Katharina von Bora: Mein Leben - Susanne Nitsch - E-Book

Katharina von Bora: Mein Leben E-Book

Susanne Nitsch

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Beschreibung

Dieses Büchlein enthält den ersten Teil einer Reihe von „etwas anderen“ Reformationsvorträgen. Susanne Nitsch erzählt in der Ich-Form aus dem Leben der Katharina von Bora, der Ehefrau des berühmten Reformators Martin Luther. Es werden weitere Vorträge folgen, zum Beispiel als Bauernkriegswitwe, als Schwester des Ablasshändlers Johannes Tetzel und anderen Personen.

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Seitenzahl: 64

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Katharina von Bora:

Mein Leben

Seid gegrüßt, meine sehr verehrten Maiden, Frauenzimmer und Damen, Junker, Recken und Herren, seid mir aufs Herzlichste willkommen. Ich freue mich sehr, hier in diesem Büchlein zu Euch sprechen zu dürfen. Eigentlich geziemt es sich ja für ein Frauenzimmer nicht, das Wort so öffentlich zu ergreifen, aber ich möchte Euch gerne aus meinem Leben mit dem großen Reformator Martinus Luther erzählen.

Es war ein gutes Leben mit ihm, meinem herzlich geliebten Eheherrn, den Gott, der Allmächtige, im Alter von 62 Jahren und drei Monaten heim rief. Dieses Leben ist es allemal wert, erzählt zu werden. Martinus sagte einmal, man könne über alles predigen, aber nicht über vierzig Minuten. Nun, predigen werde ich nicht, und mehr als vierzig Minuten werde ich wohl auch benötigen, aber ich hoffe, Euch nicht zu ermüden.

Geboren wurde ich im Jahre des Herrn 1499. Meine Familie gehörte dem sächsischen Landadel an, und ich führte auf dem elterlichen Gut ein recht freies Leben. Ich spielte mit dem Jungen, der die Gänse hütete; streichelte die Kühe auf der Weide und half beim Melken, sammelte die Eier im Hühnerstall ein, half beim Buttern, Käse ansetzen und Brot backen, und meine Kinderfrau hatte oft ihre liebe Mühe, mich zum Lesen lernen und feinen Handarbeiten anzuhalten. Ein adliges Mädchen müsse über diese Fertigkeiten verfügen, meinte sie, und damit hatte sie Recht. Aber ich fand das langweilig – das Leben draußen an der frischen Luft war spannender, als drinnen in der dunklen Stube zu sitzen und ein Tuch zu besticken. So war es nicht verwunderlich, dass meine diesbezüglichen Fertigkeiten zu wünschen übrig ließen. Meine Mutter ließ mich manches Mal lächelnd gewähren, aber auch sie ermahnte mich, an meine Pflichten zu denken. Wenn ich erst einmal verheiratet worden war, musste ich einem Haushalt vorstehen können und das Gesinde beaufsichtigen. Eine Kindheit war zu meiner Zeit früh zu Ende, spätestens mit sieben Jahren mussten die Kinder aus dem Volke Geld verdienen oder auf dem heimatlichen Bauernhof kräftig mithelfen. In diesem Alter waren Kinder auch schon strafmündig und konnten durchaus eingekerkert oder mit einer Leibstrafe belegt werden, das heißt, Kinder waren mit sieben Jahren wirklich erwachsen.

Mein freies Leben und meine Kindheit fanden ein jähes Ende, als ich erst sechs Jahre alt war. Meine liebe Mutter starb, und nur einen Tag nach ihrer Beerdigung, als ich noch völlig unter dem Schock und dem Eindruck der vielen Menschen, Kerzen, den Gesängen und dem Weihrauch stand, setzte mein Vater mich in einen Wagen und brachte mich ins Kloster nach Brehna. So schön die Fahrt auch war, und wie fröhlich die Pferde durch mein geliebtes Sachsen trabten - für mich war das ein Schock. Nach dem Tod meiner Mutter aus der Familie herausgerissen zu werden und in eine fremde Umgebung zu kommen, war hart. Ich vermisste mein Zuhause, meinen Vater und meine Geschwister, meine Tiere; einfach alles, war mein bisheriges Leben ausgemacht hatte. Besonders vermisste ich meine Mutter, ihre weichen Hände, die mein Gesicht umfassten, ihre Umarmungen und ihre liebe Stimme, mit der sie mir ihre Geschichten erzählte. Das Leben im Kloster war eigentlich nicht schlecht, aber das Heimweh blieb und plagte mich.

Zuerst musste ich das Schreiben und Lesen sowie die lateinische Sprache gründlich erlernen. Solche Fertigkeiten waren für Frauenzimmer meiner Zeit nicht allzu gern gesehen, weil die Fruchtbarkeit darunter leidet, daher wurde den meisten Frauen das Lernen verwehrt. Eigene Gedanken und Ideen wurden den Frauen meiner Zeit ohnehin nicht gerne zugestanden, sie waren zum Kinderkriegen da. Nur manche adlige Frauen durften das Lesen und Schreiben lernen, für die einfachen Weiber schickte sich das nicht. Im Kloster aber ist das Lesen und Schreiben wichtig, und gottgeweihte Frauen bekommen ohnehin keine Kinder. Mit Holzbuchstaben und später mit Wachstafeln lernten wir, die ersten Worte zu schreiben. „Gloria in excelsis deo“ – „Ehre sei Gott in der Höhe“, mit solchen Sätzen begannen wir. Nur sprechen durften wir nicht viel. Im Kloster wurde viel geschwiegen, damit wir in der Stille auf Gott hören konnten. Und viel gebetet – sogar des Nachts mussten wir aus unseren Schlaflagern, um in der dunklen kalten Kirche zu beten. Wir Mädchen waren oft so müde, dass wir auf den harten Bänken in der Kirche eingeschlafen wären, wenn wir nicht so gefroren hätten. Die Nonnen sangen so schön wie die Engel, schon damals liebte ich den gregorianischen Gesang, der die Kirche erfüllte und Gott erfreute. Gottes Wort hörten wir sogar während des Essens, aufmerksam mussten wir den Tischlesungen lauschen und durften selbst nicht sprechen. Nachmittags erlernten wir feine Handarbeiten, wir hatten Gesangsunterricht und übten Schönschrift, und immer wieder versammelten wir uns in der Kirche, um die verschiedenen Gebetszeiten einzuhalten. Eigentlich war jeder Tag gleich, nur unterbrochen von den verschiedenen Kirchenfesten und den Tagen, an denen wir unserer Heiligen gedachten.

Im Jahre 1509 verließ ich das Kloster zu Brehna und wechselte in das Zisterzienserinnen-Kloster Marienthron in Nimbschen in der Nähe von Grimma. Meine Muhme Margarethe von Haubitz lebte dort und nahm mich unter ihre Fittichen. Auch dort war der Tagesablauf nicht wesentlich anders als in Brehna, dort wie hier galt der Satz: „Siebenmal am Tag singe ich Dein Lob und nachts stehe ich auf, um Dich zu preisen.“ In der Bibel steht: „Betet ohne Unterlass!“, und wo kann man das besser als im Kloster. Aber auch das Arbeiten kam nicht zu kurz, denn der heilige Benedikt sagte: „Ora et labora!“, also „Bete und arbeite.“ Wichtiger als jede Arbeit war jedoch der Gottesdienst, dem nichts vorgezogen werden darf. Für Gott da zu sein ist wichtiger als alles andere. Also versammelten wir Kinder uns zusammen mit den Nonnen, um die Laudes, also das Morgenlob zu beten. Die aufgehende Sonne erinnerte uns dabei an die Auferstehung Christi. Wir begannen mit: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund Dein Lob verkünde“. Dem folgten der Hymnus, die Morgen- und Lob-Psalmen, das alttestamentliche Canticum, die Schriftlesung, das Responsorium und das Benedictus, die Bitten um das gute Gelingen und die Heiligung des neuen Tages, das Vaterunser, das Tagesgebet und der Segen.

Dann folgte die Betrachtungszeit, in der wir über einen vorgegebenen Bibelvers meditierten. Im Kapitelsaal hörten wir später ein Kapitel aus der Ordensregel, die jede Nonne auswendig kennen muss. Außerdem gedachten wir da der Verstorbenen dieses Tages. Um sieben Uhr morgens feierten wir die Heilige Messe. Bei der Terz riefen wir den Heiligen Geist an und baten Ihn um Seine Kraft und Freude. Dann endlich gab es im Refektorium, dem klösterlichen Speisesaal, das Morgenmahl – Getreidebrei und Brot, zum Trinken gab es meist Dünnbier. Dann war es Zeit für die Arbeit. Also polierte ich die heiligen Altargeräte, wischte die Gänge, half in der Küche und im Garten und überall, wo ich gebraucht wurde. Ich hätte es unserer Novizenmeisterin gegenüber nicht zugegeben, aber die tatkräftige Arbeit machte mir mehr Freude als das stundenlange Beten. Nach der Arbeitszeit beteten wir die Sext und die Non, die Mittagshoren. Dabei gedachten wir dem Leiden und Sterben Christi. Dann gab es das Mittagsmahl – meist Gemüsesuppe und Brot. Fleisch gab es selten im Kloster, zusätzlich zu den ungefähr 130 Fastentagen im Jahr fasteten und kasteiten wir uns weitaus mehr als vorgeschrieben. Nach dem Mittagsmahl wurde weitergearbeitet.