Janes Affenkind - Timm Maximilian Hirscher - E-Book

Janes Affenkind E-Book

Timm Maximilian Hirscher

0,0

Beschreibung

Tierpflegemeisterin Jane Frankenbein träumt seit langem von einem Mischwesen aus Affe und Mensch. Der Affenanteil müsse zu einem humaneren Wesen führen, glaubt sie. Jane missbraucht ihren Freund, einen Medizinstudenten mit dem Spitznamen Tarzan, und die ihr anvertraute Schimpansin Clara, um ihren Plan auszuführen. "...und wie der Affe um so lächerlicher wird, je mehr er sich den Menschen ähnlich zeigt, so werden auch jene Narren desto lächerlicher, je vernünftiger sie sich gebärden." (Heinrich Heine)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 71

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bisher veröffentlichte der Autor „Tango Tenebrista. Ein Schmöker zum dramatischen Helldunkel von Tango Argentino, Sex & Crime“; den Roman „Tango up & down“; „Tödliches Tangotreiben. Die wahre Geschichte der ‘Freiburger Vampirmorde‘“; „Neapel leben und sterben. Prosa und Posse“ sowie „Böse Blicke. Kriminalkurzroman und zwei Nachkriegsgeschichten“.

Inhalt

Affenkind

Auszüge aus dem gemeinsamen Tagebuch Janes und Tarzans

Auszüge aus dem Tagebuch Franz Meyers

Aus Clara Meyers Erinnerungen

Bericht eines Polizeikommissars

Nachwort des Herausgebers

Anhang: Gesang einer Schimpansin

Affenkind

1.

Tierpflegemeisterin Jane Frankenbein paarte sich im Affenhaus mit einem Männchen. Es gehörte zur Primatengruppe der Menschen, doch lag sein Intelligenzquotient nach ihrem ersten Eindruck nicht weit über dem der Schimpansen, die sie betreute. Er hieß Franz Müller, Hans Meyer oder so, doch rief sie den Aushilfe-Nachtwächter des Zoos nie mit seinem Namen. Als sie ihn bei der ersten Begegnung „Du?...Jane?“ stammeln hörte, musste sie einfach „Du, Tarzan!“ antworten. Bei diesem Namen blieb es. Er rammelte tüchtig, weshalb sie ihn, wenn sie Nachtdienst hatte, bei seinen Rundgängen festhielt. Danach durfte er wieder ins Freie und aufpassen, dass keine Betrunkenen über den Zoozaun stiegen, Cowboys auf Zebras zu reiten versuchten oder Tierfreunde Käfige öffneten.

Jane machte ihre Runde im Affenhaus, wo alle Untermieter schliefen. Oder zu schlafen schienen, denn immer wieder konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Schimpansen nur so taten, sozusagen mit ihr spielten. Aber vielleicht entsprang dieser Gedanke nur der so verbreiteten Mentalität von Tierforschern und Freunden großer Affen, ihren Schützlingen mehr Menschlichkeit zuzutrauen als den eigenen Artgenossen. Ob die Schimpansen nun schliefen oder einige nur so taten, es herrschte auf jeden Fall jetzt nach Mitternacht Ruhe im Affenhaus. Jane ging zurück in den Aufenthaltsraum, legte sich dort auf die Liege, dimmte das Licht herunter und widmete sich ihrer fixen Idee:

Tierpflegerin gebiert Affenbaby

Diese Schlagzeile sah sie vor sich. Eine Nachricht, die um die Welt gehen würde. Sie, Jane, würde berühmt und reich. Denn die Rechte an Fotos und Berichten hätte sie natürlich rechtzeitig exklusiv und teuer verkauft. Es war ihr natürlich klar, dass sie nicht nur berühmt wäre, sondern auch berüchtigt. Der Zoo würde sie feuern, die Staatsanwaltschaft ermitteln, zumindest wegen Verstoßes gegen einen Tierschutzparagrafen; Tierfreunde würden ihr nachstellen, Politiker neue Gesetze fordern, Kirchenleute aufheulen, Genexperten lange Artikel schreiben und die Produktpalette von Babynahrung würde flugs erweitert für neue Kreationen, speziell geschaffen für Affen-Menschen-Kinder. Würde man ihr das Baby überhaupt lassen? Müsste sie eventuell vorsichtshalber in eine Bananenrepublik auswandern?

An diesem Punkt angelangt, blendete Jane gewöhnlich die ungewisse Zukunft aus und stellte sich das Neugeborene vor. Wie sähe das zur Welt kommende Mischwesen aus? Kleiner als ein durchschnittliches Menschenbaby, größer als ein normales Schimpansenbaby? Aber was hieß da „normal“? Sicher würde ein nackter Affe geboren, denn auch normale Schimpansenbabys kommen nackt auf die Welt, von einem kräftigen Haarschopf auf dem Kopf einmal abgesehen. Aber das gab es ja auch bei Menschenkindern. Doch wie würde es dann mit der Körperbehaarung werden? Gliche es vom Knochenbau mehr Affe oder mehr Mensch? Wären die Sprechwerkzeuge menschlich genug, dass er Menschensprache produzieren könnte? Aber egal, sie würde mit dem Kleinen (in ihrer Phantasie war es immer ein Männchen, vielmehr ein Junge) im Zweifelsfall die Zeichensprache beibringen. Das klappte ja zu einem gewissen Maß schon mit reinen Schimpansen und anderen Menschenaffen.

Eine andere Frage, die sich Jane immer wieder stellte, war: Wie sollte die Schwangerschaft herbeigeführt werden? Zunächst war ihr durch den Kopf gefahren, sich die Schamhaare abzurasieren und sich Schoß und Hintern mit Henna rot zu färben. Böte sie sich so nackt Losofo, dem Alpha-Schimpansenmännchen dar, würde der sie vielleicht bespringen. Vielleicht aber auch nicht. Und selbst wenn es mit der Kopulation klappte, wäre die Chance, wirklich befruchtet zu werden, nicht sehr gering? Wenn sie nur an den kleinen dünnen Penis Losofos dachte! Allerdings schien ihr Losofo nicht gerade ein attraktiver Sexpartner. Doch es ging ja nicht um Sex, sondern um Besamung und Befruchtung. Im Übrigen zeigte der Schimpanse nach Janes Meinung durchaus „menschliche“ Gefühle. Wenn sie in seine dunklen Augen sah, schien sie ein ebenbürtiges Wesen anzublicken. Als einen „dritten Schimpansen“, wie ein Wissenschaftler Menschen bezeichnet hatte, fühlte sie sich zwar nicht immer, aber dass Menschen die „nächsten Verwandten“ der großen Affen seien, diese verbreitete Ansicht teilte sie natürlich.

Wenn kein Sexualakt, dann wäre natürlich auch eine Besamung mit Hilfe einer Pipette möglich, führte Jane ihr Gedankenspiel weiter. Da wäre die Chance, dass der Schimpansensamen zur Eizelle gelangen würde, auf jeden Fall größer. Schließlich gäbe es auch auch noch eine künstliche Befruchtung in der Petrischale. Aber das würde bedeuten, andere Menschen in das Vorhaben einzuweihen. Und ob die mitmachen würden?

Irgendwann kamen Jane Bedenken, dass es zu Komplikationen während der Schwangerschaft kommen könnte. Sie hatte im Internet recherchiert und Fachbücher studiert. Abgesehen davon, dass viele Experten der Meinung waren, dass es aus genetischen Gründen gar nicht klappen könne, auch wenn Mensch und Schimpanse in 98,4 Prozent der Gene übereinstimmten. Aber was so erdrückend klar erschien, war es offenbar in Wahrheit gar nicht. Und vielleicht würde sie selbst, Jane, Opfer des Experiments. Zu gewissen Zeiten sah sie nur eine Vielzahl möglicher Komplikationen. Doch die Idee, der Welt das noch fehlende Zwischenglied zwischen Mensch und Affe, Affe und Mensch zu schenken, verblasste nicht. Sie, Jane, würde der Wissenschaft das „missing link“ präsentieren. Dann überwogen wieder Ängste, Skrupel, Alpträume.

2.

In einer schlaflosen Nacht, als Jane zu Hause in ihrem Bett zu keiner Antwort auf ihre Fragen kam, schaltete sie den Fernseher an, um sich abzulenken. Sie zappte herum und blieb bei einem alten Tarzan-Film hängen. Müde schaute sie dem äffischen Filmtreiben zu. Irgendwann stieg in ihr die Frage hoch, warum denn in den Filmen und ihrer Erinnerung nach auch im Roman „Tarzan bei den Affen“, den sie als Teenager gelesen hatte, die Zeit von Jung-Tarzan ausgeblendet wird. Der pubertierende Tarzan! Der lebte doch sicherlich nicht zölibatär, wenn seine Affenfreunde die heißen Affenweibchen besprangen. Der sprang doch auch – war anzunehmen. Jane wunderte sich, dass noch kein Pornoproduzent in Hollywood oder Berlin auf die Idee gekommen war, dieses Sujet zu verfilmen.

Und dann dachte sie an ihren Tarzan. Andersherum war die Sache wesentlich einfacher. Zwar würde ihre Person als Affenmutter nicht so extrem im Mittelpunkt stehen, aber genügend Aufsehen würde das auch machen. Tarzan sollte der Vater eines Affenkindes werden! Jane war nicht so naiv zu glauben, dass er da so einfach mitmachen würde. Auch hatte sie festgestellt, dass er nicht so einfältig war, wie sie Franz Meyer, so hieß er nämlich, anfangs eingeschätzt hatte. Ihr Tarzan war einfach ein überaus schüchterner junger Mann, aber offenbar hoch intelligent. Er studierte Medizin und nebenher noch Biologie und Philosophie. Als Nachtwächter jobbte er, um sein Studium zu finanzieren.

Ja, Tarzan, sie blieb bei diesem Spitznamen, war voll in Ordnung und erwies sich als sehr anhänglich. Offenbar hatte er sich in sie verliebt. Sie verwöhnten sich gegenseitig. Würde er bei dem Experiment mitmachen? Würde er es für sie machen?

Lange überlegte Jane sich, ob sie die Sache mit ihm offen ausdiskutieren sollte. Doch würde er wirklich für sie eine Schimpansin vögeln? Da hatte sie ihre Zweifel. Würde er seinen Samen spenden für eine künstliche Befruchtung? Da hätte er sicher unzählige Einwände. Es gab ja genügend, ethische etwa. Irgendwann kam sie zu der Überzeugung, dass sie ihn vor vollendete Tatsachen stellen müsste. Zugegeben, es war nicht rücksichtsvoll von ihr, ihn nicht in ihren Plan einzuweihen. Sie mochte ihn ja. Sie würde sich dann auch gebührend entschuldigen und versuchen, ihre Schuld auf irgendeine Weise abzutragen. Doch ihre Idee beherrschte sie. Ihr Tarzan würde, wenn er sie wirklich liebte, wie er beteuerte, zwar anfangs böse mit ihr sein, aber dann einlenken. Er war ein Mann. Er würde nicht mit ihr brechen. Er war Mediziner und Biologe und Philosoph. Genug Ansatzpunkte zu einem hochinteressanten Experiment, zu dem Tarzan dann uferlose philosophische Ausflüge machen könnte.

Jane fiel ein Stein vom Herzen, als sie zu diesem Entschluss gekommen war. Nachdem sie ihre Zweifel begraben hatte, ging es jetzt um technische Probleme. Schimpansin Clara stand ihren Berechnungen zufolge in einigen Monaten nach Entwöhnung ihres Jüngsten davor, wieder in Hitze zu geraten. Jane würde Urlaub nehmen und sie, wie in der Vergangenheit gelegentlich geschehen, vorübergehend zu sich nach Hause nehmen. Die Begründung war immer gewesen, dass die verringerte Pflegemannschaft im Affenhaus weniger belastet würde, und sie, Jane, ihre Versuche, Clara die Zeichensprache näher zu bringen, intensiv weiter führen konnte.

3.