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Juden und Worte bilden von jeher eine enge Verbindung. Amos Oz und seine Tochter Fania Oz-Salzberger, die als Historikerin lehrt, erkunden jüdische Wortwelten, Wörter, ihre alten wie neuen Bedeutungen, Auslegungen und Wandlungen, die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets. Kontinuität im Judentum war immer ans mündlich geäußerte und geschriebene Wort geknüpft, an ein ausuferndes Geflecht von Interpretationen, Debatten, Streitigkeiten. In der Synagoge wie in der Schule, vor allem aber zu Hause umspannte es zwei oder drei ins Gespräch vertiefte Generationen. Was Juden untereinander verbindet, sind Texte. Es ist mit Händen zu greifen, in welchem Sinne Abraham und Sara, Rabban Gamiel, Glückel von Hameln und zeitgenössische jüdische Autoren demselben Stammbaum angehören. Vater und Tochter zeigen anhand verschiedener Themen wie Kontinuität, Frauen, Zeitlosigkeit, Individualität quer durch die Zeiten, von der namenlosen, möglicherweise weiblichen Verfasserin des Hohenliedes bis zu den Talmudisten, Gelehrten und Künstlern die Verbindung von Juden und Wörtern. Sie zeigen, dass jüdische Tradition, auch jüdische Einzigartigkeit nicht von zentralen Orten, Erinnerungsstätten, heroischen Figuren oder Ritualen abhängt, sondern vielmehr von geschriebenen Worten, deren Auslegungen und Debatten zwischen den Generationen. Gelehrt, behände und humorvoll bietet »Juden und Worte« einen einzigartigen Streifzug durch die jüdische Geschichte und Kultur und lädt jeden Leser, jede Leserin zum Gespräch ein, zu Fragen, Einwänden, Entdeckungen in einem Buch.
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Seitenzahl: 356
Juden und Worte bilden von jeher eine enge Verbindung. Amos Oz und seine Tochter Fania, die als Historikerin lehrt, erkunden jüdische Wortwelten, Wörter, ihre alten wie neuen Bedeutungen, Auslegungen und Wandlungen, die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets. Kontinuität im Judentum war immer ans mündlich geäußerte und geschriebene Wort geknüpft, an ein ausuferndes Geflecht von Interpretationen, Debatten, Streitigkeiten. In der Synagoge wie in der Schule, vor allem aber zu Hause umspannte es zwei oder drei ins Gespräch vertiefte Generationen. Was Juden untereinander verbindet, sind Texte. Es ist mit Händen zu greifen, in welchem Sinne Abraham und Sara, RabbanGamiel, Glückel von Hameln und zeitgenössische jüdische Autoren demselben Stammbaum angehören. Vater und Tochter zeigen anhand verschiedener Themen wie Kontinuität, Frauen, Zeitlosigkeit, Individualität quer durch die Zeiten, von der namenlosen, möglicherweise weiblichen Verfasserin des Hohen Liedes bis zu den Talmudisten, Gelehrten und Künstlern, die Verbindung von Juden und Wörtern.
Sie zeigen, dass jüdische Tradition, auch jüdische Einzigartigkeit nicht von zentralen Orten, Erinnerungsstätten, heroischen Figuren oder Ritualen abhängt, sondern vielmehr von geschriebenen Worten, deren Auslegungen und Debatten zwischen den Generationen. Gelehrt, behände und humorvoll bietet Juden und Worte einen einzigartigen Streifzug durch die jüdische Geschichte und Kultur und lädt zum Gespräch ein, zu Fragen, Einwänden, Entdeckungen in einem Buch.
Amos Oz, 1939 als Amos Klausner in Jerusalem geboren, lehrte Literatur und Philosophie. Seine Werke wurden in 37 Sprachen übersetzt. Amos Oz hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zuletzt erschienen von ihm: Die Romane (Suhrkamp Quarto) und Unter Freunden (2013).
Fania Oz-Salzberger, 1960 als älteste Tochter von Amos und Nily Oz in Israel geboren, lehrt heute als Professorin für Geschichte an der Universität in Haifa. Sie hatte zahlreiche Gastprofessuren inne und war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Dort entstand unter anderem ihr Buch Israelis in Berlin
AMOS OZ • FANIA OZ-SALZBERGER
Juden und Worte
Aus dem Englischen von
Dieser Band eröffnete 2012 die Posen Library of Jewish
Culture and Civilization in der Yale University Press.
eBook Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Berlin 2013
Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe 2013
© der deutschen Ausgabe Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Berlin 2013
© 2012 by Amos Oz and Fania Oz-Salzberger
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Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
Umschlagfoto: Julie Fisher / Getty Images
How odd
Of God
To choose
The Jews.
William Norman Ewer1
Not so odd: the Jews chose God.
Anonym2
The Jews chose God and took his law
Or made God up, then legislated.
What did come first we may not know
Vorwort
I Jüdische Kontinuität
II Frauen mit Stimme
III Zeit und Zeitlosigkeit
IV Jeder Mensch hat einen Namen, oder:Brauchen Juden das Judentum?
Epilog
Dieses Buch ist ein Essay, der sachlich-nüchterne, frische und gelegentlich launige Versuch, etwas Neues über ein Thema mit einem riesigen Stammbaum zu sagen. Wir stellen unsere persönliche Auffassung eines zentralen Problems der jüdischen Geschichte zur Debatte: das Verhältnis zwischen Juden und dem geschriebenen oder mündlich überlieferten Wort.
Bei den Autoren handelt es sich um Vater und Tochter. Er ist Schriftsteller und Literaturwissenschaftler, sie Historikerin. Wir haben über Themen, die in diesem Buch eine Rolle spielen, gesprochen und gestritten, seitdem die eine von uns beiden drei Jahre alt war. Gleichwohl versteht sich unsere gemeinsame Autorschaft nicht von selbst.
Daher dürfte es vielleicht das beste sein, wenn wir gleich vorweg darlegen, worum es sich in diesem Essay handelt. Er geht davon aus, daß jüdische Geschichte und jüdische Nation eine beispiellos-einzigartige Kontinuität bilden, die weder ethnischer noch politischer Natur ist. Gewiß gibt es in unserer Geschichte ethnische und politische Verlaufsstränge, aber sie sind nicht die Lebensadern. Vielmehr gründete die nationale und kulturelle Genealogie der Juden stets auf der über Generationen hinweg weitergereichten mündlichen Überlieferung. Es geht natürlich um Religion, noch mehr aber um Texte. Bezeichnenderweise waren diese immer schriftlich zugänglich. Und aufschlußreicherweise gründeten sie von Anfang auf dem Streitgespräch. Ehrerbietung hat, wenn sie ernst gemeint ist, im Judentum eine respektlose Seite. Echte jüdische Wichtigtuerei trägt Spuren mal ätzender, mal humorvoll-heiterer Selbstbefragung. Gelehrsamkeit ist von hervorragender Bedeutung, Familie aber ist noch wichtiger. Dann und wann kreuzen sich diese beiden tragenden Säulen. Väter, Mütter, Lehrer. Söhne, Töchter, Schüler. Text, Frage, Streit. Wir kennen uns mit Gott nicht aus, aber der Weg der jüdischen Kontinuität verlief stets über Worte, über Text und Rede.
Aus ebendiesem Grund stellt sich unsere Geschichte als – eine Geschichte dar. Tatsächlich verschränken sich in den Annalen der Juden unterschiedliche historische Abläufe mit zahlreichen Geschichten. So manche Gelehrten und Schriftsteller haben sich mutig mit diesem Labyrinth auseinandergesetzt. Wir laden zu einem Spaziergang durch einige seiner Gänge ein, auf dem wir den Blick eines Romanciers mit dem einer Historikerin vereinigen und unseren Dialog in den Chor unzähliger Stimmen einfließen lassen.
In diesem schmalen Büchlein geht es nicht darum, die ganze Bandbreite jüdischer Werke – sie mögen zu den bekanntesten oder einflußreichsten gehören – vorzustellen. Viele Texte haben wir nicht gelesen. Das literarische Genre des Essays vermag dichte und allumfassende Erörterungen weiter Themenbereiche zu bieten, es neigt allerdings auch zu selektiver Lektüre, persönlichen Vorlieben und einem hochnäsigen Fischen nach Verallgemeinerungen. Unbeschadet solcher der Gattung eigentümlichen Makel übernehmen wir die volle Verantwortung für all diese Mängel und noch manche andere, auf die der Leser möglicherweise stoßen wird. Und noch etwas anderes möchte unser Buch deutlich machen: In der jüdischen Tradition ist jeder Leser ein Korrektor, jeder Schüler ein Kritiker, und jeder Autor – auch der Schöpfer des Universums – stellt eine Menge Fragen.
»In zweiunddreißig wunderbaren Pfaden der Weisheit
Grub ein JH, der Herr der Heerscharen,
der Gott Israels, der lebendige Gott,
El Schaddai,
der Hohe und Erhabene, der Immerthronende,
Heiliger ist sein Name –
Er schuf seine Welt mit drei sefarim,
mit sfr, sfr und sfr [Zahl, Schreiben, Reden]
Zehn Zahlen, zehn Sefirot, in sich geschlossen, und
Zweiundzwanzig Buchstaben,
das ist die Grundlage aller Dinge.«4
Kontinuität im Judentum war immer an verbal geäußerte und geschriebene Worte geknüpft, an ein ausuferndes Geflecht von Interpretationen, Debatten und Meinungsverschiedenheiten sowie an ganz einmalige zwischenmenschliche Verhältnisse. In Synagoge und Schule, vor allem aber zu Hause, umfaßte es zwei oder drei ins Gespräch vertiefte Generationen.
Was uns verbindet, sind nicht Blutsverwandtschaften, sondern Texte.5 Es springt geradezu ins Auge, in welchem Sinne Abraham und Sara, Rabban Jochanan, Glückel von Hameln und wir, die beiden Autoren, demselben Stammbaum angehören. Diese Art von Kontinuität hat man unlängst in Abrede gestellt und behauptet, es habe nichts dergleichen wie eine »jüdische Nation« gegeben, bevor neuzeitliche Ideologen sich aus fragwürdigen Gründen dies einfallen ließen.6 Nun ja, da sind wir anderer Ansicht. Und zwar nicht deshalb, weil wir etwa Nationalisten sind. Ein Anliegen dieses Buches besteht darin, den Anspruch auf unsere Herkunft einzufordern, ein anderes aber darin, zu erläutern, welche Art von Herkunft unserer Ansicht nach wert ist, eingefordert zu werden.
Es geht uns nicht um Steine, Stämme und Chromosomen. Man muß weder Archäologe noch Anthropologe oder Genetiker sein, um jüdische Kontinuität auszumachen und zu untermauern. Man muß kein orthodoxer Jude sein. Man muß überhaupt nicht jüdisch sein. Übrigens auch kein Antisemit. Nur ein Leser.
In seinem wunderbaren Gedicht »Juden« schrieb der im Jahr 2000 verstorbene israelische Dichter Jehuda Amichai:
»Die Juden sind kein historisches Volk,
Nicht einmal ein archäologisches Volk, die Juden
Sind ein geologisches Volk, mit Scherben
Und Einbrüchen und Schichten und glühendem Magma.
Ihre Geschichte muß mit einem
Anderen Maßstab gemessen werden.«7
Ein geologisches Volk: diese einzigartige Metapher könnte auch für andere Völker mit Fug und Recht zutreffen. Nicht nur für die Juden. Doch sie klingt in unseren Ohren besonders volltönend, da wir jüdische Kontinuität als stete Textübermittlung verstehen. Die »historische«, ethnische, genetische Einheit der Juden ist ein Bericht von Grabenbrüchen und Katastrophen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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