Weihnachten im Hause Luther - Susanne Nitsch - E-Book

Weihnachten im Hause Luther E-Book

Susanne Nitsch

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Beschreibung

Weihnachten - das Fest der Liebe und des Glaubens. Heute bei vielen das Fest der Geschenke und der Dekoration; im Mittelalter ein christliches Fest, das hauptsächlich in der Kirche gefeiert wurde; durch die Reformation zum Familienfest geworden. Katharina Luther erzählt von den Weihnachtsfesten in ihrer Familie, von Martin Luthers Glauben, seinen Predigten und Geschichten. Sie berichtet von den mittelalterlichen Gebräuchen, die zum Teil noch dem Heidentum entspringen, vom Aberglauben und vom Christkind, das in der Reformationszeit entstand. Sie erzählt die Weihnachtsgeschichte und ihre Gedanken über die Jungfrau Maria. Tauchen Sie ein in die Weihnachtszeit der Vergangenheit, um zu verstehen, wie sich unsere Weihnachtsbräuche entwickelt haben.

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Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest sowie alles erdenklich Gute und Gesundheit für die kommende Zeit

Meine lieben ehrsamen und andächtigen Damen und Herren, da es meinem Eheherrn Martinus Luther nicht gelingt, mich, sein Weib Katharina oder „Herrn Käthe“, wie er mich gerne nennt, zum Schweigen zu bringen, obwohl sich das Sprechen vor Leuten für ein Weib nicht geziemt, möchte ich Euch von den Weihnachtsfesten in mittelalterlichen und in unseren reformatorischen Zeiten berichten. Die Weihnachtszeit ist einfach wunderbar, und die Vorfreude auf die Ankunft unseres geliebten Herrn Jesus Christus ist wohl zu allen Zeiten gleich geblieben.

Weihnachten gehört neben Ostern und Pfingsten zu den drei wichtigsten Festen im Jahr. Das Wort Weihnachten leitet sich vom mittelhochdeutschen „zewihen naht“ ab, was „geweihte, heilige Nacht“ bedeutet. Mit dem Advent, was „Ankunft“ bedeutet, beginnt das Kirchenjahr.

Wann Jesus geboren wurde, weiß natürlich niemand. Kein Mensch hat das Datum festgehalten. Also legte man Seinen Geburtstag auf den 25. Dezember, den Geburtstag des unbesiegbaren Sonnengottes. Schon ab dem Jahre des Herrn 336 wurde Weihnachten an diesem Datum gefeiert. Das Geburtsdatum des Sonnengottes war gut gewählt, denn Jesus ist für uns das Licht der Welt, so steht es schon bei Johannes 8, 12: „Ich bin das Licht der Welt. Wer Mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“. Schon, dass Seine Geburt durch einen Stern angezeigt wurde, zeigt Sein Licht und Seine Bedeutung. Der Stern von Bethlehem nicht nur der Wegweiser zum Jesuskind, sondern auch eine Verbindung zwischen Himmel und Erde. In der Bibel steht, dass Jesus als „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in die Welt gekommen ist“ (Johannes 1, 9). Am Ende der Zeit, wenn Jesus Christus zurück auf die Erde kommt, ist die Finsternis überwunden, dann wird Gott uns die Tränen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. So steht es in der Offenbarung. Damit ist Weihnachten weit mehr als die Erinnerung an Jesu Geburt. Es ist ein Versprechen, dass der Tod überwunden wird und wir bei Gott, der uns liebt, eine bleibende Stätte finden werden.

Liebe ist der zentrale Mittelpunkt des Christentums. Es heißt ja, man erkenne einen Muslim am Glauben, einen Juden an der Hoffnung und einen Christen an der Liebe. In der Bibel im 1. Korinther 13, 13 heißt es „Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei - aber die Liebe ist die größte unter ihnen“. Gott liebt uns so sehr, dass Er uns nahe sein und uns erlösen möchte. Er erniedrigt sich, macht sich klein und hilflos, indem Er als Kind auf die Welt kommt. Deswegen ist Weihnachten das Fest der Liebe und der Versöhnung.

Maria mit dem Jesuskind

Zu meiner Zeit feiert man Weihnachten freilich völlig anders als Ihr heute. So viel Weihnachtsdekoration, so viele Geschenke und Naschereien gibt es bei uns nicht. Weihnachten ist ein christliches Fest, das mit viel kirchlichem Aufwand gefeiert wird, mit Fasten, Gebet und Gottesdiensten. Erst mit meinem Gemahl Martin Luther wurde Weihnachten zu einem Familienfest. Vieles aus unserer Zeit hat sich bis heute erhalten - zum Beispiel sind damals wie heute Weihrauch und Gerüche nach Pfeffernüssen und dem Weihnachtsessen eng mit Weihnachten verbunden.

Natürlich haben sich die Weihnachtsfeierlichkeiten im Laufe der Jahre sehr verändert. Im sechsten Jahrhundert in Rom dauerte die Adventszeit sechs Sonntage lang, aber dann hat Papst Gregor I. sie auf vier Sonntage verkürzt. In dieser Zeit sollen sich die Menschen auf die Menschwerdung Christi vorbereiten. In der Adventszeit beginnt auch das neue Kirchenjahr. Das Wort „Advent“ bedeutet Ankunft, und das hat für uns gleich zwei Bedeutungen: Jesus ist zu uns Menschen auf die Welt gekommen, und Er wird wiederkommen.

Heute ist die Adventszeit die hektischste Zeit im Jahr: Geschenke besorgen, Plätzchen backen, Wohnung dekorieren, Weihnachtskarten schreiben, Weihnachtsfeiern, Weihnachtsessen vorbereiten und vieles mehr. Meist müssen berufliche Projekt bis Weihnachten zu Ende gebracht werden, da viele Berufstätige bis ins nächste Jahr Urlaub nehmen und dann bereits ein neues Jahr begonnen hat.

Dafür hatten wir wohl mehr Gebräuche, wie Ihr sie heute kaum noch kennt. Zum Beispiel waschen wir „zwischen den Jahren“, also zwischen Weihnachten und Silvester, keine Wäsche, dieser Brauch hat sich noch bis spät ins 20. Jahrhundert gehalten. Oder wir heben von dem Fisch, den wir zum Heiligen Abend gegessen haben, eine Schuppe auf und tragen sie in unserer Geldkatze mit uns herum, damit uns nie die Münzen ausgehen. Kennt Ihr das auch noch?

Zunächst möchte ich Euch berichten, wie wir Weihnachten vor der Reformation gefeiert haben:

Vor Weihnachten wird bei uns streng gefastet. Am Martinstag, dem elften November, was ja auch der Tag ist, dem mein Gemahl durch seine Taufe seinen Vornamen verdankt, gibt es das beliebte und traditionelle Martinsgansessen. Natürlich ist es kein Zufall, dass wir ausgerechnet eine Gans essen, denn dieser Brauch entstammt einer Legende. Als der Heilige Martin, der sich durch äußerste Bescheidenheit und Zurückhaltung auszeichnete, erfuhr, dass er zum Bischof gewählt werden sollte, versteckte er sich in einem Gänsestall, um sich der Wahl nicht stellen zu müssen. Doch die Gänse wunderten sich wohl über den ungebetenen Gast in ihrem Stall und machten ihrem Unmut durch lautes Geschnattere Luft.

Die Martinsgans

Dadurch wurden die Bürger auf den Stall aufmerksam, schauten nach - und fanden Martin, der dann zum Bischof gewählt wurde. Seither wurden an jedem 6. Dezember Gänse geschlachtet und gegessen.

Sehr beliebt waren auch die Martinsumzüge mit Laternen. Lichterprozessionen wurden oft am Vorabend von hohen Festen veranstaltet, sehr zur Freude der Bevölkerung.

Danach beginnt das vierzigtägige Adventsfasten, das erst mit dem Dreikönigstag endet. Nur an den Wochenenden und an den Festtagen darf gut gegessen werden. Es ist ja kein Geheimnis, dass mein Gemahl Martinus gerne und reichlich isst. Am liebsten mag er kalte Erbsen mit Senf und Hering, aber meiner Küche spricht er sowieso immer gut und reichlich zu. Mit dem vielen Essen will er die schwarze Melancholica, die ihn manchmal befällt, vertreiben. Aber zurück zum Martinstag: An diesem Tag endet das Wirtschaftsjahr. Die Ernte ist eingebracht, und der Herrschaft und der Kirche müssen die Abgaben entrichtet werden. Auch die Dienst-, Pacht- und Zinsverhältnisse beginnen und enden zu Martini.

An diesem Tag sollen die Familien Gans essen und - soweit es die finanziellen Möglichkeiten zuließen - Wein oder Met kaufen. Den ersten Wein des Jahrgangs nannte man Martinsminne.

Mein Martinus liebt fröhliche Feiern, aber er predigt auch scharf gegen die Trunkenheit. Zu unserer Zeit nennt man das Nikolaus-Singen noch Heischegänge. Wer Martinslieder singt, erhält dafür Lebensmittel, manchmal auch etwas Branntwein oder Bier. Hat man genügend Gutes gesammelt, setzt man sich zu einem fröhlichen Gelage zusammen und ißt und trinkt und ist guten Mutes.

Die jungen ledigen Mädchen treffen sich in Spinnstuben, denn bis Fastnacht muss alles Flachs versponnen sein. Gelegentlich dürfen sich die jungen Burschen dazusetzen und den Geschichten und Sagen, die beim Spinnen erzählt werden, lauschen.

Mittelalterliches Spinnen mit der Handspindel

In der dunklen eisigen Zeit erzählt man sich auch gerne unheimliche Geschichten von bösen Geistern und anderen heidnischen Gestalten. Ängstlich lauschen wir nach draußen, ob wir das Wilde Heer herannahen hören oder ob der getreue Eckart kommt und die Menschen warnt, ihre Häuser nicht zu verlassen, um nicht von Wilden Jäger ergriffen zu werden. Tote Kinder, die eines gewaltsamen Todes gestorben waren, gehören zum Wilden Heer, und Frau Holle treibt ihr arges Unwesen. Zum Beispiel ist sie dafür verantwortlich, wie viel Schnee im Winter fällt, denn je heftiger sie ihre Betten ausschüttelt, desto mehr Schnee gibt es auf der Erde. Im Frühjahr wandelt sie aber auch über die Felder und Wiesen und segnet die Natur. Dadurch erwachen alle Pflanzen und Blumen und beginnen zu wachsen und zu blühen. Eine Pflanze ist ihr geweiht, und zwar der Holunder. Viele glauben, dass der Holunder der Frau Holle seinen Namen verdankt, aber im Althochdeutschen bedeutet „Holun“ heilig, günstig oder gnädig, und das Wort „Tar“ bedeutet Baum oder Strauch. Aber wehe den Eltern, die ihren Kindern eine Wiege aus Holunder bauen, denn diese Kinder werden von Frau Holle geraubt.

Frau Holle ist den Menschen auch behilflich. Sie soll eine gute Spinnerin und Weberin sein und den Menschen ihre Fertigkeiten gelehrt haben, daher gilt sie als Schirmherrin über die Spinnerinnen und Weber. Manches Mal schenkt sie den Menschen auch Kuchen, Blumen oder Obst und sie hilft besonders den Mädchen und Frauen, indem sie ihnen „so manches gute Jahr“ wünscht und sie macht sie gesund und fruchtbar. Vielen gilt Frau Holle als Bringerin der Kinder. In Gotha in Thüringen gibt es eine unendlich tiefe Quelle, wo Frau Holle die noch ungeborenen Gothaer Kinder hütet und auf sie aufpasst, bis ihre Zeit zu ihrer Geburt gekommen ist.

Aber sie führt auch die Seelen der ungetauften verstorbenen Kinder mit sich, daher ist es besser, Kinder möglichst schnell taufen zu lassen. Man weiß ja nie. Aber Frau Holle sitzt nicht nur in dieser unendlich tiefen Quelle, sondern auch im Erdinnern und herrscht über die Schätze, die dort verborgen sind.

In der Zeit der Raunächte, also zwischen dem 21. Dezember und dem 3. Januar, steigt sie hinauf und schaut nach, wer fleißig und wer faul war. Sie erscheint in der Gestalt der Muhme Mählen, einer alten und hilflosen Frau und bittet die Menschen und Essen und Obdach. Aber das dient nur zur Prüfung ihrer Seelen. Die Hilfsbereiten werden belohnt, aber die Geizigen und Hartherzigen werden bestraft. Besonders hart hatte es den Bauern des Honighofes bei Wickenrode in Hessen getroffen. Er schlug seine Tochter, weil sie Frau Holle einen kühlen Trunk und eine Mahlzeit gereicht hatte, und er hetzte seine Hunde auf Frau Holle, um sie zu verjagen. Das nahm Frau Holle nicht hin. Sie sandte ein Feuer auf den Hof, das alles vernichtete. Der Bauer und sein Sohn starben in den Flammen, nur die Tochter kam unbeschadet davon.

Martinus kämpfte später gegen diesen Aberglauben an und erklärte, der Wilde Jäger sei der heidnische Gott Odin und Frau Holle eigentlich die Göttin Frigg, und nur der Glaube an Jesus Christus sei der einzig wahre Glaube.

Unsere Zeit ist aber nun einmal nicht so aufgeklärt wie die Eurige, sie ist geprägt von Aberglauben, Geistern und Spuk.

Unsere Welt ist bevölkert mit Bergmännlein, Wassergeistern und anderen Naturgeistern. Wir glauben an Hexen und Zauberinnen, und wir glauben, dass missgebildete Kinder Wechselbälger sind, was bedeutet, dass unsere gesunden Kinder geraubt und gegen Missgeburten ausgetauscht wurden. Diese Wechselbälger durften ruhig ertränkt oder anderweitig getötet werden.