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Was uns die großen Hollywood-Regisseure über Veränderungsprozesse lehren können. Warum lieben wir als Menschen Geschichten? Weil ihnen die Kraft innewohnt, uns zu berühren, zu bewegen und innerlich zu transformieren. Doch wie ist dies psychologisch zu erklären und wie lässt sich die universale Struktur von Geschichten – die Heldenreise – für emotionale Veränderungsprozesse im Coaching nutzbar machen? Das emTrace-Phasenmodell des persönlichen Wachstums stellt Ihnen mit den zwölf Stationen der Heldenreise einen Rahmen für die Begleitung bei tiefgreifenden Veränderungen zur Verfügung. Solche Veränderungen – etwa Existenzgründung, Arbeitsplatzwechsel oder Ende bzw. Beginn eines Lebensabschnitts – berühren das Rollenverständnis und Identitätsgefühl von Klient*innen. Um sie bei einer ressourcenvollen und proaktiven Gestaltung solcher Veränderungen zu unterstützen, braucht es Interventionen, die auf der Identitätsebene der Persönlichkeit ansetzen. Dieses Buch stellt Ihnen ein theoretisches Framework für integratives Persönlichkeitscoaching zur Verfügung, eine Systematik für die punktgenaue Auswahl von Interventionen sowie eine praxisorientierte, ausführliche Beschreibung jeder Intervention.
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Seitenzahl: 655
Dirk W. EilertIntegratives Persönlichkeitscoaching mitemTraceHeldenreise und Emotionscoaching
Aus Geschichten lernen, wie Veränderung gelingt
Warum lieben wir als Menschen Geschichten? Weil ihnen die Kraft innewohnt, uns zu berühren, zu bewegen und innerlich zu transformieren. Doch wie ist dies psychologisch zu erklären und wie lässt sich die universale Struktur von Geschichten – die Heldenreise – für emotionale Veränderungsprozesse im Coaching nutzbar machen? Das emTrace-Phasenmodell des persönlichen Wachstums stellt Ihnen mit den zwölf Stationen der Heldenreise einen Rahmen für die Begleitung bei tiefgreifenden Veränderungen zur Verfügung. Solche Veränderungen – etwa Existenzgründung, Arbeitsplatzwechsel oder Ende bzw. Beginn eines Lebensabschnitts – berühren das Rollenverständnis und Identitätsgefühl von Klient:innen. Um sie bei einer ressourcenvollen und proaktiven Gestaltung von Veränderungen zu unterstützen, braucht es Interventionen, die auf der Identitätsebene der Persönlichkeit ansetzen.
Dirk W. Eilert ist Wirtschaftspsychologe, spezialisiert auf emotionale Intelligenz. Er ist Begründer der Mimikresonanz- Methode, des integrativen Emotionscoaching-Ansatzes emTrace sowie des Resilienzcoaching-Konzepts Mesource. Als einer der führenden Mimik- und Körperspracheexperten ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. www.eilert-akademie.de
Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2024
Covergrafik: © opico – istockphoto.com
Grafikdesign der Abbildungen: © Susanne Liebenow, netfish-design
Fotos: © Hans Scherhaufer
Model für die Illustration der Körpersprache: Ute Eilert
Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn
Alle Rechte vorbehalten.
Die Begriffe emTrace®, Mesource®, Mimikresonanz®, Motivkompass®, Wholeception® und Story-Resourcing® sind geschützte Wortmarken von Dirk W. Eilert.
Wir behalten uns eine Benutzung des Werkes für Text und Data Mining i.S.v. § 44b UrhG vor.
Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2024
ISBN der Printausgabe: ISBN 978-3-7495-0381-0
ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0382-7 (EPUB), 978-3-7495-0383-4 (PDF).
Benedikt und Sonja waren seit dem Abitur, das 16 Jahre zurücklag, ein Paar. Vor zwei Monaten hat er ihr einen Heiratsantrag gemacht, um ihre gemeinsame Liebe zu besiegeln. Doch Sonjas Antwort fiel anders aus, als er erwartet hatte: „Ich kann dich nicht heiraten. Ich überlege seit Monaten, wie ich es dir schonend beibringen soll. Ich möchte mich trennen, Benni. Ich habe nicht das Gefühl, dass du irgendwann deinen Job auf die Reihe bekommst. Du wirst nie genug Geld verdienen, um eine Familie zu ernähren. Außerdem bist du mir zu anhänglich. Am Anfang war das ja süß, aber in den letzten Jahren ist das wirklich immer schlimmer geworden. Das strengt echt an.“ Benedikt war am Boden zerstört, zumal er mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet hatte. Wobei er zugibt, es doch schon irgendwie gespürt zu haben. Er hatte sich aber – aus Angst vor der Wahrheit – nicht getraut, es bei Sonja anzusprechen. „Irgendwie hat sie schon recht“, sagt er. „Ohne sie fühle ich mich einfach nicht vollständig und jobmäßig habe ich mich echt verrannt. Ich habe immer davon geträumt, einmal viel Geld zu verdienen. Ich bin im Versicherungsvertrieb, aber irgendwie stagniere ich da schon seit Jahren. So richtig Geld verdiene ich damit jedenfalls nicht.“ Als ich Benedikt nach seinem Coachingziel frage, antwortet er: „Ich möchte in meine Kraft kommen – das Gefühl haben, dass ich jemand bin, der seinen Mann steht und die Dinge anpackt. Aber: Ohne dass ich meine ‚weiche‘ und liebevolle Seite verliere.“ Wie würden Sie im Coaching mit Benedikt vorgehen?
Annika hatte schon zu Beginn ihres Studiums gespürt, dass Verwaltungswissenschaften nicht das Richtige für sie sind. Ihr Vater, ein Urgestein im Düsseldorfer Ordnungsamt, hatte ihr aber immer wieder gepredigt: „Kind, geh in die öffentliche Verwaltung, das ist sicher.“ Deswegen hatte sie ihr Studium durchgezogen und war anschließend sogar ein bisschen erleichtert, als sie als Beamtin vereidigt wurde. Auch wenn sie eigentlich davon träumte, Psychologie zu studieren. Warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten, hatte sie schon immer wahnsinnig interessiert. In jedem Urlaub verschlang sie Stapel an psychologischen Fachbüchern. Als sie zu mir ins Coaching kommt, ist sie emotional an einem Tiefpunkt angelangt: „Mein Job erfüllt mich einfach nicht, ich spüre schon seit Jahren immer wieder den Wunsch, Psychologie zu studieren. Vor drei Wochen hat mir meine beste Freundin erzählt, dass sie sich gerade an einer Hochschule immatrikuliert hat und doch tatsächlich jetzt ein Psychologie-Studium anfängt. Ich würde das gerne auch tun, traue mich aber einfach nicht, diesen Schritt zu machen – ich kann doch die Sicherheit nicht einfach aufgeben.“ Was hat dieser Coachingfall mit dem ersten gemeinsam?1
Der gemeinsame Nenner beider Fälle – und das ist kennzeichnend für ein Coaching auf Identitätsebene (Level 3) – ist: Sowohl Benedikt als auch Annika geht es um eine Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Der Unterschied zu einem emotionalen Kernthema, das auf Level 1 liegt, umfasst hier vor allem drei Punkte:
Das emotionale Kernthema ist
transsituativ
– es bezieht sich nicht auf eine einzelne Situation, sondern ist kontextübergreifend. Es involviert also das Selbstkonzept, die Idee eines Menschen, wer er ist. Dies ist z. B. bei der reinen Auflösung einer Auftrittsangst meist nicht der Fall. Bloß weil sich eine Redeangst löst, erleben wir uns nicht zwangsweise auch als anderer Mensch. Ein solches neues oder erweitertes Erleben des eigenen Selbst ist aber Teil eines Coachings auf Identitätsebene.
Es geht nicht schlichtweg um die Lösung einer emotionalen Blockade, sondern um eine
innere Entwicklungsreise,
um einen Prozess des persönlichen Wachstums. Hier steht die Erweiterung oder gar der Wechsel einer sozialen Rolle im Fokus. Im Fall von Benedikt geht es darum, sich als Liebespartner und als Berufstätiger neu zu definieren. Bei Annika steht zwar auch ihre berufliche Rolle im Vordergrund, hier könnte sich aber gleichzeitig eine Entwicklung ihrer Rolle als Tochter anbahnen, da sie in ihrer „Geschichte“ ihrem Vater die Rolle des Schwellenhüters (vgl. Phase 4 der Heldenreise) zugewiesen hat. Eine solche
Selbstaktualisierung
ist fester Bestandteil eines Level-3-Themas. Darunter verstehen wir eine dem Menschen innewohnende Kraft zu Wachstum und authentischer Selbstverwirklichung (Bolen, 2000).
Level-3-Themen zielen auf die Integration entgegenwirkender innerer Kräfte. Im Fokus steht die
Integration des Selbst
– als Mensch vollständiger zu sein. Annika möchte ihr Bedürfnis nach Sicherheit nicht aufgeben, sondern mit ihrer Leidenschaft in Balance bringen. Ebenso geht es bei Benedikt nicht darum, dass er voll in seine Ich-Stärke geht und dabei andere Menschen oder gar die Liebe aus seinem Leben ausschließt. Bei einem Level-3-Thema steht die Integration von gegensätzlichen Energien im Mittelpunkt: Wir wollen etwas Neues erreichen und dabei bestehende Ich-Qualitäten integrieren.
Nachdem wir uns nun die Gemeinsamkeiten der beiden Coachingfälle angeschaut haben, lassen Sie uns noch kurz einen Blick auf ihren Unterschied werfen. Dieser liegt in der Motivfeld-Achse der angesteuerten Entwicklungsreise: Annikas emotionales Kernthema verläuft auf der Achse des situativen Status (zu den Motivachsen und -feldern siehe Kapitel „Von Hauptfeldern und Sehnsuchtszielen: Wie unsere Motive die Entwicklungsreise bestimmen“). Das verletzte Motivfeld ist Ordnung & Stabilität und das zu stärkende Feld Inspiration & Leichtigkeit. Bei Benedikt erfolgt die Entwicklungsreise hingegen von Harmonie & Geborgenheit nach Durchsetzung & Einfluss – entlang der Achse des sozialen Status. Wobei es bei beiden nicht um das Verlassen des einen Motivfelds geht, um das gegenüberliegende zu erreichen. Bei beiden liegt die Lösung in der Integration der entgegengesetzten Energien. Und genau dies ist Kern der Level-3-Interventionen.
Mit Level-3-Interventionen zielen wir darauf ab, dass der Klient sich im tiefsten Verständnis seiner Identität als integrierte Persönlichkeit erlebt – mit einer hohen Klarheit des Selbstkonzepts – und sich kraftvoll durch die Zeit bewegt, also effektiv mit anstehenden Veränderungen umgeht und diese ebenso proaktiv gestaltet. Dies erreichen wir zum einen durch eine gezielte Aktualisierung des Selbstkonzepts (wie z. B. die Reflexion der eigenen Werte und Entwicklung) sowie die Veränderung der Einstellung zum selbigen – also eine Stärkung des Selbstwerts. Zum anderen unterstützen wir durch gezielte Interventionen die emotional-motivationale Eigendynamik von Veränderungen und fördern damit proaktiv die Entwicklung sowie Potenzialentfaltung der Persönlichkeit. Proaktiv ist hier ein wichtiges Schlüsselwort. Denn es geht im Emotionscoaching auf Identitätsebene nicht nur darum, auf aktuelle Veränderungen zu reagieren. Wir zielen vielmehr darauf ab, zukünftige Veränderungen zu antizipieren und bereits jetzt proaktiv die dafür notwendigen Ressourcen zu aktivieren. Damit befähigen wir unsere Klienten und Klientinnen, zu dem Menschen zu werden, der sie wirklich sind, um so eine stabile, authentische Ich-Stärke zu entwickeln und dauerhaft zu leben.
Beispielhafte Coachingthemen, die sich aus den drei Kriterien emotionaler Kernthemen auf dieser neuro-logischen Ebene ergeben (Transsituativität, innere Entwicklungsreise, Integration des Selbst), sind:
die Entwicklung und Umsetzung der persönlichen Lebensvision / -mission
ein proaktiv ressourcenorientierter Umgang mit Veränderungen auf der Ebene der Identität; Beispiele dafür sind eine neue Arbeitsstelle oder Existenzgründung, ein Rollenwechsel (Beförderung zur Führungskraft, Eltern werden usw.), das Ende eines Lebensabschnitts (Partnerschaft, Arbeitsleben usw.), Beginn einer neuen Lebensphase (Umzug, Ruhestand, Lottogewinn usw.)
Auflösung transsituativer dysfunktionaler emotionaler Muster (z. B. chronische Scham)
Entwicklung und / oder Stärkung einer Charakterstärke (z. B. Beharrlichkeit, Humor)
Der präzise Blick dafür, welche der vier neuro-logischen Interventionsebenen (Level 1 bis 4) in der Persönlichkeit des Klienten durch sein im Coaching formuliertes Problem involviert wird, sowie die daran anschließende punktgenaue (oder vielmehr levelspezifische) Auswahl der passenden Intervention ist ein zentrales Element im Emotionscoaching mit emTrace. Die damit erreichte Passgenauigkeit der Intervention zur inneren Landkarte des Klienten macht den Zauber und die Wirksamkeit in der Arbeit mit emTrace aus. Lassen Sie uns deshalb die Struktur der dritten neuro-logischen Ebene und ihre Abgrenzung zu den benachbarten Leveln zu Beginn dieses Buchs etwas tiefer beleuchten. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Interventionsebenen des Wholeception-Klärungsmodells finden Sie im emTrace-Grundlagenbuch Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt (Eilert, 2021).
Um die dritte neuro-logische Interventionsebene (Level 3) zu verstehen, hilft die Metapher der Wohnung: Im Laufe eines Tages bewegen wir uns durch alle Räume unserer Wohnung (durch die Facetten unseres Ichs), halten uns mal da auf und mal dort. Würden wir nun mit Wärmebildkameras ein Bewegungsprofil erstellen, dann würde auffallen: Wir halten uns in bestimmten Räumen mehr auf als in anderen. Für jeden Menschen würde sich hier ein individuell typisches Bewegungsprofil ergeben. Genauso ist auch unser Selbstsystem strukturiert: In Bezug auf unsere Persönlichkeit haben wir bestimmte Präferenzen, die unser zentrales Identitätsverständnis erzeugen. Bei emTrace unterteilen wir diese Präferenzen für eine effektive Arbeit auf Identitätsebene aufbauend auf den vier neurobiologischen Grundmotiven in acht archetypische Erscheinungsformen. Diese können sich in ihrer spezifischen Energie in allen Kulturen sowohl in einer positiven als auch in einer negativen Ausprägung zeigen: König:in, Krieger:in, Gelehrte:r, Hüter:in, Liebende:r, Lebenslustige:r, Magier:in und Rebell:in. In der Abbildung der dritten Interventionsebene sind diese acht Präferenzen durch entsprechende Symbole dargestellt. Wichtig ist dabei: Das Selbstsystem eines jeden Menschen ist weitaus komplexer, als es sich durch acht Präferenzen darstellen lassen würde. Um im Coaching aber möglichst effektiv auf Identitätsebene arbeiten zu können, hat sich diese Vereinfachung und Unterteilung in acht Formen als sehr hilfreich und nützlich erwiesen.
Auf neuronaler Ebene wird dieses Level durch die Selbstsysteme im Neocortex repräsentiert. Hierzu zählen nach aktuellem Stand der Neurowissenschaften primär drei Areale im Gehirn. Der erste Bereich ist der ventromediale präfrontale Cortex (vmPFC), der Teil der oberen limbischen Ebene ist. Zweitens zählt der Übergangsbereich zwischen Parietal- und Temporallappen (TPJ; oberhalb der Ohren) zu den neuronalen Selbstsystemen, die u. a. aktiviert werden, wenn wir über uns selbst nachdenken (Bauer, 2019, S. 76 f.; Feyers et al., 2010). Der dritte Bereich der neuronalen Selbstsysteme findet sich im posterioren cingulären Cortex (PCC), einem Gebiet im Innenteil des Frontallappens (Roth & Ryba, 2016, S. 113).
Die neuronalen Selbstnetzwerke (darunter verstehen wir die Schaltkreise, die unser Ich-Gefühl erzeugen) entwickeln sich erst im Laufe der ersten 24 Monate unseres Lebens. So ist der Frontallappen zum Zeitpunkt der Geburt noch funktionsuntüchtig und durchläuft in den ersten zwei Lebensjahren einen neurobiologischen Reifungsprozess. Stück für Stück entsteht aufbauend auf der erlebten Resonanz auf Level 4 unser Identitätsgefühl (Level 3). Der deutsche Gehirnforscher Joachim Bauer spricht in diesem Zusammenhang von einem vertikalen Selbsttransfer: Unser Selbstsystem (Level 3) entsteht aus der Resonanz auf der Ebene der Zugehörigkeit (Level 4).
Das Wort identity (deutsch: Identität) hat laut dem American Heritage Dictionary of the English Language seinen Ursprung im Lateinischen identitās, das auf essentitās (= Sein) und identidem (= wiederholt) zurückgeht. Unsere Identität ist demnach unser „wiederholtes Sein“. Sie ist damit letztlich die Summe unserer Bewegungs-, Sprach-, Denk- und Gefühlsgewohnheiten. Deshalb spielen auf diesem Level auch die Basalganglien der mittleren limbischen Ebene eine wichtige Rolle. Sie sind unser „Gewohnheitsgedächtnis“.
Da es auf Level 3 um die Entwicklung der Persönlichkeit geht, erhält diese Ebene ihre Struktur – neben den acht Präferenzen – durch die universale Abfolge von Veränderungen. Diese liefert uns die Heldenreise, die Sie im weiteren Verlauf detailliert kennenlernen werden. Was Level 3 von den anderen Interventionsebenen abgrenzt, ist also auch der Aspekt des Zeitverlaufs. Dieser entspricht dem Kriterium der inneren Entwicklungsreise. Die Timeline (die mentale Zeitrepräsentation eines Menschen) verschafft uns im Coaching mit emTrace nicht nur Zugang zu seinem Identitätsgefühl, sondern erlaubt uns auch, genau diesen zeitlichen Aspekt in die Veränderungsarbeit einzubeziehen. Faszinierend ist dabei, dass die Gehirnforschung nachweisen konnte, dass unser Gehirn Zeit tatsächlich räumlich repräsentiert. Dies entspricht der Idee, dass wir unser Leben unbewusst in einer Abfolge von Ereignissen im mentalen Raum abbilden (also in Form einer Timeline). Ein zentrales Hirnareal ist dabei die intraparietale Furche im rechten Parietallappen.
Das Kriterium des Zeitverlaufs auf Level 3 bildet aber nicht nur das Konzept der Entwicklungsreise ab, sondern erweitert darüber hinaus das Verständnis der Transsituativität – dem ersten zentralen Kriterium –, um zu erkennen, dass ein emotionales Kernthema die Identitätsebene involviert. Dies bedeutet zum einen, dass das Thema sich nicht nur in einer spezifischen Situation, sondern situationsübergreifend zeigt. Zum anderen bezieht sich Transsituativität auch darauf, dass das Problem über einen längeren Zeitraum hinweg stabil ist. Es handelt sich also um ein Muster im Leben des Klienten, das sich nicht nur auf eine einzelne Situation oder einen konkreten Moment bezieht, sondern auf das zentrale Identitätsverständnis – auf das übergeordnete Ich-Gefühl oder das „wiederholte Sein“.
Sascha ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und kommt ins Coaching, weil er einem Gespräch mit einem speziellen Mitarbeiter konsequent aus dem Weg geht. Ich frage ihn: „Kennen Sie das nur aus dieser Situation oder aus Ihrem Leben allgemein?“ „Ich gehe schwierigen Gesprächen generell aus dem Weg, um Konflikte zu vermeiden.“ Hier zeigt sich eine starke Präferenz im archetypischen Feld des „Liebenden“ (verletztes Motivfeld) und eine Vermeidung, in die emotionale Energie des „Königs“ zu gehen (zu stärkendes Motivfeld).
Katharina hatte – „seit sie denken kann“ – das Problem, dass sie sich von anderen schnell als Person abgelehnt fühlte. Sie war als Trainerin tätig und fühlte sich stets stark gestresst, wenn sie bei ihren Teilnehmenden mimische Signale der Ablehnung wahrnahm. Hier übertrug sich das Gefühl der Ablehnung spiegelneuronal und bezog sich gleichzeitig nach ihrem Empfinden auf ihr gesamtes Ich und nicht nur auf eine ihrer Aussagen. Dabei war die Situation im Seminar nur die Spitze des Eisbergs. „Das kenne ich aus sehr vielen Situationen meines Lebens – egal ob im Beruf, in der Familie oder im Freundeskreis, verzieht jemand das Gesicht, fühle ich mich zurückgestoßen. Im Kern merke ich allerdings, dass das mit den anderen nichts zu tun hat. Ich lehne mich selbst als Person ab.“
Auf Level 3 liegen im Emotionscoaching alle Interventionen, die die transsituativen Aspekte des Selbst in die Veränderung einbeziehen – unser zentrales Selbstverständnis, das weitgehend unabhängig von einer konkreten Situation ist. Eine Person spürt zum Beispiel ein tief verwurzeltes Gefühl der Hilflosigkeit oder Wertlosigkeit unabhängig von der äußeren Situation. Zentral für alle Coachinginterventionen auf Identitätsebene ist deshalb der transsituative Aspekt: Die Art der Intervention bewirkt eine Aktivierung der situationsübergreifenden Selbstnetzwerke. Hier spielt deshalb die Timeline-Arbeit eine tragende Rolle. Der Klient stellt sich dabei die Situationen seines Lebens als imaginäre (oder durch Bodenanker repräsentierte) Zeitlinie im Raum vor. Das Wahrnehmen des eigenen Lebens von außen ermöglicht es, dass er in Kontakt mit seinem zentralen Selbstverständnis kommt: Wer bin ich, wenn ich mein Leben insgesamt wahrnehme? So bekommen wir im Coaching einen Zugang zum übergeordneten Ich-Gefühl und können es – nachdem es neuronal aktiviert ist – durch gezielte Interventionen verändern.
Wichtig ist mir hier noch ein letzter Punkt: Ein transsituatives Problem muss sich nicht auf das gesamte Leben und alle Kontexte beziehen. Damit eine Level-3-Intervention sinnvoll ist, reicht es, wenn das Thema große Bereiche des Lebens involviert – z. B. die Rolle als Mutter oder Liebespartner. Das damit verbundene Ich-Gefühl ist aber in jedem Fall in ihrem Identitätsverständnis zentral für die Klientin. Dies unterscheidet diese Ebene vom darüber liegenden Level der Ego-States (Glaubenssätze und Werte). Der Übergang zwischen diesen beiden Ebenen ist dabei – wie zwischen allen anderen Leveln auch – fließend.
Wie Sie bereits erfahren haben, ist ein emotionales Kernthema, das auf Level 3 liegt, durch drei wichtige Kriterien gekennzeichnet:
Transsituativität und Transtemporalität:
Es handelt sich um ein Muster im Erleben.
Innere Entwicklungsreise:
Es geht um einen
Prozess
des persönlichen Wachstums.
Integration des Selbst:
Die Balancierung gegensätzlicher Energien steht im Fokus.
Diese drei Kriterien leisten Ihnen nicht nur wertvolle Dienste in der Erkennung eines Level-3-Themas im Coaching, Sie können daraus auch die drei übergeordneten Wirkmechanismen eines Emotionscoachings auf Identitätsebene ableiten.
Menschen haben eine Idee über ihre Zukunft, wie sich ihr Leben möglicherweise entwickeln wird, was eher passiert und was weniger wahrscheinlich ist. In gleichem Maße haben sie auch eine subjektive Vorstellung über ihre Vergangenheit und Gegenwart. All dies wird beeinflusst durch die Art und Weise, wie eine Person mental Zeit repräsentiert. Die Qualität der individuellen mentalen Zeitrepräsentation drückt sich in der Gestalt der individuellen Timeline aus. Wie subjektiv die Wahrnehmung dabei ist, zeigt die psychologische Forschung zur Erinnerungskonstruktion. Ein Beispiel: Menschen erzählen Erlebnisse aus ihrem Leben aus unterschiedlichen Motiven. Hier spielt die Persönlichkeit eine Rolle, aber auch die soziale Situation. Wird beispielsweise eine Person von der Polizei zu einem Unfall befragt, geben die meisten Menschen sich sicherlich Mühe, das Ereignis möglichst genau zu beschreiben. In anderen Momenten, wie beispielsweise einer Unterhaltung mit Freunden, möchten wir ein Erlebnis teilen, damit meist aber auch ein Stück weit unterhalten. Die Forschung hat gezeigt: Je größer der Wunsch ist, mit einer Geschichte zu unterhalten, desto mehr neigen wir dazu, zu übertreiben. So wird der Fisch, den wir beim letzten Angelausflug gefangen haben, meist mit jeder Erzählung in der Darstellung etwas größer. Faszinierend ist dabei: Dies verändert rückwirkend unsere Erinnerung, sodass wir den Fisch wirklich als größer empfinden (Dudukovic, Marsh & Tversky, 2004). Unser Gedächtnis funktioniert also weniger wie eine digitale Fotocloud, in der unsere Erinnerungen eins zu eins gespeichert sind, sondern entspricht vielmehr einem neuronalen Wikipedia: Vorhandene Einträge werden nachträglich geändert und umgeschrieben.
Dabei verändern nicht nur wir selbst unsere Erinnerungen. Studien konnten nachweisen, dass das auch andere Menschen können. So „pflanzt“ zum Beispiel die amerikanische Psychologin Elizabeth Loftus in ihren Experimenten Probanden seit den 1970er-Jahren „falsche Erinnerungen“ ein. In einem ihrer ersten Experimente zeigte Loftus ihren Versuchsteilnehmern Videos von Autounfällen und stellte ihnen danach unterschiedliche Fragen, um herauszufinden, woran sie sich erinnerten und wie die Art der Frage die Erinnerung beeinflusste. Dabei bemerkte sie, dass die Fragestellung einen signifikanten Einfluss darauf hatte, welche Antworten sie bekam. Wenn sie die Frage stellte: „Wie schnell waren die Autos, als sie ineinander krachten?“, schätzten die Probanden die Geschwindigkeit signifikant höher ein (und zwar um durchschnittlich 14,5 km/h), als wenn sie fragte: „Wie schnell waren die Autos, als sie sich berührten?“ (Loftus & Palmer, 1974). Allein die Art der Frage, die uns eine andere Person stellt, kann also unsere Erinnerung an ein Ereignis umschreiben – und zwar dauerhaft: Nach einer Woche fragte Loftus ihre Versuchsteilnehmer: „Haben Sie bei dem Unfall zerbrochenes Glas gesehen?“ Obwohl in dem ursprünglichen Video kein zersplittertes Glas zu sehen war, erinnerten sich im Vergleich zu den anderen Studienteilnehmern signifikant mehr der „Ineinander-gekracht“-Probanden daran, zerbrochenes Glas gesehen zu haben.
Mit der Timeline-Arbeit, die zentraler Bestandteil der Level-3-Interventionen ist, zielen wir (über das Coaching an einem konkreten Thema hinaus) generativ darauf ab, dass der Klient sein Leben als Ganzes in einer anderen Qualität wahrnimmt – also den Blick auf sein Selbst als dynamisches Element im Verlauf der Zeit von der Vergangenheit über die Gegenwart hinein in die Zukunft verändert. Dies funktioniert, weil die Wahrnehmung unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft subjektiver Natur ist und darüber hinaus von der Qualität der individuellen mentalen Zeitrepräsentation abhängt. Für den einen mag es so sein, dass aufgrund der Timeline-Arbeit ein existenzielles Gefühl der Sicherheit zunimmt, die andere nimmt mehr Dankbarkeit wahr, wenn sie an ihr Leben denkt. Oder wir blicken mit Ehrfurcht auf die Wunder unseres Lebens oder spüren gar Stolz auf die Dinge, die wir durch unser Handeln bereits erreicht haben, die wir aktuell tun oder auf den Weg, den wir für die Zukunft eingeschlagen haben. Vergleichen wir die Wirkung einer Level-1-Intervention (z. B. das Lösen einer einfachen emotionalen Blockade wie Prüfungsangst) mit dem generativen Effekt eines Level-3-Coachings, entspricht dieses Verhältnis dem Lernen einer einfachen Fertigkeit wie Fahrradfahren vs. dem Aneignen einer komplexen Fähigkeit wie dem Führen eines Unternehmens. Die Wirkung ist generativer und weitreichender.
Die generative Wirkung der Level-3-Interventionen lässt sich aus einer weiteren Perspektive beschreiben: der Arbeit mit Metaphern. Denn die Timeline, als räumliche Verkörperung der mentalen Zeitrepräsentation eines Menschen, lässt sich als Metapher für das Leben als Ganzes verstehen. Während einer Timeline-Arbeit stellt sich der Klient sein Leben als Zeitstrahl vor. Diese Linie steht damit metaphorisch für sein Leben. Somit führen Veränderungen an der Gestalt – auch wenn sie nur metaphorischer Natur ist – zu Veränderungen der subjektiven Wahrnehmung der Zeit. Ehrfurchtsgebietend ist an dieser Stelle: Der Mensch scheint das einzige Lebewesen zu sein, das sich als dauerhaftes Selbst versteht, das über eine Vergangenheit und eine Zukunft verfügt (=transtemporales Selbst) (Harari, 2017). Hier scheint die Sprache eine Schlüsselrolle zu spielen. Denn dank ihr können wir vergangene Erlebnisse erneut betrachten und über zukünftige Handlungen nachdenken. Andere Tiere existieren hingegen in einer ewigen Gegenwart, so Yuval Noah Harari, der Weltstar unter den Historikern. Bemerkenswert ist: Der Sprache, wie wir sie heute jeden Tag vollkommen selbstverständlich einsetzen, sind wir Menschen wissenschaftlichen Schätzungen zufolge erst seit rund 35.000 Jahren fähig. Aus Sicht der Evolution ist dies, als hätten wir erst gestern Abend angefangen zu sprechen. Sprache erschafft nicht nur unser transtemporales Selbst, sondern sie erlaubt uns auch, Metaphern zu nutzen.
Wie kraftvoll Metaphern – auch wenn sie unbewusst sind – auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und unser Denken wirken, konnten zwei Psychologen der Stanford University nachweisen (Thibodeau & Boroditsky, 2011): Die 485 Teilnehmer der Studie erhielten einen Text über die ansteigende Kriminalität in der Stadt Addison. Für die eine Hälfte der Probanden wurde darin Kriminalität durch bildreiche Adjektive wie ein ansteckender Virus gerahmt. Der einzige Unterschied im Text, den die andere Hälfte der Versuchspersonen bekam, lag darin, dass hier Kriminalität als aggressives Monster beschrieben wurde, das Jagd auf die Stadt macht. Nach dem Lesen sollten die Teilnehmenden die Frage beantworten, was Addison ihrer Meinung nach brauche, um die Kriminalität zu verringern. Zudem bekamen sie die Aufgabe, die Teile im Text zu markieren, die ihre Entscheidung am meisten beeinflusst hatten. Es bildeten sich zwei verschiedene Lösungsansätze: Jene, die durch den Text darauf gebahnt wurden, dass Kriminalität ein aggressives Monster sei, gaben an, man müsse harte Maßnahmen ergreifen und Kriminelle hinter Gitter bringen. Im Gegensatz dazu war der Lösungsansatz der anderen Gruppe mit der Virus-Metapher, dass man die Quelle identifizieren müsse und soziale Reformen einführen solle, um die Verbreitung der Kriminalität aufzuhalten. Hier wird die Verknüpfung von Metaphern mit den Motivfeldern deutlich: Die Vorstellung eines aggressiven Monsters ist im Feld „Durchsetzung & Einfluss“ verortet, entsprechend werden hier als Lösung Kampfstrategien begünstigt. Die Virus-Metapher spricht hingegen das Motivfeld „Ordnung & Stabilität“ an, was entsprechend Präventionsstrategien als Lösung hervorbringt. Und eine weitere Erkenntnis folgt aus der Studie: Nur drei Prozent der Probanden gaben an, dass die im Text vermittelte Metapher (aggressives Monster vs. ansteckender Virus) ausschlaggebend für ihren Lösungsansatz gewesen war. Hierin zeigt sich die Macht unbewusster Prozesse und die Wirkung, die Metaphern auf unser Denken und Handeln haben.
Neben der Transformation des transtemporalen Selbst zielen die Level-3-Interventionen darauf ab, die emotionale Eigendynamik natürlicher und ebenso von außen forcierter Veränderungsprozesse zu unterstützen (z. B. die Entscheidung, eine Familie zu gründen, oder der Umgang mit einer ungewollten Trennung). Damit fördern sie ein proaktives persönliches Wachstum. Es geht also weniger um ein Reagieren als vielmehr um ein bewusstes Agieren, eben ein proaktives Handeln, um das eigene Potenzial zu entfalten.
Auf diese Weise vermag ein Emotionscoaching auf Identitätsebene ein Growth Mindset zu fördern – die Überzeugung, dass Veränderung möglich ist. Dies zeigt sich bereits in den Mikro-Transferübungen, die wir auf Level 3 in Form des Identity Resourcing einsetzen – speziell in der Variante des Story-Resourcing, bei dem wir mithilfe von sieben Reflexionsfragen Filme und Geschichten als Vehikel des persönlichen Wachstums nutzen. Über den Mechanismus des horizontalen Selbsttransfers (der spiegelneuronalen Übertragung von Selbstelementen wie Emotionen oder Glaubenssätzen von einer Person zu einer anderen) gelingt es Filmen wie Geschichten, uns nicht nur emotional zu berühren, sondern uns sogar zu verändern. Studien konnten zeigen: Identifizieren wir uns mit dem Helden einer Geschichte, so aktivieren wir seine Persönlichkeitseigenschaften zumindest vorübergehend in unserem eigenen Selbstkonzept. Sie werden kognitiv wie emotional signifikant verfügbarer (Sestir & Green, 2010). Da Geschichten, die der Struktur der Heldenreise folgen, in nahezu allen Fällen ein Growth Mindset vermitteln, kann die Überzeugung, dass Veränderung möglich ist – neben den anderen Level-3-Interventionen – über ein Story-Resourcing effektiv gefördert werden.
Ein Growth Mindset fördert wiederum ein proaktives persönliches Wachstum. So ergibt sich eine positive ressourcenfördernde Aufwärtsspirale, die dazu führt, dass ein Mensch wahrlich „aufblüht“. Doch was bedeutet es, wenn wir davon sprechen, dass eine Person in all ihren Facetten aufblüht? Sie stimmen wahrscheinlich zu, dass eine Pflanze unter den richtigen Bedingungen aufblühen kann, genauso wie ein Unternehmen, das boomt und einen Rekordumsatz erzielt. Sprechen wir nun davon, dass eine Person aufblüht, denken manche vielleicht an finanziellen Erfolg oder an persönliche Entwicklung und Wachstum. Andere sind eventuell davon überzeugt, dass Aufblühen bedeutet, dass derjenige glücklich und zufrieden ist oder neue Dinge lernt und mit seinen frisch erlernten Fähigkeiten Herausforderungen meistert. Tatsächlich ist jede dieser Ideen richtig – zumindest teilweise. Wirkliches Flourishing (Englisch: aufblühen, gedeihen) findet nämlich nur statt, wenn wir in allen Facetten unseres Lebens aufblühen – in unserer gesamten Persönlichkeit.
In der positiven Psychologie wird Flourishing, also das Aufblühen des Gesamtsystems, als Zustand optimaler emotionaler Gesundheit und Lebensführung definiert (Fredrickson & Losada, 2005). Flourishing entsteht, wenn angenehme Emotionen unangenehme überwiegen. Die amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson gibt hier sogar ein genaues Verhältnis für eine gesunde emotionale Balance an. Einen „Tipping-Point“, der beim Erreichen eine „aufblühende“ Person von einer „verwelkenden“ unterscheidet. Der Flourishing-Quotient liegt bei 3:1 – drei angenehme Emotionen zu einer unangenehmen im täglichen emotionalen Erleben (Fredrickson, 2011, S. 158). Flourishing hängt als Messwert psychologischer Gesundheit stark positiv mit anderen Faktoren eines erfüllten Lebens zusammen, wie z. B. Lebensglück und -zufriedenheit, emotionaler sowie physischer Gesundheit, Lebenssinn, Charakterstärke und engen sozialen Beziehungen (VanderWeele, 2017). Entscheidend ist hier aber stets die richtige Balance zwischen angenehmen und unangenehmen Emotionen. Kippt der Flourishing-Quotient zu stark in den positiven Bereich, dann mindert dies die Konsistenzregulation sogar: Menschen, die in einem übermäßigen Umfang angenehme Emotionen, aber kaum angemessene unangenehme Gefühle erleben, sind laut Studien unflexibler und rigider, wenn sie neuen, ungewohnten Situationen begegnen – ihre Verhaltensmuster sind förmlich „verkalkt“ (Fredrickson & Losada, 2005). Darüber hinaus steht ein übersteuertes Erleben angenehmer Emotionen im Zusammenhang mit emotional bedingten Heißhungerattacken und übermäßigem Essen sowie Alkohol- und Drogenkonsum (Cyders & Smith, 2008).
Auch hier geht es also um die Integration, die Balancierung gegensätzlicher Energien, angenehmer wie unangenehmer Emotionen. Dies führt uns zum dritten und letzten übergeordneten Wirkmechanismus eines Emotionscoachings auf Identitätsebene: der Integration des Selbst.
Das übergeordnete Ziel, das wir im Emotionscoaching mit emTrace verfolgen, ist emotionale Freiheit. Das bedeutet: Als integrativer Emotionscoach unterstützen wir unsere Klienten darin, zu der Person zu werden, die sie wirklich sind. Wir helfen Menschen, vollständiger zu werden. Wir begleiten sie, alle Aspekte ihrer Persönlichkeit so zu integrieren, dass ein Gefühl der inneren Harmonie und Zusammengehörigkeit entsteht. Ein Zustand der vollkommenen Ganzheit und Stimmigkeit entsteht durch die Aussöhnung gegensätzlicher Energien ebenso wie durch die ganzheitliche Integration von Ressourcen. Diesen übergeordneten Wirkmechanismus teilt sich das Emotionscoaching auf Identitätsebene mit der Teilearbeit.
Der bekannte Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung sagte einmal passend dazu: „Ich will lieber ganz sein als gut.“ Im Coaching auf Identitätsebene geht es wie in der Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen eben genau darum, einen Prozess in Gang zu setzen, in dem wir mit unseren „dunklen Seiten“ Frieden schließen, sie integrieren, sie als Teil von uns annehmen und willkommen heißen – und gleichermaßen den emotionalen Zugang zu unseren „hellen“ Seiten, den ressourcenreichen Aspekten unserer Persönlichkeit, stärken. Genau dies ist einer der zentralen Wirkmechanismen der Level-3-Interventionen: die Integration des Selbst. Im Kern besteht der Prozess der Selbstintegration aus zwei Elementen, der inneren Konsistenz und Autonomie (in Anlehnung an Sheldon & Kasser, 1995).
Autonomie, das zweite Element eines integrierten Selbst, die in der Forschung auch als Selbstkonkordanz bezeichnet wird, bereichert das Konzept der Konsistenz um eine weitere entscheidende Facette: Es geht um die Frage, aus welcher Quelle sich unsere motivationalen Ziele steuern: von außen oder innen. Unter Autonomie verstehen wir hier einen Zustand, in dem eine Person intrinsische Ziele verfolgt. Die motivationalen Ziele dienen hierbei also Bedürfnissen, die ihrem Inneren entspringen (z. B. persönliche Entwicklung vs. finanzieller Erfolg). Das Verfolgen ihrer motivationalen Ziele fühlt sich für die Person selbstbestimmt und authentisch an. Hier schließt sich der übergeordnete Wirkmechanismus des integrierten Selbst an den der Förderung eines proaktiven persönlichen Wachstums an.
Dass ein Emotionscoaching gleich doppelt auf diesen Faktor einzahlt, lohnt sich: Studien konnten nicht nur zeigen, dass intrinsische Ziele unser emotionales Wohlbefinden und unsere psychische Gesundheit signifikant positiv beeinflussen, extrinsische Ziele vermögen diese sogar zu mindern (Bradshaw, 2019; Niemiec, Ryan & Deci, 2009). Darüber hinaus beeinflusst der Grad der intrinsischen Motivation auch positiv die Intensität unserer Fokussierung und Anstrengung, die wir in ein Ziel investieren, sowie die daraus resultierende Leistung und die Freude, die wir bei einer Tätigkeit empfinden (Turban et al., 2007).
Da bereits Konsistenz und Autonomie für sich genommen positive Effekte auf das Wohlbefinden haben, ist es wenig verwunderlich, dass die Integration des Selbst – die sich aus Konsistenz und Autonomie ergibt – Studien zufolge mit mehreren Faktoren emotionaler Gesundheit zusammenhängt. Ein integriertes Selbst erhöht die Lebenszufriedenheit, die Resilienz sowie den Selbstwert und schützt vor Depressionen, subjektiv erlebtem Stress und Angstzuständen (Chiu, Chang & Hui, 2017; Fidler, 2018; Sheldon et al., 1997).
Außerdem fördert ein integriertes Selbst die Stabilität des Selbstwertgefühls angesichts äußerer Einflüsse. Dies konnte bereits 1970 in einem Experiment festgestellt werden (Morse & Gergen, 1970): Eine Forschergruppe lockte mit einem attraktiven Jobausschreiben 78 Probanden in die University of California in Santa Barbara. Dort sollte für das Bewerbungsverfahren jeder Proband zwei Fragebögen ausfüllen: einen zur Messung des Grades der Integration des Selbst und einen, um das Selbstwertgefühl zu ermitteln. Nachdem die Assistentin die ausgefüllten Bögen eingesammelt hatte, begann das eigentliche Experiment. Bei der einen Hälfte der Probanden betrat ein Mann in einem feinen schwarzen Anzug den Raum. Er hatte insgesamt eine sehr gepflegte Erscheinung, weshalb wir ihn im Folgenden „Mr. Clean“ nennen. Er sagte der Assistentin vor den Augen der anderen Probanden, er wolle sich ebenfalls für den Job bewerben. Damit wurde er von den anderen Studienteilnehmenden als direkter Konkurrent auf die ausgeschriebene Stelle wahrgenommen. Das gesamte Auftreten von Mr. Clean war so inszeniert, dass die Probanden sich mit ihm verglichen und sich tendenziell im sozialen Status tiefer einordneten (sozialer Aufwärtsvergleich).
In der zweiten Probandengruppe schickten die Forscher statt Mr. Clean „Mr. Dirty“ in den Raum – ein Mann mit einem schmutzigen, unangenehm riechenden Shirt und zerrissenen Jeans. Er stellte also einen eher schwachen Konkurrenten dar, dem sich die Probanden im sozialen Status eher überordnen sollten (sozialer Abwärtsvergleich). Am Ende des Experiments erhielten die Teilnehmenden erneut einen Fragebogen zur Ermittlung des Selbstwertgefühls. Die Forscher wollten herausfinden, wie die Begegnung mit Mr. Clean bzw. Mr. Dirty das Selbstwertgefühl der Probanden beeinflusst hatte. Das Ergebnis: Bei den Probanden, die „Mr. Clean“ begegnet waren, sank das Selbstwertgefühl. In der „Mr. Dirty-Gruppe“ stieg es hingegen wie erwartet an.
Spannend war aber: Bei den Versuchspersonen, die über ein stark ausgeprägtes integriertes Selbst verfügten, blieb das Selbstwertgefühl in beiden Experimentalgruppen stabil. Ein integriertes Selbst sorgt also dafür, dass unser Selbstwertgefühl relativ unberührt von äußeren sozialen Einflüssen bleibt. Dies ist ein faszinierender Indikator dafür, dass ein integriertes Selbst ein Gefühl der inneren Ganzheit widerspiegelt: Wenn wir die Person sind, die wir wirklich sind, dann ist es für unser Selbst egal, wer die anderen sind und was sie tun. Dieser Effekt ist in unserer durch die sozialen Medien geprägten Zeit äußerst relevant. Denn das Betrachten des geschönten Lebens der anderen via Instagram oder andere Kanäle fördert einen sozialen Aufwärtsvergleich und beeinträchtigt damit sowohl das Selbstwertgefühl als auch das Wohlbefinden (Schmuck et al., 2019).
Um die Autonomie der Person, also die Ausrichtung an intrinsischen Zielen, über die generative Wirkung der Level-3-Interventionen hinaus zu fördern, lohnt es sich, mit Übungen zur Werte- und Entwicklungsreflexion das ideale Selbst des Klienten zu erarbeiten – die Zukunftsvision seines integrierten Selbst. Anschließend können Sie ihn mit weiteren emTrace-Interventionen dabei unterstützen, sein ideales Selbst zu realisieren. Eine Auswahl an effektiven Reflexionsübungen finden Sie im Kapitel „Emotionscoaching-Interventionen auf Identitätsebene“.
1 Noch eine wichtige Bemerkung vorab, die mir am Herzen liegt: Inklusivität und eine geschlechtersensible Sprache sind mir wichtig. In diesem Buch sind stets alle Geschlechter gemeint, auch wenn – mit Rücksicht auf Lesbarkeit und Sprachästhetik – nicht immer alle möglichen Formen aufgezählt werden.
Geschichten haben mich schon immer fasziniert und tun es auch heute noch. Es ist eines unserer Lieblings-Familienrituale, uns abends zu viert auf die Couch zu kuscheln und gemeinsam in eine „fremde Welt“ entführen zu lassen. Als Kind hat mich vor allem die Heldenreise des Luke Skywalker gefesselt, der sich in Star Wars IV aufmacht, die wahre Kraft (in Form einer spirituellen, jedem Jedi innewohnende Macht) in sich selbst zu finden, um die Galaxie vor dem dunklen Imperium zu retten. Diese, vor allem innere, Entwicklungsreise gipfelt im Schlusskampf, als Luke den Todesstern (die neue Superwaffe des Imperiums) mit einem gezielten Schuss eines Protonentorpedos in einen engen Lüftungsschacht vernichten muss. Er versucht, diesen Schacht mithilfe eines Zielcomputers zu treffen. Doch plötzlich hört er innerlich die Stimme seines im Kampf mit Darth Vader (dem dunklen Oberbösewicht) gefallenen Mentors Obi-Wan Kenobi: „Vertraue der Macht, Luke. Gib dich der Macht hin.“ Daraufhin schließt er seinen Zielcomputer, vertraut der „Macht“ (also seiner Intuition), schießt die Rakete ab und … trifft. Die Galaxie ist gerettet.
Diese Szene war in meiner Kindheit für meine Freunde und mich stets ein Gänsehaut-Moment – und ist es auch heute noch. Noch als erwachsener Mann fieberte ich dem Erscheinen jeder neuen Episode entgegen – und schließlich der finalen Episode IX im Jahr 2019. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich als Kind immer wissen wollte, warum der erste Star Wars-Film im für diese Filmreihe typischen Vorspann als Episode IV bezeichnet wurde. Der Geniestreich war mir damals noch nicht bekannt: Star Wars-„Vater“ George Lucas plante Star Wars ab Beginn in neun Teilen, in einer Triple-Trilogie, und begann sie 1977 mit Episode IV.
Übrigens: Drehbuchautor und Regisseur-Legende George Lucas, der nicht nur die Star Wars-Filmreihe geschrieben hat, sondern auch die Indiana-Jones-Tetralogie, baute Krieg der Sterne entlang der Struktur der sogenannten Heldenreise auf. Deswegen ist mein Tipp: Schauen Sie sich dieses Juwel der Filmgeschichte unbedingt an, um sich die universale Struktur der Heldenreise anhand dieses sehr illustrativen Beispiels bewusst zu machen. Die Heldenreise ist die verborgene innere Struktur unter der sichtbaren Oberfläche des Handlungsstrangs. Sie bildet in ihrem universalen Aufbau eine Entwicklungsreise in drei Akten ab, die sich weitergehend in zwölf Phasen unterteilen lässt. Diese werden Sie im Lauf dieses Abschnitts noch kennenlernen.
Doch bevor wir uns diese universale Struktur hinter den Mythen und großen Geschichten der Welt anschauen, beleuchten wir noch eine Frage, deren Antwort alles andere als selbstverständlich ist und die uns wertvolle Einblicke in das Funktionieren der menschlichen Psyche erlaubt. Wie ticken wir Menschen und welcher natürlichen Eigendynamik folgen Veränderungen und persönliches Wachstum?
Warum lieben Menschen Geschichten? Warum lesen wir ein Buch oder gehen ins Kino, obwohl wir doch wissen, dass die Story meist erfunden ist? Warum schauen wir uns manche Filme gar mehrmals an, kennen wir doch das Ende? Der amerikanische Drehbuchlehrer Robert McKee bringt es auf den Punkt (vgl. Hammann, 2007, S. 10): „Die Leute gehen ins Kino, um eine Selbstoffenbarung zu erleben.“ – In den Worten der Heldenreise formuliert: eine Selbstwerdung, ein Heldwerden. Der deutsche Schriftsteller Joachim Hammann schreibt: „Die Idee der Heldwerdung – des Kampfes mit dem Dämon und der Befreiung des Schatzes der geraubten Seele – ist der größte geistige Entwurf der Menschheit. Es ist der Versuch, die Menschen von seelischer Krankheit und Zerstörung zu heilen und sie zurück ins Paradies ihrer ursprünglichen Ganzheit zu führen.“ (Hammann, 2007, S. 11)
Vorweg eine kurze Anmerkung: Der sprachlichen Einfachheit halber werde ich im Folgenden vom Helden sprechen, meine damit stets aber auch die Heldin. In einer guten Geschichte nimmt uns der Held mit auf eine (innere) Entwicklungsreise zu mehr Ganzheit. Wir identifizieren uns mit dem Helden, fühlen mit ihm, erleben seine emotionalen Tiefen und Höhen, als wären es unsere eigenen – und erweitern unsere Perspektive. Im optimalen Fall finden wir ein Stückchen mehr zu uns. Lernen etwas über uns und das Leben. Nach einer guten Geschichte sind wir mental und emotional reicher, als wir es vorher waren. All dies ist möglich, indem der Held stellvertretend für uns eine Reise (meist auf einer metaphorischen Ebene) durchlebt, deren Antritt wir uns im wahren Leben oft nicht trauen. So kämpfen wir im wahren Leben nicht gegen Drachen oder Riesen, bezwingen aber dennoch unsere Ängste oder Selbstzweifel. Wir ziehen nicht wie Artus das von Merlin geschmiedete Schwert Excalibur mühelos aus dem Stein und besiegeln damit unsere Identität als König, meistern aber beispielsweise das entscheidende Vorstellungsgespräch und werden Geschäftsführer eines Unternehmens, oder wir erobern das Herz unserer großen Liebe. In Geschichten geht es letztlich darum, dass wir den Helden in uns selbst entdecken. So, wie es im Refrain des Songs Search for the Hero der britischen Band M People heißt:
You’ve got to search for the hero inside yourself.
Du musst den Helden in dir selbst suchen.
Search for the secrets you hide.
Such nach den Geheimnissen, die du verbirgst.
Search for the hero inside yourself.
Suche nach dem Helden in dir selbst.
Until you find the key to your life.
Bis du den Schlüssel zu deinem Leben findest.
Indem sie eine universale, meist verborgene Struktur ansprechen, die uns tief vertraut ist, haben Geschichten die Kraft, uns zu berühren und zu verändern, unseren Blick auf die Wirklichkeit und uns selbst zu erweitern. Davon ist auch der Psychothriller-Autor Sebastian Fitzek überzeugt. In einem unserer Gespräche erzählte er mir: „Menschen lieben erst einmal deswegen Geschichten, und zwar im Wesentlichen dreiaktige Geschichten, weil das Leben an sich eine Geschichte ist, die grob in drei Akten verläuft: Geburt, Leben, Tod. Das ist so ein bisschen wie Aufbruch, Reise, Rückkehr – die dreiaktige Makro-Struktur der Heldenreise. Diese Dreiaktigkeit ist uns so vertraut, dass Menschen, die damit konfrontiert werden, dass sie eine Geschichte erzählen sollen, automatisch in diese dreiaktige Struktur verfallen. Selbst wenn sie nicht darauf trainiert sind, Geschichten zu erzählen. Und ich glaube, dass wir nur durch Geschichten wirklich lernen können. Reine Fakten vermitteln uns nicht so, wie wenn wir einen Fakt mit einer Geschichte verknüpfen können.“
Die letzten beiden Sätze beinhalten eine zentrale Erkenntnis, die eine weitere Erklärung dafür liefert, warum Menschen Geschichten lieben: Unser Gehirn liebt Geschichten.
Neurowissenschaftliche Studien konnten nachweisen: Hören wir eine Geschichte, synchronisiert sich unsere Gehirnaktivität mit der des Erzählers (Stephens, Silbert & Hasson, 2010). Eine Geschichte hat die Kraft, uns auf neurobiologischer Ebene mit anderen zu verbinden. Dies zeigt sich sogar auf der Ebene der Botenstoffe: Berührt uns eine Geschichte, regt dies unmittelbar die Ausschüttung von Oxytocin an (Zak, 2015). Der auch als Bindungshormon bezeichnete Botenstoff spielt die zentrale Rolle für unser Erleben und Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem für prosoziales Handeln (Macdonald & Macdonald, 2010).
Ein erhöhter Oxytocinspiegel zeigte sich in einer anderen Studie bereits nach dem Vorlesen einer 30-minütigen Geschichte (Brockington et al., 2021). Eine halbe Stunde klingt auf den ersten Blick nicht so kurz, die Probanden waren allerdings Kinder, die stationär im Krankenhaus aufgenommen waren – was für viele der kleinen Patienten großen Stress bedeutet, etwa von den Eltern getrennt zu sein. In der Versuchsbedingung hatten sie die Möglichkeit, zwischen acht typischen Geschichten aus der Kinderliteratur zu wählen, wobei alle heiter oder amüsant waren. Neben der Erhöhung des Oxytocinspiegels sank ihr Stresshormonwert (Cortisol) signifikant, ebenso empfanden sie weniger Schmerzen und zeigten positivere Assoziationen zu krankenhausspezifischen Begriffen. Die gängigen Assoziationen waren z. B. die folgenden: Krankenschwester – „eine mürrische Dame, die mir übel schmeckende Medizin gibt“; Arzt – „eine grausame Person, die mich mit einer Nadel sticht“; Krankenhaus – „ein schlechter Ort, an den ich gehe, wenn ich sehr krank bin“. Nach dem Eintauchen in die Geschichte waren die Gedankenverknüpfungen deutlich positiver geladen: Krankenschwester – „eine Person, die uns hilft, gesund zu werden und nach Hause zu gehen“; Arzt – „jemand, der sich um mich kümmert“; Krankenhaus – „ein Ort, an dem ich bleibe, bis es mir besser geht“. Dieses Ergebnis zeigt den enormen Impact, den Geschichten auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben können, und es zeigt die Wirkkraft von Oxytocin.
Eine Vielzahl an Studien konnte nachweisen, dass Oxytocin sowohl die affektive als auch die kognitive Empathie verbessert (Domes et al., 2007; Hurlemann et al., 2010). Vielleicht ist das mit einer der Gründe, warum Studien zeigen konnten, dass das Lesen von fiktiven Geschichten die empathischen Fähigkeiten steigert (Kidd & Castano, 2013). Das Eintauchen in eine Story und die dargestellten Charaktere aktiviert – über den „Oxytocin-Booster-Effekt“ hinaus oder möglicherweise auch dadurch vermittelt – den kognitiven Prozess der Perspektivübernahme: Wir betrachten die Welt durch die Augen einer anderen Person und versetzen uns ein Stück weit in ihre Lage. Forscher konnten sogar nachweisen, dass Geschichten durch diesen Prozess Vorurteile abbauen können: Schulkinder und Studierende, die Harry Potter gelesen hatten, zeigen eine positivere Einstellung gegenüber stigmatisierten Gruppen, wie z. B. Geflüchteten, Immigranten oder homosexuellen Personen (Vezzali et al., 2015).
Geschichten haben das Potenzial, uns mit anderen Personen (der Erzählerin einer Geschichte, aber auch mit dem Helden der Story – und offensichtlich allgemein den Menschen in unserem Leben) zu verbinden – ein tief in unserer Neurobiologie verwurzeltes Bedürfnis. Ebenso können uns Geschichten durch den Perspektivwechsel und die positive Wirkung auf den Oxytocinspiegel helfen, effektiver und gelassener mit Herausforderungen umzugehen. Oxytocin hat nämlich auch einen angst- und stresslösenden Effekt auf die Amygdala (Grace et al., 2018). Das mag einer der Gründe sein, warum die Kinder in der Krankenhaus-Studie nach der Geschichte weniger Schmerzen empfanden und ihre emotionalen Assoziationen positiver gefärbt waren.
Wie tief das Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Verbindung tatsächlich in uns verankert ist, zeigt eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2010 von 148 wissenschaftlichen Studien mit insgesamt 308.849 Probanden: Das Fehlen echter und tiefer Bindungen zu anderen Menschen erhöht die Sterbewahrscheinlichkeit stärker als andere Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum oder sogar Rauchen (Holt-Lunstad, Smith & Layton, 2010). Oder anders formuliert: Verfügen wir über starke soziale Beziehungen, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass wir überleben, um 50 Prozent – verglichen damit, wenn wir uns einsam fühlen.
Der neurosozial vermittelte Impact, den Geschichten auf uns haben, zeigt sich neben der verbesserten Fähigkeit zur Perspektivübernahme in vielerlei Hinsicht: Identifizieren wir uns mit dem Helden einer Geschichte, verändert dies unsere implizite wie explizite Einstellung und beeinflusst unmittelbar unsere Handlungsabsichten. In einer Studie sahen die Probanden sich eine 36-minütige Szene aus Stirb langsam an, in der der Held des Films, John McClane (gespielt von Bruce Willis), rauchte. Die Kontrollgruppe schaute sich eine genauso lange Stirb langsam-Szene an, aber eben eine, in der McClane keine Zigaretten konsumierte. Das Ergebnis ist faszinierend: Die Versuchspersonen (sowohl Raucher als auch Nichtraucher) zeigten stärkere unbewusste Assoziationen zwischen ihrem Ich und Begriffen, die mit Rauchen verbunden waren. Rauchen wurde durch den Film also im Selbstkonzept der Person verfügbarer. Dies offenbarte sich auch in einer positiveren Einstellung gegenüber dem Rauchen und in einer Verstärkung der Absicht, in Zukunft zur Zigarette zu greifen (Dal Cin et al., 2007). Dies passt zu anderen Forschungsergebnissen, die nachweisen konnten, dass bereits die mentale Simulation einer Handlung – wie es durch die Identifikation mit dem Helden geschieht – das Auftreten dieser Handlung in der Zukunft erhöht (Gregory, Cialdini & Carpenter, 1982). Simuliert eine Person angeregt durch eine Geschichte mental, dass sie sich beispielsweise ihrer Redeangst stellt, so wird dies auf der Ebene des konkreten Verhaltens signifikant wahrscheinlicher. Geschichten haben einen nennenswerten Effekt auf das Überzeugungs- und Wertesystem eines Menschen. Andere Studien konnten z. B. auch zeigen, dass filmische Botschaften die Einstellung über Partnerschaft, Sexualität und Familienplanung beeinflussen (z. B. Vaughan et al., 2000).
Die starke Wirkung von Geschichten ergibt sich u. a. daraus, dass sie der Arbeitsweise unseres Gehirns in hohem Maße entgegenkommen (Schank & Berman, 2002). Zum einen bündelt eine spannende Geschichte unsere Aufmerksamkeit, sie öffnet unsere Sinne. Zum anderen erkennen wir Storys, die in ihrem Aufbau stimmig sind, unbewusst in ihrer Struktur wieder. Sie entspricht der chronologischen und kausalen Wahrnehmung von Ereignissen im Leben. Damit ordnet sich eine kohärente Geschichte sowohl mit ihrem Handlungsstrang als auch mit dem Helden in bestehende kognitive „Schubladen“ (Schemata) ein – sie dockt an unserer inneren Erlebniswelt an, wodurch es zu einer verbesserten mentalen Verarbeitung kommt. Dies ermöglicht das mühelose Eintauchen in die Geschichte und die Identifikation mit der Heldin – was nicht nur die Erinnerungsleistung an die Inhalte verbessert, sondern das Gedächtnis darüber hinaus stimuliert, über die gegebenen Fakten hinaus noch weitere Inhalte zu generieren (Owens, Bower & Black, 1979). Unser Gehirn erzählt sozusagen die Geschichte weiter und schmückt sie mit Details aus, die ursprünglich gar nicht Inhalt der Story waren.
Interessant ist dabei, dass wir die Inhalte von Geschichten weniger skeptisch prüfen als eine bloße Faktenpräsentation. Dies lässt sich vor allem durch einen Aspekt erklären: Skepsis ist keine angemessene Haltung, wenn wir eine Geschichte hören. Man mag zwar bezweifeln, dass es möglich ist, dass ein Mensch Gegenstände mit bloßer Gedankenkraft mithilfe der „Macht“ bewegen kann. Schaut man sich aber Star Wars an, so nimmt man dies – zumindest für die Dauer des Films – als gegeben hin. Alles andere würde den Genuss der Geschichte stören, wenn nicht sogar unmöglich machen. „Stopp, das ist ja Quatsch, Laserschwerter gibt es doch gar nicht!“ Mit Vernunft verhindert man jedes Eintauchen in die Geschichte, was damit den Kinobesuch oder den Filmabend wohl überflüssig macht.
Ein weiterer Grund, dass Geschichten unsere Skepsis unterwandern, besteht darin, dass man zwar einem Argument widersprechen kann, aber eben keiner Erfahrung. In dieses Argument fügt sich der Overhearing-Effekt ein. Dieser besagt, dass Menschen sich durch eine Information eher beeinflussen lassen, wenn sie sich selbst nicht zum Adressatenkreis zählen – wenn sie z. B. ein Gespräch zufällig mitbekommen. Der unbewusste Gedanke dabei ist: Da die Information an einen Dritten kommuniziert wird, kann deren Ziel kaum in der strategischen Beeinflussung der eigenen Person gelegen haben (Felser, 2015, S. 302).
Dass Geschichten einen derart starken nachweisbaren Einfluss auf uns nehmen, muss einen tieferen Sinn haben. Dieser offenbart sich, wenn wir uns die Evolution unserer Spezies vor Augen führen. Begeben wir uns gedanklich ca. 5.000 Jahre zurück in eine Zeit, in der die Schrift noch nicht erfunden war. Wie überlieferten unsere Vorfahren Erfahrungswissen von einer Generation an die nächste? Die Antwort liegt auf der Hand: über Erzählungen. Mithilfe von Geschichten konnten auf überzeugungs- und lernpsychologisch sehr effektive Weise das eigene Wissen, Werte, Lebenserfahrungen, Problemlösungen und Handlungsempfehlungen transportiert werden. Aus dieser Perspektive betrachtet können wir Geschichten als Gedächtnis der Menschheit bezeichnen (Edelkraut & Balzer, 2016). Auch wenn sich das Geschichtenerzählen über die Jahrtausende verändert hat und heute primär über elektronische Medien, wie Fernsehen und Kino, aber auch Youtube sowie soziale Medien stattfindet, so ist der Kern des Storytellings doch der gleiche geblieben. Wir leben heutzutage zwar anders, die Faszination und verbindende Wirkung, die von Geschichten ausgehen, sind aber geblieben.
Wie Sie bereits erfahren haben, entfalten Geschichten ihre neurosoziale Wirkung umso stärker, je mehr sie in ein existierendes Schema passen und damit an unsere innere Erlebniswelt andocken. Dies bezieht sich einerseits auf die Handlungen und Gefühle, die in der Geschichte geschildert werden („Würde sich eine Person wirklich so verhalten oder fühlen, wenn sie dies erlebt?“), andererseits auf die unsichtbare Struktur, der die Story folgt.
Die Heldenreise ist das archetypische Grundmuster von Leben, Entwicklung und persönlichem Wachstum und unterliegt genau deshalb den großen Erzählungen und Mythen. Der Begriff des Archetyps bezeichnet ein Muster, das zeitlich oder strukturell am Anfang steht, völlig neu ist und als Vorbild für die Nachfolger dient – nach der psychologischen Vorstellung von C.G. Jung handelt es sich dabei um im kollektiven Unbewussten angelegte Urbilder menschlicher Vorstellungsmuster. Als unbewusste Wirkaspekte beeinflussen sie unsere Wahrnehmung, Gefühle und Verhaltensweisen, so Jung. Der Begriff Archetyp leitet sich aus dem Griechischen von arche (= Ursprung, Ausgangspunkt) und typos (= Gestalt, Muster, Vorbild) ab. Die Idee der Archetypen findet sich bereits in der Ideenlehre des antiken griechischen Philosophen Platon. Wichtig ist an dieser Stelle für das Verständnis, dass die platonische Idee im Unterschied zum modernen Begriff nicht einen kreativen Einfall oder Gedanken meint. Unter Idee versteht Platon ein gleichbleibendes immer Seiendes, das in vielen verschiedenen Gestalten in Erscheinung tritt. Die platonische Idee ist an sich unkörperlich und damit der Sinneswahrnehmung prinzipiell entzogen. Sie ist nur durch geistige Einsicht erfassbar (z. B. die Idee des Guten / des Schönen an sich). Dies entspricht exakt dem Konzept des Archetypus.
Folgende Beispiele machen das abstrakte Konzept der Archetypen greifbarer: Egal, in welchen Kulturkreis wir schauen, wir finden in den Mythologien immer wieder ähnliche oder gleiche Muster, Strukturen oder Symbole. Dies wird als Beleg für das Vorhandensein archetypischer Muster in der menschlichen Psyche angesehen. So zeigen sich weltweit Mythen über die große Mutter oder die große Göttin (der Mutterarchetyp, beispielsweise die Große Mutter im Wicca-Heidentum, Shakti im Hinduismus, Maria bei den Katholiken). Ebenso kennen alle Kulturen Geschichten über Helden und deren Widersacher (Schattenarchetyp). Die Heldenreise basiert auf dieser archetypischen Struktur, die persönlichem Wachstum und Veränderungen im Allgemeinen unterliegt. Diese zu kennen hilft uns deshalb als Coach, Veränderung und Wachstum besser zu verstehen.
Die Oberfläche des Monomythos mag sich – wie es für archetypische Strukturen üblich ist – jeweils anders zeigen, die Grundstruktur bleibt aber stets die gleiche. Ob es sich nun um die Heldenerzählung des Achilles, des Siegfried oder die moderne Erzählung von Superman handelt, die Grundstruktur der Entwicklungsreise ist beständig die gleiche und orientiert sich an der Heldenreise. Zugleich haben alle drei Helden eine weitere Gemeinsamkeit, nämlich eine tödliche Schwachstelle. Bei Achilles ist es die Ferse, bei Siegfried ein lindenblattgroßer Bereich zwischen den Schulterblättern, und den übermächtigen Superman macht Kryptonit so wehrlos wie ein Neugeborenes.
Folgen wir dem Konzept der Archetypen, so bedeutet dies: Würden wir die Welt, wie wir sie heute kennen – einschließlich aller menschlichen Werke und unserer Erinnerungen –, auslöschen, so würde sich eine neu aufgebaute Welt vielleicht in der konkreten Ausgestaltung unterscheiden, die darunter verborgenen archetypischen Muster würden aber die gleichen bleiben. Die neuen Erzählungen würden sich wiederum an der Struktur der Heldenreise orientieren – auch wenn die Helden andere Namen hätten. Und Menschen würden auch weiterhin auf der Suche nach einem Mentor, der sie ein Stück des Weges auf ihrer Entwicklungsreise begleitet und unterstützt, ins Coaching kommen.
Auf der Grundlage von Campbells Arbeiten haben sich mittlerweile eine ganze Reihe von Autoren mit der Struktur der Heldenreise beschäftigt – mit der Frage, wie genau die universale Struktur nun gestaltet ist. Einer von ihnen ist Christopher Vogler, der lange Zeit auch für die Stoffentwicklung der Disney Studios und 20th Century Fox zuständig war. An seinen Ideen ist die zwölfphasige Struktur der Heldenreise angelehnt, die Sie gleich kennenlernen und die wir bei emTrace im Emotionscoaching nutzen (Vogler, 2007). Im Wesentlichen straffte er die Phasen der Heldenreise nach Campbell etwas und machte sie damit für die praktische Nutzung im Coaching anwendbarer. Dies mag daher rühren, dass Vogler sich vor allem an Drehbuchschreiber richtet, deren Interesse eher praktischer als theoretischer Natur ist. So, wie wir als Coaches unseren Klienten durch konkrete Hilfe zur Selbsthilfe zu einem erfüllteren Leben verhelfen wollen und dazu, proaktiv ressourcenvoll mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, haben Drehbuchautoren das Ziel, mit ihren Geschichten Menschen zu berühren und die Vorlage für einen erfolgreichen Film zu kreieren, der möglichst viele Zuschauer in die Kinos lockt.
Bevor Sie in den nachfolgenden Kapiteln jede der zwölf Phasen der Heldenreise detailliert kennenlernen (einschließlich der phasenspezifischen praktischen Schlussfolgerungen für ein Emotionscoaching auf Identitätsebene), schauen wir uns diese hier im Überblick an. Dies hilft Ihnen, sich auf den nächsten Seiten mit klarem Blick für die übergeordnete Struktur des Monomythos stets zu orientieren, wo Sie sich im Ablauf der Heldenreise gerade befinden.
Als ich die Struktur der Heldenreise das erste Mal kennenlernte, war es, als hätte jemand in einem dunklen Raum das Licht eingeschaltet: Plötzlich sah ich die Klarheit und zugleich die Schönheit, in der sich Entwicklungsprozesse auf natürliche Weise entfalten. Dies führte mich zu einem tieferen Verständnis der menschlichen Natur und schenkte mir eine Unzahl an praktischen Ideen, um Veränderungsprozesse im Coaching effektiv zu gestalten. So ähnlich ging es auch Vogler: „Campbell hatte es geschafft, den Geheimcode des Geschichtenerzählens zu entschlüsseln. Sein Werk war für mich wie eine Leuchtkugel, die plötzlich eine tiefdunkle Landschaft erhellt.“ (Vogler, 2007, S. 37)
Genau diese ehrfurchtsvolle Erfahrung wünsche ich auch Ihnen. Nehmen Sie sich Zeit, die Idee der Heldenreise über die nächsten Wochen auf sich wirken zu lassen, und reflektieren Sie den Ablauf der Phasen immer wieder – vor allem anhand praktischer Coachingfälle und Ihrer eigenen Erfahrungen im Leben. Und: Lassen Sie die Struktur im Hinterkopf mitlaufen, wenn Sie das nächste Mal einen Film anschauen oder eine Erzählung lesen. Dies wird Ihren Genuss und Blick für die feine Federführung des Autors nur mehr vertiefen.
Vorab eine wichtige Bemerkung: Nicht jede Entwicklung, nicht jede Erzählung muss alle Stationen der Heldenreise genau in dieser Reihenfolge beinhalten. Einige Phasen können fehlen, einige sich wiederholen. Den roten Faden werden Sie aber stets erkennen.
Der Held befindet sich in seiner alltäglichen Umgebung,
der gewohnten Welt
.
Er erhält den
Ruf des Abenteuers
.
Er zögert oder
verweigert den Ruf
.
Er
überschreitet die erste Schwelle
und begibt sich in die Welt des Abenteuers.
Der Held trifft einen
Mentor
,
der ihn ermutigt.
In der Welt des Abenteuers warten
Bewährungsproben, Verbündete und Feinde
auf ihn.
Er dringt zur
tiefsten Hölle
vor, wobei er die zweite Schwelle überschreiten muss.
Der Held stellt sich der
entscheidenden Prüfung
.
Nach seinem Sieg nimmt er die
Belohnung
an sich, ergreift sinnbildlich das Schwert.
Er tritt den
Rückweg
an, wo er weitere Herausforderungen meistern muss. Dabei überschreitet er die dritte und letzte Schwelle.
Der Held erlebt seine
Auferstehung
und wird durch diese Erfahrung grundlegend verändert.
Die
Rückkehr mit dem Elixier
,
dem Schatz oder einer sonstigen Ressource in die gewohnte Welt beendet schließlich die Heldenreise – bis der nächste Ruf des Abenteuers folgt.
Schauen Sie sich nach Ihren nächsten Coachingsitzungen die Struktur der Heldenreise an und reflektieren Sie – sofern es sich um ein emotionales Kernthema der dritten neuro-logischen Ebene handelt –, in welcher der zwölf Phasen sich der Klient in seiner Entwicklung aktuell befindet. Achten Sie zusätzlich darauf, auf welcher Achse im Motivkompass sich die Reise vollzieht: der Achse des sozialen Status (Harmonie & Geborgenheit – Durchsetzung & Einfluss), der Achse des situativen Status (Ordnung & Stabilität – Inspiration & Leichtigkeit), der Achse der Ich-Grenze (psychisches Immunsystem – psychisches Assimilationssystem) oder der Achse des persönlichen Wachstums (psychisches Sicherheitssystem – psychisches Aktionsausdauersystem). Denn wie im Film findet auch im Leben die Entwicklung immer entlang einer der vier Motivachsen statt.
Denken Sie anschließend darüber nach, welcher Film Ihrem Gegenüber in seiner aktuellen Situation einen Entwicklungsimpuls geben könnte. Dafür sollte die Entwicklungsreise des Helden auf der gleichen Motivachse verlaufen. Übrigens hatte bereits Joseph Campbell die Idee einer heldenreise-gestützten Psychotherapie, bei der der Therapeut zunächst analysiert, in welcher Phase der Heldenreise sich der Klient gerade befindet, um ihm dann passend zum aktuellen Entwicklungspunkt Mythen zu erzählen und damit das innere Wachstum anzuregen. Eine Idee, die wir im Rahmen des Story-Resourcing im Coaching mit emTrace integriert haben.
Da Entwicklung ein Prozess ist, spielt sie sich immer innerhalb eines zeitlichen Verlaufs ab. Die interessante Frage an dieser Stelle ist: Inwiefern entsprechen die Phasen der Heldenreise in ihrem Ablauf der tatsächlichen psychologischen Reaktion, mit der wir auf Ereignisse und speziell auf Veränderungen in unserem Leben reagieren?
Dies beleuchten wir nun näher und führen die Erkenntnisse dann im zentralen emTrace-Phasenmodell des persönlichen Wachstums zusammen.
Nähern wir uns der Beantwortung dieser Frage zunächst mit einem Blick darauf, wie sich die Heldenreise auf der Erfahrungsebene unseres Lebens widerspiegelt. Als ich Bestsellerautor Sebastian Fitzek diese Frage stellte, antwortete er: