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In der bewährt wilden Mischung aus erkämpfter Gelassenheit, gespannter Vorfreude und augenzwinkerndem Humor gibt Bianka Bleier neue Einblicke in ihr ganz normales Leben als "fromme Hausfrau". Sie erzählt von ihrer Großmutter – einer wahren Kittelschürzenschönheit ohne Diäten und Bauch-Beine-Po-Martyrium. Von ihrem unermüdlichen Versuch, Sinn und Unsinn des Alltags zu bewältigen. Und von ihrer Freundschaft mit Gott, die gerade im Alltäglichen Besonderes zu Tage fördert.
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Bianka Bleier
Kittelschürzen-schönheit
Notizen einerfrommen Hausfrau
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Bestell-Nr. 395.288
ISBN 978-3-7751-7073-4 (PDF)ISBN 978-3-7751-7065-9 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5288-4 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: Satz & Medien Wieser, Stolberg
© der deutschen Ausgabe 2011SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: Kathrin RetterTitelbild: thommy mardo / www.thommy-mardo.deBilder im Innenteil: privat; S. 16 und 47: thommy mardoSatz: Satz & Medien Wieser, StolbergDruck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrinted in Germany
»Selawie«, pflegte meine Mutter zu sagen, wenn es nichts mehr zu sagen gab. So ist das Leben eben, man muss es nehmen, wie es kommt. Und mit dem Sterben – es ist halt noch keiner zurückgekommen und hat erzählt.
Seither gehe ich durchs Leben und frage mich: Wie ist es, das Leben? Und wohin werde ich eines Tages gehen?
Ich bin so froh um meine Zuversicht, zu einem Gott zu gehören, der mich ins Leben gerufen hat und diesem Leben Sinn verleiht. Um meinen Glauben, der mir Halt gibt, wenn es an meinen Lebensmauern rüttelt und wankt. Um die immer wiederkehrende Erfahrung, dass selbst das Vertrauen zu Gott ein Gottesgeschenk ist. All das ist in der Tat Grund genug, mit Gelassenheit, gespannter Vorfreude und Humor durchs Leben zu gehen.
Dieses Buch entstand beim Mitschreiben von »Selawie« im Laufe der letzten vier Jahre. Dies war die Zeit, in der unsere drei Kinder groß und stark wurden und mein Leben sich sehr veränderte.
Ich widme diese Zeilen meiner Mutter in großer Dankbarkeit.
Bianka Bleier
Tausendmal bin ich diesen Weg seither gegangen …
Ich gehe mit dem Hund um den See. Zum wievielten Mal eigentlich? Dann verstehe ich, wie die Redewendung »Wie aus heiterem Himmel« entstanden sein muss: Als ich an dem windig-blauen Wasser vorbeikomme, in dem sich ein paar heitere Schäfchenwölkchen spiegeln, macht eine Hirnwindung in mir Klick und verbindet mich mit einem längst vergangenen Moment: Der erste Tag in unserer ersten Wohnung in unserem gemeinsamen Leben. Neuanfang! Welch ein Zauber! Welches Neuland gab es zu entdecken! Welch ein Abenteuer! Auch Angst und Stress, ja. Aber Mut, Neugier und Motivation überwogen.
Neuanfänge – während ich den See umrunde, fallen mir viele weitere ein. Lassy, mein erster Hund, den ich bekam, als ich 13 war. Der Beginn meiner Beziehung mit Werner. War ich je glücklicher? Anna, unser erstes Kind. Der erste Tag mit ihr zu Hause, begleitet von Werners Brief, dem nie ein zweiter gleichkam. Der erste Tag mit Lena. Der so andere erste Tag mit Jan, als wir ihn endlich aus der Kinderklinik abholen durften. Der erste Tag im eigenen Haus.
Mit jedem Neuanfang Türen, die sich öffneten, und Türen, die sich schlossen. Jedem Anfang ging eine Entscheidung voraus. Erste Schultage – meine eigenen, kurze Zeit später die von Anna, Lena und Jan. Der erste Tag meiner Ausbildung in der Bibliothek. So viel Fremdes, Verheißungsvolles. Mein Neuanfang im Glauben, der mein ganzes Leben auf ein neues Fundament stellte.
Und dann, als ich glaubte, die Zeit der Anfänge sei vorbei, mein erster Artikel in einer Zeitschrift, mein erstes Buch, meine erste Lesung. Die Eröffnung der christlichen Buchhandlung, in der ich seither arbeite, die erste Nacht in dem Wohnwagen, in dem wir zehn Jahre lang auf Reise gingen …
Der erste Tag nach meiner Krebsoperation, die vorsichtig positive Prognose – neu geschenkter Anfang. Seither jeder Tag ein Neuanfang …
Und jeder Neuanfang birgt in sich bereits das Ende. Charly, unser erster gemeinsamer Hund, die erste Nacht neben ihm auf der Liege. Zehn Jahre später: Der Kreis schließt sich, als ich seine letzte Nacht auf einer Liege neben ihm verbringe. Für einen weiteren Neuanfang brauchen wir Kraft, Mut und wieder Entschlossenheit. Anna hält den Welpen auf der Heimfahrt in ihrem Schoß wie eine Wöchnerin – einen neuen Aufbruch miteinander teilen ist ein starkes, verbindendes Erlebnis. Mit Werner zusammen das erste Mal auf einem Pferderücken, der erste Ausritt in freier Wildbahn, der erste Galopp am Meer, der Neuanfang mit dem eigenen Pferd, als der Arzt sagte, mein Leben darf weitergehen …
Ich fahre zur Arbeit in die Buchhandlung. Ein junges Paar mit einem zehn Monate alten Mädchen sucht eine schöne CD, mit der das Mäuschen ins Leben tanzen lernen kann. Es ähnelt Anna auf bezaubernde Weise. Wehmütig weiß ich um die Anfänge, die diese Familie noch erleben darf.
Ich lege die zwanzig Jahre alte CD von Margret Birkenfeld auf, mit der mein Mäuschen damals tanzen lernte. Als »Ein kleines wildes Schäfchen« erklingt, bekomme ich feuchte Augen. Ich sehe Anna vor mir, wie sie zaghaft zu laufen beginnt, mit zarten zehn Monaten.
Als ich heimkomme, steht Anna im Morgenmantel in der Küche. Gleich läuft sie durch die Korridore ihres Ausbildungskrankenhauses, sie hat Spätschicht. Noch ein Augenblick mit ihr. Ich massiere ihren Rücken. Wie klein er einmal war. Immer noch hält sie ihn mir vertrauensvoll hin, immer noch mag sie es sehr, von mir verwöhnt zu werden. Bald wird sie aus meinem Leben gehen. Neuanfang, erster Tag in der eigenen Wohnung …
Dann bin ich wieder allein. Zeiten, von denen ich in den Sturm- und Drangzeiten nur träumen konnte. Ich genieße es, setze mich an den Schreibtisch und fange an zu schreiben. Meiner Mutter, die in fortgeschrittenem Alter auszog das Mailen zu lernen, vorrangig, um mit ihren Enkeltöchtern in Kontakt zu bleiben. Als Nebeneffekt vertiefen wir beide unsere Beziehung auf eine Weise, die uns sehr entspricht. Ich schreibe ihr vom Loslassenmüssen der Kinder und meine, schon die Antwort zu kennen: »Selawie« würde meine Mutter in ihrem unnachahmlichen Schreibstil bemerken, um viele gelebte Neuanfänge reifer als ich.
Veränderungen können mir Angst machen, aber meistens profitiere ich von ihnen, liegt im Wandel die Chance zu einem weiteren Neubeginn. Ich glaube, dass wir im Geiste nicht alt werden, solange wir dem Zauber des Anfangs Raum und Gestalt geben. Beim Schreiben spüre ich, wie Freude in mir aufsteigt, gespannt auf all das Neue, was noch kommen mag.
»Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Straße bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fließen.« Jesaja 43,19 (HfA)
Gott liebt Neuanfänge! Nie lagen Ende und Anfang näher beisammen als in Jesu Tod und Auferstehung. Damit hat Gott uns eine Perspektive geschenkt, die an den Beginn der Menschheitsgeschichte anknüpft. Mit jeder Geburt eines Menschen beginnt Gott etwas aufregend Neues, voller Pioniergeist, Neugier, Vorfreude, Leidenschaft, Liebe.
Und dann bereitet er uns Werke, in denen wir wandeln können, immer wieder aufs Neue. Wenn wir unser Land erweitern wollen, schenkt er uns Mut, Hoffnung und Beistand. Wenn wir uns von ihm entfernt haben, wartet er auf uns, geht uns nach, läuft uns entgegen, um den Neuanfang zu proklamieren. Er wird nicht überdrüssig, mit uns neu zu beginnen, ja, er jubelt jedes Mal aufs Neue vor Begeisterung. So ein himmlischer Jubel, den muss man erst mal versuchen sich vorzustellen …
Gottes Lieblings-Neuanfang heißt Umkehr, Vergebung, Versöhnung. Nach außen hin eher unspektakulär birgt derartiger Neuaufbruch ein Riesenpotenzial an Veränderung. Und gerade ist der Vater des Anfangs damit beschäftigt, im Himmel Wohnungen für uns zu bauen für einen wirklich spektakulären Neubeginn …
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem LebenskreiseUnd traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse1
Unbeschwerte Kittelschürzenschönheit 1962
Ich stehe in der Buchhandlung und werde zum hundertsten Mal auf mein schwanger wirkendes Bäuchlein aufmerksam gemacht.
Ich stehe vor meinem Kleiderschrank und finde nichts Passendes. Nichts, was mir passt, nichts, was zusammenpasst, nichts, was für einen bestimmten Anlass passt.
Ich stehe in der Umkleidekabine. Mein Deo versagt. Textile Entscheidungen sind für mich Schwerarbeit – bei jedem Kleidungsstück die Frage, ob es passt: zu meiner Figur, meiner Garderobe, meinem Stil, meinem Alter, meinem Lebensgefühl und zu meinem Geldbeutel. Wenn das durchstanden ist, taucht die Überlegung auf, ob es überhaupt nötig ist angesichts der Armut der Welt und der Mühe, die es kostete, den Betrag dafür zu verdienen. Und so weiter.
In solchen Momenten beneide ich die unbeschwerte Kittelschürzenschönheit meiner Oma, die sich keine Gedanken um ihre Garderobe machte, die nicht im Traum daran dachte, ihre Haare zu färben, Diät zu halten oder Bauch-Beine-Po-Martyrium zu betreiben. Zur Zeit der Kittelschürzen war die Welt noch keine Bühne und frei von Schönheitschirurgen, Schönheitsfarmen, Schönheitswahn.
Omas Garderobe bestand aus zwei Basisteilen: dem Dreiteiler Rock, Pullover, Kittelschürze. Und dem Sonntagskleid. Das Ganze ging so: Werktags zog sie den Rock an, der gerade sauber war, den obersten Pullover vom Schrank, darüber einen ihrer vier Kittelschürzen, eben den, der gerade an der Küchentür hing. Und sonntags ihr Sonntagskleid. Sehr entspannend! Meine Mutter meinte dazu neulich: »Du hast deinen Schurz ausgezogen und warst angezogen.«
In meinem Leben gab es zwei ähnliche Situationen:
A) Ich bin klein, meine Mutter kauft meine Kleidung und legt sie mir morgens auf mein Bett.
B) Ich bin schwanger, riesendick und trage im Wechsel die altrosé Latzhose mit dem letzten noch passenden Schwangerschaftsoberteil oder das zeltförmige, royalblaue Hängekleid.
Zwei Generationen später
Ich empfand das nicht als Einschränkung, sondern als ein ziemlich unaufgeregtes Verhältnis zu Kleidung. Kleidung als Nebensache sozusagen. Hauptsache angezogen.
Auf Fotos erstrahlt meine Oma in würdiger Kittelschürzenschönheit (und ich in zufriedener Schwangerschaft). Oma war schön! Ich mochte jede einzelne ihrer Lebensspuren. Es fehlte ihr nicht an Ausstrahlung, die viel mit Lachfalten, Lebenserfahrung und Gelassenheit zu tun hatte. Wenn frau sich wohlfühlt in ihrer Haut, strahlt das aus ihr heraus.
Dass an Omas linker Hand ein Finger fehlte, weil sie sich beim Brombeerpflücken eine Blutvergiftung zugezogen hatte, war ein Zeichen ihrer Originalität, kein Schönheitsfehler. Ob sie je zu- oder abgenommen hat, dafür hatte ich kein Auge, wohl aber für ihren gütigen Blick und ihre Weichheit. Witwe und vierfache Tochtermutter … Anna musste nicht schön sein, konkurrieren, gefallen, sie war schön. Auf die Frage, wer schöner war, Oma oder Miss Universum, war die Antwort für die von ihr heiß geliebte Enkelin klar wie Kloßbrühe. In den Augen eines geliebten Menschen ist man immer schön, er besitzt den Schlüssel, die Geheimzahl, er sieht ins Innere, wo die wahre Schönheit wohnt.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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