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Witzig-turbulente Alltags-Geschichte für Mädchen ab 10 von Spiegel-Besteller-Autorin Mina Teichert!
Eigentlich ist Lu ganz gut in ihrem neuen Leben angekommen. Sie spielt die erste Trompete beim Sommerfest und sie glaubt, dass sie in Julian verliebt ist. Lil ist eine supercoole Freundin, mit der sie über alles reden kann, und Tara, nun ja, die ist eben Tara. Aber dann droht sich wieder alles zu verändern, denn Lu bekommt eine Schwester. Und was komisch ist, es dauert keine vier Monate – was bedeutet, Mama hat ihr diese Neuigkeit viel zu lange verschwiegen. Und dann beginnt ein Krieg zwischen Tara und ihr und die Frage kommt auf, wem kann sie eigentlich trauen und wer hat einen Schlag mit 'nem Kaktus verdient?
In der Kaktus-Serie bereits erschienen: "Ich wollt, ich wär ein Kaktus" (Bd. 1)
Rezensionen zu "Ich wollt, ich wär ein Kaktus":
"[...] Freundschaft, Eifersucht, erste Liebe. Ein Buch, das vielen Leserinnen aufgrund der Hauptfigur gefallen wird." KidsBestBooks
"Was für eine witzige und turbulente, actionreiche Geschichte, und intelligent dazu! Das trifft den Nerv der Elf- bis Dreizehnjährigen ganz bestimmt, und das, ohne dass sich Mina Teichert in irgendeiner Weise anbiedert. [...] Einfach schön!" Alliteratus, Astrid von Nahl
"Ein buntes, fröhliches, ehrliches, lautes, lustiges und tolles Buch. Trennung bedeutet nicht immer das Ende, sondern es ist ein Ende mit vielen neuen Anfängen und neuen Wegen. Eine ganz klare Leseempfehlung!" Blog "birkatpet"
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Eigentlich ist Lu ganz gut in ihrem neuen Leben angekommen. Sie spielt die erste Trompete beim Sommerfest und sie glaubt, dass sie in Julian verliebt ist. Lil ist eine supercoole Freundin, mit der sie über alles reden kann, und Tara, nun ja, die ist eben Tara. Aber dann droht sich wieder alles zu verändern, denn Lu bekommt eine Schwester. Und was komisch ist, es dauert keine vier Monate – was bedeutet, Mama hat ihr diese Neuigkeit viel zu lange verschwiegen. Und dann beginnt ein Krieg zwischen Tara und ihr und die Frage kommt auf, wem kann sie eigentlich trauen und wer hat einen Schlag mit 'nem Kaktus verdient?
© privat
Mina Teichert wurde in dem schneereichen Jahr 1978 in Bremen geboren und lebt mit ihrer kleinen Familie im ländlichen Idyll Niedersachsens. Nachdem sie zunächst als Kind hartnäckig das Ziel verfolgte, Kunstreiterin im Zirkus und Wahrsagerin zu werden, sattelte sie mit vierzehn um und träumte von dort an von der Schriftstellerei. Heute schreibt sie mit Begeisterung Geschichten für Jung und Alt.
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Viel Spaß beim Lesen!
Mina Teichert
Planet!
Meine blonden Locken versperren mir die Sicht. Konzentriert schiele ich auf den Boden zu meinen Füßen, weil immer wieder Hindernisse auftauchen. Und das, während ich Trompete spiele und im Gleichschritt mit den anderen der Blaskapelle voranschreite. Alles soll im Einklang sein, Ton und Marsch. Gar nicht so einfach, wenn direkt vor einem eine Kutsche mit zwei Haflingerponys fährt, die ständig kacken müssen.
Ich mache einen Ausfallschritt, um nicht direkt in die Pferdeäpfel zu treten, und verreiße meinen Ton. Julian, der direkt neben mir trompetet, tut dasselbe, weil er lachen muss.
Wir sind ein Superteam geworden. Gemeinsam laufen wir regelmäßig zu Höchstformen auf oder verkacken es. Total toll! Unser Lehrer für die dunklen Künste, pardon, für den Musikunterricht ist begeistert, weil er sich nie entscheiden kann, wer von uns sein Lieblingsschüler ist. Und Julian und ich rätseln regelmäßig darüber, wer später näher an unser absolutes Idol Louis Armstrong herankommen wird – den besten Jazz-Trompeter ever!
Wir trompeten uns in Rage. Hinter uns ertönen die Klarinetten und die Trommler. Ich schiele zu Julian, er zwinkert mir zu. Die Leute an der Straße jubeln, Bonbons regnen auf alle nieder. Sie werden von der Kutsche aus geworfen und ich bekomme eines an den Kopf. Verdammt! Die könnten echt besser zielen.
Schon krass, dass ich bereits über ein Jahr hier auf dem Land wohne. Mich sogar richtig eingelebt habe und mich gerade mitten im Highlight des Jahres befinde. Das Sommerfest mit seiner Bläserformation. Nichts kommt an dieses Event heran, haben sie alle gesagt. Als Trompeter des Ensembles bekommt man obendrein viel Anerkennung und so viel Eis, wie man will, habe ich gehört. Ich muss zugeben, dass diese Information maßgeblich dazu beigetragen hat, mich dafür zu entscheiden, überhaupt mitzumachen. Auch wenn Tara meinte, man sei automatisch uncool, wenn man das tut. Man wäre somit kein ernst zu nehmender Musiker mehr, falls man sich dazu herablässt, auf Dorffesten die erste Trompete zu spielen. Aber was weiß sie schon? Wahrscheinlich sagt sie das nur, weil sie ihr Klavier so schlecht vor sich hertragen kann. Sie mag keine Blasinstrumente, hat sie betont, und manchmal fühle ich mich dadurch beinahe beleidigt.
Wir wechseln den Song, spielen nun etwas Modernes. Sias Lied Chandelier und die begeisterten Leute am Straßenrand gehen richtig ab. Was auch abgeht, sind die Haflinger vor uns. Sie rennen plötzlich los, rammen fast den Anhänger eines kleinen Traktors und machen sich auf den Weg nach Hause. Hui!
Ich fand es gleich fraglich, ob man Pferde mit so viel Musik beschallen sollte. Jeder weiß doch, dass sie sehr empfindliche Ohren haben und sogar Flöhe husten hören. Apropos Flöhe. Meine kleine Cousine Ella ist auch da, um sich meinen Auftritt nicht entgehen zu lassen. Ich entdecke sie, wie sie todesmutig Bonbons von der Straße aufsammelt. Ziemlich nahe an Traktoren mit geschmückten Anhängern. Ich stelle immer wieder fest, dass sie keinen guten Selbsterhaltungstrieb hat. Nun entkommt sie nur knapp den stampfenden Füßen der Trommler. Jemand sollte auf Ella aufpassen. Also wo ist Oma Käthe?
Jetzt trete ich doch in Kacke und rutsche aus. Der Ton meiner Trompete entgleitet mir erneut und ich fange mich gerade noch rechtzeitig, um keinen Spagat zu machen.
Mama und Jo in der Menge klatschen begeistert. Sie stehen unweit der Gabelung, an der es zum Festplatz geht. Ich deute eine Verbeugung an, als ob die Turneinlage Absicht war, und Tröte neben Julian weiter. Ich bin ziemlich froh, dass wir endlich ankommen und das letzte Lied spielen.
Dann entdecke ich meine Oma, die Ella einfängt, bevor sie auf die Idee kommt, sich vor einen der geschmückten Traktoren des Umzuges zu werfen.
Kinder, die sind echt lebensmüde.
Wir spielen den Schlussakkord und werden mit lautem Applaus belohnt.
Mama sieht ziemlich stolz aus. Und als die restlichen geschmückten Festwagen anhalten, schließt sie mich in die Arme.
»Hummelchen, das hast du großartig gemacht«, flüstert sie in mein Haar.
»War ich ja nicht allein«, erinnere ich an die anderen Schüler des Gymnasiums und den Haufen Senioren, die das schon seit Ewigkeiten machen.
»Ach, Hummelchen.« Bernadette, meine Mama, wird ganz rührselig und knuddelt mich. Seit einigen Monaten hat sie ständig nahe am Wasser gebaut, was ich mir nicht erklären kann. Alles ist immer so schön, dass man heulen könnte.
»Ach, Mama, nenn mich nicht so.« Warum zum Kaktus müssen sie und Jo sich eigentlich immer ungünstige Spitznamen für mich ausdenken? Ich hatte gehofft, sie akzeptieren, dass ich zu alt für so was bin. Nun hüpft Ella heran, schlingt ihre Arme um meinen Bauch und drückt zu. Gestern hatten wir noch einen Quetschwettbewerb gemacht und sie hatte gewonnen, weil ich das Gleichgewicht verloren habe. Was auch der Grund für meine Verletzung oberhalb der Stirn ist. Eine Wunde, die rot leuchtet.
»Ella, du Plage. Geh mir vom Rockzipfel«, stöhne ich und sie kichert und schaut sich zu meiner Oma um.
Die trägt trotz Hitze ein schwarzes Kleid und ihre neuerdings knalllila Frisur türmt sich auf dem Kopf. Gut, dass ich mich an ihre Schrägheit gewöhnt habe. Im Gegensatz zu manch anderem, der einen Bogen um sie macht. Wie Tara zum Beispiel, die sich vorgestern nicht mal mit dem Fahrrad auf den Hof gewagt hat, während Oma mit einem ziemlich großen Messer Gurken und Salat erntete.
»Guck mal, was ich alles hab«, zeigt mir Ella ihre gesammelten Süßigkeiten. Dafür, dass sie mit ihren sechs Jahren darauf besteht, schon groß zu sein, sind ihr kindische Sachen ziemlich wichtig.
»Super, da kannst du mir ja die Hälfte abgeben.« Ich reiche Mama meine Trompete und schaue mich um. Überall blinken die Lichter von Buden und Fahrgeschäften, und ehe ich michs versehe, muss ich mit Ella ins Kinderkarussell. Was tut man nicht alles, um die Kleinen froh zu machen?
Irgendwann sondere ich mich nach einer Tüte Pommes und einer halben Bratwurst, die ich verputze, von meiner Familie ab, um Julian zu suchen. Wir sind beim Kraken verabredet. Und in meinem Bauch summen jetzt schon Hunderte Bienen, weil ich fest daran glaube, dass es heute passieren wird. Unser erster Kuss.
Neulich wäre es schon fast so weit gewesen. Wir hockten auf einer der frisch gemähten Wiesen in der Sommersonne und picknickten mit Nudelsalat und Cola. Und da gab es einen Moment, in dem ich mich in seinen Arm drehte. Julian hat mich total lange angesehen, hielt sogar die Luft an. Vielleicht bewunderte er, wie hübsch ich an dem Tag war. Meine Locken waren zuvor von Lil zu einer Flechtfrisur verarbeitet worden. Nur wenige Strähnen, die wir herausgezupft hatten, umrahmten mein Gesicht und glänzten in der Sonne. Doch dann, während Julian mir immer näher kam, tuckerte der Traktor mit Jo drauf heran. Gaaanz tolles Timing!
Ich hoffe, heute funkt mir niemand dazwischen. Irgendwann bleibe ich stehen, um mich umzuschauen, und werde beinahe umgerannt. Vor mir erblicke ich das große Festzelt, in dem morgen ein Discoabend stattfinden soll. Links und rechts aufgereiht sind Pommesbuden, ein Dönerstand, es gibt Zuckerwatte und Eis. Laute Musik dringt durch die Gänge, der Kraken ist nicht weit, ich kann seine Tentakel schon durch die Luft sausen sehen. Trotzdem entscheide ich, mir erst mal ein wohlverdientes Eis zu holen.
»Das macht zwei Euro«, meint die Verkäuferin überraschend, und ich muss mich doch sehr wundern. Hieß es nicht, als Mitglied des Festzugs bekommt man so viel Eis, wie man will und das umsonst? Und dazu eine gute Portion Anerkennung? Nur kurz deute ich auf mein Dress. Die dreifarbige Jacke mit den tausend Knöpfen – ich trage sie trotz Knopfallergie – und dazu das schicke Faltenröckchen. Nicht zu vergessen die Kniestrümpfe, nicht gerade neueste Mode, würde Tara sagen.
»Ich bin vom Bläserensemble und habe gerade eine Meisterleistung vollbracht«, versuche ich zu erklären. »Das ist doch was wert, nicht wahr?«
Die Augenbrauen der Frau schieben sich zusammen. »Und ich bin hochbegabt und schreibe gerade an meiner Masterarbeit zum Thema Gewinnoptimierung.« Sie lässt ihre Finger ungeduldig wackeln.
»Aber ich dachte, hier bekomme ich Eis umsonst?« Ich runzle die Stirn und frage mich, ob ich da was falsch verstanden habe.
»Umsonst ist nichts im Leben, nicht mal der Tod«, haut die Eisverkäuferin einfach raus und ich schlucke. »Der kostet nämlich das Leben.«
»Danke für die Information. Also kein Eis geschenkt«, stelle ich fest. Wenn ich mich recht erinnere, kam diese Info von Tara und vermutlich hätte mich ihr seltsames Lächeln warnen sollen.
Ich krame in meiner Jackentasche, zahle mein Eis und schlendere durch die Menge.
Der Kraken dreht sich wie verrückt und ich kann niemanden auf den ersten Blick finden. Irgendwie fühle ich mich ganz schön allein gelassen und beiße in mein Eis. Kurz friert mein Hirn ein und ich entdecke meine Freundin Lil im Verkaufswagen vom Weißen Drachen. Sie winkt wie wild und mein Herz macht einen erfreuten Satz. Endlich jemand, den ich kenne.
»Na, wie lief es?«, fragt sie mich, während sie Asia-Nudeln im Wok rührt. Würziger Duft steigt mir in die Nase.
»Ganz gut, wenn man davon absieht, dass man mich mit Süßigkeiten attackiert hat und ich ständig auf die Tretminen der Pferde aufpassen musste.«
Lil kichert. »Wo ist denn Julian? Ich dachte, ihr wolltet danach gemeinsam den Markt unsicher machen.«
Gute Frage, nächste Frage. Ich schlecke mein Eis, lehne mich lässig auf den Tresen und überlege eine Weile. Wie konnte er so plötzlich weg sein? Als hätte er sich in Luft aufgelöst.
»Irgendwie haben wir uns verloren. Keine Ahnung, wie das passieren konnte.« Na gut, eine Idee habe ich schon. Es fing vielleicht damit an, dass meine Familie Aufmerksamkeit brauchte und zu mir kam. Und Ella an mir hing wie eine Klette. Vermutlich hätte ich an Julians Stelle auch das Weite gesucht. Denn meine Familie ist komisch. Meine Mutter Bernadette ist eine Chaotin, die erst neulich wieder einmal die Küche in Brand gesteckt hat. Ihr Freund Jo stinkt nach Kuhstall und meine Oma ist esoterisch, was mit Hexerei gleichzusetzen ist. Behauptet zumindest Lil und die muss es ja wissen, denn ihre Oma ist auch seltsam und sieht ständig Dinge, die nicht da sind.
»Schade, dass ich den ganzen Tag hier am Stand festsitze«, findet Lil und ich stimme ihr zu. »Aber zum Glück haben wir den größten Spaß ja noch vor uns.« Sie spielt auf den traditionellen Discoabend an, zu dem auch wir Jüngeren gehen dürfen.
Sofort werde ich kribbelig. Ich war noch nie in einer Disco, egal ob in einem Zelt oder sonst wo.
»Ja, ich freu mich wie bescheuert«, gebe ich glücklich zu und spüre wieder ein aufgeregtes Summen in meinem Bauch. »Aber ich weiß immer noch nicht, was ich anziehen soll.« Was ein großes Problem werden könnte, denn ich habe kaum Kleider oder elegante Sachen. Und ich will, dass Julian mich hübsch findet. Oder noch besser: umwerfend schön.
Bevor ich mit Lil weiter darüber spreche, verirrt sich ein Kunde an den Stand des Weißen Drachen und bestellt Hühnchen mit gebratenen Nudeln.
Ich lasse meinen Blick über die vielen Leute wandern, in der Hoffnung, ich finde endlich meinen Julian. Doch Fehlanzeige. Und wenn ich versuche, ihn mit meinem Uralthandy anzurufen, hab ich mal wieder keinen Empfang.
Also schlendere ich hinüber zum Kraken und entdecke schließlich noch jemanden, den ich kenne. Isa. Das Krawallmädchen aus unserer Schule, die mir vor nicht allzu langer Zeit noch die Haare mithilfe der Klospülung waschen wollte. Unsere letzten Begegnungen verliefen erfreulich friedlich, weshalb ich mich nicht mehr vor ihr fürchte, und ich winke ihr.
Heute trägt sie ein Blümchenkleid. Und ein Make-up, das an Malen nach Zahlen erinnert. So bunt, so schrill. Aber irgendwie auch cool.
Sie nickt mir lässig zu, steigt aus der Gondel des Kraken. Dann geht sie stapfenden Schrittes zur Warteschlange, um sich noch eine weitere Fahrt zu gönnen. Plötzlich macht jemand einen fatalen Fehler. Er drängelt sich frech vor.
»Ui«, hauche ich. Meine Augen werden groß. Ich beobachte, wie Isa zuerst die Arme in die Hüfte stemmt und den zwei Typen etwas sagt. Doch leider lachen sie über sie. Einer von ihnen antwortet so etwas wie: »Reg dich ab, Blümchen.« Ich kann es nicht ganz verstehen, obwohl ich mich beeilt habe, näher ranzukommen.
Die beiden Kerle haben nicht geahnt, mit wem sie sich da anlegen. Denn anstatt Blümchen fliegen jetzt Fäuste. Auweia!
Hektisch drehe ich mich im Kreis, suche nach Hilfe, und als ich wieder hinschaue, ist alles auch schon vorbei. Die zwei Jungs geben auf, aber Isa blutet. Aus der Nase, was ihr das ganze aufwendige Make-up versaut.
Sofort lasse ich mein Eis fallen, sprinte zu ihr hinüber. Das große Mädchen schwankt etwas und ich stütze sie.
»Boah, die hab ich aber fertiggemacht, die Spackos.«
Ich bin mir nicht sicher, wer wirklich als Verlierer aus dieser Sache hervorgegangen ist.
»Ja, ich hab’s gesehen. Du musst dich am besten erst einmal setzen, damit die Blutung aufhört.« Vorsichtig führe ich sie in eine ruhige Ecke neben die Mülleimer und sie setzt sich auf einen Karton.
»Ich war echt gut«, findet sie und Blut tropft aus ihrer Nase aufs Blümchenkleid.
»Ja total.« Brutal. Vorsichtig lächelnd tupfe ich mit dem Taschentuch an ihrer Nase herum.
»Ey, lass das!«, faucht sie mich an, weil andere Besucher zu uns herübergucken.
»S-S-Sorry«, stammle ich und sie mopst mir das Taschentuch aus der Hand.
»Wie läuft’s denn auf dem Pausenhof?«, fragt sie irgendwann, während sie sich das Taschentuch in die Nase stopft. »Ich geh ja nicht mehr in die dämliche Schule.«
»Ja, hab ich bemerkt.« Wie so einige andere, die sich jetzt auf dem Schulhof oder den Toiletten nicht mehr zu Tode fürchten. Aber wie in jedem Leben, wenn ein Tyrann geht, ist der nächste nicht weit. In diesem Fall heißt er jetzt Dennis und zerstört Fahrräder. Man braucht ihm nur mal keinen Kaugummi schenken, schwupps, hat der Reifen eine Acht oder einen Platten.
»Wieso denn eigentlich nicht?« Die Frage, die sich kaum einer stellt, außer mir.
Isa stößt hart die Luft aus. »Ich geh nicht mehr arbeiten, ohne dafür bezahlt zu werden. Ist doch logo!«
»Aber Schule ist … eben Schule. Dafür gibt es nun mal kein Gehalt«, antworte ich und Isa sieht aus, als würde ihr schlecht werden. Vielleicht vom Blut, das sich womöglich nun im Hirn staut und es verstopft?
»Ja, frag dich mal warum? Das ist doch totale Ausbeutung. Und wer profitiert davon?«, regt sie sich auf und ich stutze.
Eigentlich hat meine Mutter es mir immer so verkauft, dass wir Kinder in erster Linie für uns selbst lernen. Für unsere Zukunft. Damit wir klug genug in eine Ausbildung gehen, oder so ähnlich.
»Wer?«, frage ich neugierig.
»Weiß nicht. Ich jedenfalls nicht«, ist Isas Antwort und dann beginnt sie versonnen zu lächeln.
Sorge kommt bei mir auf, dass sie eine Gehirnerschütterung von dem Schlag des Jungen haben könnte.
»Aber jetzt, jetzt wird alles besser«, meint sie.
»Ach ja?«
»Ich werde mein Leben verändern und sogar allein wohnen«, verrät sie mir total stolz.
»Cool.«
»Ja, total. Solltest du auch mal drüber nachdenken«, rät sie mir und ich finde es krass, dass sie überhaupt allein wohnen will. Ich würde mich, glaube ich, langweilen. Denn meine Kakteen reden einfach zu wenig.
»Ich könnte meine Mama und Jo gar nicht sich selbst überlassen. Irgendjemand muss ja die Spülmaschine richtig einräumen«, antworte ich und denke an Jo, bei dem das Geschirr nach dem Waschgang genauso dreckig ist wie vorher.
»Ich such mir jetzt jedenfalls meinen Traumjob«, sagt Isa und ich stelle mir das Mädchen als Bankräuberin, Türsteherin im Casino oder Chefin eines internationalen Autodieberings vor.
»Du bist ja auch schon älter als ich, oder?«, stelle ich noch mal klar. Ich bin erst vierzehn, so alt wie mein ältester und größter Kaktus Erwin.
»Ja, ich bin siebzehn, du Dumpfbacke. Kannst du nicht rechnen? Ich war zweimal in der neunten Klasse«, meint sie, als würde das alles erklären.
»Weißt du was?«, frage ich vorsichtig, als mir eine großartige Idee kommt.
»Neeeein?«, fragt sie gedehnt.
»Der Schäfer Klaus sucht einen Azubi. Das könnte doch was für dich sein.« Klaus hat seine riesige Herde wolliger Schafe direkt an Jos Hof. Ich hatte neulich mal zugeguckt, wie er und seine zwei Hunde die Herde auf eine andere Weide getrieben haben. Und ich glaube, ich habe selten etwas Lustigeres gesehen als hüpfende Schafe.
Isa denkt nach. Etwas unverhofft legt sie den Arm um mich und presst meinen Lockenkopf an ihre Brust. Ich unterdrücke den Impuls, ängstlich aufzuschreien.
»Thanx für den Tipp.« Sie lässt mich wieder los. »Vielleicht sehen wir uns ja dann bei dem Bauern, der mit deiner Mutter chillt«, meint sie und zwinkert verschwörerisch.
Ich weiß nicht so genau, was sie mir sagen will, und grinse dümmlich. »Ja, vielleicht.«
Mamas und mein Lebensmittelpunkt ist immer noch in Omas Einliegerwohnung, aber Jo und Mama träumen davon, ein Haus beim Hof zu bauen. Neben den ganzen Kühen, die Jo liebevoll seine Fleckis nennt.
Isa steht auf, stopft die Taschentuchfetzen noch etwas tiefer in die Nase und klopft mir kameradschaftlich auf den Rücken. »Mach’s gut, und danke noch mal fürs Händchenhalten«, sagt sie und hebt ihren Zeigefinger. »Und immer dran denken, erzählst du jemandem, dass ich mich von dir hab bemuttern lassen, mach ich dich kalt.«
Irritiert gucke ich Isa nach, wie sie mit ihrem Blümchenkleid in der Menge verschwindet. Nun bin ich wieder allein inmitten der vielen Sommerfestbesucher auf dem Event des Jahres. Schöne Scheiße.
Vermutlich bin ich das einsamste Mädchen auf der großen weiten Welt. Ich habe auf dem Rummel keinen meiner Klassenkameraden wiedergefunden und bin schließlich mit meiner Mutter, Oma und Ella nach Hause gefahren und bemitleide mich nun selbst. Beim Spülmaschine-Umräumen. Ella hilft mir. Beim Umräumen und Bemitleiden.
»Voll fies, dass sich alle vor dir versteckt haben«, meint meine Cousine und hält die Teller, die ich aus dem oberen Fach räume.
»Die haben sich nicht versteckt«, hoffe ich einfach mal, bin aber tatsächlich ein wenig unsicher.
»Wenn du das sagst.« Ella guckt mich keck an, erinnert sich offensichtlich gut daran, dass ich mich mehr als einmal vor ihr versteckt habe, wenn sie mich genervt hat. Sie kann echt anstrengend sein. Sie fragt einem Löcher in den Bauch.
»Vielleicht sind die auch einfach nur verschwunden. Oma sagt, manchmal passiert so was«, klugscheißt Ella und gibt mir die Teller, damit ich sie wieder einräume.