Konservative Revolution zu Liberalismus - Hubert Milz - E-Book

Konservative Revolution zu Liberalismus E-Book

Hubert Milz

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Beschreibung

Die Abhandlung grenzt die Konservative Revolution und ihre Wiedergänger vom Liberalismus ab. Außerdem wird dargelegt, in welcher Art und Weise Vertreter der Konservativen Revolution versuchen Kippfiguren in anderen weltanschaulichen Gruppen zu formen.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2023

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„An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

– ERICH KÄSTNER

Inhaltsverzeichnis

Geschichte wiederholt sich nicht – Verhaltensmuster schon

Die 1920er Jahre – „die Konservative Revolution in Deutschland“

Kurze Profile wichtiger „Konservativer Revolutionäre“

Liberale und die „Konservative Revolution“

Wiedergänger der „Konservativen Revolution“

Historische Kader und ein neues Netzwerk

Von der Metapolitik zur Praxis

Was bleibt?

Im Text genanntes Schrifttum

Quellen der Aphorismen

„Verhalten entspringt nicht

nur rationalen Gedanken,

sondern viel stärker

grundlegenden, nur teilweise

bewussten Haltungen

dem Leben gegenüber.“

– RUDOLF DREIKURS

Geschichte wiederholt sich nicht – Verhaltensmuster schon

2009 warnten verschiedene Autoren (bspw. Debora Dusse, Anja Grebe, Johannes Zechner) davor, dass sich in den westlichen Demokratien längst überwunden geglaubte Anschauungen breitmachen, die auch und besonders an intolerante, illiberale Denkmuster – z. B. an die „Konservative Revolution“ der 1920er Jahre – von „links“ und „rechts“ aus der Zeit zwischen den Weltkriegen anknüpfen. Jene alten Denkmuster würden in künstlerischen, esoterischen und ökologischen Kreisen nur scheinbar zu neuen Cocktails verrührt, die Muster seien die gleichen wie früher: Die Welt wird polarisierend in Freund und Feind geteilt, mehr als nur simpel dargestellt und wichtige Themenfelder werden total verzerrt1, wobei beide Seiten – „links“ wie „rechts“ – einen gemeinsamen Feind haben, nämlich den Liberalismus2, der an allem Unheil dieser Welt – oder besser, an allem, was „links“ und „rechts“ missfällt – die Schuld trägt.

Ein Paradebeispiel von „links“ ist der schweizerische Soziologe Jean Ziegler3, für den der Liberalismus4 mit seiner marktwirtschaftlichen Ordnung eine „kannibalistische Weltordnung“ darstellt.

Zwei gute Beispiele von „rechts“ sind der österreichische Psychologe Wolfgang Caspart5 und der polnische Philosophieprofessor Ryszard Legutko6.

Caspart pflegt ein strukturkonservatives Weltbild; und alles, was im realen Geschehen für Caspart ekelerregend ist, haben die Neoliberalen verursacht. Neoliberalismus bedeutet für Caspart die größtmögliche Unfreiheit Europas.

Bei Legutko sind klassischer Liberalismus, Neoliberalismus und liberale Demokratie mehr oder weniger Synonyme für dasselbe Unglück. Die liberale Demokratie und den real existierenden Sozialismus des untergegangenen Sowjetimperiums verabscheut Legutko gleichermaßen. Legutko ist jemand, der geschickt agiert. Er tarnt seine Behauptungen gekonnt, indem er ihnen den Anschein seriös-wissenschaftlicher Analyse verleiht. Unbedarfte Leser können leicht in die Fänge Legutkos geraten, wenn die Leser nicht sehen, dass Legutko nur haltlose Behauptungen mit den Namen wichtiger liberaler Denker unterlegt, aber hierzu keinerlei Quellenangaben liefert, weil es diese Quellen nicht gibt.

Da die öffentlichen Bekenntnisse solcher Agitatoren, wenn sie Vorurteile bedienen, teils auf fruchtbaren Boden fallen, können und werden derartige Agitationen auch einen gewissen Erfolg verbuchen. Besonders ist dies der Fall bei Personen – dazu zählen auch Liberale –, deren Vorurteile aus latentem, mitunter auch vulgärem Antiamerikanismus und Antikapitalismus gespeist werden, diese Leute singen mehr oder weniger unreflektiert in ihren Rezensionen ein wahres Loblied auf Legutko.7

So notierte Ludwig von Mises mit Blick auf „Links“ und „Rechts“ schon vor neun Jahrzehnten völlig richtig:8

„Beide … stimmen in der Gegnerschaft gegen den Liberalismus und in der Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung überein“.

Dieser Satz hat auch heutzutage Geltung. Skándalon, das Ärgernis ist der Liberalismus für „Links“ und „Rechts“ gleichermaßen, nicht nur in Deutschland, sondern überall in der EU – bspw. in Polen, Ungarn, Italien oder Frankreich polarisieren unterschiedlich stark die politischen Kräfte am rechten und linken Rand gegen freiheitliche Ordnungen, begleitet von einer Erosion alter Parteien, die vormals das Politische prägten. Es handelt sich also nicht nur um ein deutsches Problem, auch wenn hier auf die „Konservative Revolution“ der 1920er Jahre und deren heutigen Wiedergängern abgestellt wird – alte Muster wiederholen sich.

1 Puschner, Uwe / Großmann, G. Ulrich (Hg).: Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Darmstadt 2009.

2 Siehe Weiß, Volker: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart 2018, S. 18f.

3 Ziegler, Jean: Was ist so schlimm am Kapitalismus?: Antworten auf die Fragen meiner Enkelin. München 2019.

4 Unter Liberalismus werden heutzutage allerlei Richtungen subsumiert – klassischer Liberalismus; Neoliberalismus; Libertarismus; Bindestrich-Liberalismus, wie bspw. Links-Liberalismus. Für eine differenzierte Darstellung ist hier im Text kein Platz. Daher als Anmerkung so knapp wie möglich:

Der klassische Liberalismus ist vereinfacht in zwei Stränge teilbar, in den konstruktivistischen Ableger der kontinentaleuropäischen Aufklärungsepoche und in den Zweig der britischen „Old Whigs“, dem bspw. bedeutende Denker wie Hayek und Röpke zuneigten.

Im Neoliberalismus spiegeln sich viele Facetten, ausführlich zum Neoliberalismus an sich, zu dem auch der deutsche Ordoliberalismus gehört; ausführlich dazu siehe bspw. Plickert, Philip: Wandlungen des Neoliberalismus. Stuttgart 2008.

Der Ausdruck „libertär“ kommt aus den USA. Da der Begriff „liberal“ mehr oder weniger von den linken US-Demokraten besetzt wurde, suchten die US-Freiheitlichen einen anderen Begriff, den sie in „Libertarismus“ fanden – ein Ausdruck, der politisch erstmals durch den französischen Links-Anarchisten Joseph Déjacque im 19. Jahrhundert verwandt wurde. Die US-Libertären sind gleichwohl nicht homogen. Simpel zu unterscheiden sind sie als Anarcholiberale und Minarchisten, wobei die Minarchisten – einfach formuliert – den Erben des klassischen Zweigs der britischen „Old Whigs“ zuzuordnen sind, siehe dazu z. B. Blankertz, Stefan: Das libertäre Manifest. 2. verbesserte Auflage, Grevenbroich 2002. Außerdem gibt es eine Vielzahl sogenannter Bindestrich-Liberalen, bspw. „Links-Liberale“. Wie Michael von Prollius in seiner Rezension (siehe Amazon) eines Buches von Mohler (Mohler, Armin: Gegen die Liberalen. Schnellroda 2010) deutlich macht, trifft Mohlers Polemik auf eine Vielzahl jener Bindestrich-Liberalen, die eigentlich getarnte Sozialdemokraten oder Grüne sind, in Teilen durchaus zu. Mohlers Polemik jedenfalls spiegelt den Hass auf den Liberalismus und die amerikanische Massenkultur überdeutlich.

Zu Mohlers Pamphlet siehe auch Kaeser, Eduard: Liberalenbeschimpfung;

https://www.journal21.ch/artikel/liberalenbeschimpfung.

5 Caspart, Wolfgang: Das Gift des globalen Neoliberalismus. Mit Turbokapitalismus in die Krise. Wien 2008.

6 Legutko, Ryszard: Der Dämon der Demokratie. Totalitäre Strömungen in liberalen Gesellschaften. Wien 2017.

7 Siehe bspw. Bandulet, Bruno: Deutschlandbrief. Der Aufstand gegen die EU. Eine aktuelle polnische Sicht auf die europäische Vergangenheit und Zukunft; in: eigentümlich frei, Heft 178, Dezember 2017, S. 8-9.

Die meisten Rezensionen des Buchs von Legutko bei Amazon sind geradewegs ein Paradebeispiel dafür, wie erfolgreich eine derartige Polarisierung sein kann.

Dass Antikapitalismus kein Alleinstellungsmerkmal für „Links“ ist, machte schon Hayek 1944 klar, sein Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ war den Sozialisten in allen Parteien gewidmet.

Kompakt zum Antikapitalismus der „Alten und Neuen Rechten“ siehe Zitelmann, Rainer: Der neue Antikapitalismus von Rechts; https://www.misesde.org/2022/04/der-neue-antikapitalismus-von-rechts/.

8 Mises, Ludwig von: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus. 2. umgearbeitete Auflage, Jena 1932, S. 462.

Skándalon, Ärgernis ist gemäß der mimetischen Theorie in der Auslegung René Girards der Anstoß, um den Sündenbock – hier wäre dies der Liberalismus – zu vernichten. Da das Werk Girards recht vielschichtig und außerdem nicht dem eigentlichen Thema zugeordnet ist, erfolgt hier nur ein allgemeiner Verweis auf seine diesbezüglichen Arbeiten; Girard, Rene: Ausstoßung und Verfolgung: Eine historische Theorie des Sündenbocks. Frankfurt/M. 1992, derselbe.: Der Sündenbock. Zürich 1988 und derselbe: Figuren des Begehrens: Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität. Münster 2012.

„Obgleich sich in Deutschland

ein Gelehrten- und Spezialistentum

auf allen Gebieten des geistigen Lebens

zu voller Blüte entwickelte,

waren gerade diese Menschen nicht

in der Lage, die einfachsten politischen

Fragen richtig zu beantworten.“

– Hans Scholl

Die 1920er Jahre – „die Konservative Revolution in Deutschland“

Armin Mohler unterteilte „die Konservative Revolution in Deutschland“ in seiner Dissertation9 in fünf Hauptgruppen: „Nationalrevolutionäre, Jungkonservative, Völkische, Bündische und Landvolkbewegung“.

Mohlers Zuordnungen und Gliederungen der „Konservativen Revolutionäre“ sind seltsam, unter dem „paradoxen Begriff“ verrührte Mohler mittels waghalsiger Konstruktionen, verantwortungslosen Unterschlagungen und seltsamen Märchen Dutzende von vielfach gänzlich gegensätzlichen Publizisten zu einer bizarren Brühe.10

Schon der Ausdruck „Konservative Revolution“ an sich signalisiert eine falsche Botschaft: Konservative wollen bewährte Traditionen, Werte und so fort pflegen, bewahren und behutsam fortentwickeln; „Konservative Revolutionäre“ hingegen wollen zuerst alles zerstören (Nihilismus pur), um dann das aufzubauen, was es zu bewahren gilt11. Das scheinbar Konservative der „Konservativen Revolutionäre“ war nur Mittel zum Zweck, ein Instrument des politischen Kulturkampfs, genauso auch das Christentum12. Gerade für den „kriegerischen Islam“ bekundeten etliche „Konservative Revolutionäre“ ihre Sympathie – übrigens, selbstverständlich Hitler in „Mein Kampf“ auch.

So wurden z. B. Nationalkonservative, die sich selbst etwas vormachten – bspw. esoterischen Reichsideen frönten – meinten, dass Freiheit exklusiv nur für Volksgenossen gelten darf, die sich stolz und freiwillig dem Kollektiv, repräsentiert durch die richtige Obrigkeit, unterwarfen – trotz Berufung auf christliche Werte einem verzerrten, keineswegs universalistischen Menschenbild13 anhingen, damit im Grunde gegen die christliche Lehre vom Menschen standen –, mit konservativ-pathetischen Phrasen und scheinbar nationalem Pathos an die „Konservative Revolution“ gebunden und bei Laune gehalten. Es ist eben die Art von Nationalkonservativen, die damals wie heute der problematischen Rechten zuzuordnen sind.14

Heutzutage ist dies kaum anders. Die Neue Rechte schürt bspw. mit Stammtischparolen die Angst vor dem Islam, sieht in diesem jedoch eigentlich nicht einen Gegner, sondern beneidet den Islam um seine kämpferische Grundhaltung.15

9 Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland 19181932. Ein Handbuch. Hauptband und Ergänzungsband. 4. Auflage, Darmstadt 1994.

10 Vgl. Breuer, Stefan: Anatomie der Konservativen Revolution. 2. Auflage, Darmstadt 1995, Sonderausgabe 2005, S. 191ff. und Weiß, Volker: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart 2018, S. 44ff.

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