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Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian - Tote reden nicht mehr (Pete Hackett) Trevellian und der sechste Mann (Pete Hackett) Noch während die FBI Agenten Trevellian und Tucker einen Fall von Industriespionage abschließen, bekommen sie den nächsten Fall auf den Tisch. Eine Bank wurde ausgeraubt. Es gibt viele Spuren, doch in der Verbrecherdatei findet sich beim Vergleich von DNA und Prints nicht ein einziger Treffer. Trotzdem finden die beiden schon kurze Zeit nach dem Überfall die Schuldigen. Die fünf Männer sind tot. Sie wurden erschossen. Das Geld ist verschwunden. Offenbar gibt es einen sechsten Mann, der nicht gerne teilt.
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Seitenzahl: 369
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Krimi Doppelband 201
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Trevellian - Tote reden nicht mehr: Action Krimi
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Trevellian und der sechste Mann
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Trevellian - Tote reden nicht mehr (Pete Hackett)
Trevellian und der sechste Mann (Pete Hackett)
Noch während die FBI Agenten Trevellian und Tucker einen Fall von Industriespionage abschließen, bekommen sie den nächsten Fall auf den Tisch. Eine Bank wurde ausgeraubt. Es gibt viele Spuren, doch in der Verbrecherdatei findet sich beim Vergleich von DNA und Prints nicht ein einziger Treffer. Trotzdem finden die beiden schon kurze Zeit nach dem Überfall die Schuldigen. Die fünf Männer sind tot. Sie wurden erschossen. Das Geld ist verschwunden. Offenbar gibt es einen sechsten Mann, der nicht gerne teilt.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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Alles rund um Belletristik!
Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.
Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter bleibt einer der Täter als Leiche zurück. Sein Umfeld wird durchleuchtet und bald führt die Spur zu einer Autowerkstatt. Die Monteure geben sich zwar gegenseitig ein Alibi, aber einer von ihnen ist sehr nervös. Am nächsten Tag ist er tot. Nach und nach stirbt ein Monteur nach dem anderen an einer Kugel. Will einer der Männer die Beute nicht teilen?
»Bitte, nehmen Sie Platz, Gentlemen«, sagte Mr. McKee, nachdem er uns per Handschlag begrüßt hatte. Das Gesicht des Assistant Directors war ausgesprochen ernst.
Milo und ich setzten uns an den Besprechungstisch. Erwartungsvoll fixierte ich unseren Vorgesetzten. Er nahm ebenfalls Platz und sagte: »Gestern gegen 14 Uhr wurde auf dem Highway 278 ein Transporter der Firma Warner & Sohn überfallen. Fahrer und Beifahrer des Transports wurden erschossen. Die Diebe erbeuteten über zwei Millionen Dollar. Die Ermittlungen sind an das FBI abgegeben worden. Ich will, dass Sie beide den Fall übernehmen.«
Zurück in unserem Büro rief ich beim Police Departement an. Wenig später hatte ich Detective Lieutenant Malcolm Sanders am Apparat. »Guten Morgen, Detective Lieutenant«, grüßte ich. »Uns wurde die Sache mit dem Geldtransport übertragen. Sie haben die ersten Ermittlungen geleitet. Sicher können Sie uns einige Fragen beantworten.«
»Es wäre wohl besser, wir würden uns treffen«, meinte Sanders. »Dann kann ich Ihnen auch gleich die Protokolle aushändigen, die bisher verfasst wurden.«
»Können wir gleich kommen?«, fragte ich.
»Natürlich.«
Wir verloren keine Zeit. Eine halbe Stunde später saßen wir vor Sanders' Schreibtisch. Der Detective Lieutenant reichte mir einen dünnen Schnellhefter. Dann sagte er: »Es gibt einen Augenzeugen des Überfalls. Wie viele Gangster es genau waren, konnte der Mann uns nicht sagen. Allerdings setzten sich Fahrer und Beifahrer des Transporters zur Wehr. Einer der Gangster wurde verwundet. Sein Blut befindet sich im Labor. Wenn wir Glück haben, ist er registriert.«
»Wie heißt der Mann, der den Überfall beobachtete?«, wollte ich wissen.
»Jack Howard. Er wohnt in der 75th Street in Queens, Hausnummer 318. Howard konnte nichts Näheres sagen. Er dachte sich auch zunächst gar nichts, als er den Transporter und die beiden anderen Fahrzeuge am Straßenrand stehen sah. Erst als in den lokalen Nachrichten von dem Überfall berichtet wurde, meldete er sich.«
»Gibt es sonst irgendwelche Erkenntnisse?«
»Nein. Weitere Zeugen haben sich nicht gemeldet. Einen Hinweis ergibt vielleicht die Blutspur, aber dahingehend müssen wir abwarten.«
Ich schlug den Schnellhefter auf und überflog mit den Augen das Protokoll, das die Kollegen, die die Spuren am Tatort sicherten, verfasst hatten. Bei den Toten handelte es sich um Duncan Carter und um seinen Beifahrer Jack Atkins. Beide waren mit mehreren Schüssen getötet worden. Das Transportfahrzeug war ausgebrannt auf einem Feldweg außerhalb New Yorks aufgefunden worden.
Es war nicht viel, was wir mit nach Hause nahmen.
Ich rief bei Jack Howard an. Eine Frau meldete sich. »Guten Tag«, grüßte ich. »Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI New York. Ist Mister Howard zu sprechen?«
»Mein Mann befindet sich auf der Arbeit«, erklärte die Frau.
»Ist er telefonisch zu erreichen?«
Die Frau nannte mir die Nummer, ich notierte sie und rief sie gleich darauf an. Jack Howard meldete sich. Ich erklärte ihm, wer ich war und dass wir einige Fragen an ihn hätten.
»Sie können zu mir in den Betrieb kommen«, meinte Howard. »Sie können mich aber auch am Abend zu Hause besuchen. Ich bin ab 19 Uhr in meiner Wohnung anzutreffen.«
»Wir kommen zu Ihnen in den Betrieb«, sagte ich.
»Man hat mich bereits vernommen«, gab Howard zu verstehen. »Dass es sich um einen Überfall handelte, begriff ich erst, als davon in den Nachrichten berichtet wurde.«
»Wir würden Sie trotzdem gerne sprechen«, erklärte ich.
»Natürlich stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
Wir fuhren in die Holly Avenue in Queens, wo Howard bei einem Hoch- und Tiefbauunternehmen als Buchhalter arbeitete. Es dauerte seine Zeit, bis wir ankamen. Im Verwaltungsgebäude des Unternehmens erklärte uns eine Sekretärin, dass sich Howards Büro in der ersten Etage befand, und wir stiegen die Treppe empor. Wir fanden das Büro und ich klopfte an die Tür. Sogleich erfolgte die Aufforderung, einzutreten.
Howard war ungefähr fünfundvierzig Jahre alt. Seine Haare begannen sich bereits grau zu verfärben. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern, hinter denen seine Augen unnatürlich groß erschienen.
Er erhob sich, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und gab jedem von uns die Hand. Ich übernahm es, uns vorzustellen. Wir setzten uns an den runden Besuchertisch.
»Sie waren Augenzeuge des Überfalls«, begann ich.
»Als ich vorbeifuhr, hatte ich keine Ahnung, was da ablief«, erwiderte Howard. »Da stand der Transporter. Dahinter hatte ein Buick angehalten. Vor dem Transportfahrzeug stand ein Chevy. Ich sah einige Männer. Aber ich habe nicht darauf geachtet. Das einzige, was mir auffiel, war die Aufschrift an dem Transporter. Sie verriet mir, dass es sich um das Fahrzeug eines Security Dienstes handelte.«
»Waren die Männer maskiert?«
»Nein.«
»Die Autonummern des Buick oder des Chevy haben Sie sich sicher nicht gemerkt.«
»Nichts deutete auf einen Überfall hin. Ich dachte mir nichts.«
»Könnten Sie einen oder mehrere der Männer beschreiben, die Sie bei dem Transporter sahen?«, fragte ich.
»Ich achtete nicht weiter auf sie«, murmelte Howard. »Wie ich schon sagte …«
»Wie viele Männer sahen Sie?«
»Drei, vielleicht auch vier. Die Fahrertür des Transporters stand offen. Einer stieg gerade hinein. Es tut mir leid. Aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen.«
»Welche Farben hatten der Buick und der Chevy?«
»Nicht mal darauf habe ich richtig geachtet. Ich glaube, der Buick war dunkel, der Chevy hatte eine weiße Farbe. Wer denkt denn an einen Raubüberfall, nur weil drei Fahrzeuge am Straßenrand stehen?«
Als wir wieder auf dem Weg nach Manhattan waren, sagte Milo: »Wir können uns wohl wirklich nur darauf verlassen, dass wir über die DNA an einen der Gangster herankommen.«
Was wir wussten, war in der Tat ausgesprochen mager. Wir mussten uns mit Geduld wappnen.
Nach dem zweiten Klingelton schnappte ich mir den Hörer. Es war ein Kollege von der SRD, der sich meldete. Er sagte: »Wir haben eine DNA. Leider können wir sie nicht zuordnen. Der Träger des Erbguts ist nicht registriert.«
»Das ist keine besonders erfreuliche Nachricht«, sagte ich.
»Wir haben auch den ausgebrannten Transporter nach Spuren durchsucht. Fehlanzeige. Wenn es Spuren gab, wurden sie vom Feuer zerstört.«
Ich bedankte mich. Der Kollege sagte mir noch zu, dass wir die entsprechenden Gutachten zugeleitet bekämen, dann beendete ich das Gespräch.
Ich schlug vor, mal mit dem Chef der beiden getöteten Transportbegleiter zu sprechen. Warner & Sohn hatte seinen Sitz in der Newton Avenue. In der Halle des Verwaltungsgebäudes gab es eine Rezeption, hinter der zwei junge Frauen Dienst versahen. Man verwies uns an Jason Warner junior. Wenig später saßen wir dem Juniorchef in seinem Büro gegenüber. Sein Gesicht verdüsterte sich, als ich ihm den Grund unseres Besuchs erklärte. Dann sagte er: »Die Sache ist an Tragik kaum zu überbieten. Duncan Carter war über zwanzig Jahre bei uns beschäftigt. Jack Atkins arbeitete seit fünfzehn Jahren für uns. Beide hinterlassen Frauen und Kinder. Ich kann nur hoffen, dass man die Täter bald schnappt und entsprechend bestraft.«
»Uns interessiert die Frage, woher die Täter wussten, dass sich in dem Transporter ein derart großer Geldbetrag befand«, erklärte ich.
»Carter und Atkins fuhren täglich einige Male die Supermärkte hier in Queens ab, um die Einnahmen abzuholen und zur Bank zu bringen. Ich vermute, dass das Fahrzeug seit einiger Zeit beobachtet wurde. Die Täter konnten sich an fünf Fingern abzählen, dass es einen hohen Geldbetrag befördert.«
»Sie werden sicher verstehen, dass wir in jede Richtung ermitteln müssen«, sagte ich. »Kann es sein, dass die Täter von einem der Fahrer einen Tipp bekamen?«
Warner starrte mich fast entsetzt an. »Für Carter und Atkins lege ich die Hand ins Feuer!«, stieß er dann hervor. »Außerdem hätten die Täten ihren Komplizen wohl kaum erschossen.«
»Vielleicht befürchteten sie, dass er den Verhören durch die Polizei nicht stand hält«, gab ich zu bedenken.
Warner schüttelte den Kopf. »Das schließe ich aus. Carter und Atkins sind über jeden Verdacht erhaben.«
»Wir müssen die Möglichkeit in Erwägung ziehen«, erklärte ich. »Wo wohnten Carter und Atkins?«
Warner schaute in seinem Computer nach und nannte uns die Anschriften. Milo notierte sie. Wenig später waren wir auf dem Weg in die 101st Avenue, wo Duncan Carter gewohnt hatte. Wir trafen Mrs. Carter zu Hause an. Sie war krankhaft bleich und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe. Ein verhärmter Zug prägte ihr Gesicht. Ich sagte ihr, wer wir waren und wies mich aus, sie bat uns in die Wohnung und bot uns im Wohnzimmer Sitzplätze an. Ich drückte ihr unser Mitgefühl zum schrecklichen Tod ihres Mannes aus. Dann sagte ich: »Ihr Mann arbeitete seit über zwanzig Jahren für Warner & Sohn.«
»Das ist richtig. Sein Job war sein Leben. Er hat sich damals zur Polizei beworben, wurde aber aufgrund seines Asthmas abgelehnt. Trotz seiner Krankheit stellte ihn Jason Warner senior damals ein. Mein Mann war Warner immer dankbar dafür.«
»Hatte Ihr Mann Bekannte, mit denen er über seine Arbeit sprach?«, fragte ich.
»Natürlich hatten wir Bekannte. Manchmal sprach mein Mann auch über seine Arbeit. Sie – Sie denken doch nicht, dass mein Mann …«
Ihre Stimme versagte. Sie schluckte würgend.
»Wir dürfen keine Eventualität außer Acht lassen«, erklärte ich. »Nennen Sie uns bitte die Namen Ihrer Bekannten.«
Die Frau zählte einige Namen und Anschriften auf und Milo notierte sie. Sie endete mit den Worten: »Unsere Bekannten sind ehrliche Leute, Special Agent. Von denen würde keiner auf die Idee kommen, einen Raubüberfall zu begehen.«
»Wie viel verdiente Ihr Mann?«, fragte ich.
Sie nannte mir den Betrag.
»Kamen Sie mit dem Geld aus?«
»Natürlich. Ich gehe halbtags arbeiten. Wir kamen gut zurecht. Hören Sie, falls Sie meinen Mann verdächtigen, mit den Verbrechern unter einer Decke gesteckt zu haben …«
Ich winkte ab. »Wir haben keinen Verdacht, Mrs. Carter. Aber wie ich schon sagte: Wir müssen jede Eventualität in Erwägung ziehen.«
Sie ließ den Kopf sinken. »Schon gut«, murmelte sie. »Ich weiß, Sie machen nur Ihren Job. Entschuldigen Sie.«
»Es gibt nichts zu entschuldigen«, versetzte ich.
Jack Atkins Frau wohnte in der 57th Street. Sie ließ uns in die Wohnung …
»Nichts«, murmelte Milo, als wir nach Manhattan zurück fuhren. »Aber das war wohl auch nicht zu erwarten. Sowohl Carter als auch Atkins lebten in geordneten Verhältnissen und es gab für sie keinen Grund, mit einer Bande von Räubern und Mördern gemeinsame Sache zu machen.«
»Wie es aussieht, treten wir ziemlich auf der Stelle«, versetzte ich. »Wir haben nicht den geringsten Hinweis auf die Mörder. Das Blut konnte nicht zugeordnet werden. Andere Spuren gibt es nicht.«
»Wir müssen einen öffentlichen Aufruf starten«, meinte Milo. »Vielleicht gibt es weitere Augenzeugen des Überfalls, die sich allerdings bis jetzt nicht gemeldet haben. Möglicherweise kommen wir auf diese Art weiter.«
»Sicher«, murmelte ich. »Wir müssen es zumindest versuchen.«
Im Field Office angekommen begaben wir uns zu Mr. McKee, um ihm Bericht zu erstatten. Der Chef hörte sich schweigend an, was ich zu erzählen hatte. Dann sagte er: »Sie haben also keinen Hebel, an dem Sie ansetzen können. Die Idee mit dem öffentlichen Aufruf finde ich nicht schlecht. Vielleicht haben Sie Glück.«
Wir schalteten Radio, Fernsehen und Presse ein. Niemand meldete sich. Wir mussten den Fall auf die Seite legen.
Zwei Wochen später. Mein Telefon läutete und ich nahm ab. »Trevellian, FBI New York.«
»Hier spricht Detective Lieutenant Sanders«, erklang es.
»Guten Tag, Detective Lieutenant. Sie rufen sicher nicht von ungefähr an.«
»Gewiss nicht. Wir haben eine Spur, Special Agent, den Überfall auf den Geldtransport betreffend. Ein Jäger hat vor drei Tagen im Wald bei Pearl River einen Toten gefunden. Wir haben seine DNA geprüft. Sie stimmt mit dem genetischen Fingerabdruck überein, der am Ort des Raubüberfalls sichergestellt wurde.«
Ich war wie elektrisiert. »Wer ist der Mann?«
»Wir konnten ihn noch nicht identifizieren. Sicher ist nur, dass er mit einem Schuss ins Herz getötet wurde. Die Kugel des Security-Mannes hatte ihn an der Hüfte verletzt. Wahrscheinlich haben ihn seine eigenen Kumpane aus dem Weg geräumt.«
»Haben Sie sein Bild schon veröffentlicht?«, fragte ich.
»Das geschieht noch.«
»Halten Sie uns auf dem Laufenden«, bat ich.
Am Nachmittag des nächsten Tages rief mich Sanders wieder an. »Wir wissen jetzt, wer der Tote ist.«
»Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Detective Lieutenant.«
»Sein Name ist Shane Delgado. Er wurde zweiundvierzig Jahre alt und wohnte in der Bronx, 157th Street. Seine Schwester hat uns angerufen.«
»Wie heißt die Frau und wo wohnt sie?«
»Heather Wilcox. Sie wohnt in 430, West 136th Street.
Milo und ich fuhren sofort los. In einer Lawine von Fahrzeugen quälten wir uns nach Norden. Wir benutzten den Broadway. Stop and Go. Man musste Geduld aufbringen. Schließlich aber kamen wir in der 136th Street an. Heather Wilcox öffnete uns die Tür ihrer Wohnung. Nachdem ich uns vorgestellt hatte, forderte sie uns auf, einzutreten und bot uns Plätze an. Ihre Augen waren gerötet. Zeichen dafür, dass sie um ihren Bruder geweint hatte.
»Sie kommen wegen meines Bruders, nicht wahr?«
»Richtig. Er wurde tot aufgefunden. Ihr Bruder war an dem Überfall auf einen Geldtransport in Queens beteiligt. Die Täter erbeuteten über zwei Millionen Dollar.«
»Mich hat Detective Lieutenant Sanders schon aufgeklärt«, murmelte die Frau. »Ich kann das alles nicht glauben. Shane tat doch keiner Fliege etwas zuleide.«
»Er wurde bei dem Überfall an der Hüfte verletzt«, antwortete ich. »Seine Teilnahme ist erwiesen.«
»Es fehlte ihm doch an nichts. Er hatte einen Job und …«
Ihre Stimme brach. Sie schluchzte.
»Was arbeitete Ihr Bruder?«
»Er war Kfz-Mechaniker bei James Astor. Sie finden die Werkstatt in Queens, Morgan Avenue. Shane war dort seit drei Jahren beschäftigt.«
»Hatten Sie engen Kontakt zu Ihrem Bruder?«, fragte Milo.
Mrs. Wilcox schüttelte den Kopf. »Manchmal rief er mich an. Persönlich trafen wir uns zuletzt vor über einem halben Jahr. Das war, als ich meine Eltern besuchte. Er war zufällig dort.«
»Wo wohnen Ihre Eltern?«
»In der Nagle Avenue Nummer 198. Mein Vater ist Rentner. Meine Mutter war schon immer Hausfrau. Es sind alte Leute, die nach Shanes Tod ziemlich gebrochen sind. Er war ihr einziger Sohn. Dad war immer recht stolz auf ihn.«
Wir machten uns auf den Weg in die Morgan Avenue zu Astors Reparatur-Werkstatt. Es war ein großer Platz mitten im Wohngebiet, der mit Gebrauchtwagen voll gestellt war, die Astor zum Verkauf anbot. Inmitten des Platzes war die Werkstatt errichtet worden. Es handelte sich um einen flachen Bau mit drei großen Toren. An der Seite war eine Tür, durch die man ein Büro betrat, in dem eine junge Frau am Computer saß und die Tastatur bearbeitete. Eine Tür führte in ein weiteres Büro.
Die junge Lady schaute uns an und lächelte. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir würden gerne Mister Astor sprechen«, antwortete ich.
»Darf ich Ihre Namen erfahren?«
»Ich bin Spezial Agent Trevellian vom FBI, das ist mein Kollege Tucker.«
Die junge Lady erhob sich und ging zu der Tür, die in einen weiteren Raum führte. Sie klopfte, öffnete und verschwand. Leise klappte die Tür hinter ihr zu. Gleich darauf erschien sie wieder. »Bitte, Gentlemen, treten Sie ein.«
Wir gingen an ihr vorbei in das Büro. Hinter einem Schreibtisch saß ein Mann von ungefähr vierzig Jahren mit dunklen Haaren und einem breitflächigen Gesicht. Jetzt erhob er sich. »Was will das FBI von mir?«, fragte er mit einem angedeuteten Lächeln um den Mund.
»Es geht um einen Ihrer Beschäftigten«, erwiderte ich. »Sein Name ist Shane Delgado.«
»Shane ist seit über einer Woche ohne jede Entschuldigung nicht mehr zur Arbeit erschienen«, erklärte Astor. »Ich habe ihn gefeuert. Da ich ihn telefonisch nicht erreichen konnte, habe ich ihm die fristlose Kündigung per Post zugeschickt.«
»Delgado ist tot«, sagte ich.
Mit einem Ruck stand Astor. Die Nachricht riss ihn geradezu in die Höhe. »Was sagen Sie da?«
»Sie haben richtig gehört. Delgado ist tot. Man hat ihn in einem Wald bei Pearl River gefunden. Er wurde vor etwa zwei Wochen erschossen und im Wald abgelegt.«
»Das ist ja ein Hammer«, murmelte Astor und ließ sich wieder nieder. Er wies auf den Besuchertisch, um den vier Stühle gruppiert waren. »Bitte, Special Agents, setzen Sie sich.«
Wir ließen uns nieder.
»Er wurde erschossen?«, ergriff Astor wieder das Wort. Ungläubig musterte er uns.
»Ja, nachdem er zusammen mit einigen Kumpanen einen Geldtransport überfallen und ausgeraubt hat.«
»Ich höre wohl nicht richtig.«
»Es ist so. Der Transport wurde am 20. Mai gegen 14 Uhr überfallen. Das war vor gut zwei Wochen. Hatte Delgado am 20. Mai Urlaub?«
»Ich lasse nachsehen«, murmelte Astor. Er schien völlig fassungslos zu sein. Nachdem er eine Nummer gewählt hatte, sagte er in das Telefon: »Ich bin es, Cindy. Bringen Sie mir sowohl Urlaubs- als auch Krankheitsblatt von Delgado. – Danke.«
Die junge Frau erschien eine Minute später und reichte Astor zwei Bögen Papier. Der bedankte sich, die Lady nickte uns lächelnd zu und verließ das Büro wieder. Astor heftete seinen Blick auf die Blätter. Dann sagte er: »Ja, Delgado hatte in der Woche vom 18. bis zum 22. Mai Urlaub. Ich habe von dem Überfall gehört. Die beiden Fahrer wurden erschossen. Eine schreckliche Sache. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass einer meiner Männer dabei gewesen sein soll.«
»Wie viele Beschäftigte haben Sie?«, fragte ich.
»Jetzt noch vier. Drei Mechaniker und Cindy, meine Sekretärin.«
»Wie heißen die Mechaniker?«
»Cole Jessup, Carl Sloane und Godard Bailey.«
»Sind die drei anwesend?«
»Ja. Sie finden sie draußen in der Werkstatt.«
»Wo waren Sie am 20. Mai gegen 14 Uhr?«
»Sie denken doch nicht, dass ich etwas mit dem Überfall zu tun habe?«
»Das ist eine reine Routinefrage, Mister Astor«, versetzte ich.
»Ich war hier. Ich musste an diesem Tag Bürokram erledigen, denn Cindy war krank.«
»Kann jemand bestätigen, dass Sie im Betrieb waren?«, fragte ich.
»Natürlich, meine drei Mechaniker. Auch sie waren anwesend.«
»Delgado war seit drei Jahren bei Ihnen tätig«, stellte ich fest.
»Stimmt. Auf ihn war immer Verlass. Darum kann ich es gar nicht glauben, dass er dieses Verbrechen begangen haben soll.«
»Hatte er Freunde?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Shane war ledig. Seinen privaten Umgang kenne ich nicht. Fragen Sie mal seine Kollegen. Ich kann Ihnen nichts sagen.«
Wir begaben uns in die Werkstatt. »Wer von Ihnen ist Mister Jessup?«, fragte ich.
Ein Mann Mitte der dreißig mit dunklen Haaren meldete sich. Ich erklärte ihm, wer wir waren, dann sagte ich: »Mister Astor hat uns soeben bestätigt, dass Sie am 20. Mai um 14 Uhr im Betrieb anwesend waren. Ihr Kollege Delgado hatte in dieser Woche Urlaub. Sie haben sicher von dem Raubüberfall in Queens gehört, bei dem zwei Geldtransportfahrer ums Leben kamen. An diesem Überfall war Delgado beteiligt.«
Jessups Blick irrte ab. »Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Es ist richtig: Shane hatte vor zwei Wochen Urlaub. Ich habe auch von dem Überfall gehört.« Jessup zuckte mit den Schultern. »Ich arbeite erst seit vier Wochen hier. Delgado kannte ich noch nicht so gut. Wobei ich sagen muss, dass er ein recht umgänglicher Kollege war.«
»Erzählte er Ihnen, was er in seiner Freizeit trieb?«, fragte ich. »Kennen Sie seine Stammkneipe? Hatte er eine Freundin? Nannte er die Namen von Freunden?«
Jessup vermied es, mich anzusehen. Jetzt begann er seine Hände zu kneten. »Ich weiß es nicht. Delgado erzählte nichts. Ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Na schön«, sagte ich. »Vielen Dank.«
Auch Sloane und Bailey konnten uns keine Antworten auf unsere Fragen geben. Also verließen wir die Werkstatt unverrichteter Dinge.
»Ist dir aufgefallen, wie nervös Jessup war?«, fragte mich Milo, indes ich den Sportwagen nach Osten steuerte.
»Es ist mir nicht entgangen«, antwortete ich. »Das mag auf unsere Zugehörigkeit zum FBI zurückzuführen zu sein«, fuhr ich fort. »Unsere Anwesenheit erzeugt bei einer Reihe von Leuten nervöse Reaktionen.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Milo.
Im Field Office angekommen setzte ich mich an den Computer und fuhr ihn hoch. Ich klickte das Archiv her und gab den Namen Cole Jessup ein. Gleich darauf wusste ich, dass Jessup erst vor vier Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er hatte wegen einer Vergewaltigung gesessen. »Jessup ist kein unbeschriebenes Blatt«, erklärte ich. »Sieben Jahre wegen einer Vergewaltigung. Nach seiner Entlassung muss ihn James Astor sofort eingestellt haben.«
»Was ist mit Sloane und Bailey?«, fragte Milo.
Ich gab erst den Namen Carl Sloane ein. Es gab keinen Treffer. Auch Godard Bailey war nicht registriert.
»Wir sollten Jessup noch einmal vernehmen«, ließ Milo nicht locker. »Der Bursche zeigte Reaktionen, als wir mit ihm sprachen, die nicht normal sind. Möglicherweise handelt es sich bei Astor und seinen Leuten um die Geldräuberbande. Lass uns noch einmal mit Jessup sprechen, Jesse.«
»Dieses Mal aber hier im Field Office«, sagte ich.
»Ich schreibe sofort eine offizielle Vorladung«, murmelte Milo.
Nachdem sie auf den Postweg gebracht worden war, fuhren wir in die Nagle Avenue zu Delgados Eltern. Sie wohnten in der zweiten Etage eines Wohnblocks. Einen Aufzug gab es nicht. Oben angekommen läutete Milo an der Tür. Wenig später wurde sie einen Spaltbreit geöffnet. »Wer sind Sie?«, fragte eine Frauenstimme.
Ich nannte unsere Namen und Dienstränge und fügte hinzu: »Wir haben ein paar Fragen Ihren Sohn betreffend. Dürfen wir in die Wohnung kommen?«
Sie zog die Tür ganz auf.
Im Wohnzimmer trafen wir auf Ben Delgado. Der Mann sah aus wie siebzig. Seine Haare waren weiß. Die Falten in seinem Gesicht waren tief. Seine Haut erinnerte an die Rinde eines alten Baumes. »Ihre Kollegen haben uns von dem Mord an unserem Sohn in Kenntnis gesetzt«, murmelte er. »Und sie haben uns eine Reihe von Fragen gestellt. Shane war seit zwei Wochen spurlos verschwunden. Ich ahnte es, dass er tot ist. Er hat fast täglich angerufen, und ein- bis zweimal die Woche besuchte er uns.«
»Ihr Sohn war an einem Raubüberfall beteiligt, bei dem es Tote gab«, sagte ich.
Ich hörte Mrs. Delgado schniefen. Ich schoss ihr einen Blick zu und bemerkte, dass es in ihren Mundwinkeln zuckte.
Ben Delgado presste sekundenlang die Lippen zusammen. Dann antwortete er: »Das glaube ich nicht. Shane war kein Verbrecher. Er hatte einen guten Job und sein Auskommen.«
»Sicher hatte ihr Sohn Freunde«, sagte ich.
»Das weiß ich nicht. Er hatte mal 'ne Freundin. Sandra Spacy. Sie wohnt irgendwo in der Upper West Side. Die beiden waren etwa ein halbes Jahr zusammen. Shane hat uns die Frau vorgestellt und von der Liebe seines Lebens geschwärmt. Warum die Sache wieder in die Brüche ging, weiß ich nicht. Ich habe Shane zwar gefragt, aber er hat nur abgewinkt. Ich beließ es dabei.«
»Wann bestand das Verhältnis?«, fragte mein Partner.
»Bis vor einem Vierteljahr.«
Milo notierte sich den Namen.
»Nannte Ihr Sohn nie den Namen eines Freundes?«, fragte ich noch einmal. »Mit wem verbrachte er seine Freizeit? Wo verkehrte er? Gehörte er einem Sportverein an?«
»Er sprach mal von einem Mann namens Jacob. Mehr weiß ich nicht. Er erzählte mir, dass Jacob von Astor eine Corvette gekauft habe, einen Rennwagen. Shane nannte auch die Typenbezeichnung, aber ich habe mir das nicht gemerkt. Irgendetwas mit Turbo.«
»Er nannte nur den Vornamen?«
»Ja.«
Ich richtete den fragenden Blick auf die Frau.
»Er erzählte nie von irgendwelchen Freunden oder was er in seiner Freizeit trieb«, pflichtete sie ihrem Mann bei. »Ich habe ihn auch nicht gefragt. Shane war zweiundvierzig.«
»Was können Sie uns über James Astor sagen?«, fragte ich.
»Er war Shanes Chef«, erwiderte Ben Delgado. »Ich glaube, Shane kam gut mit ihm zurecht.«
»Bestand eine Freundschaft zwischen den beiden Männern?«
»Shane erwähnte nichts davon.«
Drei Tage später erschien vormittags um 10 Uhr Cole Jessup. Ich bot ihm in unserem Büro einen Stuhl an. Jessup nagte an seiner Unterlippe. Wenn ich ihn anschaute, blickte er schnell weg.
»Warum sind Sie so nervös?«, fragte ich ihn.
»Ich bin nicht nervös.«
»Doch, sind Sie.«
»Nun, man hat nicht alle Tage mit dem FBI zu tun. Ja, ich gebe zu, dass ich ein wenig nervös bin.«
»Haben Sie einen Grund dazu?«
Jessup strich sich mit fahriger Geste über das Kinn. »Nein. Ich kann einfach nicht aus meiner Haut. Wahrscheinlich verdächtigen Sie mich, mit Delgado unter einer Decke zu stecken. Der Gedanke daran bringt mich zum Schwitzen. Man wird meistens zermalmt, wenn man zwischen die Mühlsteine des Gesetzes kommt.«
»Woher haben Sie diese Weisheit?«
»Das ist eine Tatsache.«
»Sie sprechen aus Erfahrung, wie?«
»Ich habe die Lady nicht vergewaltigt. Sie hat mitgemacht.«
»Und warum hat sie Sie dann angezeigt?«
»Wahrscheinlich wollte sie mir eins auswischen. Ich habe keine Ahnung. Ich habe sieben Jahre unschuldig gesessen. Ich bin also ein gebranntes Kind.«
»Wo waren Sie am 20. Mai um 14 Uhr?«, fragte ich.
»In der Werkstatt. Astor hat es Ihnen doch bestätigt.«
»Hat er«, sagte Milo. »Aber entspricht es auch der Wahrheit?«
»Auch Carl und Godard können es bestätigen«, murmelte Jessup.
»Erzählen Sie uns etwas über Shane Delgado«, forderte ich.
»Ich habe es Ihnen schon gesagt: Ich weiß nichts von ihm. Er war ein verträglicher, umgänglicher Zeitgenosse. Keine Ahnung, was er in seiner Freizeit trieb. Ebenso wenig weiß ich, ob er eine Freundin hatte oder wo er verkehrte.«
»Wie war Astors Reaktion, als Delgado nach seinem Urlaub nicht mehr zur Arbeit erschien?«
»James war sauer. Nach zwei Tagen hat er Shane gefeuert. Wir konnten ja nicht ahnen, dass er zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr am Leben war.«
»Delgado wurde wahrscheinlich von seinen eigenen Freunden ermordet«, sagte ich. »Den Grund hierfür kennen wir nicht. Vielleicht wollten sie nicht mit ihm teilen, vielleicht befürchteten sie auch, dass er aufgrund der Verletzung, die er bei dem Überfall davongetragen hat, auffliegen konnte und nicht standhalten würde.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Vielleicht fällt Ihnen dazu etwas ein«, sagte Milo.
»Himmel, ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Lassen Sie mich aus dem Spiel. Ich arbeitete am 20. Mai um 14 Uhr in der Werkstatt. Auch Carl und Godard waren da. James musste Büroarbeiten erledigen, weil Cindy an diesem Tag krank war. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Gut«, murmelte ich. »Sie können gehen.«
Schnell erhob sich Jessup. »Sie konzentrieren sich auf die falschen Leute«, murmelte er.
»Wir werden es sehen«, versetzte ich.
Jessup ging.
»Er ist ziemlich verunsichert«, sagte ich zu Milo.
»Das personifizierte schlechte Gewissen«, versetzte mein Partner. »Wir sollten uns in seiner Wohnung umsehen. Vielleicht finden wir etwas, das uns weiter hilft.«
»Du denkst also auch, dass Astor und seine Mechaniker den Coup gelandet haben?«, fragte ich.
»Die Vermutung liegt nahe«, antwortete mein Partner. »Allerdings obliegt es uns, den Beweis hierfür zu erbringen. Die Kerle decken sich gegenseitig. Was für ein Zufall, dass Cindy ausgerechnet am 20. Mai krank war.«
»Veranlassen wir einen Durchsuchungsbeschluss«, sagte ich. »Der Verdacht liegt nahe, und unsere Argumente dürften für den Erlass einer entsprechenden Verfügung ausreichen.«
Wir bekamen den Beschluss am folgenden Tag. Jessup wohnte in der Seward Avenue in der Bronx. Von seiner Wohnung aus war es nur ein Katzensprung bis zur Bronx-Whitestone Bridge, über die man nach Queens gelangen konnte.
Ich hatte nicht erwartet, dass Jessup zu Hause war. Tatsächlich öffnete auf unser Läuten niemand. Milo schloss mit einem Spezialdietrich die Tür auf. In der Wohnung erwartete uns das perfekte Chaos. Schranktüren waren geöffnet, Schübe herausgerissen, der Inhalt war auf dem Boden verstreut. Im Schlafzimmer bot sich uns ein ähnliches Bild. Auch im Badezimmer.
»Da war schon jemand vor uns«, konstatierte Milo grimmig. »Was er wohl gesucht hat?«
»Schwer zu sagen.«
Ich holte mein Handy aus der Jackentasche und bat Milo, mir die Nummer von Astors Reparaturwerkstätte zu sagen. Mein Partner zückte sein Notizbüchlein, blätterte darin herum und diktierte mir dann die Nummer, die ich sogleich ins Telefon tippte. Gleich darauf hatte ich Cindy an der Strippe. Ich nannte meinen Namen, dann fragte ich, ob Cole Jessup zur Arbeit erschienen sei.
Cindy verneinte.
»Hat er sich entschuldigt?«, fragte ich.
»Nein.«
»Danke.« Ich drückte die Unterbrechungstaste und steckte das Handy in die Tasche. Mir schwante Schlimmes, und dem verlieh ich Ausdruck, indem ich sagte: »Würde mich nicht wundern, wenn Jessup nicht mehr unter den Lebenden weilt.«
Wir durchsuchten die Wohnung, fanden aber nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass Cole Jessup einer der Männer war, die den Geldtransport überfallen hatten. Wenn es einen Hinweis gab, dann hatte ihn der Einbrecher, der vor uns der Wohnung einen Besuch abgestattet hatte, verschwinden lassen.
Wir fuhren nach Queens in die Morgan Avenue. Carl Sloane und Godard Bailey arbeiteten an einem Ford. Als wir die Werkstatt betraten, unterbrachen sie ihre Arbeit und wandten sich uns zu. »Wir suchen Jessup«, sagte ich.
»Er ist nicht zur Arbeit erschienen«, antwortete Bailey. »Cole hat sich auch nicht gemeldet. Wir haben keine Ahnung, was mit ihm los ist.«
»War er gestern auf der Arbeit?«, fragte ich.
Bailey nickte. »Er kam gegen halb 12 Uhr. Cole hatte einen Termin bei Ihnen wahrgenommen. Um 17 Uhr machten wir Feierabend. Auch Cole. Als er sich verabschiedete, sagte er >bis morgen also<.«
»Bei ihm wurde eingebrochen«, erklärte ich.
Die beiden Mechaniker schauten verdutzt drein. »Hat der Einbruch vielleicht etwas mit seinem Verschwinden zu tun?«, fragte Bailey.
»Wir haben keine Ahnung. Können Sie definitiv bestätigen, dass Jessup am 20. Mai um 14 Uhr im Betrieb anwesend war?«
»Natürlich«, erwiderte Carl Sloane und schaute mich fest an.
Wir gingen in den Büroanbau. Cindy saß an ihrem Computer. Jetzt erhob sie sich, lächelte und sagte: »Sie möchten sicher mit Mister Astor sprechen.«
»Sie haben es erraten«, versetzte ich freundlich. »Vorher aber eine Frage, Cindy. Sie waren am 20. Mai krank. Was hat Ihnen gefehlt?«
»Mir war schlecht. Sie müssen wissen, ich bin im dritten Monat schwanger. Da kommt es schon mal vor, dass man sich nicht so wohl fühlt.«
Sie ging zur Tür, die in Astors Büro führte, klopfte und öffnete. »Die beiden G-men sind wieder hier, Boss«, sagte sie.
»Sie sollen hereinkommen«, hörte ich die grollende Stimme des Werkstattbesitzers.
Cindy machte eine einladende Handbewegung.
Astor begrüßte uns mit einem Händedruck und forderte uns auf, Platz zu nehmen. »Ich mache mir Sorgen wegen Jessup«, sagte er.
»Worauf begründet sich dies?«
»Nun, er ist spurlos verschwunden.«
»In seine Wohnung wurde eingebrochen«, sagte ich. »Der Einbrecher hat sämtliche Schränke durchwühlt. Scheinbar suchte er etwas.«
»Es wird immer mysteriöser«, murmelte Astor.
»Sie wissen, dass Jessup sieben Jahre wegen einer Vergewaltigung im Gefängnis war?«, fragte ich.
»Ja. Er kam nach seiner Haftentlassung zu mir. Wir kannten uns von früher. Cole war gelernter Kfz-Mechaniker. Auch im Gefängnis arbeitete er in der Werkstatt. Ich habe ihn genommen. Warum sollte ich ihm keine Chance geben?«
»Wo waren Sie in der vergangenen Nacht?«, fragte ich.
Astor fixierte mich durchdringend. »Wozu brauche ich ein Alibi?«
»Beantworten sie einfach meine Frage«, versetzte ich.
»Ich bin gegen 18 Uhr nach Hause gekommen und habe die Wohnung nicht mehr verlassen. Meine Lebensgefährtin kann das bestätigen.«
»Wo wohnen Sie?«
»Nummer 274 Maple Avenue. Aber Sie werden Jane dort nicht antreffen. Sie arbeitet als Krankenschwester im Elmhurst Hospital.«
»Dann treffen wir sie sicher in dem Krankenhaus an«, konstatierte ich.
»Ja. Sie heißt Meredith – Jane Meredith. Fragen Sie Jane ruhig.«
»Das werden wir«, versicherte ich.
Wir begaben uns noch einmal in die Werkstatt. Auch die beiden Mechaniker behaupteten, die vergangene Nacht in ihren Wohnungen verbracht zu haben. Carl Sloane lebte alleine und hatte niemand, der sein Alibi bestätigen konnte. Bailey verwies uns an seine Lebensgefährtin. Ihr Name war Alma Brewster. Sie betrieb einen kleinen Friseurladen in der 66th Avenue. Milo notierte den Namen und die Anschrift.
Wir machten uns auf den Weg zum Elmhurst Hospital. Jane Meredith war eine Frau Mitte der dreißig. Sie trug Schwesterntracht.
»Ja«, sagte sie, »James kam gegen 18 Uhr nach Hause und hat die Wohnung erst wieder am Morgen verlassen, als er auf die Arbeit fuhr. Warum benötigt er ein Alibi?«
»Einer seiner Mechaniker ist spurlos verschwunden.«
»Denken Sie, dass James ihn verschwinden ließ?«
»Wir überprüfen jeden aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis des Mechanikers«, versetzte ich ausweichend.
»Astor hat mir erzählt, dass einer seiner Angestellten an dem Überfall auf den Geldtransport vor etwa zwei Wochen beteiligt war«, sagte die Frau.
»Das ist richtig. Wir vermuten, dass Jessups Verschwinden damit in einem engen Zusammenhang steht.«
»Es ist also Jessup, der spurlos verschwunden ist«, sagte die Frau.
»Ja. Kennen Sie ihn persönlich?«
»Er war viele Jahre im Gefängnis«, murmelte Jane Meredith. »James hat ihn trotzdem eingestellt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, persönlich kenne ich Jessup nicht.«
»Kannten Sie Shane Delgado?«
»Auch nur aus James' Erzählungen. Er wurde ermordet. Man vermutet, dass ihn seine eigenen Kumpane ausgeschaltet haben.«
»Wir wissen nichts Genaues«, versetzte ich.
Nachdem wir in unser Büro zurückgekehrt waren, schaute ich mir noch einmal die Akte von Jessup an. Die Frau, die er vergewaltigt hatte, hieß Ella Swanton. Die letzte bekannte Anschrift war 398 Russell Street, Brooklyn. Ich schaute im Telefonbuch nach. Ella Swanton wohnte noch in der Russell Street. Ich rief bei ihr an. Es meldete sich der automatische Anrufbeantworter. Eine helle Stimme – wohl die Stimme von Ella Swanton -, sagte mir, dass die Frau erst am Abend nach 19 Uhr zu erreichen sei.
Wir verschoben an diesem Tag also wieder einmal den Feierabend.
Es handelte sich um eine Frau von siebenundzwanzig Jahren, die uns öffnete. Die blonden Haare waren kurz geschnitten. Fragend schaute sie uns an. Ich sagte, wer wir waren und erklärte ihr, dass wir einige Fragen an sie hätten. Sie ließ uns in die Wohnung, und nachdem wir im Wohnzimmer Platz genommen hatten, begann ich:
»Es geht um Cole Jessup.«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Was ist mit ihm?«
»Er ist spurlos verschwunden.«
»Ich habe ihn das letzte Mal vor über sieben Jahren gesehen, als er verurteilt wurde.«
»Er wurde vor etwas über vier Wochen aus dem Gefängnis entlassen«, erklärte ich.
»Ich hasse ihn!«
»Deswegen sind wir hier. Sie haben vor Gericht damals ähnliche Äußerungen gemacht. Sie sprachen auch davon, dass Sie sich rächen wollten.«
»Richtig, das sagte ich. Ich war damals tief verletzt, ich wurde von Jessup gedemütigt. Ja, ich schwor, mich zu rächen. Mit sieben Jahren Gefängnis wurde das Verbrechen, das Jessup an mir begangen hat, meiner Meinung nach nicht genügend geahndet. Ich war drei Tage lang Gefangene in seiner Wohnung. Ich musste Dinge tun …«
Ihre Stimme brach.
Kurze Zeit des betretenen Schweigens verstrich. Dann ergriff Ella Swanton wieder das Wort: »Ich hasse Jessup für das, was er mir angetan hat«, wiederholte sie. »Aber den Gedanken an Rache habe ich längst aufgegeben. Denken Sie etwa, ich hätte mit seinem Verschwinden etwas zu tun?«
»Wir müssen jede Möglichkeit in Erwägung ziehen«, versetzte ich.
»Ich habe damit nichts zu tun«, murmelte die Frau.
»Haben Sie Verwandte?«
»Meine Eltern und einen Bruder.«
»Wo wohnen Ihre Eltern?«
»In der 87th Street, Manhattan. Mein Bruder wohnt nicht weit von ihnen entfernt, nämlich in der 91st Street. Er heißt Morgan.«
»Sie wussten aber, dass Jessup aus dem Gefängnis entlassen wurde?«, fragte Milo.
»Die sieben Jahre waren um«, versetzte Ella Swanton. »Aber ich hatte keine Ahnung, wohin sich Jessup nach seiner Entlassung gewandt hat.«
Wir veranlassten am Morgen die Fahndung nach Cole Jessup. Gegen 10 Uhr rief mich Ed Schulz von der Mordkommission an. »Mir ist soeben eure Fahndungsmeldung auf den Tisch geflattert«, sagte Ed. »Gestern in der Nacht wurde in einem abbruchreifen Haus in der Lower East Side ein Toter gefunden. Es handelt sich um Jessup.«
Ich war nicht einmal sonderlich überrascht. Irgendwie hatte ich erwartet, dass wir Jessup nicht mehr lebend antreffen würden. »Wie kam er ums Leben?«, fragte ich.
»Er wurde erschossen.«
»Befindet er sich in der Gerichtsmedizin?«
»Ja.«
Ich rief in der Pathologie an und hatte wenig später einen Arzt an der Strippe. Ich erklärte ihm mein Anliegen und der Pathologe sagte: »Der Tod dürfte in der Nacht auf gestern eingetreten sein. Zwei Schüsse ins Herz führten zum Tod.«
Ich telefonierte mit der SRD. Der Beamte, der mit der Spurensicherung im Falle des Ermordeten befasst war, sagte: »Wir gehen davon aus, dass Jessup nicht in dem abbruchreifen Haus erschossen wurde. Er wurde dorthin gebracht und im Keller abgelegt. Ein Obdachloser fand ihn. Irgendwelche Spuren hat der Mörder nicht hinterlassen.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, sagte ich an Milo gewandt: »Ich bin davon überzeugt, dass auch Jessup an dem Überfall auf den Geldtransport beteiligt war. Nachdem wir unser Augenmerk auf ihn richteten, fürchteten seine Kumpane vielleicht, dass er sich verraten könnte, und sie haben ihn zum Schweigen gebracht.«
»Was haben Sie wohl in seiner Wohnung gesucht?«, fragte Milo.
Ich musste passen, stellte aber dennoch Vermutungen an: »Vielleicht seinen Anteil an der Beute. Vielleicht auch eine Waffe, die bei dem Überfall benutzt wurde.«
»Ein Motiv für den Mord hatte auch Ella Swanton«, gab mein Partner zu bedenken.
»Wir werden uns auch ihren Vater und den Bruder vornehmen müssen«, sagte ich. »Zunächst aber will ich mit James Astor reden.«
»Er hat ein Alibi«, knurrte Milo. »Jane Meredith hat bestätigt, dass er in der fraglichen Nacht zu Hause war.«
Ich dachte kurz nach. »Du hast recht. Es wird kaum etwas bringen. Ich rufe ihn an.« Eine halbe Minute später hatte ich James Astor am Apparat. »Man hat Jessup gefunden«, sagte ich. »Er lag mit zwei Kugeln im Herz in einem abbruchreifen Haus in der Lower East Side.«
»O verdammt!«
»Der Mord geschah in der Nacht auf gestern«, fuhr ich fort.
»Meine Lebensgefährtin hat ihnen bestätigt, dass ich in dieser Nacht zu Hause war.«
»Das ist richtig. Nun, ich wollte Sie nur in Kenntnis setzen.«
»Gibt es irgendwelche Hinweise auf den Mörder?«
»Nein. Wir nehmen an, dass Jessup irgendetwas mit dem Überfall auf den Geldtransport zu tun hatte. Wobei Sie und Ihre beiden Mechaniker bestätigten, dass er am 20. Mai um 14 Uhr auf der Arbeit war.«
»Das ist so«, beteuerte Astor. »Jessup kann an dem Überfall nicht beteiligt gewesen sein.«
Ich rief bei Ella Swanton an. Es meldete sich wieder der automatische Anrufbeantworter. Also versuchte ich es bei Richard Swanton, Ellas Vater. Er meldete sich. Ich kündigte unseren Besuch an. Wir fuhren sofort los. In der 87th fand ich einen Parkplatz, dann gingen wir in das Gebäude, in dem Richard Swanton wohnte. Die Wohnung lag in der zweiten Etage. Im Treppenhaus roch es muffig. Auf den jeweiligen Treppenabsätzen sorgten Fenster für Licht. Milo läutete an der Wohnungstür. Ein grauhaariger Mann öffnete.
»Mister Swanton?«, sagte ich fragend.
»Sind Sie die Agents vom FBI?«, kam die Gegenfrage.
»Ja. Mein Name ist Trevellian. Das ist Special Agent Tucker. Dürfen wir reinkommen?«
Als wir uns im Wohnzimmer niedergelassen hatten, begann ich: »Ihre Tochter wurde vor gut sieben Jahren vergewaltigt.«
Sekundenlang biss Swanton die Zähne zusammen, dass die Backenknochen hart in seinem Gesicht hervortraten. Dann nickte er. »Der Richter schickte das Schwein für sieben Jahre hinter Gitter. Meiner Meinung nach viel zu wenig für das, was Jessup meiner Tochter angetan hat.«
»Jessup wurde vor vier Wochen entlassen«, sagte ich.
»Ich weiß. Die Pest an den Hals des Verbrechers.«
»Jessup wurde in der Nacht auf gestern ermordet.«
Ich ließ, während ich sprach, Richard Swanton nicht aus den Augen. »Dann hat der Schuft seine gerechte Strafe erhalten!«, entfuhr es ihm. »Der Himmel hat meine Gebete erhört. Meine Tochter befindet sich noch heute in psychologischer Behandlung. Was der Bastard Ella angetan hat, ist nicht wieder gutzumachen. Sie wird ihr Leben lang darunter leiden.«
»Ihre Tochter hat damals Rache geschworen«, sagte ich.
»Sie war verbittert, und sie hasste Jessup. Ja, sie sprach davon, sich eines Tages an ihm zu rächen. Aber seitdem sind mehr als sieben Jahre vergangen.«
»Wir haben mit Ihrer Tochter gesprochen. Sie hasst Jessup nach wie vor. – Wenn Sie sich gerächt hat, brauchte sie jemand, der ihr half.«
»Das ist doch Unsinn«, knurrte Richard Swanton. »Ella mag damals Rachegedanken geäußert haben. Aber sie ist doch keine Mörderin. Vergessen Sie's.«
»Wo waren Sie in der Nacht auf gestern?«
»Haben Sie etwa mich im Verdacht?«
»Wir schließen nicht aus, dass Sie das Verbrechen an Ihrer Tochter gerächt haben.«
Swanton lachte fast belustigt auf. »Wie kam Jessup ums Leben?«, fragte er dann.
»Er wurde erschossen.«
»Um jemand zu erschießen, benötigt man eine Pistole. Sie können meine Wohnung durchsuchen. Ich besitze keine Waffe. Und ich bin auch kein Mörder. Sicher, ich bin voll Hass auf Jessup. Aber das ist sicher nicht verwunderlich.«
»Beantworten Sie meine Frage.«
»Sie sprechen von der Nacht vom 8. auf den 9. Juni«, murmelte Swanton. »Ich war von 20 Uhr bis kurz nach 23 Uhr in meiner Stammkneipe. Gegen 23.30 bin ich nach Hause gekommen. Meine Frau wird es Ihnen bestätigen.«
»Wer kann bestätigen, dass sie in Ihrer Stammkneipe waren?«, fragte ich.
»Joe, der Keeper.«
»Wie heißt der Laden?«, fragte Milo. »Und wo finden wir ihn?«
»Wyatt's Lounge in der 96th Street. Der Besitzer heißt Wyatt Hanson. Daher der Name. – Auch mein Sohn war an diesem Abend in der Kneipe. Er blieb noch, nachdem ich mich verabschiedet hatte.«
»Mit ihrem Sohn werden wir noch sprechen. Wo ist Ihre Frau?«
»Sie arbeitet in einem Elektrogroßhandel in der 79th Street. Ich bin schon Rentner. Die Bandscheibe …«
»Besitzen Sie ein Auto?«, fragte ich.
»Ja, einen Toyota. Meine Frau benutzt ihn, um damit zur Arbeit zu fahren.«
»Wo genau finden wir den Elektrogroßhandel?«
»Auf der East Side. Ecke Park Avenue.«
»Arbeitet Ihr Sohn?«
»Ja, er ist bei einem Chiphersteller beschäftigt; PM Microelectronics in der 39th Avenue, Queens.«
Wir begaben uns zunächst in die 79th Street und trafen dort Mrs. Swanton in dem Elektrogroßhandel an. Sie bestätigte die Aussage ihres Mannes. Vom Sportwagen aus versuchte ich, jemand in Wyatt's Lounge zu erreichen. Niemand nahm ab. Es war wohl der Fall, dass die Gaststätte erst am späten Nachmittag oder abends öffnete.
Wir überquerten den East River. Den Sportwagen parkte ich im Hof von PM Microelectronics. Gleich darauf betraten wir das Sekretariat. Eine Frau mittleren Alters fragte nach unseren Wünschen.
»Wir würden gerne mit Mister Swanton sprechen«, sagte ich.
»Der ist in der Chipherstellung tätig. Einen Moment. Ich rufe ihn her. Würden Sie mir sagen, wer Sie sind?«
»Die Agents Trevellian und Tucker vom FBI.«
Betroffenheit spiegelte sich im Gesicht der Sekretärin wider. Sie griff zum Telefon und tippte eine Nummer, dann sagte sie: »Schicken Sie doch bitte Mister Swanton ins Sekretariat. Zwei Gentlemen vom FBI möchten ihn sprechen.«
Sie legte auf und sagte an uns gewandt: »Bitte, nehmen Sie Platz. Mister Swanton wird gleich kommen.«
Wir setzten uns auf zwei der Stühle, die an der Wand aufgereiht standen. Nach etwa drei Minuten erschien Morgan Swanton. »Sie möchten mich sprechen.«
Wir erhoben uns. »So ist es, Mister Swanton. Wo können wir uns ungestört unterhalten?«
»Es gibt eine kleine Küche«, murmelte Swanton.
Wir folgten ihm. In der Mitte der Küche stand ein Tisch mit vier Stühlen. Wir setzten uns. Swanton fühlte sich nicht behaglich. Das konnte ich deutlich von seinen Zügen ablesen. »Weshalb möchten Sie mich sprechen?«
»Es geht um Cole Jessup.«
»Was ist mit ihm? Befindet er sich in Freiheit?«
»Er wurde vor gut vier Wochen aus dem Gefängnis entlassen. In der Nacht vom 8. auf den 9. Juni wurde er jedoch ermordet.«
»Ich verstehe.«
»Sie waren zusammen mit Ihrem Vater am Abend des 8. in Wyatt's Lounge.«
»Das stimmt. Mein Vater ging gegen 22.30 Uhr. Ich blieb noch ein wenig sitzen und verließ das Lokal etwa eine Stunde später.«
»Sind Sie von Wyatt's Lounge aus sofort nach Hause gefahren?«
»Ja.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Nein. Ich lebe alleine. Dass ich bis um halb 12 in der Kneipe war, kann Joe der Keeper bezeugen.«
»Wir werden ihn fragen. Besitzen Sie eine Waffe?«
»Nein. Wozu auch?«
»Was fahren Sie für einen Wagen?«
»Einen Chevy.«
»Können wir einen Blick in den Wagen werfen?«
»Warum?«
»Routine«, versetzte ich.
Morgan Swanton zuckte mit den Schultern. »Dazu bedürfte es eines Durchsuchungsbefehls. Aber ich habe nichts zu verbergen. Kommen Sie.«
Er erhob sich.
Wir schauten vor allen Dingen in den Kofferraum des Wagens. Wenn ich gehofft hatte, Blutspuren zu finden, so sah ich mich getäuscht. Auch auf dem Rücksitz war nichts zu entdecken. Ich bedankte mich bei Morgan Swanton, dann verließen wir das Unternehmen.
»Morgan Swanton hat kein Alibi«, sagte Milo.
»Warum sollte er in Jessups Wohnung einbrechen und sie durchwühlen?«
»Vielleicht um einen Raubmord vorzutäuschen.«
»Dann hätte er Jessup tot in der Wohnung zurückgelassen. Ich halte weder Richard Swanton noch seinen Sohn für Jessups Mörder. Wir müssen den Killer an einer anderen Stelle suchen.«
»Du hältst Astor für den Mörder, nicht wahr?«
»Ich denke, dass er und seine Mechaniker den Überfall verübten. Vielleicht stecken er, Sloane und Bailey unter einer Decke. Ich weiß es nicht. Falls sie nicht unter einer Decke stecken, sind zwei von ihnen ziemlich gefährdet.«
»Du meinst, dass der Killer weiter macht.«
»Ja, das denke ich.«
»Dennoch sollten wir Morgan Swanton nicht aus den Augen verlieren. Er hatte vielleicht ein Motiv, um Jessup umzubringen.«
Mein Telefon läutete. Milo stellte eine Verbindung her. »Hier spricht Sergeant Saddler von der SRD«, erklang es aus dem Lautsprecher. »Man hat uns die Kugeln zugeleitet, die der Doc aus Jessups Brust geschnitten hat, und wir haben sofort einen ballistischen Abgleich durchgeführt. Die Geschosse stammen aus derselben Waffe, mit der auch Delgado ermordet wurde.«
»Leiten Sie uns das Gutachten zu«, bat ich.
»Mach ich.«
»Danke.«
Milo sagte: »Damit dürfte klar sein, dass die Swantons als Mörder ausscheiden.«
»Wir führen Hausdurchsuchungen bei Astor, Sloane und Bailey durch«, erklärte ich. »Vielleicht taucht die Mordwaffe auf.«
Nachdem wir in unserem Büro angelangt waren, erstellten wir Berichte und beantragten die entsprechenden richterlichen Verfügungen. Tag darauf bekamen wir die Beschlüsse. Milo und ich fuhren zu Astors Wohnung, Jay Kronburg und Leslie Morell begaben sich in die Fulton Street, in der Carl Sloane wohnte, Sarah Anderson und Josy O'Leary nahmen sich Godard Baileys Wohnung in der Gates Avenue vor, Fred LaRocca und Ben Brown sollten sich in Astors Betrieb umsehen.
Wir standen miteinander in Verbindung. Joe Bandenburg, Sarah Anderson und Fred LaRocca meldeten in kurzen Abständen, dass sie bereit waren. Es war kurz vor 12 Uhr. Ich gab das Okay. Milo klingelte an Astors Wohnungstür. Niemand öffnete. Mein Partner schloss auf. Wir durchsuchten sämtliche Räume. Und wir fanden – nichts.
Um halb ein Uhr läutete mein Handy. Es war Jay Kronburg. Er sagte: »Fehlanzeige. Wir haben weder einen Geldschein noch eine Waffe gefunden.«
Fünf Minuten später ging eine ähnlich lautende Meldung von Sarah Anderson ein. Ich rief Fred LaRocca an. »Wie sieht es aus?«, fragte ich.
»Wir haben die Büros durchsucht und befinden uns jetzt in der Werkstatt. Astor hat einen Anwalt verständigt, dieser ist aber noch nicht eingetroffen. Ich melde mich, wenn wir fertig sind.«
»Wir kommen zur Werkstatt«, sagte ich. »Lasst euch nicht beirren.«
Wir fuhren los.
Fred LaRocca und Ben Brown erwarteten uns. »Nichts«, empfing uns Fred.
In dem Moment rollte ein Cadillac auf das Grundstück. Vor dem Büroanbau wurde er abgebremst. Ein Mann stieg aus, nahm einen Aktenkoffer aus dem Wagen, schaute zu uns her und ging hinein.
»Der Rechtsanwalt«, stieß Fred LaRocca hervor.
»Okay«, sagte ich. »Ihr könnt zurückfahren, Fred.«
Fred LaRocca und Ben Brown gingen zu dem Wagen, mit dem sie gekommen waren, und fuhren gleich darauf davon. James Astor und der Rechtsanwalt kamen ins Freie. Astors Augen funkelten zornig. »Das sind die Agents Trevellian und Tucker«, stieß der Werkstattbesitzer hervor. »Ihnen habe ich den Zirkus zu verdanken.«
»Was werfen Sie meinem Mandanten vor?«, schnarrte der Rechtsanwalt.
»Er steht im Verdacht, zusammen mit seinen Mechanikern den Überfall auf den Geldtransport am 20. Mai verübt zu haben«, erwiderte ich. »Wir kommen gerade von seiner Wohnung. Hier ist der Gerichtsbeschluss.«
Ich holte das Blatt Papier aus der Innentasche meiner Jacke und faltete es auseinander, reichte es dem Anwalt und fuhr fort: »Einer der Mechaniker - Shane Delgado - war definitiv bei dem Überfall dabei. Der Mann wurde in der Zwischenzeit ermordet. Ein weiterer Mechaniker, von dem wir annehmen, dass er auch dabei war, wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni umgebracht.«
»Ich habe ein Alibi für den Zeitpunkt des Überfalls«, stieß Astor hervor. »Und ich habe auch ein Alibi für die Nacht, in der Jessup ermordet wurde.«
»Der Verdacht ist ausreichend begründet«, sagte ich. »Aber wie es aussieht, sind sie für den Moment aus dem Schneider, Mister Astor.«
»Die Gründe, die dem Gerichtsbeschluss zugrunde liegen, sind nicht ausreichend für eine Wohnungsdurchsuchung«, blaffte der Rechtsanwalt. »Ich werde dagegen Beschwerde einlegen.«
»Die Wohnungen und Betriebsräume wurden bereits durchsucht«, versetzte ich.
»Etwaige Beweismittel dürfen nicht gegen meinen Mandanten verwendet werden. Sie wissen, was ich meine?«