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Bei der achtjährigen Klara Cabell diagnostizieren die Ärzte ein Glioblastom - der Tod scheint unausweichlich. Der Gehirntumor wird in einer achtstündigen, sehr riskanten Operation entfernt. Es folgt eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Für Klara steht fest: Sie will leben! Die kleine Klara übernimmt die Verantwortung für Ihr Leben und verändert ihre Welt aus sich heraus. ›Klaras lange Reise‹ beschreibt den spirituellen Weg der jungen heranwachsenden Klara zur allgegenwärtigen Erkenntnis und Transformation. Der Weg der jungen Frau führt sie von der Hauptstadt Englands über Falmouth und der niederbayerischen Stadt Bogen bis zum legendären Bishop Rock auf den Scilly -Inseln. Klara sucht Antworten auf die Fragen: 'Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer denkt in mir?' Die sich ihr erschließenden Antworten überraschen sie immer wieder. Immer weiter dringt Klara in das Mysterium des Lebens
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Seitenzahl: 335
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An einem angenehm warmen Spätsommerabend im Jahre 1988 am äußersten, westlichen Ende der zu Großbritannien gehörenden Scilly-Inseln steht am Bishop Rock, der westlichsten Klippe Mitteleuropas, eine junge Frau. Scheinbar regungslos schaut sie auf die aufbrausenden Wellen, die schäumend, kraftvoll und mit lautem Getöse unaufhörlich gegen die Klippen donnern. Es zeigt sich ein wahrhaft beeindruckendes und geräuschvolles Naturschauspiel, welches von besonderer Ausstrahlung und erregender Schönheit zeugt. Die hellen Sonnenstrahlen zaubern auf die Wasseroberfläche einen goldgelben Glanz. Diese schimmernden Lichtreflexe tanzen auf den Wellen, als hätten sich dort unzählige Feen versammelt, die ein märchenhaftes Fest feiern. Lang und kreischend schallt der Ruf eines Schwarms Möwen, der nach Fischen suchend immer wieder um den Leuchtturm wirbelt, durch die flirrende Luft.
Der Gesichtsausdruck dieser Frau verrät ihre sanfte, friedliche Stimmung, ihr Blick wirkt geistesabwesend und gedankenverloren. Ein Geheimnis scheint sie zu umwehen.
Ihre von der Abendsonne rötlich verfärbten, dunkelblonden Haare wehen ihr wild durch das Gesicht. Der Wind treibt einzelne, dickbauchige Schäfchenwolken vor sich her. Ganz weit im Westen leuchtet am Himmel die Sonne noch mit letzter Kraft im orangefarbenen Licht. Plötzlich und unvorhergesehen beruhigt sich der böige Wind für ein paar Minuten und eine alles durchdringende Stille macht sich breit, langsam und gemächlich dahin schleichend. Diese unwirkliche, unheimliche Atmosphäre wird nur von den vom Wind aufgepeitschten Wellen, die immer noch kräftig gegen die kleine Felseninsel brausen, gestört.
Die schlanke, junge Frau registriert diese gespenstig anmutende Stille fast beiläufig, offensichtlich völlig gefesselt unter dem Eindruck ihrer eigenen Gedankenwelt. Von der Atmosphäre ungerührt, lächelt sie indes freudig und schließt genüsslich und mit voller Hingabe die Augen. Ihrer inneren Intuition vertrauend schreitet sie bedächtig und zielstrebig einige felsige Steine hinab, sodass die heranbrausenden, wilden Wellen der rauen, kalten See ihre nackten Füße spielerisch umspülen können. In ihr entwickelt sich ein überschäumendes Glücksgefühl, welches ihr Erscheinungsbild wie ein aufgehender, leuchtender Stern am frühen Nachthimmel erstrahlen lässt.
Sie steht aufrecht auf der kleinen Felseninsel, in ihrem Rücken ragt der aus Granitblöcken errichtete Leuchtturm mächtig zum Himmel empor, dessen Dach den Himmel zu berühren scheint. Sie breitet ihre Arme ausladend aus und wendet ihre Aufmerksamkeit nach innen, die Augen immer noch fest verschlossen…
»Warum?«, wimmert verängstigt und hastig keuchend die zehnjährige, noch schlaftrunkene Klara in ihrem Albtraum, die sich zuvor minutenlang unruhig in ihrem Bett gewälzt hat. Sie reibt sich wie von einer unheimlichen Kraft geführt ihre Mandelaugen. In ihrem Halbschlaf ist sie so sehr in die Erinnerung an den Traum versunken, dass sie die Stimmen in ihrem Kopf nur wie durch einen dichten Schleier wahrnimmt: ›Was geschieht gerade? Wo bin ich? Ist der Tumor noch in meinem Kopf?‹
Dann wacht sie auf, völlig verschwitzt und verstört, da sie sich erst noch sammeln muss. ›War das nun ein Traum? Oder habe ich es im Wachzustand erlebt?‹
Einen kurzen Augenblick starrt sie mit ihren kleinen, braunen Augen an die Decke, die durch das helle Mondlicht, welches durch ihr Kinderzimmerfenster den Raum flutet, silbrig schimmert. Doch das kleine Mädchen kann den Traum, der sie überraschend einfing, wieder loslassen und schläft binnen kurzer Zeit müde lächelnd wieder ein.
Klara ist für ein zehnjähriges Mädchen ein sehr aufgewecktes Kind. Genau vor zwei Jahren diagnostizierten die Neurochirurgen bei ihr einen Gehirntumor. Die Diagnose schien mehr als niederschmetternd: Glioblastom – was laut der Ärzte gleichbedeutend mit dem sicheren Tod schien. Dieser Tumor wurde in einer achtstündigen, sehr riskanten Operation im St. Bartholomews Hospital erfolgreich entfernt. Danach folgten einige Wochen Strahlentherapie mit anschließender Chemotherapie, die für Klaras jungen Körper eine extreme Herausforderung bedeutete. Die plötzliche, schwerwiegende Erkrankung ihrer geliebten Tochter stellte das bis hierhin scheinbar normale, geregelte Familienleben der Cabells von einem Tag auf den Anderen völlig auf den Kopf: Das Leben stand von nun an ganz unter dem Zeichen einer emotionalen Berg- und Talfahrt, die zwischen Hoffen und Bangen wie ein Schiff auf unruhiger See dahin wog.
Dieses Mädchen jedoch wollte unbedingt leben ... und entgegen der vorherrschenden Meinung der Mediziner besiegte sie diesen bösartigen Tumor in ihrem Kopf. Als nach zwei Jahren wieder einmal eine der unzähligen, von den Ärzten angeordnete, routinemäßige Krontrolluntersuchung anstand, glaubten die Neurochirurgen, unter ihnen auch der bekannte Professor Harvey Cushing, ihren medizinisch erfahrenen Augen nicht: Der Hirnscan zeigte keinerlei Auffälligkeiten mehr – nicht die geringste Spur einer einzigen bösartigen Tumorzelle war noch aufzuspüren. Nach dieser überraschenden Diagnose der Genesung des kleinen Mädchens namens Klara Cabell von ihrem Hirntumor fiel von allen Beteiligten ausnahmslos die immens drückende Belastung des über Klara immerfort schwebenden ›Schwert des Todes‹ ab. Ihre Eltern erfüllte diese unerwartet positive Nachricht mit unendlichem Glück und ausgelassener Freude, die sie tagelang wie auf Wolke Sieben durch das Leben schweben ließ. Die junge Familie schien von Gott, oder welche Macht auch immer für das Leben auf der Erde, die für die Entstehung des unendlichen Universums verantwortlich gemacht wird, eine neue Chance vom Schicksal erhalten zu haben.
Und was war mit Klara? Sie lächelte mehr denn je seit diesen Tagen, ein kindliches, unbeschwertes Lächeln, das die ganze Welt in ihrer ganzen Pracht zu umarmen schien und ihre weichen Gesichtszüge umgab wie ein immerwährend leuchtendes Lebenslicht.
Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie schwer es ist, einem Mädchen im zarten Alter von acht Jahren zu erklären, sie müsse sich aus ihrem Kopf einen Tumor entfernen lassen. Wie bringt man es einem Kind bei, dass sein Leben an einem seidenen Faden hängt?
Sie litt schrecklich unter starken Kopfschmerzen, die ihre Schädeldecke zu zersprengen drohten, und immer wiederkehrenden Schwindelanfällen, die sie unwillkürlich in allen nur undenkbaren Lebenssituationen anheimfielen. Und dennoch trug sie ihr vermeintliches Schicksal voller Zuversicht. Oder genau aus diesem Grunde?
Welches Geheimnis umgab Klara wie ein unsichtbarer Schleier, dass sie diesen unerschütterlichen Glauben an ein Leben nach dieser vernichtenden Tumorerkrankung wie einen kostbaren Schatz hegte?
Jeder Erwachsene, der Klara mit dieser unheilvollen, schicksalhaften Diagnose kennenlernte, schüttelte nur ungläubig den Kopf, denn ihre zuversichtliche Ausstrahlung, ihre wilde Entschlossenheit, leben zu wollen, schien stärker und mächtiger denn jemals zuvor, obwohl der Tumor nachweislich und für Klara deutlich wahrnehmbar gegen die Schädeldecke drückte und relativ schnell wuchs. Ihre Eltern waren immer für sie da, sie begleiteten sie fürsorglich von Arzt zu Arzt, boten ihr jederzeit eine tröstende Schulter, lasen ihr jeden Wunsch von den Lippen ab und vermittelten ihr, mehr als sie es vor der Zeit der Erkrankung ihrer Tochter bereits gehandhabt hatten – wenn dies überhaupt möglich ist? – ein Gefühl unendlicher Liebe und Geborgenheit.
Letztendlich kann ich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wer wem mehr Kraft gab, diese von Krankheit gezeichnete, belastende Zeit zu überwinden. War es Klara, die unablässig an ein Leben nach dem Tumor glaubte, sich niemals aufgab? Oder war es die bedingungslose Liebe, die ihre Eltern großzügig in Richtung Klara verströmten? Am Ende ist es völlig unerheblich!
Es ereignete sich an einem Tag, nur wenige Stunden vor Klaras schwerer Operation, dass sie von heftigsten Kopfschmerzen gequält wurde. Über das schmerzverzerrte Gesicht kullerten ungehindert die Tränen aus ihren Augenwinkeln. Sie fühlte sich besonders unwohl in ihrer Haut, in ihrem Kopf und möchte am liebsten ihren Körper verlassen. Fast ohnmächtig, so kommt es ihr vor, war sie diesem hämmernden Schmerz ausgeliefert. Wehrlos musste sie diese Phase über sich ergehen lassen. Sie vergoss keine Träne aus unendlicher Traurigkeit über ihren Leidensweg. Nein, sie konnte sich ihrer Tränen wegen des unerträglichen, pochenden Klopfens nicht länger erwehren; es war, als würde ein kleines Männchen mit einem Hämmerchen, welches fröhlich vor sich hin arbeitend in ihrem Kopf sitzt, von innen in einem gleichmäßigen Takt immerfort gegen die Schädeldecke schlagen, bis … ja bis sie letztendlich ihr Bewusstsein verlor. Es schien, als würde sie sich eine Auszeit von ihrem unermesslichen Leiden gönnen. Die verantwortungsvollen, liebenden Eltern Sarah und Jason Cabell erfuhren bei diesem Anblick einen stechenden Schmerz in ihrem Herzen, da sie sich der Erkrankung ihrer Tochter hilflos und machtlos gegenüberstehen sahen. Sie versuchten, sich gegen dieses lähmende Gefühl zu stemmen, bemühten sich, Stärke zu demonstrieren, und ihrer Tochter durch ihre ständige Anwesenheit, während der sie ihre Hand liebevoll tätschelten und zärtlich durch die Haare fuhren, zumindest immer die Gefühle von »du bist nie allein« und »wir lieben dich« zu vermitteln. Sie sollte sich auf keinen Fall alleingelassen fühlen. Sie mussten sich, ebenso wie Klara, ihrem Schicksal hingeben, so ausgeliefert sie sich in dieser Situation auch fühlten.
Nach einer kurzen Zeit, die die besorgten Eltern wie eine kleine Ewigkeit empfanden, öffnete Klara wieder ihre kleinen, braunen, mandelförmigen Augen. Sie glänzten in einem wunderbaren, strahlenden Licht und ein leichtes, liebevolles Lächeln zeichnete sich sanft auf Klaras samtweiches Gesicht. Sie strahlte, pure Lebensfreude versprühend, in die Runde.
Hatte sie eine ungewöhnliche Erfahrung gemacht? Was hatte diese kurze Zeit der Bewusstlosigkeit in Klara ausgelöst?