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Seit dem 16. März 2020 ist nichts mehr wie es war. Ein Virus legt, nicht nur in Österreich, alles lahm, treibt die Menschen von einem Lockdown in den anderen, stellt der Wissenschaft schier unlösbare Aufgaben und die Regierungen der Welt auf eine harte Probe. Wie gehen alle damit um? Welche Erklärungen gibt es und wie und auf welcher Basis muss vor allem die Regierung in Österreich entscheiden? Das Autorenduo gibt Einblicke in die Entstehung der Pandemie, den aktuellen Stand der Wissenschaft, in die Entscheidungsstrukturen der Regierenden und beleuchtet die Rolle der Medien in dieser Ausnahmesituation. Ein gutes Jahr nach dem Beginn der Pandemie verharren wir noch immer teilweise in Schockstarre. Wurde alles richtig gemacht? Wo hat die Regierung versagt oder wo haben wir alle versagt? Was machen wir alle in Zukunft besser und welche Lehren ziehen wir aus dem Bisherigen? Wird das nun ein Dauerzustand bleiben oder endet die Pandemie irgendwann? Was bringen die Impfungen, mit welchen Zukunftsszenarien müssen wir uns beschäftigen und war das alles nur der Auftakt und die Generalprobe für viel Gefährlicheres?
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Seitenzahl: 234
Hans Bürger | Günther Mayr
Menschheit auf dem Prüfstand
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1. Auflage 2021
© 2021 by Braumüller GmbH
Servitengasse 5, A-1090 Wien
www.braumueller.at
Bildleiste Cover v. l. n. r: © ORF; © Shutterstock/cigdem; © Shutterstock/Dan74; © ORF
Grafik Seite 74: ORF.at/corona, Quelle: AGES/EMS
Grafik Seite 109: AGTT/GfK TELETEST; Basis: Sendungen länger als 10 Minuten
Grafik Seite 193: © Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Fotos Bildteil: Seiten 128-133 © Privatarchiv Günther Mayr/Hans Bürger, Seiten 134-135
© Bundeskanzleramt; Seite 136 © KURIER/Romar Ferry
eISBN 978-3-99100-331-1
Vorwort
Gesundheit und Wissenschaft versus Wirtschaft und Politik
Chronologie eines Ausnahmezustands
Wirtschaft, Psychologie und Zweifel
Warum der Kapitalismus immer verwundbarer wird und wie wir diese Krise finanziell überstehen
Wissenschaft, Gesundheit und Ängste
Zoonosen, Mutationen und Verschwörungen – Was macht das mit uns?
Quellenverzeichnis
Ein Dankeschön zum Schluss
„Anlässlich ein Jahr Corona machen wir ein Buch.“ Der Chef des Braumüller-Verlags, Bernhard Borovansky, der ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger und der Leiter der Wissenschaftsredaktion des ORF-Fernsehens, Günther Mayr, waren sich einig. Allerdings sollte das Werk bereits Mitte März 2021 erscheinen. Ein Jahr nach dem ersten Lockdown in Österreich und – so die gar nicht so leise Hoffnung – zum Ende der Pandemie.
Herbstgedanken dreier Herren im Jahr 2020. Und wie es so mit Herbstgedanken ist, strahlten sie optimistisch und hell, um der nahenden Düsternis im raumgreifenden Dunkel hoffnungsfroh entgegenwirken zu können. Noch vor dem eintreffenden Winter war das Buchprojekt fix – und wir drei fix und fertig, galt es doch die Bilanz zur schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg in recht kurzer Zeit aus dem Boden zu stampfen.
Und dann kam die zweite Welle, die aus heutiger Sicht als die heftigste der seit 2020 rollenden Corona-Wellen angesehen wird. Knapp 10.000 neue Fälle an nur einem Tag – die neue Normalität? Die alte Normalität – also Zeiten wie vor Covid-19 – werden wir so schnell nicht mehr erleben. Zum Jahreswechsel 2020/2021 war klar, dass weitere Erkrankungswellen folgen werden – weltweit. Und Mitteleuropa wird wohl nicht verschont bleiben. Zu Beginn des zweiten Corona-Jahres war dem hoffnungsvollen Trio Mayr/Bürger/Borovansky klar: Mit der abschließenden Corona-Bilanz wird’s wohl nichts werden.
Somit, geneigte Leserin, geneigter Leser, liegt nun kein Corona-Rückblick vor Ihnen. Ein Rückblick plus Ausblick ist es geworden. Eine Rückschau zweier Fernsehjournalisten, die Sie – so ORF-Zuseherin, ORF-Zuseher – vielleicht öfter gesehen haben, als Ihnen lieb war, aber doch auch zweier Redakteure, die damals, zu Beginn des Wahnsinns, einen guten Einblick hinter die Kulissen gewinnen konnten.
Wie fallen politische Entscheidungen in einer Sache, die niemand kennt? Was macht eine Regierung, die innerhalb weniger Tage mit diesen Fragen konfrontiert ist. Sollen wir das Land zusperren oder nicht? Was ist überhaupt ein Lockdown? Werden sich die Menschen daran halten? Ja, darf man in einer Demokratie Menschen einfach zu Hause einsperren?
Und vor allem: Wer kann Fragen wie diese überhaupt beantworten? Die Politik allein mit Sicherheit nicht. Ja, die Wissenschaft, aber wer genau? Mediziner. Gut. Aber welche?
Wer stellt einen Krisenstab zusammen? Will die Kanzlerpartei dieselben Wissenschaftler, die die Vizekanzler-Partei will? Soll man die politische Opposition miteinbeziehen oder nicht? Wie lange hat man überhaupt Zeit, über all das nachzudenken?
Virologen, Epidemiologen, Komplexitätsforscher (wer kannte solche vor Corona?), Mathematiker und viel später dann (leider zum Teil zu spät) auch Psychologen, Soziologen, Historiker und vor allem – mit andauernder Krise – Ökonomen. Frauen und Männer der Wissenschaft. Aus dem In- und Ausland. Am Ende hat ein Krisenstab Dutzende Beraterinnen und Vorentscheider.
Hans Bürger und Günther Mayr geben Einblicke in Entscheidungsabläufe, wie sie in der Öffentlichkeit eher nicht bekannt sind. Aber eben nicht nur den Blick auf das Vergangene, sondern, weil aus der Welle Dauerwellen geworden sind, auch den Ausblick. Den natürlich nicht mit Gewähr. Denn niemand weiß, wie Krisen ausgehen.
Nicht bei Pandemien, nicht bei Wirtschaftskrisen und schon gar nicht bei länderübergreifenden politischen Krisen, die – auch während wir dieses Buch geschrieben haben – auch immer wieder zu Bürgerkriegen oder „echten“ Krisen wachsen.
Sie halten nun die Geschichte einer Weltkrankheit in Händen, die noch immer nicht hinter uns liegt. Und auch die Geschichte einer dadurch entstandenen Angst vor weiteren Pandemien, Naturkatastrophen und anderen Ereignissen, die uns Erdenbürgern das Leben nicht leichter machen, sondern uns zu Nachdenklichkeit und gänzlich neuen Denkansätzen zwingen.
Etienne Berchtold ist ein besonnener Mensch. An diesem Tag (so wird es uns exakt ein Jahr später von einem Teilnehmer der Montagsrunde erzählt werden) stürmt er jedoch in die Montagsbesprechung des Kernteams von Bundeskanzler Sebastian Kurz und berichtet in für einen Diplomaten sehr aufgeregtem Ton: „Chef, wir haben ein Problem!“
„Etienne, beruhig dich, wir wissen, dass Erdoğan wieder einmal dem ganzen Kontinent droht“, soll die Antwort eines anderen Kanzlerberaters gewesen sein, vielleicht auch vom Kanzler selbst, so genau kann sich die Runde später dann doch nicht mehr erinnern.
Der außenpolitische Sprecher von Sebastian Kurz gibt nicht auf. „Meine Herren, es geht nicht um Erdoğan, es geht um Corona.“
Die Reaktionen sollen damals gemischt ausgefallen sein. Von „Geh bitte, was geht das uns an?“ über „für uns in Europa nicht relevant“ bis zu „Na, hoffen wir, dass wir das nicht doch irgendwann ernst nehmen müssen“.
Zur gleichen Zeit in Davos.
„Entschuldigen Sie meine heisere Stimme, ich erhole mich gerade von einer Fiebererkrankung nach einem Aufenthalt in Wuhan“, wird Jacques Pitteloud, Botschafter der Schweiz in den USA, zitiert. Am Rande des Weltwirtschaftsforums Davos soll der Diplomat diesen „Scherz“ bei einer Rede in der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer gemacht haben. Der Spruch habe zwar bei Politikern und Managern für einige Lacher gesorgt, aber andererseits doch auch zu „abschätzigen Kommentaren zum höchst unpassenden Witz“ geführt. Der Botschafter soll später über das Außendepartement ausrichten haben lassen, dass es sich um eine „witzige Bemerkung zur Eröffnung der Rede gehandelt habe“ und es ihm leidtue, „wenn seine Worte jemandes Gefühle verletzt haben sollten“. In keinster Weise wollte er „die aktuelle Situation in China herunterspielen oder verhöhnen“, schrieb Lea Hartmann in der Schweizer Boulevardzeitung „BLICK“.1
In China steigen indessen die Corona-Fallzahlen: 876 Infizierte und 25 Tote. 3 % der Infizierten würden die Erkrankung nicht überleben, warnt die Wissenschaft.
Bloß keine Panik. Als der chinesische Augenarzt Li Wenliang im Zentralkrankenhaus in Wuhan im Dezember 2019 bei immer mehr Patienten eine schwere Lungenentzündungen diagnostizieren muss, wird er unruhig. Es sind immer die gleichen Symptome, und er weiß, dass auch in anderen Krankenhäusern Wuhans auffallend viele Menschen mit Atemwegsproblemen behandelt werden müssen – es gibt auch Todesfälle. Am 30. Dezember werden wieder sieben neue Fälle gemeldet. In den Krankenakten findet sich der Vermerk: „Verdacht auf SARS-Virus-Infektion“. Der Mediziner Li Wenliang will nicht mehr stillhalten und informiert in einem Internetforum einige Arztkollegen über die seltsame Häufung und den möglichen Zusammenhang mit einem SARS-Virus. „Sieben SARS-ähnliche Fälle bestätigt“, schreibt er und vermerkt, dass alle sieben Patienten am Fischmarkt in Wuhan gewesen seien – er nennt also eine mögliche Infektionsquelle. Der chinesischen Internet-Zensur entgeht dieses kurze Schreiben nicht. Vier Tage später, am 3. Jänner 2020, wird Li Wenliang in das polizeiliche Sicherheitsbüro in Wuhan vorgeladen. Dem Arzt wird vorgeworfen, er habe „unwahre Behauptungen“ aufgestellt und damit die „gesellschaftliche Ordnung ernsthaft gestört“. Denn die öffentlichen Stellen Chinas behaupten nach wie vor, dass die Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch nicht bewiesen sei und jegliche Aussagen zu gesundheitlichen Belangen den Behörden vorbehalten seien. Die Polizei hat außerdem ein Schreiben verfasst, das dem 33-jährigen Arzt vorgelegt wird. „Wir wünschen, dass Sie sich beruhigen und sorgfältig nachdenken, und möchten Sie ernsthaft warnen: Wenn Sie weiter halsstarrig bleiben, Ihre Vergehen nicht bedauern und mit diesen illegalen Aktivitäten fortfahren, werden Sie strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden – haben Sie das verstanden?“ Li Wenliang muss das mit „Verstanden“ unterschreiben. Die beiden Polizeioffiziere Hu Guifang und Xu Jinhang haben dem Mediziner vorschriftsgemäß die Leviten gelesen und drücken ihren roten Dienststempel auf das abgepresste Dokument. Der Arzt nimmt die Verwarnung zur Kenntnis und eilt zurück in sein Krankenhaus, wo jede medizinische Kraft dringend gebraucht wird. Das Virus nimmt immer mehr überhand, die Versorgungssituation in einigen Spitälern ist bereits am Limit. Der Augenarzt Li Wenliang kümmert sich auch um Notfallpatienten und untersucht am 8. Jänner eine soeben eingelieferte Frau. Zwei Tage später verspürt der Arzt Grippesymptome – er hat sich bei dieser Patientin mit dem neuartigen Virus angesteckt. Zunächst sind es milde Symptome, aber der Arzt weiß mittlerweile aus Erfahrung: Ein schwerer Verlauf zeigt sich erst später. Nach anfänglichem Husten beginnt Wenliang zu fiebern, zwei Tage später wird der Spitalsarzt selbst in ein Krankenhaus eingeliefert. Zunächst fallen die Gentests negativ aus, erst nach drei Wochen wird das Virus nachgewiesen. „Also doch!“, diagnostiziert der Mediziner selbst und veröffentlicht einen kleinen Hund mit hängender Zunge im Internet. Zu Hause bangt seine Frau, die gerade mit dem zweiten Kind schwanger ist, um ihren Mann. Doch die Ärzte verlieren den Kampf um ihren mutigen Kollegen: Am 8. Februar hört das Herz von Li Wenliang zu schlagen auf. Die Nachricht verbreitet sich auch im zensurierten China wie ein Lauffeuer. Wütende Menschen verlangen Aufklärung und feiern den jungen Arzt in unzähligen Nachrichten als Märtyrer. Chinas Staatsapparat sieht sich schlussendlich genötigt, sich für das Verhalten der Behörden zu entschuldigen. Als Bauernopfer werden zwei Beamte des Gesundheitsamtes in der Provinz entlassen.
Was den jungen Arzt alarmiert hatte, war der Typ des Virus, der die Krankheit auslöste. Er wusste von der SARS-1-Epidemie, die im Jahr 2002 in China ihren Ausgang genommen hatte. Während seines Studiums an der medizinischen Universität Wuhan wurde ihm klar, welche Bedrohung dieser Virentyp darstellen konnte. SARS war durch die Epidemie in den Jahren 2002/2003 zu einem Begriff geworden. An den Folgen des SARS-1-Erregers verstarben nach offiziellen Angaben 774 Menschen, das Virus grassierte in 25 Ländern. Auch bei dieser Epidemie waren die chinesischen Behörden vor allem zu Beginn sehr zögerlich mit der Herausgabe von Informationen, mittlerweile lässt sich die Ausbreitung aber sehr gut nachvollziehen. Dass die Seuche damals schlussendlich eingedämmt werden konnte, ist durchaus auf die Reaktionen nationaler Gesundheitsbehörden zurückzuführen. So gab es in einigen Ländern Schulschließungen über mehrere Wochen, in Peking wurden zeitweise Diskotheken, Theater und andere Kultur- und Unterhaltungsbetriebe geschlossen. International wurden Reisewarnungen verhängt, in Kanada, wo das Virus sich stark verbreitet hatte, wurden mehrere große Kongresse abgesagt. Schlussendlich aber, so sieht es auch der österreichische Molekularbiologe Josef Penninger, war auch etwas Glück dabei, dass man diesen Erreger noch einmal zurückdrängen konnte. Als Konsequenz aus der damaligen Situation richtete die Europäische Union recht schnell das schon länger geplante „European Centre for Disease Prevention and Control“ (ECDC) ein. Dort sollen die Fäden der verschiedenen nationalen Gesundheitsbehörden zusammenlaufen, um ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene zu ermöglichen. ECDC hat aber keine Befugnis, Regelungen oder Bestimmungen für alle Mitgliedsländer durchzusetzen. Dass die Europäische Gesundheitspolitik trotzdem alles andere als homogen und gut koordiniert ist, hat so manchen Spötter zum Spruch verleitet, die ECDC sollte wohl eher wie die bekannte Rockband AC/DC heißen und als Motto haben: „Viel Lärm um nichts“.
Am 27. Jänner 2020 ruft in Wuhan die Krankenschwester Li Ting aus dem Krankenhaus ihren Mann an. „Jetzt hab ich es auch“, flüstert sie ins Telefon. Cai Kahai weiß sofort, was das bedeutet. Schon seit Mitte Dezember hat ihm seine Frau immer eindringlicher von einer unheimlichen Krankheit berichtet, mit der immer mehr Patienten in die Notfallaufnahme ihres Krankenhauses in Wuhan eingeliefert würden. „Alle haben die gleichen Symptome – und viele sterben.“ Schon seit Anfang des Jahres ist sie Tag für Tag mit einem mulmigen Gefühl in die Arbeit gefahren. An diesem 27. Jänner kocht sie in der Früh eine Gemüsesuppe mit Nudeln und sagt: „Ich muss mich beeilen, sonst komm ich zu spät auf die Station!“ Kurz vor neun ruft sie dann an. Die Ärzte im Krankenhaus konstatieren „milde Symptome“, stellen ein paar Medikamente zusammen und schicken Li Ting in Heimquarantäne. Im Krankenhaus wäre ohnehin kein Bett mehr frei. Für das Ehepaar kommt das Ganze nicht ganz überraschend. Für die Stadt Wuhan mit elf Millionen Einwohnern gilt seit dem 23. Jänner ein Lockdown, der öffentliche Verkehr ist eingestellt. Cai Kahai fährt mit seinem Auto zum Krankenhaus, um seine Frau abzuholen. Zu Hause angekommen, gibt Li Ting ihrem Mann noch einige Verhaltenstipps – ab sofort werden beide auch in der Wohnung Masken tragen, Kahai desinfiziert, so gut er kann, die Wohnung, während sich Li Ting ins Bett legt. Mittlerweile hat sie Fieber und es geht ihr zunehmend schlechter. Am Abend liegt sie wimmernd unter der rosafarbenen Bettdecke und ist kaum noch zu beruhigen. Cai Kahai betritt das Schlafzimmer nur noch mit Schutzanzug, Maske und Brille. „Komm mir nicht zu nahe. Bleib weg!“, schluchzt seine Frau. Er versucht, sie zu trösten, aber die Angst schnürt ihm die Kehle zu. Dieses Virus wird ihm immer unheimlicher. Wochen später erst kann er aufatmen. Seine Frau übersteht die Infektion. Li Tings Schicksal ist nur eines von sehr vielen.
Die Europäische Union und auch Österreich beschäftigen in diesen Tagen dennoch andere Probleme. Tatsächlich ist es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der wieder einmal droht: Wenn der Krieg in Syrien abermals viele Geflüchtete in sein Land spüle, werde Europa das zu spüren bekommen, dann werde sich der Kontinent an 2015 erinnert fühlen, als fast eine Million Migranten über die Balkanroute nach Nordwesten gewandert seien. Erdoğan denkt erneut über einen Stopp für das 2016 beschlossene EU-Türkei-Abkommen nach und damit darüber, Flüchtlinge aus Syrien (unter anderem mit EU-Milliarden) eben nicht mehr in der Türkei zu behalten, sondern sie weiterziehen zu lassen beziehungsweise sie nicht mehr aus Griechenland zurückzunehmen. Durch dieses Abkommen hatte sich die türkische Regierung eigentlich dazu verpflichtet, auf den griechischen Ägäisinseln ankommende Flüchtlinge aufzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die EU hatte im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion in Aussicht gestellt.2 Daran habe sich die EU aber nicht gehalten, argumentiert der türkische Präsident.
In der EU eilt man von Krisengipfel zu Krisengipfel und Erdoğan kommt mit Fakten. Von den 5,7 Millionen syrischen Flüchtlingen weltweit habe die Türkei 3,7 Millionen und damit zwei Drittel aufgenommen und diese Menschen mit Sicherheit, Arbeit und Bildung versorgt. Und in der Tat müssen die auf den griechischen Inseln für einige Zehntausende Flüchtlinge herrschenden, unwürdigen Umstände als Schande bezeichnet werden. Medien berichten über Kinder, die versucht hätten, sich das Leben zu nehmen, von traumatisierten Erwachsenen und entsetzlichen hygienischen Zuständen. Das alles unter der Flagge der EU, die für die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte steht.
Griechenland und die verzweifelt um eine gemeinsame Asylpolitik ringende Europäische Union haben offenbar vor dem Problem kapituliert. Die EU-Verteilungspolitik ist die Asylwerber betreffend gescheitert. Die meisten Mitgliedsländer halten sich an keine Verteilungsschlüssel und jene, die viele Menschen aufgenommen haben, darunter Deutschland und Österreich, argumentieren, sie hätten schon 2015 ihre sogenannten „Hausaufgaben“ in der Asylpolitik gemacht.
An diesem Tag werden zwei chinesische Touristen, die sich wegen bestimmter Symptome selbst gemeldet haben, in Rom positiv auf COVID-19 getestet. Angeblich kommen sie zwar als Auslöser der Pandemie nicht infrage, aber dennoch ist bis heute ungeklärt, auf welchem Weg die Infektion erstmals nach Italien eingeschleppt worden ist.
Einige Monate später wird man feststellen müssen: In Italien ist das Coronavirus SARS-CoV-2 nachweislich schon im November 2019 – und damit zwei Monate früher als bisher angenommen – aufgetreten. Bei Nachuntersuchungen von einigen Dutzend Abwasserproben aus Kläranlagen in Norditalien hatte das italienische Gesundheitsinstitut ISS das Erbgut des Erregers SARS-CoV-2 bereits am 18. Dezember 2019 in Mailand und Turin gefunden.
In Mailand gewinnt vor 44.236 Zuschauern das Sensationsteam der Champions League, Atalanta Bergamo, gegen FC Valencia mit 4:1. Zuvor waren Menschenmassen aus dem 50 Kilometer entfernten Bergamo nach Mailand angereist. „Meine Frau hat drei Stunden gebraucht, um die Strecke zu bewältigen – normalerweise benötigt man dazu nur 40 Minuten“3, erzählt später der Atalanta-Stürmer Papu Gomez gegenüber sport1.de. „Ich denke, dass dieses Spiel zur jetzigen dramatischen Situation beigetragen hat.“4 Darauf deutet auch der explosionsartige Anstieg an Corona-Infektionen in Bergamo zwei Wochen nach dem Spiel hin. Einem Spiel, das schon jetzt in die Corona-Geschichte eingegangen ist als „Partita zero“ (Spiel null), in Anspielung auf den Begriff Patient null. Laut dem Mailänder Virologen Massimo Galli war die Epidemie „wohl schon einige Wochen davor auf dem Land in den Fabriken, bei Landwirtschaftsmessen und in den Bars der Dörfer ausgebrochen und war viel größer, als wir dachten. Die Tatsache aber, dass sich im Stadion Leute aus derselben Ecke des Landes zu Zehntausenden drängten, könnte ein wichtiger Faktor für die Ausbreitung gewesen sein.“
Noch im Herbst 2019 hätte man es mit dem üblichen Achselzucken zur Kenntnis genommen, wenn einem die Hausärztin gesagt hätte: „Das ist ein Infekt, da haben Sie sich irgendwo ein Virus eingefangen.“ Antibiotika wirken gegen Bakterien, aber bei Viren war meist die Botschaft: „Auskurieren und besser aufpassen, dass Sie niemand anniest oder anhustet.“ Ein paar Monate später war klar: So einfach ist die Sache nicht. Über die berühmte „Tröpfcheninfektion“, also über feine Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen durch die Luft fliegen, konnte die Ausbreitung des SARS-2-Virus nicht mehr erklärt werden. Virologen wussten natürlich längst, dass Viren sich auch über winzige Teilchen in der Luft, sogenannte Aerosole, ausbreiten können. Bei einer Größe von einem zehntausendstel Millimeter braucht das SARS-2-Virus keinen großen Transporter. Dennoch waren auch Fachleute und Expertinnen überrascht, welche Wege dieser Erreger mühelos überwinden kann. Bei Versuchen an der Universität Tokio standen ganze Gruppen von Wissenschaftern fassungslos vor Monitoren, auf denen über bildgebende Verfahren gezeigt wurde, wie die Ausbreitung vor sich ging. Bei den ersten Fällen in Deutschland stellte sich heraus, dass ein Tischnachbar den anderen um Salz gefragt hatte und so ein Infektionsherd geschaffen wurde. Bei einer einzigen Chorprobe in der Nähe von Seattle infizierte bei 63 Teilnehmern ein einziger Sänger 52 seiner Chorkollegen, drei erkrankten schwer, zwei starben. Damit war auch ein neuer Begriff eingeführt: „Superspreader“ – ein Mensch, der besonders infektiös ist und viele andere anstecken kann. Es wurde klar: Es müssen andere Regelungen her, um die Ausbreitung zu verhindern. Abstand halten, Maske tragen und große Gruppen vermeiden. Es dauerte, bis das Ganze in Gesetze mündete, aber es war bewiesen, dass die Lufthoheit ein zentrales Element der Pandemiebekämpfung sein müsse. Oh Aerosole mio als wehmütiger Abgesang an ein Leben ohne Einschränkungen.
An der italienischen Grenze zu Österreich, am Brenner, wird ein Zug angehalten. Zuvor hatte die italienische Staatsbahn die Österreichischen Bundesbahnen darüber informiert, dass sich im Zug Eurocity 86 zwei Personen mit Fiebersymptomen und schwerem Husten befänden. Zwar waren die beiden Frauen aus Deutschland schon in Verona negativ getestet worden, dennoch ließ das österreichische Innenministerium den Zug nicht weiterfahren.
„Dieser Vorfall hat uns wie ein rasender Schnellzug erwischt“, erzählt später Markus Gstöttner, der stellvertretende Kabinettschef des Kanzlers.
Die noch von vielen als politisches Experiment betrachtete Regierung von ÖVP und Grünen verkündet, das Nulldefizit halten zu wollen. Von einem leichten Budgetüberschuss für 2021 und einem längst überfälligen Ende rot-weiß-roter Schuldenpolitik schwärmt der wirtschaftsliberale Finanzminister Gernot Blümel.
Die ersten Bankdirektoren warnen hingegen bereits davor, dass es zu einem „Bank Run“ kommen könnte. Also einem Ansturm der Einleger auf die Kassen, vor allem auf die Bankomaten eines Geldinstituts, um bei wirklichen, aber auch bei vermeintlichen Zahlungsschwierigkeiten der Bank die Guthaben abziehen zu können. Ein „Bank Run“ führt in der Regel dazu, dass die Bank die Kassen schließen muss, da nicht ausreichend Bargeld zur Verfügung steht.5 Zu diesem Zeitpunkt deutet kaum etwas auf eine bevorstehende Krise hin, noch besteht die Befürchtung eines derartigen Ansturms.
„Am Beginn der letzten Februarwoche waren wir uns noch ganz sicher, dass das Nulldefizit halten würde, am Ende der Woche, am 1. März 2020, es war ein Sonntag, wussten wir: Es könnten am Ende bis zu 40 Milliarden Euro fehlen“, erzählt ein „lieber anonym bleiben wollender“ hoher Beamter.
Was war passiert?
Umgelegt könnte man sagen: Zwei kleine Schritte für zwei 24-jährige in Innsbruck lebende Italiener, ein großer dramatischer Schritt für das ganze Land. Eine Angestellte eines Hotels und ihr Freund werden positiv getestet, sie waren zuvor in Italien.
„Und ab da haben wir gewusst: Ab sofort heißt es, in anderen Zeiträumen zu denken. Einerseits, was machen wir morgen, und andererseits, dass wir nicht weiter als über zwei Wochen hinaus denken werden können“, sagt Markus Gstöttner rückblickend.
Recep Tayyip Erdoğan gibt bekannt: „Wir haben die Tore geöffnet.“ Bereits einen Tag zuvor hieß es aus Ankara, dass die Türkei ihre Grenzen vor Flüchtlingen, „die nach Europa wollen“, nicht länger verschlossen hält.
Griechenlands Antwort darauf ist eindeutig: Unsere Grenzen zur Türkei bleiben dicht. Tatsächlich setzen die griechische Grenzpolizei sowie Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei Tränengas und Blendgranaten ein, und das griechische Fernsehen zeigt, wie auf diese Weise gegen Migranten, die nach Europa drängen, angekämpft wird.
Der Hintergrund für die neuerliche Zuspitzung: Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat gemeinsam mit Russland seine Angriffe auf Assad-Gegner im Land wieder verschärft. Die Menschen fliehen. Mehr als in den vergangenen Jahren.
Während sich die Europäische Union auf den näher rückenden Bruch des Flüchtlingspakts mit der Türkei vorbereiten muss, steigen weltweit die Corona-Fallzahlen rapide an.
Auch in Österreich kämpft die Regierung an diesen beiden Fronten. Das neue Migrationsproblem spült die Koalition in ihre erste Bewährungsprobe. COVID-19 ist ohnehin Neuland für alle. In der Asylpolitik bleibt der Kanzler seiner Linie treu und verkündet: „Grenzen dicht!“ Er ist strikt gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, ganz im Gegensatz zu Vizekanzler Werner Kogler, der meint, für kriegstraumatisierte Frauen und Kinder müsse in Österreich Platz sein. „Das müssen wir dann machen, wenn es der EU nicht gelingt, dort menschenwürdigere Bedingungen zu schaffen“, sagt der Chef der Grünen. Zum ersten Mal hängt das Damoklesschwert einer möglichen gemeinsamen Parlamentsabstimmung der ÖVP mit der oppositionellen FPÖ zum „Grenzen dicht machen“ über Türkis-Grün.
Benjamin Netanyahu gewinnt die Parlamentswahl in Israel. Der österreichische Bundeskanzler ruft ihn an, um ihm „zum klaren Wahlsieg“ zu gratulieren und um „die exzellenten bilateralen Beziehungen weiter zu stärken und Antisemitismus und Antizionismus zu bekämpfen“, wie der Kanzler später twittert.
Der israelische Ministerpräsident ruft in Wien an. Sebastian Kurz erinnert sich genau an dessen Worte: „Ihr unterschätzt das in Europa, wacht auf und tut etwas.“
Dieser Anruf von Netanyahu habe ihn wachgerüttelt, sagt Kurz später der BILD. Ein Mitarbeiter aus dem Kanzlerteam berichtet ein Jahr danach, Netanyahu habe Österreich auch sehr konkret gewarnt. Israel befürchte eine 3-prozentige Mortalitätsrate. Von 100 Infizierten würden drei sterben. Der Kanzler selbst ergänzt in einem Gespräch im Zuge der Recherche für dieses Buch: „Viele Regierungschefs haben mir gesagt, nicht nur aus Israel, auch aus Singapur oder China, euer Kontinent unterschätzt diese Gefahr, ihr müsst jetzt handeln, sonst ist es zu spät.“
Letztlich habe er in dieser Zeit nichts anderes mehr gemacht, als zu telefonieren und sein als Außenminister aufgebautes internationales Netzwerk zu aktivieren. Doch die Antworten sind nicht eindeutig. Viele Staaten wollen keine Gefahr sehen und jene, die sie schon erkennen, wissen nicht, was sie tun sollen.
Wie führt man als Regierung einen Kampf gegen etwas, das niemand kennt?
Sehr große Zahlen sind für die meisten Menschen etwas, das sich ihrer Vorstellungskraft entzieht. Die Millionen des Lottogewinns sind vielleicht noch einordenbar, aber wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Gewinn ist und warum es so ist, dass man mehr als acht Millionen verschiedene Tipps abgeben müsste, um sicher sechs Richtige zu haben, das ist den meisten dann doch zu kompliziert und fällt unter „höhere Mathematik“, was es freilich längst nicht ist. Wissenschafter der naturwissenschaftlichen Disziplinen aber sind es gewohnt, mit Zahlen umzugehen, und streben danach, immer verlässliche Zahlen zu bekommen, um Vergleiche anstellen zu können. So ist es nicht verwunderlich, dass einige auf die Idee gekommen sind zu fragen: „Gibt es eigentlich mehr Lebewesen oder mehr Viren?“ Viren gelten für Biologen nicht als eigenständige Lebewesen, da sie ohne Wirtstier nicht überleben können (siehe S. 26ff.). Jetzt ist es aber einigermaßen schwierig, alle Lebensformen der Welt in einen Kobel zu sperren und durchzuzählen. Dasselbe gilt für Viren. Die Annäherung erfolgt deshalb über ein klassisches mathematisches Verfahren: die Hochrechnung. Man nehme einen Kubikmeter Erdreich verschiedenster Sorten und beginne durchzuzählen, welche Lebensformen und Viren sich darin finden; man nehme einen Kubikmeter Meerwasser, zähle durch und so weiter. Und dann muss man die Zutaten mit der Masse der Erde und mit der Kubatur der Ozeane multiplizieren. Dies ergibt eine Zahl, die dem Laien zunächst nicht so viel sagt: 1030 – Gut, man kann das auch anders schreiben: 1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000. Das übersteigt den Lottogewinn doch deutlich. Dabei sind wir noch gar nicht bei Onkel Dagoberts „Fantastilliarden“. Die mathematische Bezeichnung für 1030 ist Quintillion. Bringt uns in unserer Vorstellungskraft nicht weiter, aber wichtiger ist: Diese Zahl betrifft alle Lebewesen, inklusive Kleinstlebewesen wie Bakterien. Die Viren aber, die begnügen sich nicht mit der Quintillion – von ihnen existieren noch einmal um das Zehn- bis Hundertfache mehr. Das haben akribische Biologen nicht nur aufgrund der Hochrechnung ermittelt, das ist auch insofern sehr wahrscheinlich, weil sehr viele Lebewesen von mehreren Virenarten befallen sind – und da sind hundert Stück quasi ein Klacks. Das heißt in anderen Worten: Wir sind umgeben von der größten Armee der Evolutionsgeschichte, die uns unsichtbar begleitet. Diese Armee ist getarnt wie keine andere, kommt mit allen Verhältnissen zurecht und schafft es auch, sich immer wieder neues Terrain zu erobern. Sie überschreitet immer wieder Grenzen – und da ist das Überschreiten der Artengrenze für uns Menschen das gefährlichste Manöver, denn auf diesen Angriff sind wir schlecht vorbereitet.
Das Hauptproblem für ein Virus ist, dass es nicht allein existieren und sich vermehren kann – es braucht ein Wirtstier. Nur dort kann es sich ausbreiten und in Zellen weiterentwickeln. Ein weiteres Problem: Das Immunsystem, ob von Mensch oder Tier, ist stets in Alarmbereitschaft und attackiert mögliche Eindringlinge sofort. Das heißt, das Virus muss sich wie ein Spion in den Organismus einschleichen und dort möglichst wenig auffallen. Das ist bei einem robusten und intakten Immunsystem alles andere als einfach. Was sicher gar nicht geht, ist, schon mit gezückter Waffe aufzutauchen und zu versuchen, den Organismus zu attackieren. Denn die Immunabwehr verfügt über mehrere gut funktionierende Gegenspionage-Abteilungen (siehe S. 52ff.), die permanent patrouillieren und offensichtliche Angreifer festhalten und eliminieren. Das SARS-2-Virus versteckt seine Waffe deshalb bis ganz zum Schluss. Diese Waffe ist ein Eiweißbaustein, mit dessen Hilfe es sich in Körperzellen hineinarbeiten kann – eine Art molekularbiologischer Giftstachel. Erst im allerletzten Moment, kurz vor dem Eindringen in die Zelle, zückt das Virus diese Waffe. Das Immunsystem reagiert in diesem Fall zu langsam und erkennt zu spät die Gefährlichkeit des Eindringlings. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich sogenannte Fresszellen des Immunsystems auf das Virus stürzen, es fressen und in sich aufnehmen. Dies kann dazu führen, dass sich das Virus innerhalb dieser Fresszellen weitervermehrt, dass ihm sozusagen die Tür in den Organismus durch die Gegenattacke geöffnet wird. Deshalb muss das Immunsystem unter Umständen nachjustieren und neue Abwehreinheiten rekrutieren, um den Virenbefall doch noch zu stoppen. Dieser Gegendruck wiederum führt dazu, dass das Virus versucht, seine Taktik zu ändern – es verändert sich, es mutiert (siehe S. 40f.).
Ein Jahr später werden die für diese Weltkrise in Österreich zuständigen Beamten vor allem zwei Parameter anführen: Es braucht kluge Expertinnen und Experten und schnelle Entscheidungen. Davon hängen Erfolg und Misserfolg einer Krisenbekämpfung ab.
Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ ich einen Arbeitskreis. Ein böses journalistisches Bonmot für ratlose Politikerinnen und Politiker. Diesmal trifft es zu, ohne jeden Zynismus. Zurate gezogen werden Mediziner, Epidemiologen, Labormediziner, Mikrobiologen, Vakzinologen, Immunologen, Mathematiker, Simulationsexperten, Statistiker und im Laufe der Zeit auch Psychologen, Soziologen und letztlich, mit Dauer der Krise, vor allem auch Ökonomen.
Aber wer weiß wirklich, was zu tun ist? Weltweit niemand.
Wir haben ein weltweites Problem. Etienne Berchtold sollte recht behalten.