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Es wäre doch fabelhaft, wenn sich psychische Probleme nicht im Gehirn, sondern im Darm behandeln ließen! Was kühn klingt, entpuppt sich durch jüngste Studien der Neurogastroenterologie als Realität: Die richtigen Lebensmittel sind der Schlüssel zur Seelengesundheit. Ernährungs-Doc Matthias Riedl präsentiert in seinem neuen Standardwerk die essenziellen Bausteine einer psychefreundlichen Ernährung. Statt Antidepressiva setzt er auf Brokkoli und Nüsse, statt Stimmungsaufhellern auf Omega-3-Fettsäuren und Zink. Zugleich warnt er vor den großen Gefahren für unser Gemüt durch Fertigprodukte und hochverarbeitete Lebensmittel. Mit seinen Ernährungs-Hacks und 100 leckeren Rezepten geht gesunder Genuss fürs (und mit) Köpfchen ganz einfach!
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Seitenzahl: 202
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© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Franziska Mohrfeldt
Lektorat: Kathrin Gritschneder
Texte: Matthias Riedl, Sylvie Hinderberger
Bildredaktion: Simone Hoffmann
Covergestaltung: Sandra Gerstenfeldt, GROTTHUIS. Gesellschaft der Ideen und Passionen
eBook-Herstellung: Teresa Klocker
ISBN 978-3-8338-9538-8
1. Auflage 2024
Bildnachweis
Coverabbildung: Andreas Sibler
Fotos: Adobe Stock; Andreas Sibler; Getty Images; GU-Archiv/Grossmann.Schürle; GU-Archiv/Marina Jerkovic; GU/Stockfood Studios/Tina Engel
Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München, www.imageprofessionals.com
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GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12 81675 München
Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
BAUCH UND KOPF, DARM UND GEHIRN SIND ENG MITEINANDER VERBUNDEN. DESHALB STEHT FÜR MICH EINES FEST: GESUNDE ARTGERECHTE ERNÄHRUNG MACHT GLÜCKLICH!
Dr. Matthias Riedl
Lieber Herr Dr. Riedl, sagen Sie mal: Kann man Glück und gute Laune wirklich essen?
Ja, es klingt unglaublich, aber tatsächlich lässt sich mit mehr Gemüse und Ballaststoffen eine Depression um bis zu 30 Prozent verbessern. Gesunde Nahrung kann aber nicht nur aus Stimmungstiefs helfen, sondern auch bei Angststörungen, Schizophrenie und ADHS unterstützend wirksam sein. Es gibt immer mehr Studien aus dem Bereich »Nutritional Psychiatry«, die das zeigen. Besonders wirksam scheint hier die mediterrane Diät zu sein.
Ist die Ernährung in Mittelmeerländern wie Italien und Spanien mit viel rotem Fleisch, Pommes, Weißbrot und Softdrinks nicht eher ungesund? In ihrer modernen Version ist sie wahrlich nicht gesundheitsförderlich. Die mediterrane Diät beschreibt jedoch eine traditionelle Ernährungsweise, wie sie in den 1970er-Jahren noch vielfach praktiziert wurde. Sie beruht übrigens auch auf Beobachtungsstudien um diese Zeit. Mediterrane Ernährung im Sinne der Ernährungsmedizin besteht v. a. aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen, Fisch und mageren Milchprodukten sowie reichlich unraffiniertem Olivenöl.
Wie kann Fisch denn die Stimmung beeinflussen?
In Fisch steckt einerseits Eiweiß, andererseits finden sich in ihm auch viele Mikronährstoffe, etwa Vitamin D, B-Vitamine, Eisen, Jod und Selen. Zudem sind Omega-3-Fettsäuren in fettreichem Seefisch enthalten. Ich empfehle 2000 Milligramm tierische Omega-3-Fettsäuren pro Tag, das steckt etwa in 120 Gramm Lachs. Wer keinen Fisch essen mag, kann auch eine Zeit Krill- oder Algenöl-Kapseln nehmen. Omega-3-Fettsäuren halten die Gehirnzellen funktionstüchtig und wirken antientzündlich.
Entzündungen spielen bei psychischen Krankheiten eine Rolle?
Wir wissen heute, dass psychische Leiden teils durch systemische Entzündungsherde, die im Gehirn eine Neuroinflammation, also die Entzündung von Nervengewebe, bewirken, entstehen oder aufrechterhalten werden. Auch bei Übergewicht und Diabetes spielen Entzündungsprozesse eine Rolle. Darum treten diese Krankheiten oft gleichzeitig mit Depressionen auf. Gemüse und Obst, auch sie sind ja tragender Bestandteil der Mittelmeerkost, stecken voller Substanzen, wie Ballaststoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidativ wirken, also Zellen schützen, und Entzündungen hemmen. Auch mit Kräutern und Gewürzen kann man gegen Entzündungen vorgehen.
Noch mal zum Fisch: Warum ist Eiweiß wichtig?
In vielen Eiweißquellen stecken Aminosäuren, aus denen der Körper u. a. Neurotransmitter bastelt. Z. B. entsteht aus dem Eiweißbaustein Tryptophan der Botenstoff Serotonin, aus Phenylalanin wird Dopamin. Serotonin beeinflusst Stimmung und Lebensgefühl. Dopamin macht euphorisch. Für die Produktion braucht es aber wieder zahlreiche Mikronährstoffe, die – ich habe es eben schon gesagt – im Fisch idealerweise mit dabei sind.
Es braucht also gar keine von weither exportieren Superfoods und Nahrungsergänzungsmittel?
Überhaupt nicht. Eine ausgewogene, vollwertige, pflanzenbetonte Ernährungsweise ist für Körper und Geist die beste. Das Problem ist unsere moderne westliche Ernährung. Eine ungesunde Ernährungsweise mit vielen hochverarbeiteten Produkten, Zucker und schlechtem Fett führt dazu, dass immer mehr Menschen mit den oben genannten hirngesunden Nährstoffen unterversorgt sind und die Gehirnchemie nicht mehr so gut anspringt. 80 Prozent der Deutschen mangelt es etwa an Omega-3-Fettsäuren. Auch Magnesiummangel ist weit verbreitet. Diesen Mineralstoff braucht unser Körper u. a. auch für die Bildung des »Glückshormons« Serotonin. Beide Substanzen helfen übrigens, unsere Empathie zu verstärken. Und wer empathisch ist, hat weniger Ärger mit seinen Mitmenschen. Auch das ist ein wichtiger Glücksfaktor für ein gelungenes Zusammenleben.
Die Darmgesundheit wirkt sich offenbar auch auf die Stimmung aus.
Genau! Die Billionen Darmbakterien in unserem Dickdarm bilden verschiedene Substanzen, mit denen sie entweder direkt über den Vagusnerv oder indirekt über Botenstoffe (wie kurzkettige Fettsäuren oder Tryptophan) mit dem Gehirn kommunizieren. Man nennt diesen Kommunikationsweg »Darm-Hirn-Achse«. Signale über den Vagusnerv führen etwa zu einer vermehrten Ausschüttung der Glückshormone Serotonin und Dopamin.
Welche Rolle spielt Übergewicht?
Zu viele Kilos speziell in der Bauchgegend senden entzündungsfördernde Botenstoffe aus, die zu einer Insulinresistenz führen. Das Gehirn registriert nicht, dass ausreichend Nahrung aufgenommen wurde, und darum essen Übergewichtige oft über ihren Hunger hinaus. Die entzündlichen Prozesse sind jedoch auch schädlich für das Gehirn und machen depressiv. Umgekehrt ernähren sich Menschen mit Depressionen häufig schlecht, was die Depression sowie das Gewicht weiterhin negativ triggert. Dazu kommt, dass Übergewichtige starkem sozialem Stress ausgesetzt sind – sie werden stigmatisiert, gelten als willensschwach. Dabei weiß man heute sicher, dass die Willenskraft allein nichts gegen zu viele Pfunde ausrichten kann. Aber mit einer gesunden Ernährung wie in diesem Buch kann man seine Gehirnchemie verbessern und dann vielleicht abnehmen. Allerdings ist das Abnehmen nicht das oberste Ziel, eine Verbesserung des Gehirnstoffwechsels ist auch mit Übergewicht möglich.
Gegen welche psychischen Krankheiten kann man denn vorbeugend etwas tun?
Wir haben die besten Daten für Depressionen und Angststörungen. Aber auch bei Schizophrenie sowie ADHS zeichnen sich Vorteile einer gesunden Ernährung ab. Bei einer akuten Erkrankung gelten sehr ähnliche Empfehlungen wie zur Prävention. Es kann allerdings im Krankheitsfall sinnvoll sein, die Nährstoffversorgung zu testen und dann leere Speicher mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln aufzufüllen. Das sollte man aber immer erst mit einer Ärztin oder einem Arzt abklären.
Offenbar nehmen psychische Krankheiten zu?
Ja, leider sehen wir seit einigen Jahren eine Zunahme der psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Essstörungen – und die Corona-Pandemie hat die Lage noch weiter verschärft. Arzneien sind bei diesen Leiden nicht immer wirksam, Therapieplätze rar, was großes Leid für die Betroffenen und deren Angehörigen bedeutet. Auch depressive Verstimmungen, Zukunftsängste sowie Motivations- und Aufmerksamkeitsprobleme plagen die Menschen heute mehr als früher, teilweise ausgelöst durch erhöhten Stress in der Arbeitswelt oder die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Ganze hat auch eine politische Dimension, da einige Studien zeigen, dass die Empathiefähigkeit abnimmt – ein essenzieller Faktor fürs Zusammenleben. Darum ist es eine umso bessere Nachricht, dass wir mit einer gesunden Ernährung hier wirklich gut unterstützend helfen können.
Wie schafft man eine Ernährungsumstellung?
Gehen Sie nach dem 20 : 80-Prinzip vor. Das heißt, wenn sie 20 Prozent der größten Ernährungsfehler ändern, schaffen sie schon 80 Prozent Verbesserung für Ihre Gesundheit. Dabei sollte man als Erstes diejenigen schädlichen Nahrungsmittel weglassen, bei denen es einem am wenigsten schwerfällt. Denn der Genuss darf nicht verloren gehen, sonst hält man nicht durch. Wenn Sie dann nach etwa drei Wochen merken, dass sie weniger gestresst sind, und sich überhaupt besser fühlen, dann brauchen Sie automatisch auch weniger ungesunde Snacks zwischen den Mahlzeiten.
Und bis dahin: Was hilft in dieser Übergangsphase gegen Heißhunger?
Dagegen hilft, sich bei den Hauptmahlzeiten satt zu essen und dazwischen Esspausen einzuhalten. Die Mahlzeiten sollten dabei eiweiß- oder ballaststoffreich sein. Dann kommt Heißhunger gar nicht erst auf. Leider denken viele Menschen, dass sie möglichst wenig essen sollten, am besten kalorienarm. Das ist jedoch ein Irrglaube. Das würde vielleicht funktionieren, wenn wir total rational wären und nicht von Hormonen und Gefühlen gesteuert würden. Emotionale Esser können aber z. B. versuchen, anstatt Kekse gegen Stress zu futtern, einen Spaziergang zu machen oder eine Freundin anzurufen.
Welche Rolle spielt gemeinsames Essen?
Eine sehr große Rolle, der Homo sapiens ist ein soziales Wesen. Es ist das Allerschlimmste, wenn der Partner oder die Familie sagt: »Na, du, mit deinem komischen Essen, da mache ich nicht mit!« Wer Unterstützung aus der Familie erhält, kann eine Ernährungsumstellung viel leichter schaffen. Zudem dämpft gemeinsames Essen Stress und verjagt Ärger.
Macht Schokolade glücklich?
Tatsächlich wirken Zucker und bestimmte andere Inhaltsstoffe der Kakaobohne kurzfristig beruhigend. Auch der Schmelz von Schokolade vermittelt Genuss – und das macht glücklich. Wer langfristig zu viel Schokolade isst, stört jedoch eher die Ausschüttung der körpereigenen Glücksbotenstoffe. Wenn schon Schokolade, dann übrigens bittere. Die liefert weniger Zucker, dafür aber viele Polyphenole. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die über die Darmbakterien die Gehirnchemie langfristig auf Glück einstellen. Aber natürlich muss das gesamte Ernährungsmuster gesund sein, sonst hilft es nichts. Es geht nicht darum, nur ein einzelnes »Superfood« wie Blaubeeren oder Lachs täglich zu essen. Vielmehr geht es um eine Reihe von Nährstoffen, die – in ausreichenden Mengen zugeführt – in die Hirnchemie eingreifen können. Und es gibt viele gesunde Ernährungsmuster, das muss nicht die mediterrane Ernährungsweise sein. Auch die asiatische, besonders die japanische, und die nordische Küche haben hier einiges zu bieten.
Überlastung, Ängste und Depressionen machen immer mehr Menschen zu schaffen. Allerdings liegt das nicht allein an den psychosozialen Herausforderungen unserer Zeit. Denn auch andere Faktoren beeinflussen unser seelisches Wohlbefinden – oft mehr, als wir annehmen. In erster Linie mit der richtigen Ernährung können wir viel für unsere psychische Gesundheit tun.
Längst ist klar, dass Depressionen und andere psychische Krankheiten nicht nur eine Ursache haben. Doch erst in den letzten Jahren geraten mehr und mehr der Darm und die Ernährung in den Fokus der Wissenschaft.
Dass die Psyche zuweilen eine Rolle spielt, wenn Magen und Darm rebellieren, hat vermutlich jeder von uns schon mal erlebt. So ist uns schlecht vor Aufregung, oder wir machen uns vor Angst fast in die Hose. Sind wir frisch verliebt, flattern Schmetterlinge in unserem Bauch. Es lässt sich ein angenehmes Kribbeln in demselben verorten, wenn wir uns auf etwas freuen. Dass es aber auch umgekehrt geht, dass unser Darm also das psychische Befinden beeinflusst, ist deutlich weniger bekannt.
Erst seit einigen Jahren interessieren sich mehr und mehr Wissenschaftler dafür, wie Darm und Hirn miteinander kommunizieren. Sie hoffen, dadurch mögliche Zusammenhänge zwischen dem Magen-Darm-Trakt und neurologischen Erkrankungen zu entschlüsseln und neue diagnostische sowie therapeutische Ansätze gegen entzündliche und neurodegenerative Erkrankungen entwickeln zu können. Beispielsweise bei psychischen Beschwerden wie Depressionen könnte die Ursache ganz woanders liegen als bisher gedacht. Lange galten psychosoziale und neurobiologische Aspekte als Ursache bzw. Auslöser dieser Krankheit. Dementsprechend wird sie auch heute noch meist medikamentös mit Antidepressiva sowie mithilfe von Psychotherapie behandelt. Dazu haben sich neben körperbezogenen (somatischen) Therapien unterstützend Selbsthilfemaßnahmen wie Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen oder auch Bewegungsformen wie Yoga etabliert.
Seit Kurzem jedoch gerät immer stärker auch die Ernährung in den Fokus der Wissenschaft, wenn die Sprache auf Depressionen kommt und wie sie entstehen. Wissenschaftliche Untersuchungen wie die australische SMILES-Studie1 zeigen, dass eine Ernährungsumstellung – weg von hochverarbeiteten Fertigprodukten und Fast Food hin zu einer vorwiegend pflanzlichen Kost aus Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und Obst, kombiniert mit gesunden Fetten und mäßigem Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten – durchaus als wirksame Behandlungsmethode angesehen werden kann, zumal sich diese Ernährungsweise generell durchweg positiv auf die Gesundheit auswirkt.
Die Ergebnisse unserer Studie […] legen […] nahe, dass eine […] Ernährungsverbesserung eine wirksame Behandlungsstrategie für die Behandlung von Depressionen darstellen kann.« SMILES-Studie 20172
Aber was ist wirklich dran an Aussagen wie denen, dass Schokolade oder Bananen glücklich machen, weil sie die Aminosäure Tryptophan enthalten, aus der unser Körper das Glückshormon Serotonin bauen kann? Oder dass nach dem Genuss von Chili und Co. so wie beim Sex Endorphine ausgeschüttet werden, die das Wohlgefühl steigern?
Eines schon mal vorweg: Ganz so simpel ist die Rechnung nicht. Schließlich gelangen die Inhaltstoffe aus der Nahrung nicht einfach ungefiltert aus dem Darm ins Gehirn, um dort ihre Wirkung zu entfalten. Dazu sind die empfindlichen Zellen in unserer obersten »Kommandozentrale« viel zu gut geschützt. Die Aufgabe des »Türstehers« übernimmt die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Sie sorgt dafür, dass das Gehirn über den Blutkreislauf zwar mit Sauerstoff und Energie versorgt wird, verhindert gleichzeitig aber auch weitmöglichst, dass Krankheitserreger und andere Schadstoffe hineingelangen und das empfindliche System stören oder beschädigen. Kurzum: Die Blut-Hirn-Schranke steuert selektiv, welche Stoffe aus dem Blut ins Hirn gelangen und welche nicht. Die meisten Nahrungsbestandteile gehören nicht dazu. Zwar können kohlenhydrat- und fettreiche Speisen die Serotoninbildung im Gehirn tatsächlich ankurbeln: Bei kohlenhydratreichen Mahlzeit schüttet die Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin aus, das neben dem Zucker auch viele Aminosäuren in die Muskelzellen verfrachtet. Eine Ausnahme bildet dabei allerdings Tryptophan, das im Blut bleibt und dessen Konzentration im Verhältnis automatisch steigt – sodass auch mehr davon ins Gehirn transportiert wird und dort dementsprechend mehr Serotonin produziert werden kann. Genauso lösen bei sehr fettreicher Kost die freien Fettsäuren Tryptophan, das eigentlich an bestimmte Proteine des Blutplasmas (Albumin) gebunden ist, wodurch es ebenfalls vermehrt ins Gehirn transportiert und dort zur Serotoninsynthese genutzt werden kann.3
Aber ist mehr überhaupt immer besser? Eine »Überdosis« Tryptophan kann auch zu einem Serotoninüberschuss führen – mit durchaus negativen Auswirkungen. Das sogenannte Serotoninsyndrom geht mit erhöhtem Blutdruck, Übelkeit, Zittern, Schwitzen, innerer Unruhe und Durchfall einher. Dies kann allerdings nur geschehen, wenn gleichzeitig Psychopharmaka eingenommen werden, die den Serotoninspiegel per se schon erhöhen.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie es möglich sein kann, dass die Ernährung unser psychisches Befinden beeinflussen kann, wenn ihre Inhaltstoffe gar nicht an den »Ort des Geschehens« gelangen. Dieser Frage ist auch die Wissenschaft auf der Spur. Ihr Augenmerk liegt dabei auf dem Ort, wo die Nahrung nach dem Essen landet: dem Darm. Hier lohnt ein Blick auf die Evolution. Während der embryonalen Entwicklung wandert ein Teil des Gewebes, das die Nervenentstehung steuert, in das zukünftige Gehirn und Rückenmark, wo es sich zum Zentralen Nervensystem (ZNS) entwickelt. Ein anderer Teil desselben Ausgangsgewebes lagert sich an den Magen-Darm-Trakt an. Deswegen ist unser Darm von einem dichten Nervengeflecht durchzogen, dessen Struktur und Komplexität der des Gehirns ähnelt. Dieses sogenannte enterische Nervensystem ist Teil des vegetativen Nervensystems, auf das wir wenig Einfluss haben, und steuert eigenständig sämtliche Verdauungsvorgänge einschließlich Durchblutung, Darmbewegung sowie einiger Funktionen des Nervensystems. Es wird also zu Recht als »Bauchhirn« bezeichnet.
Über einen der längsten Nerven in unserem Körper, den Vagusnerv, ist das enterische Nervensystem mit dem zentralen Nervensystem verbunden – und sie stehen über ihn in direktem, v. a. aber auch regem Kontakt. Sie können sich diese Darm-Hirn-Achse wie eine »Datenautobahn« vorstellen, auf der in Form von Reizen, Hormonen und anderen Botenstoffen sowie immunologischen oder mikrobiellen Signalen ständig die verschiedensten Botschaften hin und her flitzen. Dieser »Austausch« ist wichtig für die Verdauung, aber auch für die Kontrolle des Appetits, den Stoffwechsel und das Immunsystem. Damit alles rundläuft, kommunizieren Bauch und Kopf nahezu ununterbrochen miteinander. So funkt z. B. das Gehirn, wenn wir in der Auslage einer Bäckerei ein leckeres Törtchen entdeckt haben, an den Magen-Darm-Trakt, doch bitte schon mal die Verdauungsmaschinerie anzuwerfen, woraufhin dieser prompt reagiert, erste Verdauungssäfte ausschüttet und sich Appetit breitmacht. Allerdings kommen längst nicht alle »Kommandos« von oben. Im Gegenteil, die Nervenverbindungen bestehten zu 90 Prozent aus aufsteigenden Nervenfasern. Es gehen also deutlich mehr Impulse vom Darm zum Gehirn als umgekehrt.
Dazu kamen im Lauf der letzten Jahre immer mehr Beweise ans Licht, dass auch die Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln (Mikrobiom), maßgeblich an dieser Kommunikation beteiligt sind. Die Substanzen, die die Mikroben produzieren, haben großen Einfluss auf den Verlauf des »Gesprächs« zwischen Darm und Gehirn. Gute Darmbakterien bilden z. B. aus Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren, die die Produktion von appetitzügelnden Hormonen und Serotonin ankurbeln. Womöglich können manche von ihnen sogar selbst Botenstoffe herstellen, die sich auf unsere psychische Verfassung auswirken – wie Dopamin, ein weiteres Glückshormon, oder Gamma-Aminobuttersäure (kurz GABA), die entspannend und beruhigend wirken kann.
Nachgewiesen wurde immerhin schon, dass das Kuschelhormon Oxytocin, das unser Körper beim Streicheln und Umarmen ausschüttet, auch von Darmbakterien abgegeben werden kann.4 Seitdem wird die Verbindung zwischen dem Darm und dem Gehirn auch als Mikrobiom- oder Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse bezeichnet. (Mehr zur beeindruckenden Welt der Darmflora erfahren Sie ab >.) Man geht wie erwähnt heute außerdem davon aus, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen immunologischen Veränderungen, also Veränderungen des Immunsystems bzw. der Immunabwehr im Magen-Darm-Trakt, und neurologischen Erkrankungen. Genauso nimmt man an, dass sich Krankheiten beider Systeme gegenseitig beeinflussen oder sogar bedingen können. So deuten Studien darauf hin, dass Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ein erhöhtes Risiko haben, später an Morbus Parkinson zu erkranken5. Genauso gibt es Hinweise, dass Multiple Sklerose (MS) mit diesen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zusammenhängen könnte, weil im Darm produzierte Botenstoffe die Blut-Hirn-Schranke überwinden und daraufhin im Gehirn chronische entzündliche Prozesse beeinflussen können6. Fakt ist auf jeden Fall: MS-Patienten haben ein verändertes Mikrobiom im Vergleich zu Gesunden. Und dasselbe trifft auch auf Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen zu.
Muss man sich bei Depressionen, Angsterkrankungen oder ADHS also einfach nur bewusst ernähren, um auf Medikamente verzichten zu können? Haben wir es wirklich selbst in der Hand, wie es um unsere psychische Gesundheit, unser Glücksempfinden und unsere Lebensfreude bestellt ist? Ein klares »Ja« gibt es von der Wissenschaft hier leider (noch) nicht. Es sind noch viele weitere evidenzbasierte Studien nötig, um die Effekte einer Ernährungsverbesserung bei Depressionen und Co. sicherzustellen. Zudem darf nicht vergessen werden, dass sehr viele Faktoren dabei eine Rolle spielen, ob wir in psychischer Gesundheit alt werden. Als Ernährungsmediziner erlebe ich aber in meiner Praxis immer wieder, wie viel sich mit einer Ernährungsumstellung erreichen lässt. Daher sollte man meiner Meinung nach nicht warten, bis es für alles eine wissenschaftliche Erklärung und einen fundierten Nachweis gibt, sondern schon mal unterstützen, wo man unterstützen kann. Unser Darm ist dabei ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Er entscheidet über die effiziente Nährstoffaufnahme und ein starkes Immunsystem – und damit über die Gesundheit, die allgemeine, aber auch die psychische und das emotionale Befinden. Auch wenn man noch nicht weiß, wie Entzündungs- oder Immunsystembotenstoffe das Gehirn genau beeinflussen, können wir mit dem, was wir essen, Entzündungen vorbeugen oder sie bekämpfen. Wir können Übergewicht entgegenwirken und das Immunsystem harmonisieren – hier gibt es ebenfalls jeweils eine direkte Verknüpfung zur Psyche. Und wir können die Besiedelung des Darmmikrobioms mit guten Bakterien fördern, während wir im Gegenzug den schlechten die Lebensgrundlage entziehen.
Das alles mag die klassische Behandlung von Depressionen vielleicht nicht in jedem Fall ersetzen, kann sie aber durchaus eindrucksvoll unterstützen. Falls Sie die Sendung »Die Ernährungs-Docs« im NDR verfolgen, erinnern Sie sich sicher noch an Ole A. und Jenny H., die mit einer Beratung im medicum Hamburg und einer anschließenden Ernährungsumstellung ihre Beschwerden hinter sich lassen konnten? Beide waren übrigens Premieren – sowohl im deutschen Fernsehen als auch im deutschen Medizinbetrieb. Ernährungstherapie ist in Letzterem leider nach wie vor alles andere als üblich. In den psychiatrischen Leitlinien sucht man die Empfehlung zu ihr noch vergebens. Ich persönlich aber bin überzeugt, dass uns mit der Ernährung ein wirkmächtiger Hebel zur Verfügung steht, der bisweilen Quantensprünge Richtung Gesundheit ermöglicht – noch dazu einer, über den wir selbst bestimmen können. Selbst wenn keine Depression vorliegt, berichten mir meine Patientinnen und Patienten nach einer krankheitsbedingten Ernährungsumstellung immer wieder, dass nicht nur ihre Beschwerden besser geworden seien, sondern sie sich so fit und leistungsbereit fühlen wie schon lange nicht mehr – geistig wie körperlich.
Wenn sich Entzündungen ausbreiten, hat das nicht selten auch Folgen für das seelische Befinden. Denn Körper und Psyche sind keine voneinander unabhängigen Systeme, sondern interagieren miteinander auf komplexe Art und Weise.
Viele Wissenschaftler untersuchen aktuell, wie Entzündungen, Immunsystem und Mikrobiom auf die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn Einfluss nehmen. Beginnen wir mit den Entzündungen. Sie sind an sich nichts Schlechtes und haben völlig zu Unrecht ein negatives Image. Schließlich handelt es sich bei ihnen um ein ausgetüfteltes Sicherheitssystem unseres Körpers, mit dessen Hilfe potenziell schädliche Eindringlinge wie z. B. Viren erkannt sowie ausgeschaltet werden und Gewebeschäden, etwa nach einer Verletzung, wieder heilen können. Doch auch das ausgeklügeltste System kann unter bestimmten Umständen ins Straucheln geraten. Bei entzündlichen Prozessen ist dies der Fall, wenn sie nach getaner Arbeit nicht mehr, wie von der Natur vorgesehen, »erlöschen«, sondern im Stillen immer weiter vor sich hin glimmen und damit chronisch werden. Dann können sie den ganzen Körper aus dem Takt bringen.
Akute Entzündungsreaktionen werden z. B. durch Krankheitserreger wie Viren und Bakterien, durch Verletzungen, Verbrennungen oder Erfrierungen ausgelöst. Je nach Ursache und je nachdem, welches Organ oder welcher Körperteil betroffen ist, reagiert der Körper und startet seine eigenen Schutzprozesse. Dabei laufen alle akuten Entzündungen ähnlich ab:
1. Schädliche Viren und Bakterien dringen über eine Wunde in den Körper ein. Daraufhin analysieren bestimmte Abwehrzellen (z. B. Granulozyten und Makrophagen) die Erreger.
2. Je nach Ergebnis produzieren sie nun bestimmte Stoffe, die die Erreger meist sofort zerstören. Klappt das nicht, werden spezifische Abwehrzellen (z. B. T- und B-Zellen) des Immunsystems zu Hilfe gerufen. Sie verfügen über eine Art Immungedächtnis, können sich also Eigenschaften bestimmter Erreger merken – und speichern genauso auch, welche Stoffe sie unschädlich machen können.
3. Die Abwehrzellen scannen die Eindringlinge genau ab und aktivieren dann sogenannte B-Zellen. Diese wiederum regen Plasmazellen – eine besondere Form der weißen Blutkörperchen – dazu an, zum Erreger passende Antikörper zu bilden. Parallel dazu kurbelt der Körper die Produktion bestimmter Botenstoffe (Zytokine) an, die die T-Zellen dazu animieren, sich zu teilen, sodass immer mehr von ihnen zur Abwehr der Erreger zur Verfügung stehen.
4. Die Antikörper binden sich an die Eindringlinge und blockieren so spezifische Andockzellen, weswegen Viren nicht mehr in menschliche Zellen gelangen, um sich dort weiter zu vermehren. Gleichzeitig können andere Abwehrhelfer, beispielsweise die Fresszellen an den Antikörpern, erkennen, wo genau »Not am Mann« ist, und zielgerichtet helfen, die Krankheitserreger unschädlich zu machen.
So wie der Ablauf ähneln sich auch die Symptome von akuten Entzündungen: Weil sich die Blutgefäße im Zuge der Immunantwort erweitern, damit die Gegend besser durchblutet wird und mehr Helferzellen zum Entzündungsherd gelangen können, rötet sich die betroffene Stelle und schwillt an. Meist schmerzt sie und unter Umständen stellt sich dazu noch Fieber ein. Auch das hat seinen Grund: Zum einen bewegt man sich dadurch weniger und die Gefahr, sich noch mehr zu verletzen oder weitere Erreger einzufangen, sinkt. Zum anderen verbrauchen die Muskeln weniger Energie, die dann der Immunabwehr zur Verfügung steht. Zu guter Letzt bildet sich nicht selten an der betroffenen Stelle Eiter, der u. a. aus Granulozyten besteht, die ihren Dienst erledigt haben und nun abgebaut sind. Innerhalb weniger Tage sind die Auslöser der Entzündung bekämpft, das Abwehrsystem hat seine Aufgaben erledigt, das Gewebe kann heilen und sich regenerieren.