9,99 €
Ihr Kind ist agil, fröhlich, selbständig und voller Überschwang? Diesen Zustand sollten Sie unverzüglich abändern, bevor es völlig überschnappt. Nur dann wird es fürs Leben abgehärtet und kein Weichei werden. Mit vielen pädagogisch wertvollen Hilfesätzen, wie z.B. »Ernsthaft? Das da auf dem Bild soll ein Elefant sein? Na, so sehen Elefanten aber nicht aus – warte mal: Papa malt dir einen richtigen Elefanten.« »Wenn du mal was werden willst, müssen wir deinen IQ wohl noch ein wenig aufbessern.« »Meine Musikalität hast du aber nicht geerbt.« »Waas? Nur eine Zwei? In deinem Alter hat Schiller schon sein erstes Drama geschrieben!« »Du hättest lieber Arzt werden sollen, dann hättest du wenigstens einen Status.«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 88
Rainer Sachse und Jana Fasbender
Kinder falsch erziehen – aber richtig
Paradoxe Ratschläge für Eltern, die über ihre Erziehungsmethoden nachdenken wollen
Klett-Cotta
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Klett-Cotta
www.klett-cotta.de
© 2016 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Rothfos & Gabler, Hamburg
Zeichnungen: bergerdesign, Solingen
Datenkonvertierung: Eberl & Koesel Studio, Altusried-Krugzell
Printausgabe: ISBN 978-3-608-98662-4
E-Book: ISBN 978-3-608-10957-3
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Kinder erziehen – eine absolute Herausforderung
Beziehungsgestaltung und Beziehungsmotive
Ganz im Ernst: Die verschiedenen Beziehungsmotive
Konsequenzen der Beziehungsgestaltung
Der Beziehungskredit
Wie man das Leben seines Kindes langfristig ruinieren kann
Anerkennung: So fühlt sich Ihr Kind ungeliebt
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
Nichts gesagt ist genug gelobt
Strategien der Abwertung
Wichtigkeit: So behandeln Sie Ihr Kind wie Luft
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
Nichts zu tun genügt schon
Strategien der Missachtung
Verlässlichkeit: So nehmen Sie Ihrem Kind jegliche Sicherheit
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
Trauen Sie niemandem!
Strategien der Verunsicherung
Trennungen und Verlassenwerden
Solidarität: So lassen Sie Ihr Kind im Stich
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
Wer Fehler macht, muss sie alleine ausbaden
Strategien, die das Vertrauen nehmen
Autonomie: So verhindern Sie, dass Ihr Kind selbständig wird
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
»Er ist doch noch ein Kind«
Strategien der Kontrolle und Bevormundung
Grenzen respektieren: So nehmen Sie Ihrem Kind jegliche Privatsphäre
Ganz im Ernst: Was Sie Positives tun können
»Wir haben keine Geheimnisse voreinander«
Missbrauch und Misshandlung
Zum Schluss
Man kann sich fragen, warum zwei Psychologische Psychotherapeuten, deren Gebiet die Behandlung psychischer Störungen vorwiegend Erwachsener ist, einen satirischen Ratgeber zum Thema Kindererziehung schreiben.
Im Rahmen unserer langjährigen Erfahrung in der Therapie mit Erwachsenen, die unter psychischen Störungen leiden, fällt uns immer wieder auf, dass wir im Therapieverlauf früher oder später biographische Themen behandeln.
Auch wenn sich bei psychischen Störungen im Erwachsenenalter oft ein Auslöser im aktuellen Lebensalltag der Klienten finden lässt, so fußt die Problematik im Kern doch meist auf prägenden frühen Erfahrungen mit primären Bezugspersonen. (Der Begriff »primäre Bezugspersonen« meint die Personen, bei denen das Kind überwiegend aufgewachsen ist und die bei der Erziehung des Kindes die größte Rolle gespielt haben. Das sind meist die Eltern – oder ein Elternteil bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern –, in manchen Fällen aber auch z. B. die Großeltern, Tanten, Onkel, o. a.)
Um die Probleme im jetzigen Lebensalter wieder besser in den Griff zu bekommen, ist es oft nicht ausreichend, mit dem Klienten »am aktuellen Problem« zu arbeiten, sondern diese frühen Erfahrungen und Prägungen müssen geklärt und bearbeitet werden.
Wir gehen davon aus, dass sich – in diesem Falle negative – frühe Erfahrungen beim Klienten in Form »dysfunktionaler Schemata« manifestieren. Schemata sind kognitiv und affektiv geprägte Grundüberzeugungen, die ein Mensch über sich selbst, andere und die Welt hat. Diese Grundüberzeugungen bestimmen in hohem Maße darüber mit, wie eine Person Situationen wahrnimmt und interpretiert, welche Handlungen vorgenommen und welche Emotionen ausgelöst werden.
Ungünstige Grundüberzeugungen führen oft dazu, dass man Situationen als schwierig, als bedrohlich, ja sogar als nicht bewältigbar erlebt, dass man Angst hat, obwohl man keine haben müsste oder dass man hilflos wird, obwohl man durchaus handeln könnte.
Hat eine Person einmal in ihrer Biographie solche Schemata erworben, kann sie diese nur noch schwer ändern: Selbst in der Therapie ist dies ein schwieriger Vorgang, aber in den meisten Fällen möglich.
Zur Illustration:
Herr K. ist vor kurzem aufgrund der Insolvenz seiner Firma arbeitslos geworden und hat daraufhin eine Depression entwickelt. Er leidet unter Interessen- und Freudlosigkeit, hat sich sozial völlig zurückgezogen und denkt von sich, dass er ein völliger Versager sei. Dabei war Entlassung »nur« ein Auslöser dafür, dass er das Gefühl, in seinem Leben komplett versagt zu haben, wieder eindrücklich spüren kann. Herr K. wuchs in einem Elternhaus auf, in dem Leistung als oberstes Gut galt. Wenn Herr K. schlechte Noten von der Schule mit nach Hause brachte (was oft vorkam), hagelte es Kritik und manchmal auch Schläge. Sein Vater hat ihn für jedes »Versagen« stark abgewertet und ihm eine Doppelbotschaft gegeben: Einmal die Botschaft: »Ich erwarte von Dir, dass Du erfolgreich bist!« und zum anderen die Botschaft: »Ich denke, Du schaffst es nicht!« So hat Herr K. schon früh das Gefühl entwickelt, ein Versager zu sein, den Ansprüchen seiner Eltern nicht gerecht werden zu können und so ein generalisiertes dysfunktionales Schema (»Ich bin ein Versager«) entwickelt.
Dieses Beispiel ist natürlich sehr plakativ und dient nur der Veranschaulichung. Oft sind die Zusammenhänge komplexer und erfordern bestimmte therapeutische Klärungstechniken, um dem Kern des Problems auf die Spur zu kommen. So ist bei der Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Süchten etc. meist auch gezielte Biografiearbeit und die Klärung und Bearbeitung dysfunktionaler Schemata notwendig, um dem Klienten langfristig helfen zu können.
Besonders eindrücklich ist für uns der Zusammenhang zwischen biografischen Prägungen und der Entwicklung einer psychischen Störung bei den sogenannten »Persönlichkeitsstörungen«. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen weisen meist interaktionelle Schwierigkeiten auf, also Probleme im Bereich persönlicher Beziehungen, weshalb man die Störungen auch als »Beziehungsstörungen« auffassen kann.
In der Regel sind bei diesen Klienten zentrale Motive, also Bedürfnisse, die jeder Mensch grundlegend hat, durch primäre Bezugspersonen massiv und über lange Zeit hinweg frustriert worden, z. B. durch die Erziehung der Eltern und die Art, wie sie ihre Kinder behandelt haben. Dadurch bleiben bestimmte Motive »zu wichtig« und es bilden sich viele negative Schemata, d. h. negative Annahmen, die die Person über sich selbst hat, über potentielle Beziehungspartner, über die Welt etc.
Aus unserer psychotherapeutischen Sicht liegt es daher nahe, uns damit zu befassen, was Eltern eigentlich tun müssten, um die Entwicklung einer solchen psychischen Störung auf alle Fälle zu begünstigen und zu fördern, also den »Beziehungskarren« zu ihrem Kind so richtig schön »in den Dreck zu fahren«. Dabei bedienen wir uns unserer psychotherapeutischen Herangehensweise, verstehen uns also nicht als pädagogische Experten für Erziehungsfragen.
Wir wählen den satirischen Weg, um Ihnen ein besseres Verständnis zu vermitteln, was Ihr Kind von Ihnen braucht und dringend benötigt, und wie Sie die Entwicklung psychischer Störungen bei Ihrem Kind weniger wahrscheinlich machen können. Natürlich sollten Sie dann nicht die paradoxen Ratschläge in diesem Buch umsetzen, sondern das genaue Gegenteil tun!
Doch auch hier sei Vorsicht geboten: Aus unserer Erfahrung können Sie sich bemühen, möglichst wenige Fehler zu machen, aber Sie bleiben doch ein Mensch. Und nach Murphys Gesetz gilt: Alles, was man falsch machen kann, wird man irgendwann falsch machen. Also können Sie nur aus Fehlern lernen, sich bemühen, Ihr Bestes zu geben und das Beste zu hoffen. Ganz sicher (!) wird es Ihnen aber nie gelingen, alles richtig zu machen. Also entspannen Sie sich, genießen Sie das Buch und reflektieren Sie in aller Ruhe über Ihr eigenes Handeln.
Wir möchten Ihnen mit diesem Ratgeber natürlich keine Angst einjagen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie sich in dem einen oder anderen Beispiel oder Kapitel wiederfinden. Das ist bei den leichteren satirischen Strategien auch normal. Niemand ist perfekt – und schon gar nicht in der Kindererziehung.
Es geht uns eher darum, dafür zu sensibilisieren, dass bestimmte negative Strategien, wenn sie konsequent durchgezogen werden und regelmäßig vorkommen, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie Ihrem Kind schaden könnten. Es ist nie zu spät, Dinge zu ändern, wenn man sie erkennt und ändern möchte. Bei manchen Kleinigkeiten geht das sehr leicht. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, sich professionelle Unterstützung zu holen, z. B. in einer Familien- und Erziehungsberatungsstelle, die es in jeder größeren Stadt gibt. Ebenso kann Sie eine Psychotherapie in Ihrem Bemühen unterstützen, oder – wenn Sie schon immer mal ins Fernsehen wollten – vielleicht ja sogar die Supernanny.
Nach einer – noch ganz ernsthaften – Einführung beschäftigen wir uns in diesem Buch mit den zentralen Beziehungsmotiven und geben Ihnen einschlägige Tipps, wie Sie Ihr Kind möglichst gut, massiv und nachhaltig frustrieren können.
Dem sensiblen Leser wird eventuell bei einigen Beispielen etwas anderszumute werden; und das ist auch gut so. Es bedeutet, dass Sie die satirischen Strategien verstanden haben und lieber nicht umsetzen möchten. Das begrüßen wir natürlich sehr.
Wir führen in diesem Buch die ganze Bandbreite wirklich erfolgreicher Strategien auf, mit denen Sie Ihr Kind nicht nur leicht verkorksen, sondern ihm richtig nachhaltig schaden können.
Und so satirisch die Strategien auch gemeint sind: Sie kommen in der Realität des Erziehungsalltags tatsächlich vor: Leider haben wir sie uns nicht ausgedacht oder sie »erfunden«, wir haben sie tatsächlich von unseren Klienten gehört. Es handelt sich daher nicht um Fiktionen, sondern das alles kann man im realen Leben tatsächlich tun – oder man kann versuchen, es zu vermeiden!
Wir möchten in diesem Ratgeber ausschließlich die Ebene der Beziehung betrachten, also der Frage nachgehen, wie Eltern die Beziehung zu ihrem Kind gestalten können. Wir zeigen, wie sich diese Beziehungsgestaltung auf die Kinder auswirkt.
Inzwischen weiß man, wie wichtig Beziehungsgestaltung für die psychische Entwicklung eines Kindes ist. Ganz wesentlich dabei ist die Erkenntnis, dass die Gestaltung einer Beziehung zu einer anderen Person dann gut ist, wenn sie auf die andere Person abgestimmt ist: Man kann zwar auch zu einer Person, die man nicht kennt, eine gute Beziehung aufbauen; jedoch setzt eine wirklich gute und effektive Beziehungsgestaltung voraus, dass man die Person kennt, gut einschätzen kann und dass man (wenn möglich!) genau das tut, was die Person wirklich möchte und braucht. In einer guten Beziehung verhält man sich dem anderen gegenüber also komplementär (= bedürfnisbefriedigend).
Natürlich kann man einem Interaktionspartner nicht immer das geben, was er braucht: Man muss selbst einiges vom anderen bekommen, also muss es ein gegenseitiges Geben und Nehmen sein, auch mit einem Kind! Alle Partner müssen die Einhaltung von Regeln lernen und realistisches Feedback über ihr Handeln und ihre Kompetenzen bekommen. Solche Bedingungen stecken immer den Rahmen ab, in dem man sich komplementär verhalten kann.
Will man eine Beziehung zu den Motiven eines Interaktionspartners komplementär gestalten, stellt sich eine wesentliche Frage: Was kann mein Interaktionspartner wollen, was können seine Bedürfnisse, sein Beziehungsmotiv sein?
!Ein Beziehungsmotiv zu haben bedeutet, dass man sich ganz bestimmte Handlungen von seinen Interaktionspartnern erhofft. Man möchte von anderen in ganz bestimmter Weise behandelt (oder nicht behandelt) werden.
Die sechs Beziehungsmotive sind:
Anerkennung
Wichtigkeit
Verlässlichkeit
Solidarität
Autonomie
Grenzen/Territorialität