Was dein Gesicht verrät - Dirk Eilert - E-Book

Was dein Gesicht verrät E-Book

Dirk Eilert

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Beschreibung

Menschen lesen, verborgene Signale entschlüsseln Sagt er die Wahrheit? Wird sie mich wirklich anrufen? Was denken die Kollegen über mich? Ist meine Partnerin noch glücklich oder steht unsere Liebe vor dem Aus? Wer möchte nicht mal hinter die Fassade schauen und wissen, was in den Köpfen anderer Menschen vorgeht, was sie denken und wie sie wirklich fühlen. Nichts ist so spannend wie Menschen zu "lesen" – nonverbale Signale in Mimik und Körpersprache bei sich und anderen zu entschlüsseln und so seine Mitmenschen und sich selbst besser zu verstehen. In Zeiten der Online-Kommunikation, in der wir uns z.B. ständig selbst in Videokonferenzen sehen, nimmt dieses Bedürfnis und der Wunsch, sich der eigenen Wirkung bewusst zu sein, enorm zu. Dirk W. Eilert, Top-Experte und Leiter der Eilert-Akademie, führt in seinem Buch durch alle relevanten Körpersprache-Themen und erzählt anschaulich seine kniffligsten, ungewöhnlichsten und berühmtesten Analyse-Fälle: Als Experte für die Presse, Gutachter für Banken, Berater und Coach für u.a. Polizei und Justiz, nicht zuletzt als Sparringspartner von Sebastian Fitzek bei seinem Thriller "Mimik" – über den alles entscheidenden Augenblick ... - Körpersprache-Wissen einfach zugänglich und unterhaltsam aufbereitet: Nonverbale Signale bei anderen entschlüsseln und sich selbst besser verstehen - Dirk Eilert gilt im deutschsprachigen Raum als führender Mimik- und Körpersprache-Experte

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Seitenzahl: 314

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Dirk Eilert

Mit Regina Denk

Was dein Gesicht verrät

Wie wir unsere Mimik und verborgenen Körpersignale entschlüsseln

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Nichts ist so spannend, wie die nonverbale Sprache zu »lesen« und so seine Mitmenschen und sich selbst besser zu verstehen. Als an­erkannter Experte und Leiter der Eilert-Akademie wird Dirk Eilert immer wieder gebeten, für die Presse oder als Gutachter für Unternehmen oder als Trainer der Polizei die Körpersprache von Menschen zu analysieren und so Aufschluss zu geben über die versteckten Gedanken und Intentionen. In seinem Buch erzählt er anschaulich von seinen kniffligsten, ungewöhnlichsten und berühmtesten Analyse-Fällen von Donald Trump über die Royals bis zum Wire­card-­Skandal. Dabei führt er durch alle relevanten Mimik- und Körpersprachethemen und öffnet auch den Blick für die Art und Weise, wie wir interagieren, wie unser Zusammenleben funktioniert und wie es besser werden könnte – analog und digital. Sein Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die ihre Mitmenschen besser verstehen – und durchschauen – möchten.

Inhaltsübersicht

Widmung

Eine kurze Geschichte der Wahrnehmung und Körpersprache

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

1  Die Bühne der Emotionen: Mimik

Die Entdeckung der Mikroexpressionen

Von Augenbrauen-Innenseiten und dem Hundeblick

Was Mimik so einzigartig macht

Surfen auf der Augenbrauen-Welle

Ich sehe was, was du nicht siehst

Wie Sie auf andere wirken

Von Wahrnehmungsfehlern und Denkfallen

Augenbrauen lügen nicht

Eine Lektion in Körpersprache von Carlo Ancelotti

2  Das Scharnier unserer Beziehungen: Kopfhaltung

Liebe – das Gefühl, das uns alle verbindet

Der Flirtquotient: Die geheime Formel des Liebeswerbens

Stolz – die Emotion, die uns nach Höherem streben lässt

Wie Sie unausgesprochene Einwände in der Mimik erkennen

Vom Journalistenblick und vonindividuellen Einwandsignalen

3  Das Fenster zu unserer Gedankenwelt: Gestik

Was die Blinzelrate verrät

Wenn unsere Gesten sprechen

Warum Sie niemals vorschnell urteilen sollten

Was Sie von Christian Lindner über Wirkung lernen können

Gesten verstehen ist wie Gedankenlesen

4  Die Grenzpfeiler unseres Territoriums: Füße und Beine

Was sind eigentlich Emotionen?

Vom Bedürfnis, gesehen zu werden

Wie Ihnen die Füße verraten, worauf die Aufmerksamkeit Ihres Gegenübers gerichtet ist

Die Mutter aller »Resting Bitch Faces«

Was Ihr Gang über Sie verrät

5  Der Schnappschuss unseres Befindens: Körperhaltung

Von Kriegern, Westernhelden und Fußballspielern

Wie Körpersprache unsere Emotionen beeinflusst

Was die Körperhaltung vom Rest der stillen Sprache unterscheidet

6  Der Drehzahlmesser unseres Nervensystems: Unbewusste Körperreaktionen

Was unsere psychophysiologischen Signale verraten

Von nassen Flitzern und durchgeschwitzten Hemden

Von Schnappatmung, weichen Knien und Herzrasen

Emotionen – die geheime Superkraft in uns

Was Ihre Lieblingsfilme über Ihre Persönlichkeit verraten

7  Die Jukebox unserer Emotionen: Stimme

Warum Körpersprache unsere Persönlichkeit verrät

Wie Ihre Körpersprache Ihre Persönlichkeit verrät

Der Ton macht die Musik

Was Ihnen der Sprechstil Ihres Gegenübers verrät

Was Ihnen der Stimmklang Ihres Gegenübers verrät

8  Der Ausdruckstanz unserer Beziehungsqualität: Zwischenmenschliches Bewegungsverhalten

Ein Blick sagt mehr als tausend Worte

Von sozialen Chamäleons und Distanzzonen

Wie Berührungen Intimität enthüllen

Wie Körpersprache die Scheidung vorhersagt

Sawubona

Dank

Leseprobe Sebastian Fitzek: MIMIK

Für die Sprache,

die uns seit Anbeginn der Menschheit verbindet.

Die stille Sprache der Mimik und des Körpers.

Eine kurze Geschichte der Wahrnehmung und Körpersprache

Die stille Sprache unseres Körpers fasziniert mich, seit ich denken kann. Ich war vier Jahre alt, als sich mir ein Erlebnis derart ins Gedächtnis einbrannte, dass ich mich noch heute daran erinnere: Ich sitze in der Wanne. Meine Mutter kommt ins Badezimmer und fragt: »Hast du dich schon gewaschen?« Ich antworte: »Ja!« Sie erwidert: »Du brauchst nicht zu flunkern. Ich sehe, dass du lügst, denn die Wahrheit steht dir ins Gesicht geschrieben.« Die Vorstellung, dass einem die Wahrheit ins Gesicht geschrieben sein soll, hat mich sehr beeindruckt. Als meine Mutter kurz darauf durchs Schlüsselloch guckte, sah sie mich wie verrückt die Stirn rubbeln, weil ich abwaschen wollte, was auch immer darauf stand.

Als Jugendlicher las ich dann den Sherlock-Holmes-Krimi »Eine Studie in Scharlachrot«, und aus dem entzündeten Flämmchen meiner Faszination wurde ein loderndes Feuer. Dort stand: »Eines Menschen geheimste Gedanken lassen sich aus einem plötzlichen Mienenspiel, dem Zucken eines Muskels oder dem Blick eines Auges erschließen. Es ist unmöglich, einen in Beobachtung und Analyse Ausgebildeten zu täuschen.« Zwei Sätze, die mich ebenso begeisterten wie motivierten. Die Mimik und Körpersprache anderer Menschen zu beobachten, ist für mich eine der spannendsten Beschäftigungen der Welt und gleichzeitig eine wunderbare Art, die eigene Achtsamkeit zu trainieren.

Was für mich spannend ist, war für meinen Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Dirk – und übrigens auch für Ihre Vorfahren – keine Freizeitbeschäftigung, sondern pure Überlebensstrategie. Das kleine Zucken im Gesicht des Höhlengenossen konnte einen lebensbedrohlichen Kampf ankündigen, das subtile Schürzen der Lippen eine Chance zur Paarung. Die Jäger und Sammler, die Wildbeuter vor 15000 Jahren waren uns im Lesen und Deuten von Mimik haushoch überlegen. Wir wissen sogar, dass seit dieser Zeit das durchschnittliche menschliche Gehirn geschrumpft ist. In der digitalen Wüste der Neuzeit droht unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu verdorren. Der ständige Blick in den schwarzen Spiegel unserer Handys und Monitore fordert seinen Tribut, denn das Gehirn funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Use it or lose it. Wenn wir unsere nonverbale Wahrnehmung nicht fordern, geht sie ein wie eine Pflanze, die kein Wasser bekommt.

Heute ist es normal, sich im Restaurant gegenüberzusitzen und dabei mehr auf das eigene Smartphone zu schauen als in das Gesicht des Gegenübers. Wir leben in einer Welt, in der wir dank Zoom & Co. denkbar leicht Kontakt zu jedermann halten können, und doch war es nie herausfordernder, unsere Aufmerksamkeit dem Menschen zu schenken, der gerade vor uns sitzt. Tatsache ist, dass wir heutzutage jeden zweiten Gesichtsausdruck falsch interpretieren oder sogar übersehen – eine fatale Entwicklung, zeigt die Forschung doch: Wer die feinen Signale der stillen Sprache entschlüsseln kann, ist erfolgreicher im Beruf, ein besserer Partner und Elternteil und führt ein glücklicheres und sogar gesünderes Leben.

Auch heute noch kann die präzise Wahrnehmung von Körpersprache über ein Schicksal entscheiden. Der Schauspieler Will Smith schildert in seiner Autobiografie, dass er als Kind ständig Angst vor einer unvorhergesehenen Wutattacke seines Vaters hatte. Dies habe seine Wahrnehmung für Details geschärft. Er habe sehr früh gelernt, die nonverbalen Signale seines Vaters richtig zu deuten, um dessen Zorn und damit einer drohenden Tracht Prügel zu entgehen. Für ihn war das überlebenswichtig. Dabei verfügt Will Smith nicht über ein besonderes Talent, wir alle werden als Gesichterleser geboren. Das Nonverbale zu entschlüsseln ist eine Fähigkeit, die uns mit in die Wiege gelegt wurde.

Haben Sie schon mal darauf geachtet, wohin ein kleines Kind zuerst schaut, wenn es auf dem Spielplatz hinfällt? Wenn Sie selbst Kinder haben, können Sie das wohl sofort beantworten: zur Mama oder zum Papa. Lächelt die Mutter, weiß das Kind: »Alles in Ordnung!«, und spielt einfach weiter. Huscht hingegen ein Schmerzausdruck über die Mimik, versteht es: »Oh, das hat wehgetan!«, und schon fließen die Tränen. Kleine Wesen, die gesprochene Worte noch nicht verstehen, können ihrer Welt nur Bedeutung geben, indem sie die Körpersprache und vor allem die Mimik ihrer Bezugspersonen genau beobachten und interpretieren.

Will Smith hat sich diese Wahrnehmungsfähigkeit, die uns allen innewohnt, lediglich bewahrt und sie verfeinert – was ihm, wie er selbst beschreibt, einen entscheidenden Karrierevorteil verschaffen sollte. Nun mögen Sie sich fragen: Wenn diese Fähigkeit so wichtig ist, warum beherrschen wir sie dann nicht alle aus dem Effeff? Das würden wir tatsächlich, gäbe es da nicht die vier apokalyptischen Reiter der nonverbalen Wahrnehmung, die unsere empathischen Fähigkeiten in Grund und Boden trampeln: Medienkonsum, Mythen, Erziehung und Sprachentwicklung.

Wie schädlich der übermäßige Konsum digitaler Medien für die Wahrnehmungsfähigkeit sein kann, hat erst vor wenigen Jahren eine Studie der Universität von Kalifornien wieder gezeigt: 51 Jugendliche im Alter zwischen 11 und 13 Jahren verbrachten fünf Tage in einem Naturcamp – ohne Fernsehen, Smartphone und Computer. Statt auf der Playstation zu zocken, erforschten sie den Wald, absolvierten Orientierungsläufe und lösten weitere Aufgaben, bei denen sie mit ihren Kameraden zusammenarbeiten mussten. Vor dem Aufenthalt im Camp und danach wurde getestet, wie gut die Jugendlichen im Deuten nonverbaler Signale waren. Der Vorher-/Nachher-Vergleich beeindruckt: Schon nach fünf Tagen »Elektronik-Diät« entschlüsselten sie die nonverbalen Signale und Emotionen ihrer Freunde treffsicherer.

Dass übermäßiger Konsum digitaler Medien unsere Fähigkeit zum Wahrnehmen nonverbaler Signale vernebeln kann, wird niemanden überraschen. Es geht aber nicht darum, digitale Medien zu verteufeln und komplett zu meiden. Mit dem Medienkonsum verhält es sich ähnlich wie mit Fast Food. Eine Pizza macht uns nicht krank oder übergewichtig – erst wenn wir uns fast nur noch von Burgern, Pommes & Co. ernähren, wird es ungesund. Wie so oft im Leben ist das rechte Maß entscheidend.

Auch der zweite apokalyptische Reiter auf dem Feld der nonverbalen Wahrnehmung hängt mit Medienkonsum zusammen. Es geht um Mythen, also vermeintliche Fakten, die über die Medien den Weg in unseren Kopf finden. Im Hollywoodthriller »Verhandlungssache« entlarvt Samuel L. Jackson einen Lügner, der nach rechts oben schaut. Auf dessen Frage: »Woher wissen Sie, dass ich lüge? Lesen Sie meine Gedanken?«, antwortet Jackson: »Nein, das mache ich nicht. Ich lese Ihre Augen. Die Augen können nicht lügen … Das ist, was echte Cops tun!« Vor Verblüffung denkt der unbedarfte Zuschauer: »Wow, den Trick merke ich mir.« Und zack – ist der nächste Mythos in unserem Gehirn. Denn die Blickrichtung verrät nicht das Geringste darüber, ob ein Mensch lügt oder die Wahrheit sagt.

Weitere solcher Mythen werden wir im Verlauf dieses Buches entzaubern, um Ihre nonverbale Wahrnehmung zu entstauben und ihr zu neuem Glanz zu verhelfen. Mit der medialen Falschdarstellung von Körpersprache aufzuräumen, ist mir eine Herzenssache. Deswegen war es für mich eine besondere Freude, meinen Freund, den Bestsellerautor Sebastian Fitzek, bei seinem Psychothriller »Mimik« zu beraten und unter anderem für den »Tatort Dortmund« als Drehbuch-Berater zu arbeiten. Unterschätzen Sie niemals die Wirkkraft medialer Botschaften und prüfen Sie diese stets kritisch auf ihren Wahrheitsgehalt – nicht nur in Bezug auf vermeintliche Körpersprache-Weisheiten. Zu schnell prägen sich sonst diese Mythen ein und führen im echten Leben zu Mutmaßungen und Missverständnissen.

Bevor uns Medien die Sinne zu vernebeln vermögen, hat uns bereits die Erziehung geprägt, der dritte apokalyptische Reiter der nonverbalen Wahrnehmung. »Ein Junge weint nicht«, »Ein Indianer kennt keinen Schmerz« oder »Lächle doch mal« – Sprüche wie diese kennt wohl jeder aus seiner Kindheit. Einmal im Kopf, wirken sich solche Sätze und das mit ihnen verbundene Weltbild auch noch im Erwachsenenleben aus. Sie entkoppeln uns von unseren Gefühlen, trüben die Wahrnehmung nach innen wie nach außen.

Das Fatale daran: Je weniger wir die eigenen Emotionen wahrnehmen, desto schlechter erkennen wir auch, wie sich unsere Mitmenschen fühlen. Manche solcher Gedankenviren betreffen sogar direkt die nonverbale Wahrnehmung. »Warum ist der Junge so gemein zu mir?«, fragt die kleine Luisa ihre Mama, nachdem sie geschubst wurde und der Übeltäter ihr auch noch die Zunge rausgestreckt hat. Die Mutter behauptet in guter Absicht: »Das macht er nur, weil er dich mag!« Und schon beschlägt die Brille ihrer nonverbalen Wahrnehmung noch ein bisschen mehr.

Der vierte und letzte apokalyptische Reiter ist die Sprachentwicklung. Je weiter ein Kind im Erwerb seines Sprachschatzes voranschreitet, desto mehr tendiert es dazu, die gesprochenen Worte den körpersprachlichen Signalen vorzuziehen. Es schenkt dem Verbalen immer mehr Aufmerksamkeit und vergisst irgendwann, dass die Menschen im Kern ihres Seins nonverbal kommunizierende Wesen sind.

In der individuellen Entwicklung wiederholt sich im Schnelldurchgang die stammesgeschichtliche Entwicklung der Menschheit. Sprache ist erst schätzungsweise 35000 Jahre alt – aus Sicht der Evolution ist sie ein Fliegenschiss im Raum-Zeit-Gefüge. Unsere archaischen Vorfahren haben rein körpersprachlich kommuniziert. In uns schlummert noch ein urzeitliches Wissen, das wir aktivieren, wenn wir Urlaub in fremden Ländern machen. Sprechen wir die Sprache unseres Gegenübers nicht, verständigen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen. Wir setzen die komplette Körpersprache samt allen möglichen Grimassen ein, um uns anderen mitzuteilen. In solch seltenen Momenten wird sich jeder bewusst, welch enorme Bedeutung die stille Sprache des Körpers hat. Eine Sprache, mit der sich unsere menschlichen Vorfahren schon vor Millionen Jahren verständigt haben.

Lassen Sie uns ein kleines Experiment machen, damit Sie direkt spüren, wie sehr das Gehirn Worte gegenüber dem Nonverbalen bevorzugt. Beim Stroop-Test müssen die Versuchspersonen die Farbe benennen, in der das auf einem Monitor erscheinende Wort geschrieben ist. Das Fiese daran ist, dass das Wort selbst auch eine Farbe benennt. Sie lesen also zum Beispiel das Wort »Blau«, das aber in Grün geschrieben ist. Wenn Sie Lust haben, googeln Sie »Stroop-Effekt« und probieren Sie es aus. Und wenn Sie so richtig Spaß dabei haben wollen, suchen Sie sich dafür ein »Versuchskaninchen« in Ihrer Umgebung und überraschen Sie die Person mit dieser scheinbar einfachen Aufgabe.

Wenn es Ihnen so geht wie den meisten, wird sich das geschriebene Wort gegen die Farbe durchsetzen – zumindest werden Sie merken, wie Ihr Kopf Schwerstarbeit leistet, um die Aussage des Wortes zu unterdrücken. Das Lesen ist so stark automatisiert, dass es von ganz allein abläuft. Aus diesem Grund fällt Kindern, die noch nicht lesen können, der Stroop-Test leicht. Im Gespräch verhält sich das gesprochene Wort zur Körpersprache wie das geschriebene Wort gegenüber der Farbe. Wir haben so sehr verlernt, die stille Sprache des Körpers wahrzunehmen, sind so sehr daran gewöhnt, auf den Inhalt des Gesagten zu achten, dass wir die unwillkürlichen Körpersprache-Signale unserer Mitmenschen schlichtweg übersehen. Die gute Nachricht: Das können Sie ganz leicht wieder erlernen oder, genauer gesagt: Sie werden sich sehr schnell wieder an diese Fähigkeit erinnern.

Dabei werde ich Sie begleiten. Sie werden Ihr Geschick in der Wahrnehmung nonverbaler Signale wiederentdecken und Dinge im Miteinander sehen, von denen andere nicht mal ahnen, dass es sie gibt. Erkunden wir gemeinsam die faszinierende Welt der stillen Signale. Begeben Sie sich mit mir auf eine Reise durch meine spannendsten Analyse-Fälle. Erfahren Sie, wozu Körpersprache in der Lage ist, wie man sie präzise entschlüsselt und welche Geschichten die stille Sprache erzählt. Auf diese Weise werden Sie sich mehr und mehr an die universale Sprache erinnern, die wir alle – zumindest unbewusst – sprechen, deren präzise Entschlüsselung die meisten aber verlernt haben. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude und Inspiration.

Noch eine wichtige Bemerkung vorab: Inklusivität und eine geschlechtersensible Sprache sind mir wichtig. In diesem Buch sind stets alle Geschlechter gemeint, auch wenn – mit Rücksicht auf Lesbarkeit und Sprachästhetik – nicht immer alle möglichen Formen aufgezählt werden.

Gebrauchsanleitung für dieses Buch

Spontan aus dem Bauch heraus, was meinen Sie, wie unterscheiden sich Freude, Liebe, Stolz in der Mimik eines Menschen? Die Antwort lautet: gar nicht. Bei allen drei Emotionen sehen Sie ein Lächeln und lachende Augen im Gesicht Ihres Gegenübers. Würden wir den Blick nur auf die Mimik richten, hätten wir keine Chance, neben Freude auch Stolz und Liebe zu erkennen. Der Unterschied, den diese Emotionen im Verhalten eines Menschen ausmachen, ist aber enorm. Liebe geht mit dem Kuschelhormon Oxytocin einher und sorgt dafür, dass wir eine emotionale Bindung eingehen und uns um unsere Kinder kümmern. Stolz hingegen hängt mit dem Dominanzhormon Testosteron zusammen und sorgt beispielsweise dafür, dass wir uns beim Verhandeln durchsetzen oder motiviert die nächste Joggingrunde drehen. Doch erst wenn wir den Blick über die Mimik hinaus erweitern und die Kopfhaltung miteinbeziehen, erkennen wir – neben Freude – Liebe und Stolz. Überlegen Sie schon mal, wie sich die Kopfhaltung dabei unterscheiden könnte, im zweiten Kapitel steigen wir dann tiefer in diese Materie ein.

Dieses Buch stellt Ihnen in acht Kapiteln die Big 8 der Mimikresonanz vor, die acht nonverbalen Beobachtungskanäle – wie Mimik, Gestik oder Körperhaltung –, die sämtliche unbewussten Signale in der Körpersprache eines Menschen abdecken. Warum für die Entschlüsselung der stillen Sprache das Gesicht mit seinem Mienenspiel dennoch zentral bleibt, erfahren Sie direkt im ersten Kapitel. Weil die Mimik im Orchester der Körpersprache die erste Geige spielt, werden sich ihre Signale durch alle Kapitel ziehen. Die zentrale Rolle, die Mimik für die Dekodierung der gesamten Körpersprache spielt, erklärt auch, warum ich die von mir im Jahr 2011 entwickelte Körpersprache-Methode Mimikresonanz genannt habe. Der Begriff als solcher hebt zwar die Bedeutung des Mienenspiels hervor, dennoch trainieren wir mit dieser Methode stets das Lesen aller körpersprachlichen Signale. Mimikresonanz erklärt dabei nicht nur die nonverbalen Signale und die Körpersprache an sich, sondern auch, wie wir emotional und empathisch darauf reagieren.

Beginnen wir mit einer zentralen Erkenntnis dieses Buches wie der modernen Körperspracheforschung insgesamt: Es gilt stets die gesamte Körpersprache eines Menschen in den Blick zu nehmen. Daraus ergibt sich der wichtigste Mimikresonanz-Grundsatz: Halte niemals nur nach Einzelsignalen Ausschau, sondern achte stets auf Signalcluster.

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind im Bewerbungsgespräch. Als Sie erzählen, dass Sie ein Jahr bei der Konkurrenz gearbeitet haben, kratzt sich die Personalleiterin im Gesicht. Was verrät Ihnen das? Sie könnte tatsächlich gerade Stress verspüren, oder es juckt sie einfach nur. Beobachten Sie allerdings, dass sie sich nicht nur kratzt, sondern auch drei Mal rasch hintereinander blinzelt und Wörter wiederholt (»Wenn ich … wenn ich …«), dann haben Sie schon drei Signale entdeckt, also ein Signalcluster, verteilt auf drei nonverbale Beobachtungskanäle – Gestik, Mimik und Stimme –, die darauf hinweisen, dass die Personalerin gestresst ist. Solch ein Cluster ist zwar immer noch kein Beweis, es ist aber ein sehr zuverlässiger Hinweis. Beachten Sie in der Analyse von Körpersprache stets die 3–2-Regel: Kann man drei oder mehr Signale wahrnehmen, verteilt auf mindestens zwei Beobachtungskanäle, ist sehr verlässlich zu deuten, was in Ihrem Gegenüber gerade vor sich geht.

Vier Grundwerte, die mir persönlich sehr am Herzen liegen, werden uns auf der gemeinsamen Reise durch die Welt der stillen Sprache als Kompass dienen. Der erste Wert ist Präzision. Körpersprache zu entschlüsseln hat nichts mit Raten zu tun. In diesem Buch finden Sie konkrete, auf Beobachtungsebene beschriebene Signale und deren Bedeutung. Wenn Sie noch umfassender in die Entschlüsselung einsteigen möchten, können Sie alle nonverbalen Zeichen in dem von mir entwickelten »Periodensystem der Körpersprache« nachschlagen und vertiefen (»Körpersprache entschlüsseln & verstehen: Die Mimikresonanz-Profibox«, erschienen im Junfermann-Verlag; mit Verweisen auf die wissenschaftlichen Studien, die diesen Signalen zugrunde liegen). Diese können Sie sich darüber hinaus im Servicebereich der »Mimikresonanz-Profibox« anschauen. Registrieren Sie sich dafür einfach kostenfrei unter www.mimikresonanz-profibox.com. Im Login-Bereich finden Sie mehr als achtzig Videos, die sowohl alle nonverbalen Signale als auch die Emotionen veranschaulichen, die Sie auf den nächsten Seiten kennenlernen werden.

Zweitens muss Körpersprache – wie bereits deutlich gemacht – ganzheitlich betrachtet werden. Wir werden deshalb stets die Gesamtkörpersprache deuten und mit einem Blick fürs Ganze analysieren, wie verschiedene Einzelsignale erst in ihrem Zusammenspiel ein klares Bild erzeugen – so wie bei einem Puzzle nur durch das gemeinsame Wirken aller Einzelteile der Zauber eines atemberaubenden Landschaftspanoramas sichtbar wird.

Drittens basieren die Signale, die wir uns anschauen werden, auf aktuellen Studien und den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft. Sie erfahren also von Signalen, auf die Sie sich wirklich verlassen können. Das ist für meine körpersprachliche Arbeit zum Beispiel besonders wichtig, wenn ich mit Sondereinheiten der Polizei trainiere. Verhandlungen mit einem Geiselnehmer lassen keinen Spielraum für Fehler in der Entschlüsselung der nonverbalen Signale.

Der vierte Grundwert, der mir besonders am Herzen liegt, ist die Haltung, mit der dieses Wissen eingesetzt wird. Die afrikanische Grußformel Sawubona reflektiert dieses Prinzip auf wundervolle Weise. Sawubona heißt übersetzt so viel wie »Ich sehe dich«: Ich sehe dich als Menschen mit all deinen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen. Ich nehme dich zu 100 Prozent wahr. Andere Menschen wirklich zu sehen und in ihrer Ganzheit zu verstehen ist der Kern dessen, worum es bei der Entschlüsselung von Körpersprache für mich geht. Deshalb habe ich 2015 auch einen gemeinnützigen Verein – die Deutsche Gesellschaft für Mimikresonanz – gegründet, der sich dafür einsetzt, dass Empathie als Unterrichtsfach eingeführt wird. Damit unsere Kinder, wenn sie die Schule verlassen, nicht bloß die Anatomie des Regenwurms und den Satz des Pythagoras verstanden haben, sondern emotions- und lebensfit sind.

Die Geschichten und Anekdoten in diesem Buch erzählen von meinen Erfahrungen. Wenn Sie Körpersprache aber wirklich meistern wollen, ist es essenziell, dass Sie eigene Erfahrungen sammeln. Ausgerüstet mit Know-how und Wissen rund um die verborgenen Signale der Körpersprache, ist und bleibt das Leben der beste Lehrmeister. Nutzen Sie Ihren Alltag als Trainingsparcours. Schauen Sie Talkshows, Diskussionsrunden und Realityshows. Seien Sie achtsam in Ihren täglichen Gesprächen mit Freunden, Kindern oder dem Partner und beobachten Sie wertschätzend im Restaurant das Paar am Nebentisch. Ich verspreche Ihnen: Sie werden spannende Dinge entdecken. In diesem Sinne: Let the journey begin.

1Die Bühne der Emotionen: Mimik

Oder: Wie ein einziger Gesichtsausdruck über Leben und Tod entscheiden kann

Das Leben entscheidet sich manchmal in einem einzelnen Augenblick, und oft sind wir uns in einem solchen Moment dieser Tragweite gar nicht bewusst. Eine ganz alltägliche Situation kann dann sogar über Leben und Tod entscheiden. So wie an dem sonnigen Herbsttag im Oktober 2004, als Michelle vor mir stand und ich ihr eine Frage stellte, die wir alle schon tausendmal gestellt haben, und eine Antwort bekam, die wir alle schon tausendmal gegeben haben. Die Frage war: »Wie geht es Ihnen?«, und die Antwort: »Gut!«

Michelle war eine Traumapatientin von mir. Ihr war das Schlimmste widerfahren, was Eltern erleben können: Durch einen tragischen Autounfall hatte sie ihre zwölfjährige Tochter verloren. Als Therapeut sollte ich ihr dabei helfen, diese schreckliche Erfahrung emotional zu verarbeiten. In den ersten drei Sitzungen hatten wir bereits die furchtbarsten inneren Bilder bearbeitet, die sich ihr immer wieder aufdrängten. Als ich sie an diesem Morgen begrüßte, ahnte ich nicht, welchen Verlauf diese Sitzung nehmen sollte.

Wir setzen uns, und ich frage sie, wie es ihr geht. Sie antwortet: »Großartig, es geht mir schon viel besser!« Was mir in diesem Moment auffällt, ich aber fast übersehen hätte, war das kurze Zucken ihrer Augenbrauen-Innenseiten. Ich hake nach: »Geht es Ihnen wirklich gut?« – »Ja«, und ihre Augenbrauen huschen wieder nach oben. Jetzt bin ich mir sicher, dass das kurze Zucken keine Einbildung war. Ich nutze eine Technik, die ich Resonanzaussage nenne, um Michelles Wahrheit Raum zu geben: »Michelle, ich höre Ihre Worte, ich habe aber das Gefühl, dass Sie gerade tieftraurig sind«, schildere ich meine persönliche Wahrnehmung. Sie bricht daraufhin in Tränen aus und gesteht mir, dass sie in Wirklichkeit gerade darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen.

Für Michelle war das der Schlüsselmoment ihrer Therapie. Er hat eine tiefe Heilung ermöglicht – und ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Mich hat dieser Augenblick für immer verändert. Ich hatte etwas in Michelles Gesicht gesehen, das ich zwar unbewusst richtig eingeordnet hatte, aber damals noch nicht voll verstand. Es war einer meiner ersten Mimikresonanz-Momente.

Die Entdeckung der Mikroexpressionen

Oder: Warum Mimik schneller als der Verstand ist

Doch was hatte ich in der Mimik meiner Patientin beobachtet? Diese Frage ließ mich nicht los. Noch am selben Abend durchforstete ich bis in die späte Nacht das Internet und Datenbanken wissenschaftlicher Studien. Ich fühlte mich wie ein Kind auf der Suche nach dem versteckten Osternest. Ich wusste, dass es irgendwo verborgen war. Aber wo genau? Was waren die richtigen Suchbegriffe? Ah, da wird es wärmer … Mist, doch wieder kalt. Ich war kurz vorm Aufgeben.

Um drei Uhr nachts stieß ich auf eine Studie aus dem Jahr 1966. Auf meinem Bildschirm flackerte der Begriff: Micromomentary Facial Expressions. Oder einfacher: Mikroexpressionen. Den amerikanischen Psychologen Ernest Haggard und Kenneth Isaacs war es Mitte der 1960er-Jahre ähnlich ergangen wie mir. Mehr durch Zufall als durch bewusste Absicht waren sie in einem Experiment auf subtile Gesichtsausdrücke aufmerksam geworden, die keine 500 Millisekunden lang über das Gesicht huschen. So unscheinbar diese Mikroexpressionen auch sind und so leicht sie von Laien übersehen werden können, so zuverlässig verraten sie die wahren Gefühle eines Menschen.

Körpersprache-Insight: Was ist eine Mikroexpression?

Mikroexpressionen sind sehr kurze, limbisch – also emotional – ausgelöste und damit unwillentliche Gesichtsausdrücke, die sich nur für Sekundenbruchteile (< 500 Millisekunden) in Teilbereichen der Mimik zeigen. In der Regel enthüllen sie Emotionen, die derjenige verstecken möchte. Von Makroexpressionen (das sind die normalen Gesichtsausdrücke im Alltag, ein höfliches Lächeln zum Beispiel) unterscheiden sie sich dadurch, dass wir sie nicht bewusst kontrollieren können. Im Zeitfenster der ersten 500 Millisekunden gibt es also kein Pokerface.

Wie kommt es zu Mikroexpressionen? Dazu eine Anekdote aus meinem Leben. Im Jahr 2017 verbrachte ich die Sommerferien mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern in Orlando, Florida. Die zwei Wochen waren eine emotional berührende Zeit für mich und meine Familie. Von der National Speakers Association, dem größten Rednerverband der USA, wurde ich in den Rang eines CSP (Certified Speaking Professional) erhoben, eine sehr hohe Auszeichnung. Wir feierten mit unserer großen Tochter ihren zehnten Geburtstag in Disney World, schwammen mit Delfinen und genossen die gemeinsame Zeit. Kurzum: Es war der Wahnsinn. Und dann ging es zurück. Vor unserer Abreise aus Deutschland hatte ich für den Tag nach dem Rückflug einen Vortrag in München zugesagt, deshalb nahm ich einen anderen Flieger als meine Familie.

Als wir uns verabschieden mussten, kamen mir plötzlich die Tränen. Ich heulte einfach drauflos. Meine Kinder fingen auch an zu weinen, schließlich stimmte dann noch meine Frau mit ein. So standen wir alle gemeinsam heulend am Flughafen und lagen uns in den Armen. Der Abschied aber war unvermeidlich, und so lief ich mutterseelenallein durch den Flughafen, immer noch heulend. Eigentlich müsste ich sagen: Ich wurde geheult. Die Tränen flossen ganz von allein. Und meine Augenbrauen-Innenseiten zuckten einfach hoch – das gleiche Signal, das Michelle dreizehn Jahre zuvor in unserer Sitzung gezeigt hatte. Als mich eine sehr strenge Dame von der Security anpflaumte, ich stünde in der falschen Reihe, war es um mich geschehen – sie war für Mimik offenbar ganz unempfänglich. Eine nette Geste der Aufforderung hätte hier vollkommen genügt. Trauer gehört nämlich wie Schuld und Scham zu den sogenannten submissiven Emotionen, die uns eher zum Anpassen als zum Anecken motivieren.

Welche Erkenntnis steckt in diesem Erlebnis? Unsere Mimik wird zweifach gesteuert. Sie zuckt unwillkürlich, auch wenn wir es gar nicht wollen. Wir können das Gesicht aber auch bewusst verziehen, zum Beispiel gute Miene zum bösen Spiel machen und unseren Groll hinter einem Lächeln verstecken. Zu Ersterem kommt es, weil die Gesichtsmuskulatur direkt mit dem limbischen System verdrahtet ist, das ist vereinfacht gesagt das Emotionsnetzwerk im Gehirn. Eine bewusste Bewegung wird hingegen vom motorischen Cortex ausgelöst, der vom Verstand kontrolliert wird. Will unser Verstand eine Emotion – in meinem und auch damals in Michelles Fall die Trauer – nicht zeigen, versucht er, den emotionalen Impuls zu unterdrücken. Der motorische Cortex kämpft gegen das limbische System an. Das schafft er aber nicht ganz, und so bahnt sich hinter der Maske des Lächelns die wahre Emotion in Form einer Mikroexpression den Weg nach außen – für den Laien unbemerkt, doch für den geschulten Beobachter im Gesicht des Gegenübers erkennbar.

Dieses Prinzip gilt übrigens nicht nur für unangenehme Emotionen, sondern auch für angenehme. Vielleicht kennen Sie das noch aus der Schulzeit: Der Klassenclown reißt einen Witz, und alle Kinder lachen – obwohl sie eigentlich wissen, dass es besser wäre, jetzt gerade nicht zu lachen, weil der Lehrer das überhaupt nicht lustig fand. Als Kind gelingt uns die emotionale Kontrolle noch nicht so gut wie in späteren Jahren. Das liegt daran, dass der präfrontale Cortex – der unter anderem für das Runterregulieren der Emotionen zuständig ist – erst nach der Pubertät seine volle Kraft entfaltet. Denken Sie nur mal an den Aprilscherz; hier entlarven sich unsere Kleinen meist selbst, weil sie plötzlich laut loslachen müssen oder zumindest bis über beide Ohren grinsen. Die Freude, jemanden an der Nase herumzuführen, zeigt sich bei Erwachsenen dann nicht mehr so deutlich, bei ihnen lachen meist nur noch subtil die Augen. Mehr dazu, wie Sie potenzielle Täuschungsmanöver Ihres Gegenübers entlarven, im dritten Kapitel.

Von Augenbrauen-Innenseiten und dem Hundeblick

Oder: Wie man im Tierheim schneller adoptiert wird

Was bedeutet nun konkret das Hochziehen der Augenbrauen-Innenseiten, das sowohl ich als auch meine Patientin Michelle gezeigt hatten? Dabei handelt es sich um ein zuverlässiges Zeichen für die Primäremotion Trauer, ein Gefühl, das wir im Alltag je nach Intensität mit Begriffen wie bedrückt, betroffen, desillusioniert, enttäuscht, niedergeschlagen, resigniert, unglücklich oder gar verzweifelt umschreiben. Es äußert sich vor allem darin, dass sich in der Stirnmitte waagerechte Falten bilden. Und wieso sage ich, dieses Signal sei zuverlässig? Schnappen Sie sich bitte kurz Ihr Handy, aktivieren Sie die Frontkamera und probieren Sie aus, ob Sie ganz bewusst die Innenseiten Ihrer Augenbrauen hochziehen können. Aber wirklich nur die Innenseiten. Die Falten auf der Stirn dürfen sich nur im Zentrum zeigen, nicht außen.

Wenn Sie das nicht schaffen, keine Sorge. Ein zuverlässiges Signal ist genau dadurch gekennzeichnet, dass man diese Bewegung gemeinhin nicht bewusst nachmachen kann, nur circa 10 bis 20 Prozent der Menschen schaffen das ohne Training. Das Spannende ist aber: Wenn wir traurig sind, zeigen wir diese Bewegung trotzdem alle – nur eben nicht bewusst, sondern limbisch und damit unwillentlich ausgelöst.

Der zweite Punkt, der »zuverlässig« definiert, ist, dass das Signal kulturübergreifend auf eine bestimmte Emotion hinweist. Und das ist beim Hochziehen der Augenbrauen-Innenseiten der Fall. Egal wohin Sie reisen, ob nach Paris, Sydney, Kapstadt oder Papua-Neuguinea: Ist ein Mensch traurig, zeigt er diesen Gesichtsausdruck – häufig kombiniert mit dem Runterziehen der Mundwinkel oder dem Zittern des Kinnbuckels.

Es ist sogar noch mehr als kulturübergreifend, wir teilen es mit dem besten Freund des Menschen – dem Hund. Jedes Frauchen und auch Herrchen weiß, wie schwer es ist, dem herzzerreißenden Hundeblick standzuhalten, ohne nachzugeben. Achtung, lieber Hundefreund, jetzt wird es hart. Ganz hart! Diesen Gesichtsausdruck setzen die Vierbeiner nämlich ganz »bewusst« ein, um uns zu manipulieren. Studien konnten belegen, dass der Hundeblick gar keine Trauer ausdrückt, sondern das Tier vielmehr versucht, seinen Menschen um den Finger zu wickeln. Mit Erfolg: Ein Experiment konnte zeigen, dass Hunde, die dieses Mienenspiel innerhalb von zwei Minuten fünf Mal machten, im Durchschnitt nach 50 Tagen aus dem Tierheim adoptiert wurden. Zeigte der Vierbeiner den Hundeblick hingegen 15 Mal in derselben Zeit, so dauerte es nur knapp halb so lang, nämlich 28 Tage. Hunde haben sich in den 15000 Jahren, seit sie mit uns zusammenleben, offenbar wahnsinnig gut angepasst und eine Menge von uns abgeguckt. Sie haben sogar Hirnareale entwickelt, die auf die Verarbeitung menschlicher Gesichter spezialisiert sind.

Was Mimik so einzigartig macht

Oder: Warum es im Penthouse bequemer ist

Nicht nur Hundehirne lieben Gesichter, auch unser Menschengehirn tut dies. Es ist hoch spezialisiert darauf, Gesichter zu erkennen und darin zu lesen. Stellen Sie sich vor, Sie laufen die Straße entlang, und Ihnen kommt ein alter Schulfreund entgegen. Haben Sie ihn erblickt, braucht Ihr Gehirn nur den Bruchteil einer Sekunde, um sein Gesicht von allen anderen Ihnen bekannten und unbekannten Gesichtern zu unterscheiden. Auch wenn Ihnen der Name nicht sofort einfällt und Sie die Person nicht gleich zuordnen können, genügt der Blick ins Gesicht, um zu wissen: »Den kenne ich doch von irgendwoher!« Mit diesem einen Blick versuchen wir aber noch viel mehr zu deuten, etwa das Geschlecht einer fremden Person, ihr ungefähres Alter, mögliche Charakterzüge und die Gefühlslage. Das Gesicht transportiert mehr Informationen als jeder andere Bereich der Körpersprache.

Die Spezialisierung unseres Gehirns auf die Erkennung von Gesichtern ist aus evolutionärer Sicht ein klarer Überlebensvorteil. Sie erklärt, weshalb unser Gehirn Gesichter so liebt und sie gegenüber anderen Dingen bevorzugt behandelt. Es liebt Gesichter so sehr, dass wir manchmal sogar welche sehen, wo gar keine sind. Denken Sie nur an den »Mann im Mond«, ein scheinbares Gesicht auf der Mondscheibe, oder an die Emoticons, die wir in E-Mails nutzen. So macht das Gehirn aus einem Doppelpunkt und einer geschlossenen Klammer ein lächelndes Gesicht. :) Entdecken wir diese Zeichenfolge, springt im Gehirn sogar das fusiforme Gesichtsareal an. Gesichtsareal? Ja, und ob! Die Entschlüsselung der Mimik ist derart wichtig, dass wir einen eigenen Gehirnbereich haben, der sich nur um die Verarbeitung des Gesichts und seiner Signale kümmert. Der Rest der Körpersprache wird in anderen Hirnarealen verarbeitet.

Man könnte also sagen, dass die Mimik im Penthouse unseres Gehirns wohnt, während die restlichen nonverbalen Signale eine WG bilden. Und das tut die Natur nicht, weil ihr gerade danach ist. Mimik wird in dieser exklusiven Wohnlage schneller verarbeitet als alle anderen Signale der Körpersprache. Das macht sie so einzigartig und für uns in der Analyse zum wichtigsten Beobachtungskanal.

Die Mimik ist die Bühne unserer Emotionen. Sie zeigt, wie sich jemand fühlt, und dies kulturübergreifend und unwillentlich. Sie ist der wahre Leistungsträger der Körpersprache beim Kommunizieren unserer Gefühle. Deswegen hat sie sich das bequeme und geräumige Penthouse wahrlich verdient. Auch wenn uns in manch langweiligem Onlinemeeting oder stressigem Vorstellungsgespräch danach wäre, unsere Gefühle verstecken und die Mimik kontrollieren zu können: Der limbische Autopilot unserer Mimik ist ein Geschenk der Evolution. Denn Empathie und Mitgefühl sind nur möglich, wenn wir auch erkennen können, wie es unserem Gegenüber geht. Und was wäre eine Welt ohne Empathie!?

Surfen auf der Augenbrauen-Welle

Oder: Warum Empathie uns erfolgreicher macht

Empathie scheint eine wirkliche Superkraft zu sein, verbindet sie uns doch mit anderen Menschen. Für den 1934 geborenen Psychiater und ehemaligen Harvard-Professor George Vaillant ist genau diese Fähigkeit der wichtigste Faktor für ein erfolgreiches und glückliches Leben. Und er muss es wissen: Vaillant leitete mehr als dreißig Jahre lang eine der gründlichsten Studien zum Thema Glück – die Grant-Studie, die 1939 begann und an der unter anderem 268 Harvard-Absolventen der Jahrgänge 1939 bis 1945 bis zu ihrem 80. Lebensjahr teilnahmen.

In einem Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin im Jahr 2013 antwortete Vaillant auf die Frage »Können Sie die Definition von Glück prägnant in einem Satz formulieren?« mit folgender Aussage: »Glück ist, nicht immer alles gleich und sofort zu wollen, sondern sogar weniger zu wollen. Das heißt, seine Impulse zu kontrollieren und seinen Trieben nicht gleich nachzugeben. Die wahre Glückseligkeit liegt dann in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen.«

Dabei geht es nicht einmal primär »nur« um die Frage der Glückseligkeit. Eine große Metaanalyse mit über 300000 Probanden konnte zeigen, dass sich das Fehlen echter und tiefer Bindungen zu anderen Menschen stärker auf die Sterbewahrscheinlichkeit auswirkt als Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum oder sogar Rauchen. Andersherum formuliert: Verfügen wir über starke zwischenmenschliche Beziehungen, so erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, länger zu leben, um 50 Prozent im Vergleich zu einsamen Menschen. Das sind beeindruckende und zugleich alarmierende Zahlen, sie unterstreichen die enorme Bedeutung zwischenmenschlicher Kompetenz.

Als wären Glückseligkeit und Gesundheit noch nicht genug, bewirkt Empathie sogar noch mehr: Sie macht uns auch erfolgreicher. Studien konnten nachweisen: Empathische Führungskräfte führen besser, empathische Therapeuten therapieren besser, empathische Verkäufer verkaufen besser.

Das habe ich kürzlich wieder am eigenen Leib erlebt. Eine Situation, die mir erneut gezeigt hat, was für Experten so offensichtlich ist, ist für das untrainierte Auge so unsichtbar wie Harry Potter unter seinem Tarnumhang.

Der Fotovoltaikberater war gerade mitten in seiner Präsentation, dank Corona per Videokonferenz. Über die Videokacheln auf dem Monitor hatte ich den perfekt freien Blick – sowohl auf seine Mimik als auch auf die meiner Frau, die neben mir am Computer saß. Doch was ich sah, machte mich mit jeder Minute ungeduldiger. Meine Frau hatte nun schon zum fünften Mal die Augenbrauen hoch- und zusammengezogen, sie nahmen die dafür typische Wellenform ein – ein zuverlässiges Zeichen für die Emotionsfamilie Angst, hier wahrscheinlich, da sich nur die Augenbrauen bewegten, ein Hinweis für eine mildere Ausprägung, wie zum Beispiel Sorge. Hätte meine Frau eine stärkere Form der Angst wie Panik gespürt, hätte sie zusätzlich ihre Augen weit aufgerissen und ihre Mundwinkel nach außen gezogen. Eine deutlich auffälligere Reaktion. Die »Angst-Brauen« unterscheiden sich übrigens drastisch vom bloßen Hochziehen der Augenbrauen, bei der diese eine Bogenform angenommen hätten.

»Warum sieht der das nicht?«, fragte ich mich. Okay, ich gebe zu, die Mikroexpressionen waren nicht schneller als ein Wimpernschlag, sie rauschten durch ihre Mimik wie ein ICE und waren nach 200 Millisekunden wieder verschwunden. Dennoch war die Anspannung für mich so deutlich zu spüren wie der Vibrationsalarm meines iPhones.

Also sagte ich: »Entschuldigen Sie, ich glaube, meine Frau macht sich gerade Sorgen. Da sollten Sie mal nachfragen!?« Der Energieberater fror kurz in seiner Körperbewegung ein, die Zeit schien für einen Moment stehen zu bleiben. »Ein typischer Freeze-Effekt«, dachte ich. »Das hat ihn jetzt wirklich überrascht. Er hat den Mimik-ICE tatsächlich nicht bemerkt!« Er sah meine Frau fragend an. »Ja, das ist richtig«, sagte sie mit einem Schmunzeln und atmete erleichtert durch.

Von da an wendete sich das Gespräch ins Positive. Nachdem meine Frau ihre Sorgen ausgesprochen hatte, war die Atmosphäre spürbar entspannter.

Ich sehe was, was du nicht siehst

Oder: Warum wir uns in Videokonferenzen anders verhalten

Nun hat nicht jeder einen Mimikresonanz-Experten als Dolmetscher an seiner Seite. Was also tun, um den Mimik-ICE nicht zu verpassen?

Videokonferenzen bieten hier wundervolle neue Trainingsmöglichkeiten für Ihre Wahrnehmung. Übrigens ein weiterer Punkt, der die Mimik zum zentralen Aspekt der Körpersprache macht, denn sie ist auch in Onlinekonferenzen perfekt zu sehen – im Gegensatz zu vielen anderen Signalen wie zum Beispiel den Beinen und Füßen. Zoom, Microsoft Teams & Co. beweisen damit einmal mehr: Die Mimik ist die Bühne unserer Emotionen. Warum wäre die Kamera sonst auf das Gesicht gerichtet? Wir könnten ja auch die Füße filmen oder die Kamera einfach ganz aus lassen. Die rasant angestiegene Nachfrage nach Videokonferenz-Lösungen hat jedoch gezeigt, wie tief das Bedürfnis in uns verankert ist, das Gesicht unserer Gesprächspartner zu sehen. So hatte der Videokonferenz-Anbieter Zoom noch Ende 2019 »nur« knapp 10 Millionen Nutzer pro Monat. Im Frühjahr 2020 waren es bereits 200 Millionen Nutzer pro Monat.

Nun zu den Trainingsmöglichkeiten Ihrer Wahrnehmung, die Ihnen Zoom & Co. bieten: Videokonferenzen sorgen für einen divergenten Blickkontakt. In einem Onlinemeeting können wir uns niemals direkt in die Augen sehen – ein Umstand, der vielen erst nach kurzem Nachdenken bewusst wird. Der divergente Blickkontakt bringt zwar auch Herausforderungen mit sich (die wir uns im achten Kapitel anschauen werden), verschafft Ihnen aber einen unschlagbaren Vorteil, vor allem in Onlinemeetings mit mehreren Personen. Da niemand weiß, wen genau Sie gerade anschauen, können Sie auf diese Weise nämlich unbemerkt die Mimik der Anwesenden vollkommen entspannt beobachten.

Körpersprache-Hack: Achten Sie auf eine gute Beleuchtung