unseres Körpers

sowie der Wirksamkeit emotionaler Veränderungen gewidmet haben.

Ebenso danke ich all den Praktikern, Emotionscoaches und Therapeuten,

die ihre Zeit und Leidenschaft dem Erkunden und kreativem Ausprobieren neuer Interventionen geschenkt haben.

Auf diesen Schultern stehen wir.

Erst ihre unermüdliche Arbeit hat emTrace als integrativen Ansatz des Emotionscoachings ermöglicht.

Vorwort von Dr. Dr. Damir del Monte

Ein intensiverer Dialog zwischen der Psychotherapie und den Neurowissenschaften wurde bereits 2008 von keinem Geringeren als dem Nobelpreisträger Eric Kandel angemahnt. Seit seiner Aussage konnten neuere Entwicklungen in der neurowissenschaftlichen Forschung die Möglichkeiten erweitern, genau diesen Kurs aufzunehmen und kreativ auszuformen (vgl. Buchheim et al., 2012; Buchheim & Kächele, 2015). Aus der sich intensivierenden Zusammenarbeit der beiden Disziplinen erwuchsen zahlreiche Studien, die psychotherapeutische Modelle und Techniken kritisch beleuchteten. Überraschenderweise kam dabei schulenspezifischen Therapietechniken eine weitaus geringere Bedeutung zu, als traditionell angenommen. Hingegen wurden die Güte der therapeutischen Beziehung, personengebundene Eigenschaften auf Klienten- und Therapeutenseite sowie die Motivation und Veränderungsbereitschaft des Patienten / Klienten als bedeutsame Variablen für gelingende Veränderungsprozesse erfasst. Dass sich die Lern- und Veränderungsprozesse nicht nur auf der Erlebnis- und Verhaltensebene manifestieren, wurde ebenfalls neurowissenschaftlich belegt. Psychotherapie ist nachgewiesenermaßen in der Lage, die Gehirnstruktur und -funktion nachhaltig zu verändern. Wenngleich mit unterschiedlicher Herangehensweise und Schwerpunktsetzung (Entwicklung vs. Heilung), lassen sich diese Erkenntnisse auch auf das Emotionscoaching übertragen.

Der Diskurs im Psychotherapie- und Coachingfeld weist jedoch weiterhin mindestens zwei Bruchlinien auf. Zum einen die immer noch starke Ausrichtung an Therapieschulen und eine damit häufig einhergehende polarisierende Kontroverse. Im Gegensatz dazu legen insbesondere Psychotherapieforscher, die seit Jahrzehnten danach trachten, schulenübergreifende Wirkfaktoren herauszuarbeiten, Entwürfe für schulenunabhängige Konzepte vor. Diese Entwicklung vollzieht sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund wachsender neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, die auch in die Therapieforschung Einzug gehalten haben.

Zum anderen betrifft die zweite Bruchlinie das Verhältnis von eben dieser Neurowissenschaft zur Psychotherapie bzw. zum Coaching. Nicht wenige sehen die Intensivierung der neurobiologischen Forschungsaktivitäten mit Unbehagen. Dies spiegelt die immer noch gern vorgebrachte Entgegensetzung von biologisch und psycho-sozial wider. Sinnvoll erscheint der Versuch, auch hier aus dem ressourcenverbrauchenden Gegeneinander einen synergistischen Effekt erwachsen zu lassen. Es wäre wünschenswert, die durch zahlreiche Therapieschulen ausgehobenen Gräben zu überwinden. Und es wäre zugleich erstrebenswert, die strikte Dichotomie von geisteswissenschaftlichem und biologischem Vorgehen zu verlassen, um ein Miteinander unterschiedlicher methodologischer Zugänge zu fördern. Die aus methodisch und erkenntnistheoretisch unterschiedlichen Informationsquellen gewonnenen Daten sollten gleichwertig in Verbindung miteinander gebracht werden.

Als Neurowissenschaftler bin ich der Überzeugung, dass das Wissen um neurobiologische Zusammenhänge Psychotherapie und Coaching befruchten und bereichern kann. Zugleich weiß ich, dass Kategorien wie „Bedeutung” und „Sinn“ nicht ausschließlich am Zusammenspiel neuronaler Netzwerke festgemacht werden können. Der neurobiologische Blick ist zunächst ein Blick von außen. Sowohl in der Selbstwahrnehmung wie auch in der zwischenmenschlichen Begegnung manifestieren sich die psychischen und psychopathologischen Phänomene. Nur ein Blick nach „innen“, das subjektiv Empfundene, Erfahrene und Erlittene erfassend, mit der Bereitschaft, das Erfasste im Therapie- oder Coaching-Setting mitzuteilen, vermag Einblicke in diese innere Welt zu gewähren. Erst die Verbindung von innen und außen ermöglicht ein umfängliches Bild des Menschen.

Doch was bedeutet all dies für die Praxis? Und was bedeutet es für die Entwicklung kreativer Ansätze wie dem emTrace? Der Blick sollte geschärft sein für die Wirkprinzipien und Prozessanalysen, gepaart mit der Bereitschaft, sich in den Dienst integrativer Entwicklungen zu stellen. Genau dies macht Dirk W. Eilert in beeindruckender Weise. Der relativ geringe Beitrag von schulspezifischen Interventionen und Behandlungstechniken am Therapieerfolg ist ihm sehr wohl bewusst. Doch die langjährige Coachingerfahrung lehrte ihn zugleich, dass Behandlungstechniken benötigt werden, um das eigene Vorgehen zu strukturieren. Es bedarf eines therapeutischen Rahmens, um nicht zu sagen Rituals, um die Erklärungsprinzipien darzulegen, um den Klienten einzubetten und seine Aktivität und Veränderungsbereitschaft abzurufen und schließlich, um Wirkfaktoren zur Entfaltung zu bringen. Und obwohl dieses Lehrbuch eine solche Struktur im Vorgehen anbietet, so versieht es die einzelnen Methoden und Strategien zugleich mit dem Warnhinweis auf ein mögliches Verfallsdatum. Wo andere mit ihren Techniken dogmatische Anker auswerfen, plädiert Dirk Eilert für Flexibilität und mutet seinen Schülern zu, das zu verwerfen, was dem Hinterfragen nicht standhält. Mit großer Akribie und bewundernswertem Fleiß analysiert er die aktuelle Studienlage und sucht nach Belegen für Wirkmechanismen hinter den Techniken. An ihnen orientiert er sich, an ihnen richtet er sein Vorgehen aus. Dabei sind es v.a. neurowissenschaftliche Erkenntnisse, die er zurate zieht, und genau diese Liebe zur Neurowissenschaft war es, die auch uns zusammenbrachte.

Das Gehirn, das im Zentrum meiner Forschungstätigkeit steht, wird heute als selbstorganisiertes System interpretiert. D. h. die Organisation von multiplen Systemkomponenten erwächst aus den Interaktionen und Wechselwirkungen, die zwischen diesen Komponenten bestehen. Sie wird dem System nicht von außen aufgezwungen. Die Funktionsweise des menschlichen Gehirns folgt somit dem Primat der selbstregulierten Aktion. Der Mensch ist das Wesen, das sich die Welt handelnd erschließt. Im aktiven Handlungsvollzug gilt es, den Herausforderungen entgegenzutreten, denn ein ausgeklügeltes Belohnungssystem des menschlichen Gehirns lässt diejenigen ein besonderes Glücksgefühl erleben, denen es gelingt, eben diese Herausforderungen zu bewältigen. Psychotherapie wie auch Emotionscoaching können vor diesem Hintergrund als „prozessuales Schaffen von Bedingungen für die Möglichkeit von Selbstorganisation und Veränderung“ (Schiepek) beschrieben werden. Seine Entwicklungs- und Veränderungsprozesse vollzieht der Mensch als komplexes bio-psycho-soziales Wesen auf verschiedenen Ebenen. Nicht nur die Forschung sollte deshalb auf allen Systemebenen ansetzen. Auch die Psychotherapeutin oder der Coach sollten ein Sensorium für die unterschiedlichen und je individuell ausgestalteten Ebenen menschlichen Seins und menschlichen Ausdrucks entwickeln, um in einem stets dynamischen Setting mit ihren Klienten in eine gute „Passung“ zu kommen. Eine gute Möglichkeit, sich ein Rüstzeug für diese anspruchsvolle Aufgabe anzueignen, ist die Lektüre dieses Buches, dass auch ich – von Berufs wegen mit ausgeprägter Skepsis ausgestattet – mit großem Genuss gelesen habe.

Damir del Monte
im Oktober 2020

Einführung: „Tools“, not „Schools“ – die Zukunft des Emotionscoachings ist integrativ

In 30 Minuten haben Sie einen wichtigen Termin in der Innenstadt. Sie sind knapp dran und sprechen eilig in Ihre Smartwatch: „Taxi bitte!“ Fünf Minuten später steht ein selbstfahrendes Auto vor Ihrer Haustür. Als Sie gerade Ihre Wohnung verlassen wollen, fragt eine freundliche Stimme: „Wann bist du wieder da? Ich würde dann wie jeden Abend warmes Wasser in die Badewanne einlassen.“ Sie antworten: „Heute Abend nicht, Siri.“ Die Tür fällt hinter Ihnen zu. Im Gehen rufen Sie noch: „Bitte schließ die Tür ab.“

Sieht so der Alltag im Jahr 2030 aus? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wirklich in die Zukunft sehen kann niemand. Wir können nur erahnen, was vor uns liegt. Aber wir können vor allem eines: Wir können unsere Zukunft proaktiv beeinflussen – jeder Einzelne von uns kann das, jedoch gemeinsam können wir noch viel mehr. Doch um sie gestalten zu können, müssen wir wissen, in welcher Zukunft wir leben möchten. Eine Frage, die in unserer von Veränderung und Digitalisierung geprägten Welt immer wichtiger wird und deren Beantwortung wir nicht anderen überlassen sollten. Vor allem im zwischenmenschlichen Bereich kann die technische Entwicklung Folgen haben, die wir uns nicht wünschen: Wollen Sie zum Beispiel in einer Welt leben, in der Ihre Brille die Emotionen anderer Menschen liest? Vielleicht klingt dies erst einmal verlockend. Doch unser Gehirn funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Use it or lose it. So, wie heute kaum noch jemand eine Straßenkarte lesen kann, weil ein Computer uns die Navigation im Straßenverkehr abnimmt, so laufen wir auch Gefahr, wichtige soziale Fähigkeiten wie Empathie zu verlieren, wenn wir sie blind an technische Helfer delegieren.

Mit diesem Buch möchte ich Sie einladen, Coaching generell und im Speziellen Emotionscoaching neu zu denken. Sich kreativ, aber auch konkret Gedanken zu machen, wie Coaching als professionelle Dienstleistung in zehn Jahren aussehen soll und kann. Als Coach bestimmen Sie genau diese Zukunft mit – durch Ihr Denken und Handeln im Heute. Darin liegt eine Chance, die wir mit Ehrfurcht anpacken dürfen – für eine kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung von Coaching und Interventionen, die auf Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zunehmend leichter, effektiver und nachhaltiger werden. Zum Wohle unserer Klienten. Für eine gelingende emotionale Veränderung. Für mehr emotionale Freiheit und schöpferische Leistungslust, Gesundheit und emotionales Wohlbefinden sowie Lebensfreude und Erfüllung in einer Welt, die uns mehr Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet als jemals zuvor. Die uns gleichzeitig aber auch emotional (heraus)fordert, uns nicht in die Hektik und den Stress der modernen Leistungsgesellschaft ziehen zu lassen, sondern stattdessen in Kontakt mit uns selbst, unseren Emotionen und Werten wie emotionalen Bedürfnissen zu bleiben. Einer Welt, in der Emotionscoaching kein Luxus mehr ist, sondern essenzieller Bestandteil der eigenen Emotionshygiene und -pflege. So, wie jeder ambitionierte Spitzensportler Physiotherapie nutzt, um körperlich gesund und fit zu bleiben – und eben nicht nur, wenn es irgendwo zwickt oder zwackt –, so sollte auch Emotionscoaching ein fester Bestandteil der Selbstfürsorge sein. Denn in der heutigen Zeit sind wir alle mental-emotionale Spitzenleister.

Auf der Suche nach gemeinsamen Wirkfaktoren

Ich beschäftige mich mittlerweile seit über 20 Jahren mit Coaching und Strategien der persönlichen Veränderung, insbesondere im Bereich des Emotionscoachings. Ende der 1990er-Jahre lernte ich NLP kennen, die Neurolinguistische Programmierung. Eine Intervention, die es mir besonders angetan hatte, war die „schnelle Phobietechnik“ (auch als visuell-kinästhetische Dissoziation bekannt). Bei dieser Technik zur Auflösung von blockierenden Emotionen, z. B. von Ängsten, nimmt der Klient sich selbst aus einer doppelten Dissoziation heraus wahr: Er sieht sich, wie er in einem Kinosaal sitzt und von dort aus sein Selbst auf der Leinwand von außen in einer emotional stressenden Situation betrachtet. Diesen auf diese Weise in doppelter Dissoziation erlebten inneren Film spult der Klient dann mental zurück. Doch soll diese einfach anmutende Technik wirklich funktionieren? Ich war damals sehr skeptisch.

Wahrscheinlich erinnere ich mich deshalb noch heute an meine erste Klientin, die im Oktober 1999 zu mir kam und die ich mit dieser Intervention coachte. Anna hatte für November eine Reise nach New York City gebucht und wollte unbedingt die ehrfurchtsgebietende Aussicht über die Stadt von der Spitze des Empire State Buildings aus genießen. Sie hatte nur ein Problem: Beim Gedanken an die Höhe des Gebäudes schlotterten ihre Knie, und ihre Handinnenflächen wurden pitschnass, sodass ihr Wunsch, die Skyline von dort oben zu genießen, von ihrer Angst übertönt wurde. Zur Vorbereitung bat ich Anna, an eine ressourcenvolle Situation zu denken – an einen Moment ihres Lebens, in dem sie sich absolut sicher und geborgen fühlte. Ich führte sie mit meinen Worten tiefer in die Erinnerung und half ihr, diesen positiven Augenblick innerlich intensiv mit allen Sinnen wieder zu erleben. Diesen Ressourcenzustand verknüpften wir mit einem Schlüsselwort. Dieses würde Anna helfen, jederzeit auf den Ressourcenzustand zurückzugreifen, wenn im folgenden Coachingprozess der emotionale Stress zu intensiv werden sollte.

Dann sagte ich zu ihr: „Schließ jetzt bitte die Augen und stell dir vor, du sitzt in einem Kinosaal deiner Wahl. Setzt dich am besten irgendwo in eine der mittleren Reihen … Schweb jetzt bitte aus deinem Körper heraus und nimm hinten im Vorführraum Platz. Sieh dir von dort aus selbst zu, wie du da unten im Kino sitzt und die Leinwand wahrnimmst … Nun stell dir vor, wie das Licht im Kino ausgeht und du auf der Leinwand ein Schwarz-Weiß-Foto von einer Situation vor dem Aufstieg auf das Empire State Building siehst, also eine Situation, in der du dich noch wohlfühlst – z. B. unten vor dem Gebäude … Das Schwarz-Weiß-Foto beginnt zu einem Film zu werden, und du kannst von hier oben aus dem Vorführraum in sicherer Entfernung beobachten, wie dein Ich auf der Leinwand die Situation erlebt … Lass den Film weiter laufen bis zum unangenehmsten Moment auf der Aussichtsplattform und dann noch weiter, bis du siehst, wie dein Ich wieder unten angekommen ist und sich wohlfühlt. Wenn die Gefühle zu unangenehm werden sollten, kannst du den Film einfach schneller laufen lassen oder dir dein Ressourcenwort sagen. Wenn du siehst, wie dein Ich sich wieder wohlfühlt, halte den Film bitte an und mach daraus wieder ein Schwarz-Weiß-Bild … Jetzt schlüpf in deinen Körper hinein und erlebe diese Situation erneut, durch deine eigenen Augen, also assoziiert. Und mach das Bild farbig … Jetzt lass den Film bitte in Farbe bis zum Anfang, bis zum ersten Bild rückwärtslaufen. Achte darauf, wie sich alles rückwärts bewegt und auch der Ton rückwärtsläuft. Mach das so schnell, wie es geht. Nick bitte kurz mit dem Kopf, wenn du fertig bist. … Perfekt, jetzt geh gedanklich wieder in den Moment nach der Situation. Und spul den Film noch einmal zurück. Mach das dieses Mal noch schneller. Und gib mir bitte wieder ein Kopfnicken, wenn du fertig bist.“

Diesen Prozess wiederholten wir zehn Mal. Als Anna sich danach vorstellte, auf der Aussichtsplattform zu stehen, strahlte sie über beiden Ohren. Das Coaching hatte gerade einmal 45 Minuten gedauert. Ich war berührt und begeistert von dem Ergebnis. Und das noch mehr, als ich Ende November an einem sonnigen Nachmittag eine Postkarte aus New York aus meinem Briefkasten holte. Anna hatte die Aussichtsplattform auf dem Empire State Building tatsächlich besucht und schrieb, dass ihr vor Ehrfurcht und Berührung die Tränen liefen, als sie den fantastischen Ausblick und die neu gewonnene Freiheit – ohne Angst in solcher Höhe stehen zu können – hatte genießen können. Dieser Moment rührte mich tief und bewegt mich noch heute. Das war eine der Schlüsselsituationen, warum ich Emotionscoach geworden bin.

Die „schnelle Phobietechik“ ist eine wirkungsvolle Intervention, die nachweislich funktioniert und mit der sich gezielt Ängste und nicht verarbeitete Stresserlebnisse (wie z. B. zwischenmenschliche Kränkungen) lösen lassen. Das haben mir nicht nur meine Erfahrung und die Erlebnisse anderer Coaches gezeigt, sondern ebenso wissenschaftliche Studien, die die Wirkung überprüft haben (Gray & Liotta, 2012). Mit dieser Intervention habe ich Anfang der 2000er-Jahre in Coachings sehr erfolgreich Hunderte von Ängsten und Stresserlebnissen aufgelöst. Dann lernte ich im Jahr 2001 wingwave® kennen – eine Coachingmethode, die auf dem EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) basiert und deren Hauptintervention in der Stimulation schneller Augenbewegungen besteht. Dabei folgt der Klient den Handbewegungen des Coaches. Auch mit wingwave® und EMDR erzielte ich sehr schnelle und nachhaltige Erfolge – sowohl im Coaching als auch in der Psychotherapie.

2003 lernte ich bei Fred Gallo EDxTMTM, eine Methode der energetischen Psychologie, die über das Tappen bestimmter Punkte am Körper blockierende Emotionen auflöst. Auch wenn ich anfangs skeptisch war, so funktionierte auch dies hervorragend in der Arbeit mit meinen Klienten. In den folgenden Jahren konzentrierte ich mich zwar auf die Arbeit mit wingwave® – sowohl als Coach als auch als Lehrtrainer (zwischen 2007 und 2019 führte ich 120 Ausbildungen zum wingwave®-Coach mit weit über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch), aber eine Frage blieb und beschäftigte mich: Ob ich meine Klienten darum bitte, einen inneren Film zurückzuspulen, mit ihren Augen den Bewegungen meiner Hand zu folgen oder auf bestimmte Punkte am Körper zu klopfen – wie ist es möglich, dass all dies eine nachhaltige emotionale Veränderung bewirkt? Was sind die gemeinsamen Wirkfaktoren, die diese Interventionen miteinander verbinden und deren Wirkung übergeordnet erklären?

Die Frage nach dem verbindenden Wirkelement bewegte mich sicherlich nicht zuletzt, weil ich neben vielen anderen Ausbildungen – wie zum Beispiel Hypnotherapie, Kinesiologie und EMDR – auch NLP-Lehrtrainer bin. Die verschiedenen Methoden habe ich stets in meine Arbeit integriert – als Lehrtrainer wie als Coach. Die Suche nach gemeinsamen Wirkfaktoren ist die „Seele“ der Neurolinguistischen Programmierung. War es doch genau diese Frage nach den übergeordneten Wirkfaktoren, die Anfang der 1970er-Jahre Richard Bandler und John Grinder dazu inspiriert hat, sich die großen „therapeutischen Magier“ ihrer Zeit genauer anzusehen und zu erforschen, wie genau diese ihre herausragenden Ergebnisse in der therapeutischen Arbeit mit ihren Klienten erzielten. Das Faszinierende: Obwohl die drei von Bandler und Grinder modellierten Psychotherapeuten – Virginia Satir, Fritz Perls und Milton Erickson – ganz unterschiedliche Persönlichkeiten waren und mannigfache Techniken einsetzten, so gab es dennoch verbindende Wirkelemente, die den Erfolg der Veränderungsarbeit erklärten. Diese „Seele“ des NLP – die Frage nach den übergeordneten Wirkfaktoren – ist aus meiner Sicht leider bei vielen Coaches und auch Trainern in der aktuellen Entwicklung des NLP sehr in Vergessenheit und in den Hintergrund geraten.

Die Frage nach den Wirkelementen, die unterschiedliche Methoden miteinander verbinden und deren Wirkung erklären, bewegt mich auch aus persönlichen Gründen. Ich bin in Berlin aufgewachsen, im Westteil der Stadt, in unmittelbarer Nähe zur Berliner Mauer. Mein Onkel, der Bruder meines Vaters, lebte mit seiner Familie in Ost-Berlin. Alle zwei bis drei Monate besuchten wir sie. Als Kind konnte ich nur schwer verstehen, warum wir eine Grenze passieren mussten, um unsere Familie zu besuchen. Ein Tag sollte mein Denken und Fühlen tief verändern und bis heute prägen. Noch heute erinnere ich mich an den 9. November 1989, ein Donnerstag. Damals war ich zwölf Jahre alt. Es war 23:22 Uhr – ich hatte schon geschlafen –, als ich aus dem Wohnzimmer plötzlich die Stimme meines Cousins hörte. Als ich aufstand und ins Wohnzimmer ging, traute ich meinen Augen nicht. Mein Cousin saß freudestrahlend, aber zugleich auch selbst immer noch ein bisschen fassungslos auf unserer Couch. Die Mauer war gefallen! Ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment denke. Vielleicht war es dieser Augenblick, der mein Denken in der Form prägte, dass ich seit jeher automatisch Dinge vernetze und verknüpfe und mich frage: Was ist die Verbindung zwischen den Dingen? Oder vielmehr: Wie lässt sich hier eine Brücke bauen? Und dass es mich ebenso betroffen macht, wenn ich die Gesellschaft und Weltpolitik betrachte und beobachte, wie in den Köpfen und Herzen wieder mehr und mehr Mauern statt Brücken gebaut werden.

Dies fällt mir auch in der Coachingszene immer wieder auf. Da werden Methodenstreits vom Zaun gebrochen, anstatt partnerschaftlich darüber zu diskutieren und zu erkunden, was die gemeinsamen Wirkfaktoren sind. Wir haben es verlernt, hart in der Sache zu diskutieren, aber auf zwischenmenschlicher Ebene wertschätzend zu bleiben. Wenn das in der Politik so ist, ist dies die eine Sache. Doch als ausgebildete Coaches sollten wir es eigentlich besser wissen und vor allem können. Lassen Sie uns hart in der Sache diskutieren, uns austauschen, Interventionen auf den Prüfstand stellen, genau wie den Status quo hinterfragen und die Frage nach den gemeinsamen Wirkfaktoren stellen, um unsere Arbeit genau nach diesen ausrichten – statt in Methoden und Schulen zu denken und zu arbeiten. Lassen Sie uns gleichzeitig weich zum Menschen sein und wertschätzend miteinander umgehen, auch wenn wir inhaltlich miteinander ringen. Hier braucht es dringend ein Umdenken, einen Perspektivwechsel. Denn vor allem wir Coaches dienen hier vielen Menschen als Vorbild. Damit gilt es verantwortungsvoll umzugehen. Eine solch verantwortungsvolle Haltung und ein entsprechendes integratives Handeln verstehe ich als essenziell zu unserer Profession gehörig.

Gemeinsame Wirkfaktoren – die Antwort der Wissenschaft

Auf die Frage nach den übergeordneten Wirkfaktoren erfolgreicher Veränderung hat die Wissenschaft mittlerweile spannende und aufschlussreiche Antworten gefunden. Denn neue Erkenntnisse, vor allem der Gehirnforschung, enthüllen immer klarer, warum bestimmte Interventionen im Coaching wirken – wie zum Beispiel die schnellen Augenbewegungen, die auch im EMDR Anwendung finden. Diese faszinierenden Studienergebnisse haben bereits heute die Art und Weise, wie wir Emotionscoaching verstehen und anwenden, stark verändert. Zu verstehen, warum und wie genau bestimmte Interventionen so wirkungsvoll sind, hilft Ihnen, als Emotionscoach gezielt und flexibel am Klienten orientiert neue Interventionen zu entwerfen und noch punktgenauer sowie effektiver zu arbeiten. Doch Sie werden nicht nur wirkungsvoller und nachhaltiger coachen, wenn Sie begreifen, welche neuronalen Prozesse in einem erfolgreichen Emotionscoaching ablaufen. Sie haben darüber hinaus die Basis dafür, dass sich Coaching weiterentwickeln kann und damit noch effektiver wird. Denn wie bereits der renommierte deutsche Psychotherapieforscher Klaus Grawe 2004 formulierte: Psychotherapie wirkt, wenn sie wirkt, darüber, dass sie das Gehirn verändert (Grawe, 2004, S. 18). Diese Aussage gilt ebenso für ein erfolgreiches Coaching allgemein und für ein wirksames Emotionscoaching im Besonderen. Doch wie lässt sich solch eine Veränderung möglichst leicht, effektiv und nachhaltig erreichen?

Die Forschung hat in den letzten Jahren vor allem fünf Wirkfaktoren entdeckt, die eine erfolgreiche (therapeutische) Veränderung ausmachen. Diese lernen Sie in Teil 3 dieses Buches detailliert kennen und anwenden.

Transformative Allianz: Die essenzielle Grundlage jedes Emotionscoachings ist die Qualität der Beziehung zwischen Coach und Klient. Unter transformativer Allianz, in der Forschung meist als therapeutische Allianz bezeichnet, verstehen wir ein Arbeitsbündnis mit dem Ziel, eine Veränderung zu bewirken. Die Allianz gilt in der Forschung als wichtigster übergeordneter Wirkfaktor jeglicher Veränderungsarbeit – unabhängig vom methodischen Ansatz.

Relational-motivationale Klärung: Coach und Klient entwickeln anhand eines fundierten Modells ein Verständnis dafür, wie der Klient sein Thema kognitiv und emotional repräsentiert. Es geht darum, die individuelle Problemstruktur zu verstehen, um so die passende und effektivste Intervention auszuwählen.

Aktivierung von Ressourcen: Der Coach hilft dem Klienten, vorhandene emotionale Ressourcen aufzuspüren und für den Veränderungsprozess nutzbar zu machen. Dies ist einer der zentralen Schritte im Emotionscoaching und in jeder anderen wirkungsvollen Veränderungsarbeit.

Core-Aktivierung: Das emotionale Kernthema des Klienten wird in der Coachingsitzung mit den damit einhergehenden Emotionen, Gedanken und Körperempfindungen aktiviert und damit erlebbar sowie veränderbar gemacht.

Die Emotionsregulation schließt sich organisch an die Aktivierung des emotionalen Kernthemas an. Mittels Interventionen, die an den aktuellen Erkenntnissen der Gehirn- und Emotionsforschung ausgerichtet sind, werden dysfunktionale emotionale Blockaden aufgelöst, sodass der Klient seine Emotionen wieder als Kraftquelle erfährt.

Aufbauend auf diesen fünf Wirkfaktoren und meiner Coachingerfahrung der letzten 20 Jahre habe ich 2018 den emTrace®-Emotionscoachingansatz entwickelt. Mithilfe des Akronyms TRACE können Sie sich die fünf oben genannten Wirkfaktoren leicht merken.

Ich spreche hier bewusst von einem Coachingansatz statt von einer Coachingmethode. Denn meine Vision für das Coaching im Jahr 2030 ist dieses: Es ist integrativ und methodenübergreifend. Dazu möchte ich mit emTrace einen Beitrag leisten. Ich verstehe es als integrativen Kurzzeit-Emotionscoachingansatz, der sich an vier Leitwerten orientiert. Diese bilden das Fundament des emTrace-Coachings und der konsequenten und methodenübergreifenden Weiterentwicklung des Ansatzes:

Wirksamkeit:

Wir konzentrieren uns auf die Erkenntnisse und Coachingtechniken, die

effektiv, leicht

und

nachhaltig

die gewünschte Veränderung beim Klienten erzielen.

Wissenschaftlichkeit:

Wir bauen auf die Inhalte und Modelle, deren Wirksamkeit und Stimmigkeit an wissenschaftlichen Studien ausgerichtet ist.

Integration:

Wir suchen nach den gemeinsamen Wirkfaktoren unterschiedlicher Coachingmethoden – also nach den verbindenden Elementen, welche die Wirksamkeit trotz unterschiedlicher Herangehensweisen erklären. In diesem Sinn versteht sich emTrace als integrativer Emotionscoachingansatz.

Innovation:

Neben der Wissenschaft vertrauen wir ebenso auf kreative Experimentierfreudigkeit. Praktische Coachingerfahrungen tragen dazu bei, emTrace als integrativen Ansatz konsequent weiterzuentwickeln.

Was ist integratives Emotionscoaching?

Aus Sicht des Coaches gedacht, verstehe ich unter integrativem Emotionscoaching einen Ansatz, der sich statt an Methoden und Schulen an wissenschaftlich basierten und übergeordneten Wirkfaktoren orientiert. Dessen Leitwerte klar und in der Weise ausgestaltet sind, dass die Art des Coachings offen für neue Erkenntnisse und Veränderungen ist und sich weiterentwickeln kann. Integratives Emotionscoaching ist eine Haltung, die wir als Coach leben und täglich nähren wie umsetzen. Es ist ein Ansatz, der den Status quo immer wieder infrage stellt und lebenslanges Lernen fördert wie fordert – und zwar konkret in vier Schlüsselkompetenzfeldern, die Sie gleich kennenlernen. Es ist eine Art des Coachings, die nicht im Stillstand verharrt und sich nicht mit den bisherigen Ergebnissen zufriedengibt, sondern die atmet und lebt, sich weiterentwickelt, wächst und verändert. Das bedeutet, Sie geben sich nicht mit der heutigen Ausformulierung einer Idee zufrieden, sondern konzentrieren sich auf den kreativen Entwicklungs- und Wachstumsprozess.

Im Kern geht es um vier Schlüsselkompetenzfelder, die Sie als integrativer Emotionscoach meisterhaft beherrschen, um so mit Ihren Klienten herausragende und nachhaltige Ergebnisse zu erreichen. Diese Schlüsselkompetenzfelder verstehen wir nicht als Zustände, sondern als sich weiterentwickelnde Kompetenzen, in denen Sie das Ziel haben, nach Ihren Möglichkeiten die bzw. der Beste zu sein – im Interesse Ihrer beruflichen Erfüllung, erfolgreicher wie nachhaltiger Coachings und glücklicher Klienten.

Die vier Schlüsselkompetenzfelder integrativen Emotionscoachings lauten:

Neurowissenschaften:

Sie verfügen über ein wissenschaftlich basiertes und praxisbezogenes Wissen über das menschliche

Gehirn

und die für das Emotionscoaching entscheidenden neuronalen Prozesse. Dies ist das

Warum

des integrativen Emotionscoachings. Denn eine Blockade oder Ressource sitzt nie im Ereignis, sondern stets im Nervensystem. Folglich liegt der „Knackpunkt“ im Emotionscoaching in der Veränderung der neuronalen Prozesse – wir verändern die innere Reaktion bzw. Bewertung, nicht die äußere Situation: Emotionscoaching wirkt, indem es das Gehirn verändert (in Anlehnung an Grawe, 2004).

Emotionspsychologie:

Sie navigieren mit Sicherheit durch das Kerngebiet des Emotionscoachings – die menschlichen

Emotionen

und neurobiologischen Motivfelder. Dieses Kompetenzfeld stellt das

Was

des integrativen Emotionscoachings dar. Denn Emotionen sind der Inhalt, mit dem Sie letztlich im Emotionscoaching arbeiten.

Wirksamkeitsforschung:

Sie verfügen über eine fundierte Wissens- und Handlungskompetenz in Bezug auf die fünf übergeordneten

Wirkfaktoren

erfolgreicher Veränderung. Dies ist das

Wofür

des integrativen Emotionscoachings. Egal, was wir als Emotionscoach tun, wir tun es, um die Wirkfaktoren anzusteuern und sie für die Veränderung zu nutzen.

Interventionshandwerk:

Sie kennen und beherrschen an der aktuellen Forschung ausgerichtete

Interventionen

,

um mit Ihren Klienten ein Emotionscoaching bei verschiedenen Problem- und Zielstellungen gekonnt, sicher und flexibel durchzuführen. Dieses vierte Schlüsselkompetenzfeld bildet das

Wie

des integrativen Emotionscoachings ab. Es bestimmt die konkrete Handlungsebene.

Dieses Buch ist nach den vier Schlüsselkompetenzfeldern integrativen Emotionscoachings aufgebaut. Teil 1 versorgt Sie mit fundiertem Wissen über das Gehirn und die neuronalen Prozesse, die im Emotionscoaching relevant sind. Im zweiten Teil eignen Sie sich ein fundiertes Emotionswissen sowie den Motivkompass® an, der in das Wholeception®-Modell mündet – das zentrale Konzept für die relational-motivationale Klärung im integrativen Emotionscoaching mit emTrace®. Der dritte Teil stattet Sie dann mit einer soliden Wissenskompetenz in Bezug auf die übergeordneten Wirkfaktoren aus, und im vierten Teil stärken Sie, aufbauend auf dem bis dahin gelegten Wissensfundament, gezielt Ihre theoretische Handlungskompetenz sowie Ihre Fertigkeiten und Sicherheit in der Anwendung spezifischer Interventionen des integrativen Emotionscoachings. Das heißt, im letzten Abschnitt finden Sie praxisnahe Coachingabläufe, in die das theoretische Wissen aus den ersten drei Teilen bereits vollständig integriert ist.

Ich spreche hier bewusst von theoretischer Handlungskompetenz, denn kein Buch der Welt kann ein praktisches Training ersetzen, wie z. B. eine Ausbildung zum emTrace®-Coach. Nur durch solch ein praxisorientiertes Training mit vielen Übungsanteilen können Sie eine solide professionelle Handlungskompetenz entwickeln. Dieses Buch richtet sich deshalb vor allem an (Emotions-)Coaches, die bereits eine praktische und fundierte Ausbildung absolviert haben und ihr Wissen auffrischen oder vertiefen wollen. Es richtet sich aber auch an Interessierte, die verstehen wollen, wie emotionale Veränderung wirklich gelingt.

Die Definition integrativen Emotionscoachings aus Sicht des Coaches ist nur eine der drei Perspektiven, die wir hier betrachten wollen. Schauen wir uns die zweite an: Aus Sicht des Klienten gedacht, bedeutet integratives Emotionscoaching, dass es gelingt, die im Coaching erzielte Veränderung in das alltägliche Erleben und Verhalten zu integrieren. Als integrativer Emotionscoach beschäftigen wir uns also auch mit der Frage: Wie können wir die Integration, den Transfer der Veränderung in den Alltag, wirksam unterstützen? Hierfür nutzen wir bei emTrace® den Ansatz des Emotional Resourcing: Der Klient bekommt nach dem Coaching individuelle Mikro-transferübungen an die Hand, die a) die Eigenverantwortung und Selbsthilfekompetenz fördern und b) die Transferwirksamkeit erhöhen. In diesem Zusammenhang spielen aber auch andere Formen des komplementären Emotionscoachings eine wichtige Rolle (komplementär im Sinne von ergänzend, weil sie unsere Emotionen auf einer generativen Ebene beeinflussen), wie z. B. eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsergänzungen, Meditation, Sport und Körperübungen (wie z. B. Yoga) oder auch Mesource® als konkretes Mikrotrainingskonzept und Ressourcencoaching, um einen gesunden und kraftspendenden Umgang mit den eigenen Emotionen zu kultivieren.

Definieren wir – drittens – integratives Emotionscoaching aus Systemsicht, so bedeutet dies: Wir kreieren und leben – vor allem, aber nicht nur in der Coachingcommunity – eine konstruktive Kommunikations- und Streitkultur, in der wir hart um die Sache ringen können, aber zwischenmenschlich stets wertschätzend miteinander umgehen. Wir tauschen uns interdisziplinär sowie methodenübergreifend aus und gestalten damit auch unsere Kommunikation integrativ. Sich mit Kolleginnen und Kollegen offen und wertschätzend auszutauschen ist der fruchtbare Nährboden der Weiterentwicklung. Sich selbst zu reflektieren, das eigene Vorgehen stetig auf den Prüfstand zu stellen und immer mal wieder über den eigenen Tellerrand zu blicken. Dabei offen zu sein für neue Ideen und andere Blickwinkel – auch und gerade, wenn sie den eigenen widersprechen. Wir dürfen uns niemals in die eigene „Methode“ verlieben, in die Art, wie wir es bisher eben gemacht haben, und so die Methode mit der Wahrheit verwechseln. Das bedeutet Stillstand und Abschottung, das Gegenteil von Integration. Wahrheit ist ein Prozess, kein Zustand. Unsere Wahrheit von morgen kann eine andere sein als die von heute. Umso fataler, wenn wir gerade als Coach in die Falle der Liebe zum Status quo tappen. Im Coaching geht es doch vor allem um Entwicklung und Wachstum – darum, die eigene Wahrheit zu definieren, aber auch offen zu sein für eine neue Sicht auf die Dinge. Nur wenn wir dies als Haltung leben, können wir unseren Klienten einen wahren Mehrwert bieten – das meist unbewusste Lernen am Vorbild, das „zwischen den Zeilen“ stattfindet.

Dies ist leichter gesagt als getan. Gewohnheiten entwickeln sich so schnell wie die Vorliebe für bestimmte Wege. Als Coach dürfen wir genau hier unsere professionelle Reflektionsfähigkeit und Emotionskompetenz nutzen, um immer wieder auf die Metaebene zu wechseln und unser Coaching konsequent neu zu denken und neu zu erfinden. Im Zen nennt man das den Anfängergeist: Betrachten Sie (Ihr) Coaching so, als würden Sie es zum ersten Mal wahrnehmen. Eine Kunst, die wir als Kinder noch meisterhaft beherrscht haben. Sie werden wahrlich überrascht sein, wie offen und auf welch neue Art und Weise Sie andere Sichtweisen mit dem Geist des Anfängers betrachten können („Wenn ich für einen Moment vergesse, was ich zu wissen denke, wie nehme ich diese Idee dann wahr?“). Eine meiner Lieblingsfragen in diesem Sinne, die ich mir mindestens jedes Jahr ein Mal am 01. Januar stelle, lautet: Wenn ich jetzt noch einmal bei null beginnen würde, würde ich das dann wieder so machen, wie ich es derzeit mache? Wenn die Antwort Nein lautet, überdenke ich den Status quo und ändere ihn gegebenenfalls – manchmal radikal, manchmal auch nur partiell. Bei allem Willen zur Veränderung und zum Fortschritt geht es auch stets darum, das Vergangene mit Dankbarkeit zu schätzen und sich zu überlegen, was wir davon mit in die Zukunft nehmen wollen. Gesunder Fortschritt wertschätzt das Alte und schlägt gleichzeitig die Brücke in die Zukunft.

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine neue Homepage in Auftrag geben. Die meisten beginnen direkt damit, die bestehende Internetseite zu überarbeiten. Mein Tipp lautet, dass Sie sich die folgende Frage stellen: Wie würde ich die Homepage aufbauen, wenn ich noch keine hätte? Denken Sie im ersten Schritt Ihre Homepage komplett neu – im Sinne des Anfängergeists. Auf einem weißen Blatt Papier. Das befreit Ihr Denken und setzt eine gewaltige kreative Kraft frei. Erst im zweiten Schritt überlegen Sie sich, was Sie von der alten Internetseite gegebenenfalls übernehmen wollen. Auch hier hilft es, wenn Sie Ihre alte Homepage mit dem Geist eines Anfängers betrachten: Wie nehmen Sie die Seite wahr, wenn Sie sich vorstellen, Sie würden sie zum ersten Mal sehen? Diese Art des „Von-null-Denkens“ als Einstieg in den kreativen Lösungsprozess führt sehr häufig zu spannenden Einsichten und manchmal zu überraschend klaren Antworten.

Erst kürzlich hatte ich einen Klienten im Coaching, der sich unsicher war, ob er sich selbstständig machen sollte. Ich fragte ihn: „Wenn Sie beruflich noch einmal neu starten würden, was würden Sie dann tun?“ Ich hatte die Frage nicht mal zu Ende formuliert, da schoss bereits die Antwort aus ihm heraus: „Ich würde mich selbstständig machen.“ Häufig kennen wir unsere innere Wahrheit bereits, wir trauen uns nur nicht, sie auszusprechen, geschweige denn, sie umzusetzen. Genau dies ist dann Thema im Emotionscoaching. Stets in Abwägung mit den Fakten oder den gegebenen Umweltbedingungen. So war es in diesem konkreten Coachingfall zum Beispiel wichtig, einen soliden Businessplan zu erstellen, um das finanzielle Risiko abschätzen zu können. Gleichzeitig macht es Sinn, sich zu fragen, welche emotionalen Werte Sie vielleicht vermissen würden und wie Sie diese bewahren können?

Hier schließt sich der Kreis in unserer Definition integrativen Emotionscoachings. Sind uns unsere (Leit-)Werte bewusst, können wir unser Handeln und Denken an diesen ausrichten. Dies verhindert, dass wir die Ebene der Werte mit der Verhaltensebene verwechseln. Als integrative Emotionscoaches sind wir zwar in unsere Werte verliebt, nicht aber in unser Verhalten. Und eben diese Werte-Bewusstheit und das bewusste Kommunizieren unserer Leitwerte erleichtern das Entstehen einer konstruktiven Kommunikations- und Streitkultur.

Emotionscoaching versus Psychotherapie

Ein weiterer Punkt, der mir noch am Herzen liegt, ist die Abgrenzung zwischen Emotionscoaching und Psychotherapie. Hier ist zum einen der rechtliche Aspekt zu beachten und zum anderen die Facette des verantwortlichen Umgangs mit den Menschen, die Ihnen als Emotionscoach vertrauen.

Betrachten wir zunächst die rechtliche Seite (bitte beachten Sie, dass es sich bei den nachfolgenden Ausführungen nicht um eine Rechtsberatung handelt): Ohne eine Zulassung als psychologischer Psychotherapeut oder Heilpraktiker (für Psychotherapie) ist es verboten, die Diagnose und Behandlung psychischer Störungen durchzuführen. Laut § 1 (2) Psychotherapeutengesetz ist die Ausübung von Psychotherapie jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Ganz so simpel, wie es klingt, ist die Unterscheidung dennoch nicht. Die Ausgangspunkte für Emotionscoaching und Psychotherapie lassen sich als zwei gegensätzliche Pole einer Beratungsleistung beschreiben. In ihren Einflussbereichen wachsen sie quasi aufeinander zu, begegnen sich in der Mitte und überschneiden sich dort. Da im Emotionscoaching typischerweise psychologische Themenfelder, z. B. „Auftrittsangst“ oder der Umgang mit einer zwischenmenschlichen Kränkung, bearbeitet werden, ist der Übergang zur Psychotherapie noch weicher als bei einem „reinen“ Business-Coaching. Was eine Unterscheidung zusätzlich erschwert: Im Coaching werden viele Methoden aus psychotherapeutischen Verfahren eingesetzt. Die Unterscheidung liegt also weniger in den genutzten Techniken, sondern vielmehr auf der inhaltlichen Ebene der Themen, die bearbeitet werden.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich ein Emotionscoaching auf den Entwicklungsaspekt konzentriert. Das heißt, der Klient ist grundsätzlich gesund und emotional stabil; er möchte an der Entwicklung seiner Persönlichkeit arbeiten. Dies betrifft häufig die Verbesserung des Wohlbefindens oder der Leistung – z. B. möchte die Person eine emotionale Blockade im Kontext von öffentlichen Auftritten lösen, um so selbstbewusster zu wirken. Eine Psychotherapie fokussiert hingegen auf den Heilungsaspekt. Hier steht ein Symptom mit Krankheitswert im Mittelpunkt, z. B. eine soziale Phobie. Der Patient kommt in die Therapie, um dieses Problem loszuwerden. Während Coaching eher zielorientiert ist, zielt die klassische Psychotherapie also auf die Beseitigung von Problemen ab. Bereits hier merken Sie wahrscheinlich, dass eine saubere Abgrenzung nicht so leicht ist. Denn einer der häufigsten Gründe, warum ein Coach aufgesucht wird, ist der, dass die Klientin oder der Klient in einer Sackgasse feststeckt, zu Beginn des Coachings also ein Problem formuliert. Entscheidend für eine genauere Abgrenzung sind hier zwei Fragen:

Ist das Problem, das der Klient beschreibt, im ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) verzeichnet (z. B. Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen)?

Wie stark ist der Leidensdruck: Ist das normale Funktionieren im Alltag stark eingeschränkt oder sogar nicht mehr möglich?

Können Sie eine der Fragen mit Ja beantworten, ist tendenziell eher eine Psychotherapie als ein Coaching angezeigt. Im Zweifel sollten Sie, insofern Sie nicht über eine Heilerlaubnis verfügen, die Finger von Grenzfällen lassen, die im Übergangsbereich zwischen Coaching und Psychotherapie liegen. Aber selbst wenn es sich aus Ihrer Sicht um einen klaren Coachingfall handelt, sollten Sie ohne Heilerlaubnis auf Nummer sicher gehen und sich vom Klienten eine Erklärung unterschreiben lassen: Der Hinweis ist erfolgt, dass das Coaching eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung nicht ersetzen kann und auch nicht ersetzen möchte.

Einen Klienten im Zweifel eher abzulehnen berührt nicht nur den rechtlichen Aspekt, sondern auch die Verantwortung, die wir als Coaches haben: Sind Sie bei einem Klienten unsicher, ob Sie dem Thema gewachsen sind, dann lehnen Sie das Coaching eher ab und verweisen Sie die Person an einen kompetenten Kollegen. Denken Sie bitte stets daran, dass der Klient Ihnen und Ihrer Kompetenz vertraut. Mit diesem Vertrauen sollten wir stets verantwortungsbewusst umgehen.

Abschließend finden Sie vier Tipps, um sich als Emotionscoach von einer erlaubnispflichtigen Heilbehandlung abzugrenzen:

Vermeiden Sie alles, was den Eindruck erweckt, dass Sie heilend tätig sind und in irgendeiner Form eine ärztliche Untersuchung oder Behandlung ersetzen.

Bezeichnen Sie Ihre Kunden nicht als Patienten, sondern als Klienten.

Klären Sie Ihre Klienten ausdrücklich (am besten schriftlich) darüber auf und lassen Sie sich eine entsprechende Klientenvereinbarung unterschreiben.

Sprechen Sie nicht von „Behandlung“, sondern konsequent von Coaching.

Zusammenfassende Definition von integrativem Emotionscoaching mit emTrace®:

Integratives Emotionscoaching …

orientiert sich als Haltung an übergeordneten Wirkfaktoren und Leitwerten sowie an der konsequenten Weiterentwicklung der vier Schlüsselkompetenzfelder;unterstützt den Klienten, die im Coaching erzielte Veränderung in das alltägliche Erleben und Verhalten zu integrieren (z. B. durch komplementäre Ansätze);betont eine konstruktive Kommunikations- und Streitkultur sowie den interdisziplinären und methodenübergreifenden Austausch (der Coachingcommunity);fokussiert den Entwicklungsaspekt beim Klienten (in Abgrenzung zum Heilungsaspekt).

Vom Mut und von der Bereitschaft zu lebenslangem Lernen

Trotz fortschreitender Erkenntnisse der Wirksamkeitsforschung und der zunehmenden Bekanntheit der übergeordneten Wirkfaktoren erfolgreicher Veränderungsarbeit erlebe ich auf dem heutigen Coachingmarkt noch sehr häufig eine starke Begrenzung und Fixierung auf bestimmte Verfahren – statt auf Wirkfaktoren und Leitwerte. Der emeritierte Stanford-Professor David D. Burns beobachtet das Gleiche im Bereich der psychotherapeutischen Verfahren: „Ich bin absolut für Werkzeuge (Tools) anstatt Schulen (Schools) der Psychotherapie. In meinen Augen wetteifern die Therapieschulen untereinander wie Religionen.“ Gleiches gilt für den Coachingmarkt. Doch ist es dem Klienten nicht letztlich egal, mit welcher Methode er sein Ziel erreicht? Erst kürzlich rief ein Coachinginteressent bei uns in der Akademie an und fragte nach einer Hypnosesitzung. Da wir keine reinen Hypnosesitzungen anbieten, fragten wir nach, wie er denn auf uns gekommen sei. „Auf Empfehlung“, antwortete er. Seine Bekannte sei immer sehr aufgeregt gewesen, wenn sie fliegen musste, und seitdem sie bei uns im Coaching war, fühlt sie sich sicher und entspannt. Sie habe ihm erzählt, dass sie im Coaching auf einen Punkt geschaut hat und dass sich dadurch die Angst gelöst hätte. „Das ist doch Hypnose, oder?“, fragte er. „Nein, das ist emTrace.“ „Ach so, dann hätte ich gerne genau das.“ Kein Klient interessiert sich für eine Methode. Klienten kommen ins Coaching, weil sie sich eine kompetente und fundierte Begleitung wünschen, von Mensch zu Mensch.

Als (Emotions-)Coach den integrativen Weg zu gehen bedeutet vor allem Mut und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Anna Freud (1895–1982) schrieb einem ihrer Studenten: „Als wirklich guter Therapeut müssen Sie eine große Liebe zur Wahrheit haben, sowohl zur wissenschaftlichen Wahrheit als auch zur persönlichen Wahrheit. Und Sie müssen diese Anerkennung der Wahrheit höherstellen als jedes Unbehagen bei der Begegnung unangenehmer Fakten, ob sie nun zur Außenwelt oder zu Ihrer eigenen inneren Person gehören.“ Hier gilt es, dass eigene Ego als Coach und eine eventuelle Methodenverliebtheit zurückzustellen. Als integrativer Emotionscoach kultivieren wir eine Haltung von Offenheit für neue Forschungsergebnisse und Erkenntnisse, von Mut zur Wahrheit, kreativer Experimentierfreudigkeit und eigener Persönlichkeitsentwicklung. Dies ist der Schlüssel zu einer fundierten und kreativen Weiterentwicklung unserer Coachingkompetenz – zum Wohle unserer Klienten und zur Wirksamkeit des Coachings. Denn je besser das Emotionscoaching auf den Klienten, seine Bedürfnisse und konkreten Ziele ausgerichtet ist, desto wirksamer ist es. Möchten Sie sich als Mensch und in Ihrer Kompetenz als Coach entwickeln und im Sinne Ihrer Klienten coachen, hören Sie auf Ihr Herz und halten Sie sich am besten fern von dogmatischen Sichtweisen, die sagen, nur das eine würde funktionieren. Die Zukunft des Emotionscoachings ist integrativ und an übergeordneten Wirkfaktoren ausgerichtet.

Und genau dazu möchte ich Sie einladen: Lassen Sie uns das Coaching 2030 integrativ und methodenübergreifend denken. Bauen wir Brücken. Lassen Sie uns beginnen, Emotionscoaching nicht an Methoden und Schulen, sondern an übergeordneten Wirkfaktoren auszurichten. Beginnen Sie noch heute damit, die fünf übergeordneten Wirkfaktoren erfolgreicher Veränderung zu nutzen, um Ihre Coachingkompetenz kontinuierlich zu reflektieren und zu verbessern. Dieses Buch legt dafür einen wichtigen Grundstein.

Ich wünsche Ihnen bei der Entwicklung Ihrer integrativen Coachingkompetenz von Herzen einen inspirierenden und berührenden Lernprozess. Die fünf übergeordneten Wirkfaktoren sind auf diesem Weg sehr nützliche Begleiter, die Ihnen die Orientierung enorm erleichtern.

TEIL 1 – Schlüsselkompetenzfeld 1: Das Gehirn verstehen

Die Gehirnforschung ist das Warum des integrativen Emotionscoachings. Nach der Lektüre dieses Abschnitts verfügen Sie über ein wissenschaftlich basiertes und praxisbezogenes Wissen über das menschliche Gehirn und die für das Emotionscoaching entscheidenden neuronalen Prozesse.

Einer der Grundsätze im emTrace-Coaching lautet: Eine Blockade oder Ressource sitzt nie im Ereignis, sondern stets im Nervensystem. Das bedeutet: Weder die Vergangenheit noch die Zukunft sind real existent, sie existieren nur auf der Ebene des Nervensystems. Lediglich der jetzige Moment ist wirklich real und direkt sinnesspezifisch erfahrbar. Dennoch sind wir Menschen in der Lage, die Vergangenheit und ebenso die Zukunft „ins Jetzt zu holen“ und damit erfahrbar zu machen. Wir grübeln z. B. über vergangene Situationen oder machen uns Sorgen über die Zukunft. In solchen Momenten springen spezifische neuronale Netzwerke in unserem Gehirn an.

Vergangenheit und Zukunft sind letztlich nur Biochemie in unserem Kopf – aber mit realer Wirkung auf unseren Organismus: Auch bei einer nur mental vorgestellten Handlung werden nahezu die gleichen Hirnareale aktiviert, als wenn wir die Situation real erleben würden (Guillot et al., 2009). Die Wirkung gibt es auch auf emotionaler Ebene: Eine große Meta-Analyse mit 6.813 Probanden konnte zeigen, dass eine positive mentale Vorstellung über unsere Zukunft angenehme Emotionen fördert, während eine negative Vorstellung typischerweise Gefühle von Angst verstärkt (Schubert, Eloo, Scharfen, & Morina, 2020). In dieser Erkenntnis liegen Chance und Risiko zugleich. Im positiven Sinn bedeutet dies, wir können jederzeit auf unsere emotionalen Ressourcen zugreifen. Wir können uns an vergangene Momente des Stolzes, der Entspannung, Dankbarkeit oder Ehrfurcht erinnern und diese neuronal mit den dazugehörigen positiven Körperempfindungen (re)aktivieren. Andererseits kann uns dieses Phänomen aber auch das Leben schwermachen, indem wir wiederholt hinter uns liegende Niederlagen „wiederkäuen“ – sie immer wieder durchdenken, nacherleben und den damit verbundenen Stress spüren, obwohl das Ereignis selbst nicht mehr präsent ist. Solche Gedanken, Bilder und Gefühle lassen sich nicht einfach willentlich abstellen. Erwartet oder fordert man dies von einem Menschen, verschlimmert es die Lage, weil die Person zusätzlich das Gefühl entwickelt, dass sie falsch ist, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmt.

Besonders dramatisch zeigt sich dies bei Menschen, die traumatische Situationen erlebt haben, wie z. B. Naturkatastrophen, Kriegserlebnisse oder schwere Unfälle. Die Bilder dieser Ereignisse drängen sich in Form sogenannter Intrusionen immer wieder auf. Die Betroffenen fühlen sich nicht in der Lage, dies zu kontrollieren oder zu stoppen. Eine Intrusion ist zunächst nichts anderes als der an sich gesunde Versuch des Gehirns, das Vergangene zu verarbeiten. Die überwältigende Erfahrung wurde in der traumatischen Situation zunächst emotional wie neuronal separiert, also abgespalten. Sie wurde sozusagen auf Wiedervorlage gelegt, um uns dann, wie bei einer digitalen To-do-Liste, immer wieder zu erinnern: „Hey, hier war noch was, das du erledigen musst.“ Nur gelingt das nicht so ohne Weiteres, weil die emotionale Ladung schlichtweg zu groß ist.

Es muss nicht immer ein großes Trauma sein. Viel häufiger machen uns die kleinen „Nadelstiche“ des sozialen Alltags zu schaffen, die auf die gleiche Weise im Nervensystem „stecken bleiben“ können – eine beiläufige, herabsetzende Äußerung des Chefs oder zum Beispiel eine „Überdosis“ an Kunden-Neins. Alles, was wir erleben, hinterlässt „Spuren“ in unserem Gehirn – und zwar in Form neuronaler Verbindungen. Der deutsch-kroatische Neurowissenschaftler und Psychologe Damir del Monte formuliert es so: „Die Architektur unserer neuronalen Verbindungen spiegelt unser gelebtes Leben wider. Es ist Erfahrung, die zur Form und Struktur geworden ist.“ Dies meine ich, wenn ich sage: Eine Blockade oder Ressource sitzt nie im Ereignis, sondern stets im Nervensystem. Folglich liegt der „Knackpunkt“ im Emotionscoaching in der Veränderung der neuronalen Strukturen und Prozesse – wir verändern die innere Reaktion bzw. Bewertung, nicht die äußere Situation. Oder in Anlehnung daran wie der bekannte Psychotherapieforscher Klaus Grawe es einmal formuliert hat: Emotionscoaching wirkt, indem es das Gehirn verändert (Grawe, 2004).

Angesichts der rasanten Entwicklung der Gehirnforschung ist vor allem der letzte Punkt entscheidend. Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten wahnsinnige Fortschritte gemacht. Immer ausgereiftere bildgebende Verfahren ermöglichen es beispielsweise, dem Gehirn „beim Denken zuzusehen“. Wenn Sie als Coach die neuronalen Prozesse begreifen, die in einem erfolgreichen Emotionscoaching ablaufen, dann können Sie effektiver, nachhaltiger und flexibler zu arbeiten. Mithilfe der in diesem Buchteil enthaltenen für das Emotionscoaching wichtigsten Erkenntnisse der Neurowissenschaften verstehen Sie emotionale Veränderungsprozesse auch auf neuronaler Ebene. Diese Erkenntnisse werden wir in den darauffolgenden Abschnitten direkt aufgreifen und in wirkungsvolle Coachinginterventionen übersetzen. Denn die Qualität theoretischen Wissens darf nicht nur an seiner wissenschaftlichen Fundierung gemessen werden, sondern zwingend auch an seiner praktischen und erfolgreichen Anwendung in der Coachingpraxis.

1.1 Neurobiologische Grundlagen von Lern- und Veränderungsprozessen

Emotionscoaching wirkt, indem es das Gehirn verändert. Dieses zentrale Grundprinzip berücksichtigen wir im Emotionscoaching mit emTrace. Abgeleitet aus der Wirksamkeitsforschung lautet die zentrale Annahme: Ein Emotionscoaching, das die übergeordneten Wirkfaktoren erfolgreicher emotionaler Veränderung nutzt (vgl. Schlüsselkompetenzfeld 3), ermöglicht solch eine Veränderung des Gehirns.

Doch was heißt konkret, „das Gehirn verändern“? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir im Folgenden einen Blick auf die neurobiologischen Grundlagen von Lern- und Veränderungsprozessen. Wenn Sie verstehen, wie Lernen funktioniert, warum und wie wir uns Dinge nachhaltig einprägen, bekommen Sie auch ein Verständnis dafür, wie Sie die Ergebnisse eines Emotionscoachings nachhaltig gestalten können. So werden Sie im wahrsten Sinne des Wortes für Ihre Klienten zum Gehirnarchitekten – zu einem kompetenten Gestalter neuronaler Lernprozesse und Netzwerke.

Die Metapher des Gehirnarchitekten ist die erste übergeordnete Schlüsselkompetenzrolle, die erste Facette des Identitätsverständnisses, die es als integrativer Emotionscoach zu meistern gilt. In den drei nachfolgenden Buchteilen werden Sie jeweils eine weitere Schlüsselkompetenzrolle in Form einer Metapher kennenlernen. Damit sich diese Schlüsselkompetenzrollen auch bildlich einprägen, begleitet Sie emTrace-Coach Emil durch das Buch. In der Abbildung sehen Sie ihn in seiner ersten Rolle als Gehirnarchitekt. Der Name Emil hat seinen Ursprung übrigens im lateinischen Wort aemulus, was übersetzt so viel bedeutet wie: eifrig bemüht sein, es jemandem, den man als Vorbild hat, gleichzutun. Auch wenn es nicht darum geht, dass Sie anderen blind nacheifern, so ist es dennoch förderlich, auf dem eigenen Entwicklungsweg Vorbilder zu haben – in diesem Kapitel dienen uns die Experten der Neurowissenschaften sowie das menschliche Gehirn als Lehrmeister. Denken Sie aber stets daran, dass nicht andere zu übertrumpfen das Ziel der eigenen Entwicklung ist, sondern dass es für Sie als Coach darum geht, die / der beste zu sein, die / der Sie persönlich sein können.

Das Gefühl zu wachsen und damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, ist das Fundament für das Empfinden, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Um Ihnen auf diesem Weg der Selbstverwirklichung und Entfaltung Ihrer Coachingkompetenz eine Orientierung zu geben, habe ich die vier Schlüsselkompetenzfelder definiert. Etablieren Sie einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in jedem dieser Felder. Kultivieren Sie für sich, dass Sie sich täglich oder zumindest konsequent wie regelmäßig mit Spaß, Neugierde und Leidenschaft in jedem der Schlüsselkompetenzfelder entwickeln und verbessern. Machen Sie es sich z. B. zur Gewohnheit, jeden Tag zehn Minuten in einem Fachbuch zu lesen, ein Hörbuch zu hören oder mit einer Kollegin zu fachsimpeln oder über (neue) Konzepte zu philosophieren.

Nicht nur für die Schlüsselkompetenzrollen sind Metaphern eine sehr wirkungsvolle Art des Lernens, Sie können sie ebenso als Katalysator für Veränderungsprozesse im Emotionscoaching nutzen. Metaphern formen auf meist unbewusster Ebene unser Denken und Handeln. „Wir müssen die Kuh vom Eis kriegen“, „Lass uns Nägel mit Köpfen machen“ oder „Sie hat ihm das Herz gebrochen“ – das sind nur drei Beispiele für Metaphern, die wir meist beiläufig im Alltag verwenden. Den wenigsten Menschen ist jedoch bewusst, welch starken Einfluss Metaphern auf unsere Einstellung haben: Sie helfen uns, die Inhalte einer Aussage kognitiv zu strukturieren und zu organisieren. Ein Argument wird so dichter, klarer, lebendiger und emotional bedeutsamer (Sopory & Dillard, 2002). Dazu ein Beispiel: Verstehen wir Kriminalität als Monster, denken wir eher daran, dass sie bekämpft („vernichtet“) werden muss, zum Beispiel durch mehr Polizei oder härtere Gesetze. Betrachten wir sie hingegen als Virus („Kriminalitätsepidemie“), tendieren wir eher dazu, Kriminalität heilen zu wollen, beispielsweise durch soziale Reformen (Thibodeau & Boroditsky, 2011). Je nachdem, welche Metapher also unser Denken beeinflusst, fallen uns andere Lösungsansätze für ein Problem ein. Metaphern formen auf sehr grundlegende Weise unsere Gedanken und Haltungen. Die vier Metaphern der Schlüsselkompetenzrollen des integrativen Emotionscoachings, die Sie im Buch kennenlernen werden, helfen Ihnen somit, das gelernte Wissen auf einer tieferen Ebene zu integrieren.

 TRANSFERÜBUNG

Denken Sie kurz über die Metapher des Gehirnarchitekten nach, als eine Ihrer Schlüsselkompetenzrollen als integrativer Emotionscoach. Tauschen Sie sich, wenn möglich, mit einer anderen Person über die folgenden Fragen aus.

Welche innere Haltung verbinden Sie mit dieser Rollenmetapher?Welche neuen Aspekte in Ihrer Aufgabe als Coach entdecken Sie dadurch?Wie verändert oder erweitert dies die Art, wie Sie Ihre Klienten wahrnehmen?Inwiefern spiegelt sich diese Rolle bereits in Ihrer bisherigen Arbeit wider?

emTrace-Coachingtipp: Achten Sie auf die Metaphern, die Sie selbst und Ihre Klienten nutzen. Überprüfen Sie, ob diese eine positive oder negative Wirkung haben, und ersetzen Sie die Metapher gegebenenfalls durch ein konstruktives Bild (aus: „Das bringt mich noch ins Grab“ wird: „Daran kann ich wachsen“).

Schützen Sie sich unbedingt vor destruktiven Sprachbildern, die Sie sich selbst suggerieren oder die andere Ihnen einreden wollen. Praktizieren Sie aktive Sprachhygiene. Seien Sie gleichermaßen achtsam für die sprachlichen Metaphern, die Sie Ihren Klienten mit auf den Weg geben. Und: Überlegen Sie sich ggf. vor dem Coaching eine für das Problem des Klienten maßgeschneiderte Metapher, die eine emotionale Veränderung einleitet. Unterstreichen Sie diese nach Möglichkeit durch eine wirkungsstarke Geste oder machen Sie die Metapher auf andere Weise sinnlich erfahrbar. Eine einzelne Metapher, die am Anfang einer Botschaft steht, ist dabei am kraftvollsten (Sopory & Dillard, 2002).

Ein Beispiel: Die folgende Impact-Technik können Sie nutzen, wenn Ihr Klient über ein negatives Selbstwertgefühl verfügt (vgl. Beaulieu, 2008, S. 51 f.). Sie benötigen für dafür lediglich einen 50-Euro-Schein. Beginnen Sie damit, dass Sie Ihrem Klienten den Geldschein zeigen, und sagen Sie: „Lassen Sie uns ein kleines Gedankenexperiment machen. Wie viel ist dieser Schein wert?“ Dann zerknittern Sie den 50-Euro-Schein, werfen ihn auf den Boden und trampeln darauf herum. Heben Sie den Geldschein wieder auf und fragen Sie: „Wie viel ist der Schein jetzt wert? – Egal, was dem Schein passiert ist, wenn ich damit in den Supermarkt gehe und bezahle, ist er immer noch 50 Euro wert. Genauso ist es auch mit Ihrem Wert als Mensch. Vollkommen egal, was Ihnen im Leben passiert ist, was andere Ihnen einreden wollen und wie sie Sie behandeln, Sie bleiben immer wertvoll.“ Diese Technik erscheint simpel, ist aber sehr kraftvoll. Ich habe sie schon in vielen Coachings sehr wirkungsvoll eingesetzt. Die dadurch entstehenden Ressourcen können Sie direkt für den Veränderungsprozess nutzbar machen. Dazu mehr in Teil 4.

1.1.1 Die Nervenzelle als Mikroakteur in Lern- und Veränderungsprozessen

Ein wichtiger Grundsatz der Gehirnforschung, den wir mit emTrace im Emotionscoaching berücksichtigen, lautet: Egal was wir fühlen, denken oder tun, alles ist auf die Erregung von Nervenzellen in unserem Gehirn zurückzuführen. Aber: So, wie das bewegende Hörerlebnis eines Musikstücks mehr ist als lediglich die Summe der einzelnen Noten, so ist das Ergebnis der neuronalen Erregungsmuster in unserem Gehirn mehr als die summierte Aktivität der einzelnen Nervenzellen. Und dennoch: Was wir erleben oder tun, geht einzig darauf zurück, dass bestimmte Neuronen gemeinsam mit anderen Neuronen feuern. Dabei arbeiten die Nervenzellen in neuronalen Schaltkreisen zusammen – vermittelt durch eine Erregungsübertragung zwischen den Synapsen einzelner Neuronen.

Wenn wir eine Veränderung im emotionalen Erleben oder Verhalten unserer Klienten bewirken, dann geschieht dies letztlich durch eine veränderte Erregungsübertragung an den Synapsen (Grawe, 2004, S. 46). Bevor wir uns diese Zusammenarbeit unserer Nervenzellen in Lern- und Veränderungsprozessen genauer anschauen, werfen wir einen Blick auf den Aufbau und die Funktionsweise der einzelnen Nervenzelle. Das hilft Ihnen, sich die Zusammenarbeit der Neuronen in organisierten Nervenzellnetzwerken besser vorzustellen.

Abbildung 1.1: Aufbau der Nervenzelle

In der Abbildung sehen Sie ein einzelnes Neuron – den Mikroakteur in Lern- und Veränderungsprozessen. Als Nervenzelle ist es darauf spezialisiert, Informationen zu empfangen, zu verarbeiten und / oder an andere Zellen innerhalb des Körpers weiterzuleiten (Zimbardo & Gerrig, 2015, S. 77). Neuronen können sich in ihrer Form, Größe und Funktion unterscheiden, ihre Grundstruktur ist aber stets die gleiche: Der Zellkörper enthält den Zellkern und das Zytoplasma, das die Nervenzelle am Leben erhält. Über das Axon leitet der Zellkörper eingehende Informationen weiter. Im Rückenmark kann das Axon sogar eine Länge von bis zu einem Meter erreichen, im Gehirn hingegen wird es weniger als einen Millimeter lang. Einige Arten von Nervenzellen haben eine zusätzliche Myelinscheide, die das Axon isoliert und so die Übertragungsgeschwindigkeit der Signale enorm steigert. Am Ende des Axons befinden sich die Endknöpfchen, über welche das Neuron angrenzende Drüsen, Muskeln oder andere Neuronen stimulieren kann. Die Kommunikation zwischen den Nervenzellen läuft typischerweise wie folgt ab: An einem Ende der Nervenzelle – an den Dendriten – kommt ein Signal an, das im Neuron über das Axon weitergeleitet wird. Am Ende des Axons wird der „Staffelstab“ dann an das nächste Neuron übergeben. Dies erfolgt über die Endknöpfchen (Präsynapsen). Diese bilden gemeinsam mit den Postsynapsen (den Dendriten) der nachgeschalteten Zellen den sogenannten synaptischen Spalt – einen schmalen Zwischenraum, in dem durch Ausstoß und Andocken von Botenstoffen die Erregungsübertragung (also die Kommunikation) zwischen den Nervenzellen stattfindet.

1.1.2 Wenn Neuronen zusammenarbeiten: Wie Nervenzellnetzwerke entstehen

Nach aktuellen Schätzungen gibt es im menschlichen Gehirn 86 Milliarden Nervenzellen (16 Milliarden davon entfallen auf den Cortex), die wiederum Verknüpfungen mit anderen Nervenzellen eingehen – jeweils bis zu 10.000. Dies ergibt eine unvorstellbare Anzahl an synaptischen Verbindungen: Forscher gehen davon aus, dass sich in der Hirnmasse von der Größe eine Streichholzkopfs schätzungsweise eine Milliarde (!) Synapsen befinden (Grawe, 2004, S. 45).

Nun stellt sich die Frage, wie es zu diesen Verknüpfungen kommt. Letztlich entstehen sie durch Lernprozesse, die bereits in der pränatalen Phase, also in der Gebärmutter beginnen. Spannend ist: Bereits bei der Geburt verfügen wir über die rund 86 Milliarden Neuronen. Dennoch hat das Gehirn eines Neugeborenen nur etwa ein Viertel des Gewichts des Gehirns eines Erwachsenen. Das in der Entwicklung zunehmende Gehirngewicht ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der synaptischen Verknüpfungen enorm zunimmt. Ebenso nimmt die Dicke einiger Nervenfasern durch den Aufbau von Myelinscheiden zu. Die Gehirnentwicklung ist dabei lebenslang durch zwei Prinzipien gekennzeichnet: Neuroplastizität und Neurogenese.

Unter Neuroplastizität ist zu verstehen, dass unser Gehirn sich ein Leben lang verändert und neue synaptische Verbindungen aufbaut. Lernen wir etwas Neues, wie zum Beispiel eine Fremdsprache oder Jonglieren, entstehen neue synaptische Verbindungen (Draganski et al., 2004). Bei Londoner Taxifahrern, die für ihre Prüfung das komplexe Straßennetz der britischen Hauptstadt nahezu vollständig auswendig lernen, konnten Studien sogar nachweisen, dass bestimmte Gehirnareale wie der Hippocampus (für die räumliche Orientierung zuständig) so deutlich wachsen, dass dies im Gehirnscanner mit bloßem Auge erkennbar ist (Maguire et al., 2000). Aber nicht nur Neues formt unser Gehirn, sondern auch unsere Gewohnheiten. So konnten Studien zeigen, dass regelmäßiges Meditieren zu einer signifikanten Vergrößerung des präfrontalen Cortex führt (Lazar et al., 2005). Dies erklärt die bessere Stress- und Emotionsregulationsfähigkeit von Meditationsgeübten.

Der Volksmund irrt also, wenn er sagt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer.“ In der Plastizität der neuronalen Emotionsspuren liegt die Chance, emotionale Blockaden zu lösen, die das Lebensglück und den Erfolg einschränken, und gleichzeitig neue ressourcenstärkende synaptische Netzwerke aufzubauen. Das wahre Ausmaß der Neuroplastizität ist den meisten Menschen überhaupt nicht bewusst. Begreifen wir es, lässt es uns das Wunderwerk Gehirn mit absoluter Ehrfurcht betrachten. Dies zeigt zum Beispiel die Lebensgeschichte von Cheryl Schlitz, die der amerikanische Psychiater Norman Doidge in seinem Buch Neustart im Kopf beschreibt (Doidge, 2008, S. 14 ff.):

Cheryl erkrankte im Jahr 1997 mit 39 Jahren an einer postoperativen Infektion. Die Ärzte verschrieben ihr ein Antibiotikum namens Gentamicin. Das Fatale: Die möglichen Nebenwirkungen des Medikaments bestehen in einer Schädigung des Innenohrs und damit des Vestibularsystems, des Gleichgewichtssinns. Und genau dies geschah bei Cheryl: Ihr Gleichgewichtsorgan wurde durch das Antibiotikum zu 98 (!) Prozent zerstört, mit immensen Folgen. Sie hatte das Gefühl, sich ständig im freien Fall zu befinden. Und aufgrund dieses Gefühls fiel sie ständig hin, konnte ihr Gleichgewicht nicht halten. Der Eindruck des dauernden Fallens machte sie schier verrückt, weil sie an nichts anderes denken konnte. Ihr ging es, wie es uns wohl auch gehen würde: Erst wenn ein Sinn verloren geht, merken wir, wie wichtig er ist. Das Gefühl der Sicherheit, das unser intaktes Gleichgewichtssystem für uns erzeugt, ist uns in der Regel nicht bewusst.

Doidge traf Cheryl bei einem Experiment im Labor von Paul Bach-y-Rita, einem der Pioniere der Neuroplastizitätsforschung. Dieses Experiment sollte die alte „Lokalisationstheorie“ (nach der das Gehirn eine Ansammlung spezialisierter Areale ist, wobei jedem eine ganz bestimmte, genetisch programmierte Funktion zukommt) vollkommen entkräften und auf gleichermaßen atemberaubende wie berührende Weise den Umfang der Neuroplastizität des menschlichen Gehirns demonstrieren.

Cheryl setzte für das Experiment einen Helm auf, in dessen Innern die Forscher einen Beschleunigungsmesser montiert hatten. Dieser war durch Kabel mit einem Plastikstreifen verbunden, der in seiner Größe und Form einem Kaugummistreifen ähnelte. Diesen legte sich Cheryl auf die Zunge. Und dann passierte das Unglaubliche: Cheryl stand und hielt ihr Gleichgewicht, ohne zu schwanken. Und weinte vor Glück. So unvorstellbar es sich anhört: Ihre Zunge hatte die Funktion des Gleichgewichtssinns übernommen. Dafür sendete der Beschleunigungsmesser im Helm elektrische Impulse an das Zungendisplay. Beim Vorbeugen prickelte es auf der Zungenspitze, beim Nach-hinten-Lehnen spürt man quasi Sektperlen an der Zungenwurzel. Bei einer Bewegung zur Seite geschah das Gleiche.