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Die junge Sarah ist seit ihrer Geburt gehörlos. Nach dem Tod ihrer Mutter hat ihr Vater sie zur Adoption freigegeben. Inzwischen fast erwachsen und an einem Gehörloseninternat, wird Sarah nach Davos eingeladen, um als Beta-Testerin ein neues Gerät auszuprobieren, mit dem Taube und andere Menschen kommunizieren können. Doch Sarah gerät in die falsche Veranstaltung. Sie bekommt über ihr neues Gerät mit, dass eine globale Elite die neueste Corona-Variante, CoXX, als Gestaltungsmittel für die direkte Übernahme der Macht nutzen will, denn Europa und Amerika sind zu langsam und zu schwach gegenüber der Bedrohung durch China. Dieses Wissen ist gefährlich. Sarah wird verfolgt, sie und ihre Helfer können mehrmals den Angriffen der Schergen der Elite knapp entkommen. Sarah gelingt es, über ihren verschollenen geglaubten Vater, der für die Elite arbeitet, an alle Details heranzukommen. Sie will die Verschwörung aufdecken und eine Herrschaftsübernahme verhindern. Eine Aufgabe, an der sie nur scheitern kann. Kann eine hübsche Taube aus der Provinz die Welt vor dieser Bedrohung retten?
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Lautlos
Die Davos-Verschwörung
Eine Taube unter Falken
Was kann eine junge Gehörlose tun, wenn sie unversehens zur Mitwisserin einer Verschwörung gegen die Menschheit wird?
Die gehörlose Sarah K. ist nach Davos gekommen, weil sie als Beta-Testerin eines neuen Übersetzungsgerätes für Hörgeschädigte dorthin eingeladen worden ist. Doch am Rande des Weltwirtschaftsforums wird sie Zeugin eines Treffens einer Elitegruppe, welche die von Corona angeschlagene Welt radikal und rücksichtslos umbauen will.
Jemand mit ihrem Nachnamen gehört dieser Gruppe an. Ist es ihr verschollener Vater?
Nachdem ihr neues Gerät automatisch eine Präsentation heruntergeladen hat, die alle Geheimnisse der Gruppe enthält, wird Sarah von Profikillern verfolgt, denen ein Toter mehr oder weniger herzlich egal ist …
Während Sarah durch Europa gehetzt wird, will sie herausfinden, wer ihre Verfolger sind und was sie vorhaben. Eine Aufgabe, an der sie nur scheitern und verzweifeln kann, es sei denn, sie kann die Verschwörer vorher bloßstellen.
Der Thriller spielt in der Zeit der vierten Welle der Pandemie. Das Corona-Virus ist mutiert, oder es wurde gentechnisch verändert. Das Leben muss weitergehen, die Gesundheit ist angesichts der Bedürfnisse der Wirtschaft in den Hintergrund getreten, Opfer werden in Kauf genommen.
Kann eine gehörlose junge Frau aus der Provinz die Welt vor dieser Intrige retten?
LAUTLOS
Die Davos-Verschwörung
Thriller
NICK STEIN
Dies ist eine fiktionale Erzählung. Real existierende Personen, die in diesem Roman vorkommen, haben Dinge weder gesagt noch getan, die ihnen hier unterstellt werden. Die Handlung ist erfunden, es gibt keine derartigen Verschwörungen.
Menschen und Tiere sind bei der Erstellung dieses Werkes nicht zu Schaden gekommen (nur meinem Hund wurde es manchmal etwas langweilig).
Nick Stein
SarahsFensterplatz in Fahrtrichtung war besetzt. Was hatte sie erwartet? Die Fahrt hatte beschissen genug angefangen, mit einer Ansammlung von üblen Typen am Osnabrücker Bahnhof, die alle in ihren Zug wollten. Drinnen war es noch schlimmer geworden. Die Gänge waren voll mit Hools ohne Maske, die Bier tranken und rauchten und sich aufführten, als gehörte ihnen nicht nur der Zug, sondern bereits ganz Deutschland oder die ganze Welt.
Anhänger von Verschwörungstheorien, je abstruser, desto wahrer. Empörte Menschen, die vermuteten, dass die gezielte Manipulation ihrer völlig unbedeutenden Existenz das zentrale Schlüsselglied für die Weltherrschaft einer geheimen Clique war.
Leute, die so endlich mal ins Zentrum der Wahrnehmung gerieten.
Laut ging es im Zug vermutlich auch zu, aber das ging Sarah am Arsch vorbei.
In ihrem Sechserabteil im IC von Hamburg nach Köln hatten sich acht angetrunkene Männer und eine wild zurechtgemachte Frau breitgemacht, alle ohne Maske. Sie hatten die Sitze nach unten gezogen und fläzten sich auf den Polstern wie um ein imaginäres Lagerfeuer. Sie ließen eine Flasche Wodka rumgehen und qualmten die Bude voll. Die bunte Frau drückte gerade ihre Zigarette auf einem Sitz aus, es schmorte und stank.
Sarah Bakhtiary schob die Tür auf und atmete durch.
Sie sah, dass die neun Leute durcheinanderredeten und sie gar nicht beachteten.
Sarah tippte einer Glatze am Eingang auf die Schulter.
»Da am Fenster ist mein Platz«, krächzte sie und zeigte ihre Reservierung auf dem Handy vor. Sie hatte keine Ahnung, ob der vielleicht Zwanzigjährige sie verstanden hatte. Sprechen hatte Sarah erst spät in Osnabrück am Gehörlosen-Internat besser beherrschen gelernt, sie hatte kaum Kontrolle darüber, ob sie jemand verstand oder nicht. Vermutlich hatte sie auch viel zu leise gesprochen.
Die Glatze redete einen Typen am Fenster an, dessen Haare außer oben auf dem Schädel kurz geschoren waren. Dafür hingen ihm die restlichen Strähnen an einer Seite bis zum Mund herunter. Der fuhr herum und rief ihr etwas zu. Sein Schopf zogen dabei eine Schleifspur über das vom Bieratem beschlagene Fenster.
Sarah deutete auf ihren Button über der rechten Brust. Ich bin gehörlos, sagte der.
Die Leute redeten alle durcheinander, einige deuteten mit dem Kopf oder den Händen auf sie.
»Die blöde Fotze ist staubdumm«, las sie der vielfach gepiercten Frau mit den knallrot gefärbten Haaren von den Lippen ab, die über ihren eigenen Witz lachte.
Sarah konnte immer nur eine Person ansehen, und selbst dann fiel es ihr schwer, aus Lippenbewegungen, Gestik und Mimik zu entnehmen, was die Leute meinten. Bei neun Idioten auf engem Raum war das so gut wie unmöglich.
Sie steckte vorsichtshalber ihr Handy weg. Sie spürte die alkoholisierte Aggressivität im überfüllten Abteil, in dem sie gerade eben zwischen den Sitzen stehen konnte, und sie roch die unangenehme Mischung aus Rauch, ungewaschenen Körpern, Mundgeruch und Alkoholfahnen.
Ein Typ am Fenster stand auf. Nicht etwa derjenige, der auf ihrem Platz saß, sondern der ihm gegenüber. Ein muskulöser Hüne in einer Jeansjacke mit abgeschnittenen Armen, aus denen massive tätowierte Arme herausschauten. Der Muskelprotz mit seinen geröteten Augen sagte etwas zu ihr, aus dem sie nur die Worte Ausländer und Kroppzeug herauslesen konnte. Ein anderer Typ richtete sich ebenfalls auf und stellte ein Bein in den Spalt zwischen den Sitzen. Er hatte das siegesgewisse Grinsen eines Betrunkenen im Gesicht, der sich darauf freute, gleich jemandem eine Lektion erteilen zu können.
Sarah bemerkte, wie ein kleinerer Typ neben ihr auf dem Sitz am Gang die Tür hinter ihr zuschob. Mit der anderen Hand zog er auch den Vorhang zu.
Sarah wurde eiskalt, obwohl es warm im Abteil war. Sie spürte, wie sich ihr Darm bewegte. Sie kannte die Zeichen; Angst. Hinter ihrer Gesichtsmaske staute sich ihr heißer Atem.
Was würden diese besoffenen Hools mit ihr machen? Sie vergewaltigen, verprügeln oder einfach nur demütigen? Sie sah ihre ein Meter sechzig schon schwer verletzt oben im Gepäcknetz liegen. Die würden das Spaß nennen.
Sie atmete tief aus und griff dann entschlossen in die Innenseite ihrer Jacke. Drei Zehntelsekunden später sah der Typ neben ihr, der die Tür zugeschoben hatte, in die dunkle Mündung einer kleinen schwarzen Glock 19.
»Aufmachen«, befahl sie ihm.
Die anderen behielt sie im Auge. Die hatten noch ihre Schrecksekunde zu bewältigen, bevor sie sich entscheiden mussten, ob sie im engen Abteil angreifen und sie überwältigen oder sich angesichts der Waffe ruhig verhalten wollten.
Besoffen und aufgeputscht wie sie waren, würden sie angreifen.
Sarah schoss ein Loch in das Sitzpolster vor sich. Sie wusste, dass der laute Knall die Leute im Zaum halten würde. Sie selbst hörte gar nichts, was exakt der Grund war, weshalb sie damals den Job auf dem Schießstand der Polizei in Osnabrück bekommen hatte.
»Wird’s bald?«, fragte sie und wedelte mit dem Lauf der kurzen Waffe vor dem Gesicht des bleichen Pickelgesichtes vor ihr herum. Der Letzte in der Nahrungskette dieser Arschlöcher, dachte sie. Der ist Gehorsam gewohnt.
Pickelgesicht zog mit weit aufgerissenen Augen und Mund die Tür zurück, Sarah trat halb zurück in den Gang.
Den Anspruch auf den Platz hatte sie damit aufgegeben. Was in Ordnung war. Denn mit diesen Leuten wollte sie das Abteil sowieso nicht teilen. Allein schon deshalb, weil keiner von ihnen einen Mundschutz trug.
»Arschlöcher«, bemühte sie sich zu sagen, bevor sie die Abteiltür mit links von außen schloss und mit der Rechten ihre Waffe wieder wegsteckte. Sie zeigte dem Typen auf ihrem Sitzplatz noch schnell einen Stinkefinger und schritt dann gemessen weg von der Tür den Gang hinunter.
Falls die Leute ihr hinterherkamen oder den Schaffner holten, wegen Sachbeschädigung, sollte ihr das recht sein. Mit so etwas wurde sie fertig. Dann kam sie wenigstens an die Personalien dieser Typen und konnte sie anzeigen.
Sarahs Angst war verflogen, jetzt spürte sie ein angenehmes Hochgefühl durch ihre Venen fließen, ihr wurde wieder warm. Sie sah sich um. Niemand folgte ihr.
Vor ihr lag der Speisewagen, der anders als der Rest des Zuges kaum besetzt war. Einen Kaffee konnte sie jetzt gut gebrauchen. Sie nahm ihren Rucksack ab und suchte sich einen Platz, von dem aus sie den Zugang gut im Auge behalten konnte.
*
Vor dem Kaffee kamen drei von den Leuten aus dem Abteil mit einem Bundespolizisten auf sie zu, den sie irgendwo im Zug aufgetrieben hatten. Der war mit großer Wahrscheinlichkeit gerade wegen dieser Idioten mitgefahren. Sarah erinnerte sich, dass etwas von einer weiteren riesigen Hygienedemo dieser Brüllaffen in Köln in der Zeitung gestanden hatte.
Immerhin trugen die drei jetzt brav Masken, genau wie der Bahnpolizist, dem die Sache peinlich zu sein schien.
Angeführt wurden sie von Pickelface, der auf den Polizisten einredete. Dahinter folgten die Glatze und die rothaarige Wilde.
Der Polizeimeister, erkenntlich an seinen zwei Sternen, trug ein aufgenähtes Namensschild, das ihn als Norbert Meier auswies. Er sprach sie an. Sarah verstand aus seinen Gesten, dass er ihren Ausweis sehen wollte.
Sie zeigte auf ihren Button. »Ich bin gehörlos«, sagte sie dazu, bevor sie ihren Dienstausweis aus einer Seitentasche ihrer Jacke zog.
Sie sah, wie sich seine Augenbrauen hoben, als er das Wort POLIZEI sah. Sie war angestellte Ausbilderin, Klasse drei. Angefangen hatte sie parallel zu ihrem Studium bei der Polizei als Putzfrau, in Osnabrück auf dem Schießstand, wo sie als Einzige ohne Gehörschutz arbeiten konnte. Ihr Arzt hatte ihr trotzdem das Tragen eines Schutzes angeraten, damit sie sich durch die Schallwellen keine Verletzungen im Innenohr zuzog; aber erst, als sie den Job schon hatte.
Sie war schnell aufgestiegen, als ihr Chef gesehen hatte, wie schnell sie eine Waffe auseinandernehmen, reinigen und wieder zusammensetzen konnte. Sarah hatte diese Fähigkeit immer dem Fehlen ihres Gehörs zugute geschrieben; als Ersatz dafür besaß sie einen exzellenten Tastsinn und ein fantastisches Raumgefühl. Bald darauf hatte sie auch zeigen dürfen, wie geschickt sie mit dem Umgang der Waffe auf dem Schießstand war und wie exakt sie traf.
Als Ausbilderin vermittelte sie ihren beamteten Kollegen mit den Händen, wie sie ihre Waffen bedienen und halten mussten, worauf es ankam. Sie konnte das mit Abstand besser als jeder andere, auch ohne oder vielleicht gerade wegen ihres fehlenden Gehörs.
Dennoch durfte sie als beste Schützin der letzten Jahre nicht Polizeibeamtin werden, selbst wenn sie das gewollt hätte. Richtige Polizisten mussten sich auf ihren Gehörsinn verlassen können, hatte auf der Ablehnung ihres Antrages gestanden.
Jetzt reichte sie Norbert Meier mit zwei spitzen Fingern ihre kleine Waffe mit dem Griff voran. Meier schnüffelte daran und prüfte das Magazin, bevor er ihr die Waffe zurückgab.
Sarah deutete auf ihr Handy. »Schreiben Sie«, formulierte sie mit dem Mund. Das »Sie« kam ihr immer noch merkwürdig vor, der Mann war schließlich nur einer und nicht mehrere, wie im Plural. Und auch dann hätte es »ihr« geheißen. Die Gebärdensprache kannte nur das Du. Sarah hatte das alles gelernt und sagte und schrieb es so auf, wenn sie sich an die Konventionen der Hörenden hielt.
Meier legte den Kopf schief, hatte dann doch verstanden und nickte erleichtert. Er griff nach ihrem entsperrten Handy, suchte nach der Spracheingabe und sprach ins Mikrofon. Zwei Stellen im entstehenden Text korrigierte er mit dem Finger.
Sie werden beschuldigt, Herrn Wiesner hier – er deutete auf den Pickligen – mit der Waffe bedroht und einen Warnschuss abgegeben zu haben, Frau Bakhtiary, stand dort, wobei sie die Zugeinrichtung schwer beschädigt haben.
Sarah konnte sehr schnell texten, selbst in der Fremdsprache Deutsch. Sie gab Meier das Handy zurück.
Ein Mitglied der Gruppe im Abteil saß auf meinem reservierten Platz. Er wollte den Platz nicht räumen. Stattdessen wurde ich beleidigt, wegen meines Aussehens, meiner Herkunft und meiner Behinderung. Herr Wiesner hat die Tür hinter mir geschlossen und die Vorhänge zugezogen, die Gruppe wollte mich angreifen, ich musste mich verteidigen.
Ich möchte meinerseits Anklage erheben. Wegen verschiedener Ordnungswidrigkeiten, Rauchen und Alkoholgenuss im Zug, trotz Verbot, Nichtherausgabe meines Sitzplatzes, schwerer Beleidigung und Androhung körperlicher Gewalt. Außerdem die Gefährdung meiner Gesundheit durch das Weglassen von Atemschutz. Ich hätte mir in dem Abteil den Tod holen können. Außerdem brauche ich für die Anklage die Namen aller Personen im Abteil. Für den Anfang.
Meier las laut vor, die drei Hools bekamen hinter ihren skurrilen Masken den Mund nicht mehr zu. Sie redeten auf den Polizisten ein. Der Polizeimeister erklärte und beschwichtigte, dann verschwand er mit den drei Personen.
Sarahs Kaffee kam, sie trank einen Schluck. Der Eifer des Polizisten, Streit zu vermeiden, belustigte sie. Andererseits musste er dafür sorgen, dass diese gewaltbereiten Hooligans den Zug nicht komplett auseinandernahmen und versauten.
Als ob Deeskalation bei diesen Idioten noch helfen würde, dachte sie. Immerhin waren sie um einiges ruhiger geworden, als sie ihren Polizeiausweis gesehen hatten.
Irgendwo verstand sie diese Leute sogar. Jetzt konnten sie mal eine wichtige Rolle spielen. Seit dem Ausbruch der ersten Corona-Welle hatten sie sich als die Betrogenen gesehen.
Uns werden auch noch die letzten Freiheiten genommen. Arm, rechtlos und manipuliert, mit diesem Protest gingen sie auf die Straße, zusammen mit den gerade passenden Verschwörungstheorien, bei denen wahlweise die Chinesen, Bill Gates, 5G, Trump und Merkel oder gleich das Weltjudentum oder Warren Buffett die Hauptrolle spielten. Oder irgendwelche außerirdischen Reptilien, die von Area 51 aus die Weltherrschaft übernehmen wollten. Einmal hatte sie auf einem Transparent sogar gelesen, dass Bill Gates ein verkleidetes Reptil wäre.
Meier kam zurück und zeigte auf ihr Handy. Sarah nickte und entschlüsselte es für ihn.
Vorschlag. Die ziehen ihre Anzeige zurück, Sie auch, und alles ist gegessen. Wir haben hier genug Ärger im Zug, Kollegin, schrieb er.
Sarah las und schüttelte den Kopf. »Kommt nicht infrage«, sagte sie laut und nahm ihr Handy zurück.
Wir können uns das nicht alles gefallen lassen, Kollege, textete sie. Meine Anzeige steht. Bitte sorgen Sie dafür, dass die aufhören zu rauchen und zu trinken, das ist im Zug nicht erlaubt. Das ist das Allermindeste, das ich verlange.
Meier trat der Schweiß auf die Stirn. Er griff zum Handy.
Wie soll ich das denn machen, schrieb er. Die lachen mich alle aus.
Zeigen Sie sie an, schrieb sie. Sie haben jetzt ihre Namen und Adressen. Zeigen Sie harte Kante. Das wollen die doch, einen starken, autoritären Staat. Zeigen Sie denen, wie das aussieht, Kollege.
Meier zog einen Flunsch und ging in die richtige Richtung. Sarah war sich sicher, dass gar nichts passieren würde.
Sie trank ihren Kaffee aus, bezahlte, schnappte sich ihren Rucksack und ging nach vorn zur Ersten Klasse. Dort würde sie Ruhe zum Nachdenken haben, und den Zuschlag konnte sie sich mit ihrem Schwerbehindertentarif gerade noch leisten.
An den Hauswänden, die am Zug vorüberflogen, konnte sie die Stimmung der Zeit ablesen. Entweder waren es bunte, wunderschöne Großfotografien, die eine neue Jugend, eine schönere Haut und ewige Gesundheit versprachen, oder es waren grelle Graffiti, die eher von Not, Drogen und Hoffnungslosigkeit zeugten.
Von den Menschen, die sie an Bahnübergängen sah, trug fast niemand mehr eine Maske. Als ob jetzt alles egal wäre, dachte sie. Die Wirtschaft liegt am Boden und genießt jetzt höchste Priorität, die Gesundheit steht nur noch an zweiter oder dritter Stelle. Oder an letzter. Das Geld regierte wieder. Die Exporte sollten wieder auf alte Höhen kommen, der Laden sollte brummen wie vor einigen Jahren, als alle nur vom Klima und niemand von einer Viruswelle nach der anderen gesprochen hatte.
Nach den drei ersten Wellen waren sie jetzt bei einer neuen Corona-Version angekommen, die schlicht CoXX genannt wurde. Ob es Mutationen des ersten Virus oder neue Stämme waren, interessierte keinen mehr. Auch nicht, dass das Virus eher noch aggressiver geworden war und eine noch längere Inkubationszeit hatte.
Eine Anzeige fiel ihr mehrfach ins Auge. Rejuvo hieß das Produkt, das beworben wurde. Schutz für deine Jugend, deine Schönheit und Gesundheit, versprach die Werbung, und genauso sahen die Personen auf den Schildern auch aus. Jung, gesund und reich, nicht älter, ärmer und kranker, so wie die meisten Deutschen, die sie kannte.
Schützen Sie sich vor CoXX, indem Sie jung bleiben, warb ein Poster.
Bei den Graffiti las sie dagegen den Namen von Bill Gates öfter.
Der neue Sündenbock für alles, dachte sie. Der Mann, der erschwingliche Computer für alle mit Maus, buntem Bildschirm und den Programmen dazu erst möglich gemacht hatte. Der klug genug gewesen war, die Zeichen der Zeit zu erkennen und all das aufzukaufen, was Fortschritt und Gewinn versprach.
Der Mann, den sie am Ende ihrer Bahnfahrt zu treffen hoffte. Bill Gates.
*
Sie waren in Köln angekommen, Sarah musste umsteigen. Die Hools, die sie belästigt hatten, sah sie nicht mehr, den Bahnbullen auch nicht. Draußen war es bereits dunkel und es regnete in Strömen. So viel zu einem richtigen Winter, dachte sie.
Sarah hatte sich gerade ihren Rucksack zurechtgerückt, als sie vom Ende des Zuges einen Mann auf sich zulaufen sah, mit hoch erhobener Faust, die er im Laufen schwenkte. Er rief irgendetwas. Der Mann war groß, breit und sportlich und sah gefährlich aus. Kurz geschorene Haare, Bomberjacke, militärisch aussehende Stiefel. Einer von denen, die sie gerade angezeigt hatte?
Sarah setzte sich in Bewegung, hin zu einer der Treppen. Der Mann beschleunigte ebenfalls, und jetzt sah sie, wie sportlich er war. Er rannte, sie selbst joggte. Sie beschleunigte, sprintete die Treppe und den Gang hinunter und dann in den zweiten Laden, den sie sah, nicht den ersten. Ein Lottogeschäft, in dem sie sich hinter einer Werbetafel verbarg.
Ein paar Sekunden später kam der Mann angerannt und blieb genau vor der Annahmestelle stehen. Er sah sich um, Sarah hatte das Gefühl, er würde ihr direkt in die Augen sehen, während sie durch einen kleinen Spalt zwischen den Tafeln hindurch spähte.
Zwei Schrecksekunden später setzte er sich in Richtung Haupthalle in Bewegung. Wer in die City wollte, würde dort entlanggehen.
Sarah wartete noch eine volle Minute, die ihr endlos erschien. Dann ging sie zum Ausgang, kaufte sich eine Baseballkappe, die sie sich tief ins Gesicht zog, bevor sie so unauffällig wie möglich schräg hinüber zu ihrem nächsten Gleis ging. Am Wagenstandsanzeiger sah sie sich vorsichtig um. Niemand folgte ihr.
Sie ging zu ihrem Wagen hinüber, wo ihr Schlafwagenabteil auf sie wartete, in dem sie bis Zürich durchfahren konnte, ungestört von all den Idioten, die diese Welt heute bevölkerten. Sie hatte ein Bett oben im Abteil, das ansonsten leer sein sollte. Jedenfalls hatte niemand anders einen Schlafplatz gebucht.
Für den Rest dieses Tages waren ihr die neuen Sorgen der Menschheit herzlich egal. Sie brauchte die paar Stunden Schlaf, die ihr vergönnt waren. Morgen, nach der Fahrt von Zürich nach Klosters, stand ihr ein aufregender Tag bevor, der ihr Leben verändern würde.
Diszipliniert wie sie war, schlief sie sofort ein, nachdem sie sich für die Nacht zurechtgemacht und hingelegt hatte.
*
Sarah wachte auf, als der Zug in Basel langsamer wurde und hielt. Sie hatte gerade eben noch von Bill Gates geträumt, der mit erhobener Pistole hinter ihr hergelaufen war und ihr dann mit der Waffe, die zu einer Injektionspistole geworden war, Chips in die Halsschlagader gespritzt hatte, woraufhin sie sich in einen glatzköpfigen Schreihals verwandelt hatte. Sie schüttelte den Kopf, der Traum verblasste und löste sich im Licht des Tages auf.
Sie stand auf, zog sich an und ging sich waschen. In Zürich musste sie noch mal umsteigen und hatte nicht viel Zeit dafür.
Gut, dass die Grenzen wieder geöffnet waren, trotz aller Viren, dachte sie. Die Wirtschaft und das Wachstum waren wieder viel wichtiger geworden als die Gesundheit. Was sie nicht verstand, war die irrige Annahme von inzwischen sehr vielen Menschen, dass damit die Normalität zurückgekehrt war. Es war noch wichtiger geworden, sich zu schützen und zumindest einen Mundschutz zu tragen, wie vorgeschrieben, die meisten verzichteten inzwischen darauf. Die Jungen und Gesunden vertrauten darauf, dass es sie bestimmt nicht erwischen würde; vielleicht trugen sie wenigstens dann einen Mundschutz, wenn sie ihre älteren Verwandten besuchten, hoffte Sarah. So blöd konnte die Menschheit nicht sein. Oder? An manchen Tagen war sie sich nicht so sicher. Vielleicht war das alles ja die Rache der Natur an der sie verschlingenden Menschheit.
Sie selbst hoffte auf ein Virus, das an menschliche Dummheit andockte und all diese Idioten vom Planeten putzen würde.
Als sie in Zürich aus dem Zug stieg, stand genau vor ihrer Wagentür ein Schweizer Polizeibeamter, der auf sie gewartet zu haben schien. Er hielt ein Tablet in der Hand, auf dem SARAH BAKHTIARY stand. Er erkannte sie und nickte ihr freundlich zu.
Sarah blieb vor ihm stehen.
Der Mann nickte erneut, drehte sein Tablet um und tippte darauf herum, bevor er es wieder umdrehte. Gleichzeitig begann er zu sprechen. Er hatte eine Spracheingabe aktiviert. Gut vorbereitet, dachte sie. Was will der von mir?
Frau Bakhtiary, willkommen in der Schweiz!, schrieb das Tablet.
Vermissen Sie etwas?
Sarah fühlte in ihren Taschen und unter ihrer Jacke nach. Den Rucksack hatte sie gerade vor dem Aussteigen überprüft. Das volle Holster saß unter ihrer linken Achsel. Sie schüttelte den Kopf und sprach. »Nein.«
Der Polizist drehte sein Tablet wieder um und rief ein Foto auf, das er ihr zeigte.
»Mein Ausweis!«, rief Sarah. Es war ihr Polizeiausweis. Sie musste ihn nach der Überprüfung im Zug fallengelassen haben. Sie griff in die Tasche, wo er normalerweise steckte. Er war nicht da.
Ein freundlicher Herr hat ihn im Zug gefunden und in Köln bei den Kollegen abgegeben, textete der Mann. Er hat Sie noch gesehen und ist hinter Ihnen her, hat sie aber verloren.
Verdammt, dachte Sarah. Der Typ auf dem Bahnsteig, den sie für einen der Idioten im Zug gehalten hatte. Der hatte ihren Ausweis gefunden und sie am Foto darauf erkannt. So weit war es also schon mit der allgemeinen Paranoia, dachte sie. Jetzt hat es mich auch erwischt.
»Danke«, sagte sie. Einfache Worte fielen ihr leicht. »Haben Sie meinen Ausweis?«
Der Polizist sprach wieder in sein Tablet. Nein. Wir haben ermittelt, dass Sie an einem Kongress für Gehörlose in Davos teilnehmen, Frau Bakhtiary. Wir senden ihn dorthin, sobald wir ihn bekommen. Sie sind Polizistin, nicht wahr?
Sarah nickte. »Ja und nein. Angestellte bei der Polizei. Ausbilderin«, formulierte sie langsam. Sprechen strengte sie an, Tippen wäre ihr leichter gefallen.
Tragen Sie eine Waffe, fragte das Tablet.
Sarah sah an dem großen Mann vor ihr hoch. Was war das jetzt?
»Ja«, antwortete sie. »Eine Glock 19.« Sie klopfte auf ihre linke Jackenseite, unter der ihr Holster saß.
Haben Sie den Europäischen Feuerwaffenpass bei sich, fragte er per Tablet.
Hatte sie? Scheiße, dachte sie. Habe ich wohl vergessen. Nicht dran gedacht. So was von gar nicht dran gedacht.
»Nein. Tut mir leid.«
Dann müssen Sie die Waffe beim Zoll anmelden, auch für einen vorübergehenden Aufenthalt, und Sie müssen ein Gesuch um Erteilung einer Bewilligung bei der fedpol einreichen, erklärte der Mann. Bis zu einer möglichen Erteilung einer Bewilligung werden wir die Waffe einbehalten. Reichen Sie mir Ihre Waffe, bitte, und folgen Sie mir in mein Büro, Frau Bakhtiary.
Aus den Augenwinkeln sah sie ihren Zug nach Klosters abfahren. Mist. Den hatte sie verpasst. Sie zog ihre Waffe vorsichtig mit Zeigefinger und Daumen aus dem Holster und reichte sie dem Beamten. Er steckte sie in einen Plastikbeutel, wie ein Beweisstück.
Haben Sie noch weitere Waffen dabei? Und Munition, fragte das Tablet.
Sarah nickte und nahm ihren Rucksack ab. Sie hatte noch eine Packung 9x19 Parabellum dabei, die sie dem Mann reichte. Sie sah auf sein Namensschild.
»Hier, bitte, Herr Müller. Bekomme ich eine Bestätigung?«, fragte sie.
Müller war noch bei der Inspektion der Waffe im Plastikbeutel und sagte etwas zu sich selbst.
Ah, eine Generation fünf FS, übersetzte das Tablet weiter, obwohl er sie gar nicht angesprochen hatte. Wie eine kleine Luger, genau das Richtige für so ein kleines Persönchen.
Die Munition behielt er in der Hand.
Kommen Sie bitte, schrieb das Tablet, das er ihr jetzt wieder vor die Nase hielt.
Sarah ging hinter ihm her wie ein kleines Hündchen. Sie hoffte, dass sie nicht noch einen Antrag auf Bewilligung einer Erteilung zum Ausfüllen und zur Einreichung einer Erklärung zur Genehmigung einer Empfangsbestätigung bearbeiten musste.
Eine halbe Stunde später hatte sie ein kleines Dankschreiben an den Finder ihres Ausweises geschrieben und abgesendet, von ihrem eigenen Tablet, während Müller für sie alle Anträge ausgefüllt hatte, die sie dann unterschreiben musste. Netter und hilfreicher, als sie erwartet hatte.
Ihre Waffe würde die Zürcher Polizei einstweilen einbehalten. Sobald ihr Antrag auf Erteilung eines Eintrages in den Europäischen Feuerwaffenpass bewilligt worden war, den sie erneut hatte ausfüllen müssen, würde ihr die Waffe nachgeschickt und über die lokale Polizei übergeben werden, es sei denn, sie wäre schon auf dem Rückweg, dann sollte sie hier anrufen und die Waffe selbst abholen, hatte ihr Müller erklärt.
»Anrufen geht nicht«, formulierte Sarah. »Ich kann nicht hören.«
Müller fasste sich an den Kopf. Schreiben Sie dann eine SMS, ich gebe Ihnen meine Karte, textete er.
Den nächsten Zug nach Klosters Platz hatte sie gerade noch erwischt. Sarah genoss die Fahrt durch die verschneiten Berge der Schweiz und das Rattern der Gleise im Tunnel, das sie durch ihre Knochen verspürte.
Sie freute sich auf das neue Gerät, das sie als Betatesterin bekommen würde. Sarah hatte sich über die Gehörlosenschule in Osnabrück bei einem Konsortium aus Microsoft, Google und Apple beworben, um endlich ein Gerät in der Hand zu haben, mit dem sie so einfach kommunizieren konnte wie jeder andere. Das Signspeak. Was die meisten als sign und speak lasen, gebärden und sprechen, sie selbst als signs und peak, Gipfel des Gebärdens. So doppeldeutig war der Name des Konsortiums und des gleichnamigen Gerätes wohl auch gedacht, glaubte sie.
Ein handliches Gerät, das auf der Vorder- und der Rückseite je einen großen Bildschirm hatte. Das gute 3-D-Kameras auf beiden Seiten hatte, die Gebärden aufnehmen konnten. Mit einem von Google entwickelten Programm, das Gebärden aus den gängigsten Sprachen entweder in andere Gebärdensprachen oder in gesprochene Sprache oder Text übersetzen konnte, in beide Richtungen. Und mit einem von Apple entwickelten Algorithmus, der die Bewegungen des Signspeaks im Raum selbst als weitere Gebärde interpretieren konnte, sodass man das Gerät in einer Hand halten und mit der anderen Hand und dem Gerät selbst gebärden konnte, mit ein wenig Übung.
Damit konnte jemand wie sie mit nahezu allen Menschen auf der Welt kommunizieren. Außer den Blinden, die waren immer noch außen vor, obwohl das Konsortium angeblich auch an einer Ein- und Ausgabe in Braille unterhalb des Bildschirms arbeitet. Andererseits konnten Blinde hören und sprechen, also ging das auch mit denen.
Während Apple das Gerät und den Algorithmus und Google das komplette Programm entwickelt hatten, hatte Microsoft, oder besser die Stiftung von Bill und Melinda Gates, die Finanzierung dafür besorgt, obwohl Apple und Google keine Armen waren. Gates war dafür eingetreten, dass das Signspeak kein teures Gerät für zehntausend Euro werden sollte, sondern nur gerade mal einen Tausender kosten würde, wenn die Krankenkassen mitspielten und es den Gehörlosen quasi verschrieben.
Genau an der Stelle hatte ihre WG-Mitbewohnerin Antonia weise genickt und triumphierend den Mund verzogen.
»Genau darum geht es dem«, hatte sie gebärdet. »Der will an uns alle ran. Über Impfungen, über dieses Gerät, dazu noch über unsere Krankenkassen, die für unsere Gesundheit sorgen sollen und nicht für mehr Überwachung durch diese bleiche, kranke Krake! Der will uns alle kontrollieren, als Kunden, die er nie wieder verliert, und uns so manipulieren, dass wir gefügig bleiben. Dass wir spuren, gehorchen, Sarah. Das kommt einer elektronischen und medizinischen Entmündigung gleich. Irgendwie fürchte ich mich davor.«
Sarah wusste, dass Antonia nicht direkt an all diese Verschwörungstheorien glaubte, die im Umlauf waren, ganz frei davon war sie allerdings auch nicht.
»Und der liest dann irgendwann alles mit, was wir denken, fühlen und sagen oder gebärden. Die wissen alles über uns. Um uns dann so zu manipulieren, wie sie es gerade brauchen, das schaffen die schon irgendwie. Unterschwellige Signale in der Werbung, Fake News, vielleicht sogar über Strahlung, obwohl ich das nun nicht wirklich glaube.«
Sarah konnte die Gedanken ihrer Freundin nicht teilen, obwohl sie sonst sehr viel miteinander teilten. Sogar einen Lover hatten sie eine Zeit lang mal gemeinsam gehabt, was sie fast auseinandergebracht hätte. Zum Glück waren sie den wieder losgeworden.
Für sie selbst war das alles ein Segen. Grenzenlose Kommunikation, Information, Verbindungen ohne Ende. Wissen auf Knopfdruck. Bilder und Videos, Musik für die Hörenden, Kunst, Wissenschaft, alles für jeden offen zugänglich. Sie konnte von einem Tag auf den anderen mit nahezu jedem Menschen der Welt sprechen! Wahnsinn! Wie geil war das denn!
Natürlich konnte immer irgendjemand alles zu anderen Zwecken missbrauchen. Wenn jemand einem anderen per Telefon den Auftrag zu einem Mord gab, war auch nicht das Telefon daran schuld. Oder ein Brief, wenn jemand auf diese Weise schriftliche Befehle erteilte, zu Mord oder sogar Massenmord. Schuld waren immer die Menschen, niemals die Technik. Nicht das Internet oder auch 5G waren verantwortlich, sie waren Medien, die Grenzen niedergerissen hatten. Die Menschheit konnte alles zum Guten oder zum Bösen verwenden; entscheidend war nur die menschliche Ethik, niemals die Werkzeuge. Jedenfalls glaubte Sarah das.
»Und wer sagt dir, dass die zu den Guten gehören, diese Fatzkes von Milliardären? Na? Kannst du auch nicht beweisen«, hatte Antonia argumentiert.
Darauf hatte sie nichts entgegnen können.
»Vielleicht lerne ich Bill Gates ja kennen«, hatte sie gebärdet. »Dann kann ich das einschätzen. Gesten und Haltung lügen nie, Worte ja. Und da sind wir die Besten, Antonia. Uns belügt keiner, das weißt du genau.«
Dreieinhalb Stunden später war ihr Zug in Klosters angekommen, das von verschneiten Bergen umgeben lag, auf denen Skipisten zu sehen waren.
Inzwischen bezweifelte sie, dass sie Gates oder Tim Cook oder andere Größen treffen würde. Sarah nahm nicht am World Economic Forum teil, sondern nur an einem kleinen Gehörlosentreffen am Rande des Forums. Zur gleichen Zeit, damit die IT-Milliardäre etwas Soziales zum Vorzeigen hatten. Sie bekam Herzklopfen bei dem Gedanken, dass sie vielleicht doch nur benutzt werden sollte.
Am Bahnhof wartete ein Minibus auf sie. Im Zug waren noch vier weitere Gehörlose gewesen, die wie sie selbst das Glück gehabt hatten, zur Betatestern ausgewählt worden zu sein. Der Fahrer sah kopfschüttelnd zu, wie sie sich die ganze Fahrt zum Panorama-Hotel miteinander mit Händen und Gesten unterhielten und dabei lachten wie Schulkinder. Gehörlose sind freundliche Menschen, dachte sie, fast alle, die ich kenne. Auch wenn ich selbst all diesen Idioten da draußen gern mal die Fresse polieren würde.
Das Panorama war ein großer und für sie ziemlich beeindruckender Kasten, ein Dreisternehotel, das in Osnabrück sicher fünf Sterne bekommen hätte. Es hatte alles, was ein gut situierter Skifahrer sich tagsüber und nachts wünschen konnte. Und trotzdem verblasste es vor den Vier- und Fünfsternehotels, von denen es in Davos und Klosters nur so wimmelte, für die Ski-Schickeria an normalen Tagen und für die Weltprominenz während des WEF, immer gegen Ende Januar.
Sarah fragte sich, ob sie sich hier mit anderen Tauben zum Turteln treffen konnte. So viele Gehörlose an einem Ort, das kannte sie nur von ihrem Gymnasium in Osnabrück, und die kannte sie alle schon bis zum Erbrechen.
Das Hotel beeindruckte sie schon beim Einchecken. Sie war simple Gasthöfe mit schmalen Betten nebst Kleiderhaken und Miniatur-Fernsehern gewohnt, die eine Flasche Mineralwasser schon als Luxus ansahen, dafür dann meistens überheizt waren.
Hier hatte sie eine Minibar, ein Riesen-TV, Unmengen von Kissen auf dem riesigen Bett, ein Fenster mit Alpenpanorama, ein richtiges Badezimmer mit viel Schnickschnack, kleine Aufmerksamkeiten auf dem Kissen und dem Nachtisch, eine Speisekarte und viele andere Dinge, die sie sich noch ansehen wollte.
Sarah warf ihren Rucksack in die Ecke, auspacken konnte sie auch später noch. Sie streckte sich auf dem Bett aus und schielte zu den Pisten hoch über ihr, wo Figuren in buntem Nylon hin und her wedelten. Das kannte sie nur aus dem Fernsehen.
Sie konnte einen Kaffee brauchen. Im Zimmer gab es einen Wasserkocher und Tütchen mit Kaffee und Tee, Zucker und Milchpulver. Luxus pur, dachte sie und machte sich einen Kaffee mit allem.
Was nun? Hier im Zimmer rumgammeln wollte sie auch nicht.
Sie war wegen des Signspeak hier. Das Seminar dazu würde erst morgen starten, in einem Hotel, nicht im Kongresszentrum, weil dort das Wirtschaftsforum beginnen würde. Sie konnte sich das Gerät aber zum Ausprobieren schon heute im Kongresszentrum abholen. Nichts wie los, dachte sie.
Sie griff zu ihren Sachen, setzte sich den Rucksack auf und steckte die Schlüsselkarte ein. Sobald sie das Signspeak hatte, würde sie sich das Hotel ansehen, wo morgen das offizielle Treffen beginnen sollte. Sie ging runter und nahm die Abkürzung durch den Park zum Kongresszentrum. Überall wimmelte es von Sicherheitspersonal, Polizisten, die offiziell das Gelände kontrollierten, und anderen, unauffälliger gekleideten Personen, die ebenfalls das Gebiet um das Zentrum ausspähten. Bodyguards der Superreichen, rechnete sie sich aus.
An allen wichtigen Kreuzungen standen Fahrzeuge des Schweizer Militärs.
Zwei sportlich aussehende Herren in blauen Anzügen, die vor ihr gingen, hatten sogar die durchsichtigen Nylonspiralen des amerikanischen Secret Service an den Ohren. So etwas kannte sie nur aus dem Fernsehen.
Mit Sicherheit kannte sie sich dagegen gut aus, nach vier Jahren als Teilzeit-Angestellte bei der Polizei. Sarah besaß völlig legal eine Sammlung an schönen Pistolen, die sie bis auf die Glock 19 zu Haus gelassen hatte. Und die lag nun mutterseelenallein in Zürich. Die Leute vor ihr waren alle bewaffnet, dessen war sie sich sicher.
Es waren zehn Minuten zu Fuß und es dauerte anschließend noch mal zehn Minuten, bis sie dem Wachmann am Eingang klargemacht hatte, was sie im Kongresszentrum wollte. Er sah sich den Brief gar nicht an, den sie ihm unter die Nase hielt, sondern redete weiter auf sie ein. Den Button auf ihrer nicht gerade unsichtbaren Brust nahm er nicht wahr.
Schließlich packte sie ihr altes Handy aus, wählte eine ihrer Standard-Nachrichten aus und ließ sie das Gerät laut vorlesen.
Das »Ach so!« des Mannes konnte sie auch ohne Übersetzung an seinen Lippen ablesen. »Das ist natürlich was anderes!«
Sie war drin. Sie musste in einen Raum namens Strela, den sie schließlich oben hinter der Treppe fand. Der Raum war größer als ihre ganze WG-Wohnung und dennoch der kleinste im ganzen Kongresszentrum.
Drinnen wartete kein Bill Gates auf sie, sondern eine ältere, leicht korpulente Dame mit einer rotumrandeten Brille, die sie per ASL begrüßte, der American Sign Language. Sarah verstand die amerikanischen Gebärden einigermaßen, antwortete jedoch in der deutschen Gebärdensprache DGS.
»Ich heiße Sarah Bakhtiary, aus Osnabrück, Deutschland, und will mein Testgerät abholen«, erklärte sie der Frau, auf deren Namensschild Bess Harper stand. Sie übergab ihr das Einladungsschreiben und ihre Reisekostenbelege. Harper nickte.
»Setz dich«, gebärdete sie. »Ich muss das überprüfen. Du kannst dir solange eine Präsentation ansehen, Moment bitte.« Sie schaltete einen Computer ein, an der Seitenwand erschien eine Show über die Entwicklung und den Gebrauch der Software. Mit einem Vorwort von Sergej Brin und Bill Gates, alles in ASL übersetzt. War das schon alles, was sie von den beiden sehen würde, fragte sie sich.
Ein paar Minuten später bekam sie ihr neues Gerät. Es sah auf den ersten Blick aus wie ein normales iPhone, allerdings mit zwei Frontkameras für eine bessere 3-D-Erkennung für Gebärden und Mimik. Und dasselbe auf der Rückseite, wie sie wusste.
Harper richtete das Gerät zusammen mit ihr ein, was weitere zwanzig Minuten dauerte. Inzwischen waren zwei weitere Beta-Testerinnen eingetroffen, Sarah machte allein weiter, bis sie alles verstanden hatte.
Eine der beiden anderen sah aus wie eine Chinesin. Vielleicht eine, die in Europa lebte, dachte Sarah. Oder war die extra wegen des Seminars aus China in die Schweiz gekommen?
Sie stellte das Handy aufrecht auf den Tisch und gebärdete los. »Hallo! Sag mal, wo kommst du denn her? Bist du aus China oder lebst du in Europa?«
Dann ließ sie das Gerät ihre Rede in chinesische Gebärden übersetzen und hielt es der Frau vors Gesicht. Die runzelte die Stirn, weil sie gerade mit Harper beschäftigt war und voller Vorfreude auf ihr eigenes Gerät von einem Bein aufs andere trat.
Dann sah sie auf den Bildschirm und ihr Gesicht hellte sich auf.
»Ja, ich komme aus Shanghai, lebe aber in Zürich. Das geht ja gut! Und du?«, gebärdete sie aufgeregt zurück, der Avatar auf ihrem Bildschirm übersetzte für Sarah in DGS.
»Ich komme aus Deutschland, Osnabrück, ich bin zur Hälfte Perserin. Toll, das funktioniert ja wirklich!«, gebärdete sie zurück. Das funktionierte von beiden Seiten. Das Gerät hatte die Eingabe in der chinesischen Gebärdensprache sofort erkannt. Echt toll, dachte sie.
Sie fragte sich, wie das werden würde, wenn sie erst die Gebärden mit dem Handy in der einen Hand beherrschen würde und beide Hände einsetzen konnte.
Ihr Gegenüber legte den Kopf schief, während Harper sich der anderen Frau im Raum zuwandte. »Zur Hälfte was? Ein Teppich?«
»Iranerin«, korrigierte sich Sarah. Sie mochte diese Bezeichnung nicht, ihre Familie war aus Persien gekommen, dem Land, das heute nun einmal Iran hieß. Nur die Teppiche hießen nicht Iraner-Teppiche, sondern weiterhin Perser. Hatte das Programm das missverstanden?
Sie mussten beide lachen.
»Ich heiße Zhou Jun«, ließ sie die andere wissen. »Vielleicht sehen wir uns die Tage ja noch. Aufregend, was?«
Sarah nickte. Sie gab ihre Kontaktdaten frei, damit Jun sie gleich auf ihrem neuen Handy hatte.
Sie nickten sich aus zwei Metern Entfernung zu, auch wenn Sarah der anderen gern die Hand gegeben oder sie kurz in den Arm genommen hätte. Das war nun seit über zwei Jahren verpönt.
Bevor sie ging, musste sie noch eine Empfangsbestätigung unterschreiben. Das ist hier alles so viel einfacher als bei der Polizei in Zürich, dachte sie. Die IT-Welt ist gar nicht so schlecht, wie alle sagten.
»Wir sehen dich dann morgen früh im Raum Sanada 1, auf der anderen Seite des Hauses im gleichen Stock, zur offiziellen Begrüßung, um halb zehn, okay?«, verabschiedete sie Harper. »Und nachmittags geht es zum großen Meeting im Hotel Waldhuus weiter, oben in der Stadt, am Waldrand, leicht zu finden.«
Sie gab Sarah ein Zeichen zu warten. »Moment. Hier ist dein Button mit deinem Namen und dem offiziellen QR-Code drauf, trag den bitte die ganze Zeit. Damit kommst du hier überall rein. Und hier sind das Programm und alle Unterlagen. Das Ladegerät und alles andere ist da auch drin. Nur Gedanken lesen kann das Gerät noch nicht«, lachte sie Sarah an, während ihre Hände vor ihr hin- und herflogen.
Sarah steckte sich den Button gleich an die rechte Brustseite. Unter ihrem Vornamen stand in großer Schrift BAKHTIARY, darunter stand ein farbiger QR-Code.
»Danke, wir sehen uns.« Sarah fuhr ihren Ellbogen aus, die dunkelhäutige Amerikanerin klickte mit ihrem dagegen. »Bis morgen.«
Sarah winkte den anderen zu und ging hinaus. Zeit, das Ding überall auszuprobieren, dachte sie. Sie fuhr hinunter ins Erdgeschoss und ging zu dem Security Officer, der sie beim Reinkommen fast nicht reingelassen hätte.
»Hallo noch mal«, gab sie mit einer Hand ein. Es gab genügend Einhandgebärden, mit denen sie sich klar ausdrücken konnte. »Danke noch mal dafür, dass ich reindurfte. Ich habe mein Gerät bekommen. Und danke, dass Sie hier auf uns aufpassen. Wir sehen uns dann morgen.«
Das Ganze ließ sie für die Sprachausgabe in Schwyzerdütsch übertragen. Es war gut, dass Davos so ein gutes Netz hatte, weil das Programm über die Cloud und einen Supercomputer in den USA lief, nicht auf dem Handy selbst. Schon nach einer Viertelsekunde war die Übersetzung fertig.
Sie hielt es dem Mann vors Gesicht, in gebührendem Abstand, und spielte die Nachricht ab.
Das Gesicht des vierschrötigen Mannes hellte sich auf.
Sarah war sich sicher, dass er jetzt etwas in derselben Sprache zurück krächzte, es war deutlich, dass er alles verstanden hatte.
»Danke, so ein nettes Lob hört man selten, haben Sie noch einen schönen Tag, junge Frau«, gebärdete der Avatar auf ihrem Bildschirm.
Sie hüpfte und tanzte den Weg zurück ins Hotel. Die Entwickler hatten an alles gedacht, die Ein- und Ausgabe von Bild und Schrift und Ton auf beiden Seiten. So etwas hatte sie noch nicht gesehen. Bisher hatte es nur sehr rudimentäre Gehörlosen-Apps gegeben, die diesem Gerät nicht im Entferntesten nahekamen.
Wozu machten die das, fragte sie sich. Das kostete bestimmt ein Heidengeld, so etwas zu entwickeln und zu bauen. So viele Gehörlose gab es auch wieder nicht, und reich waren die wenigsten unter ihnen. So ein toller Markt konnte das nicht sein. Und dann gleich alles als Kooperation der großen IT-Firmen, die sonst Wettbewerber waren? War bei denen jetzt der Wohltätigkeitswahn ausgebrochen, oder bezweckten die etwas anderes damit?
Na ja, sie würde morgen mehr darüber erfahren. Für heute würde sie sich die Stadt ansehen. Und als Erstes das Hotel, wo es morgen Nachmittag weitergehen würde, das Waldhuus.
Sie öffnete die Karten-App. Es waren gerade mal fünf Minuten zu Fuß die Hertistrasse hinauf, die einen Golfplatz in zwei Hälften teilte.
Das Hotel war noch eine Nummer schöner als ihr eigenes. Während ihres bunt bemalte Balkons zeigte, sprach dieses Hotel von Geld und Prestige, auch wenn es nur vier Sterne hatte.
Sarah marschierte hinein. Das Seminar sollte morgen in einem Konferenzraum namens Dischma stattfinden. Sie sprach mit ihrem neuen Signspeak eine Hotelangestellte an, die sich nicht im Mindesten darüber wunderte und ihr den Weg zeigte.
Im Konferenzbereich war es ruhig. Die Tür zum Raum Dischma war nur angelehnt; neben der Tür hing ein Schild Conference in Progress – do not disturb! Daneben hing eine Liste mit Namen. Sarah blieb stehen.
Hinter den ersten beiden Namen, Almássy und Alves, stand klar und deutlich Bakhtiary. Ihr eigener Name. Hatte sie sich im Datum geirrt, lief das Seminar schon?
Sarah trat ein, und sofort versperrte ihr ein breitschultriger, hochgewachsener Mann im schwarzen Anzug den Weg. Er beugte sich zu ihr herunter und sprach ihr ins Ohr.
Sarah schüttelte den Kopf und zeigte erst auf ihren Button, der sie als Gehörlose kennzeichnete, und dann auf ihren neuen mit dem Schild und dem QR-Code.
Der runzelte seine mit Pockennarben übersäte Stirn und sah dann auf seinem eigenen Smartphone nach.
Dann trat er beiseite, legte den Zeigefinger über seine Lippen und deutete auf den nächsten freien Platz.
Sarah setzte sich.
Vorn stand ein Podiumstisch mit drei Männern und einer Frau dahinter. Ein weiterer Mann stand vor einer Projektionsfläche und deutete mit einem Laserpointer auf eine Grafik. Details konnte sie von hier aus nicht erkennen. Ihr fiel auf, dass die anderen Teilnehmer eine Mappe in Rot vor sich liegen hatten. Sie sah in ihrer Tüte nach; da war keine rote Mappe drin.
Sicherheitshalber legte sie ihr neues Signspeak auf den Tisch und ließ es übersetzen. Es ging um etwas anderes, um Bevölkerungspolitik, wenn sie alles richtig verstanden hatte, was der Avatar auf dem Bildschirm gebärdete. Immer wieder kam der Begriff Young World Order vor, der ihr ebenfalls nichts sagte. Immerhin passte die Bezeichnung zu der Abkürzung YWO am Eingang.
Sarah war verunsichert. War das hier überhaupt ihr Seminar? Mussten sie sich vielleicht erst etwas anderes anhören, bevor die Leute zum Thema kamen?
Sie sah sich um. Alle hörten zu, der Sprecher selbst sprach steif wie ein Stock. Er war sehr angespannt und verkrampft, nicht locker und gelenkig wie ein Gehörloser, fand sie. Wie jemand, der vor einem Richter stand, jemand mit einem schlechten Gewissen.
Sie kam bei dem Tempo nicht mehr mit und verstand auch nicht alles, es waren wohl viele Fremdwörter und Fachbegriffe im Vortrag, die das System noch nicht verstand. Es war ja erst Beta, noch nicht offiziell, alles noch im Teststadium.
Der Avatar stand mehr da und kratzte sich mehr am virtuellen Kopf, als dass er mit Gebärden übersetzte.
Sarah suchte nach der Anleitung für das Signspeak. Vielleicht musste sie noch ein Modul zuschalten, die Amerikanerin hatte so etwas erwähnt. Hoffentlich kostete das nichts extra, dachte sie.
Sarah nahm das Gerät wieder in die Hand. Sie sah, dass im Hintergrund über das Push-App ein Download lief. Vermutlich die Präsentation.
Sie wandte sich wieder ihrem Handbuch zu und blätterte darin herum, leise vor sich hin summend.
Nach einer Weile sah sie auf.
Alle Menschen im Raum, gut über hundert, sahen zu ihr her, einige waren aufgestanden, um aus dem Doppel-U der Tischreihen besser sehen zu können.
Der Sprecher sah sie an und fragte etwas. Er war zu weit weg, um ihn verstehen zu können. Sarah legte den Kopf schief, universales Zeichen von ich verstehe nicht.
Der Sprecher kam zu ihr her. Sarah deutete auf ihren alten Button.
Er sah sie an, dann fiel ihm ihr Namensschild auf. Auf den Gedanken, sie anzusprechen, kam er nicht, Sarah wusste nicht, was er von ihr wollte.
Der Mann ging hinüber zum Türsteher und fragte ihn etwas. Der antwortete und zeigte auf ihr Namensschild. Dann kam er zu ihr herüber, der Sprecher stand dabei, die Arme untergeschlagen.
Sarah richtete das Signspeak auf den Türsteher, der jetzt etwas zu ihr sagte.
Sorry, Ma’am, Sie sind hier falsch. Sind sie taubstumm?
Sarah nickte, auch wenn sie die Bezeichnung als diskriminierend verabscheute. Sie assoziierte das Wort mit seinem Schüttelreim staubdumm, das ihr die Kinder im Kindergarten immer hinterhergerufen hatten, wie ihr eine Betreuerin später erklärt hatte. Es war kein schönes Wort. Auch die rothaarige Zicke im Zug hatte sie so genannt.
»Bitte verlassen Sie sofort diesen Saal. Sie gehören hier nicht her. Haben Sie verstanden?«
Sarah sah auf den Bildschirm und gestikulierte zurück. Ja. Ich weiß auch gar nicht, was ich hier soll, ich verstehe kein einziges Wort. Mein Name steht doch hier an der Tür!
Der Türsteher sah einen Mann an, der von weit hinten aus dem Raum zu ihr hersah. Das ist jemand anderes, nicht Sie. Sorry. Bitte gehen Sie. Jetzt.
Sie hatte bemerkt, dass der Sprecher erleichtert aufgeatmet hatte, als das Gerät ihre Gebärden für ich verstehe kein einziges Wort laut ausgesprochen hatte.
Der Türsteher fasste sie leicht am Ellbogen und schob sie sanft, aber nachdrücklich aus der Tür.
Sarah blieb stehen. Irgendetwas war gerade passiert, sie wusste nur nicht, was.
Sie sah sich den Titel der Veranstaltung an.
YWO. Invitation only.
Keine Ahnung, wo sie hier gelandet war, dachte sie. Egal. Jedenfalls nicht ihre Veranstaltung, die war wohl erst morgen.
Sie kam am nächsten Konferenzraum vorbei, der Sertig hieß. An dem hingen das gleiche Schild und die gleiche Namensliste. Die Räume waren offenbar zusammengelegt worden.
Sarah sah genauer hin. Hinter den Namen stand nichts. Anders bei den Vorträgen, die hier liefen, dort stand bei einem Sprecher erneut der Name Bakhtiary. Diesmal mit einem Vornamen dahinter, Darius.
Sie war tatsächlich nicht gemeint. Dann lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Ihr Vater, den sie nie kennengelernt hatte, trug denselben Namen. Darius Bakhtiary. Der war verschollen, nachdem er in die USA ausgewandert war, ein Jahr nach ihrer Geburt.
Der Mann, der sie zur Adoption freigegeben hatte. Ihr Vater, der sie weggeschenkt hatte wie ein paar gebrauchte Schuhe. Konnte es sein, dass er in diesem Raum war?
Sarah spürte, wie ihr Körper reagierte. Nicht mit Aufregung, sondern mit Angst. Auf ein Treffen mit ihrem Vater, wenn er es denn war, war sie nicht im Mindesten vorbereitet. Sie wollte weg hier. Und sie brauchte einen Kaffee oder besser einen starken Likör, sie musste nachdenken.
Sie fiel in einen Laufschritt. Als sie um die Ecke bog, sah sie jemanden hinter sich herkommen. War er das? Sie lief schneller, ins Hotel hinein und in einen anderen Gang, der weiß Gott wohin führte. Sie beeilte sich, bemüht, ihre Tritte so sanft wie möglich aufzusetzen. Sie wusste nicht, ob man das hören konnte. In ihrer ersten Schule, einer normalen Schule in Berlin, hatten die anderen Kinder immer behauptet, sie liefe wie ein Trampeltier.
Sie kam zu einem Raum, von dem aus es zum Spa- und Wellnessbereich ging. Und zu einem Billardzimmer, in das sie hineinging und die Tür hinter sich zumachte.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. In was war sie hier reingeraten? Sarah wusste nicht, ob ihr Verfolger, der vielleicht ihr verschwundener Erzeuger war, noch hinter ihr her war und was er von ihr wollte. Sie hatte einfach Angst, hören konnte sie nichts. Zur Sicherheit kauerte sie sich unter den massiven Billardtisch und wartete.
Einen Moment später sah sie ein paar Schuhe auf der anderen Seite des Tisches, dann ein Gesicht, das sich herunterbeugte. Der Türsteher.
Sarah kam aus ihrem Versteck. Flucht war jetzt zwecklos. Sie musste wissen, was der Mann wollte, und zog ihr neues Gerät aus der Jackentasche, in die sie es kurzerhand gestopft hatte.
Sie wollte es per Gesichtsscan anmachen und fragen, doch darauf wartete der große Kerl nicht. Es hätte wegen ihrer Maske ohnehin nicht funktioniert. Er nahm es ihr ab, zog es aus der Hülle, hielt sie selbst mit der anderen Pranke auf Distanz und warf das Gerät zu Boden. Dann trat er ein paar Mal mit seinem Stiefel darauf und grinste sie dabei an. Er hielt sie weiter an der Schulter fest. Sarah trat ihm mit einem Karatekick ans Schienbein. Genauso gut hätte sie gegen eine Wand treten können. Der Mann drehte sie mühelos mit seinem Schultergriff zur Seite, sodass sie ihn nicht mehr angreifen konnte.
Mit der anderen Hand griff er zu einem Queue, das auf dem Tisch lag, und stampfte mit dessen stumpfem Ende auf dem Leichnam des Signspeak herum, bis der Chip darin zum Vorschein kam.
Er ging in die Hocke, Sarah immer noch im Klammergriff, nahm den Chip auf, legte ihn an die Kante des Billardtisches und holte ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche, mit dem er den Chip versengte, bis er sich verbog und der Belag aus Gold darauf verschmolz. Der Lack des Tisches glomm bereits, als er das Feuerzeug wieder wegsteckte und den Rest des Chips zwischen Daumen und Zeigefinger verbog und dann zusammen mit ihrer Handyhülle einsteckte. In der seit vorhin auch ihr Personalausweis und ihre EC-Karte steckten.
Sarah hatte Angst um ihr Leben. Der Mann war völlig rücksichtslos, das hatte sie aus seinen Bewegungen herauslesen können.
Wie zur Bestätigung packte er sie am Hals und hob sie an, bis ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. Er sah ihr ins Gesicht, als ob er sie auf ihre Essbarkeit hin prüfen wollte. Dann ließ er sie fallen und wischte sich die Hand an seiner Hose ab.
Als Sarah wieder auf die Beine kam, stellte er sich vor sie, eine Hand in die Seite gestemmt, verächtlich grinsend. Mit der anderen machte er Wischbewegungen. Verschwinde, hieß das, auch ohne Gebärdensprache. Dazu bewegte er die Lippen.
Sarah sah nicht mehr hin. Sie machte, dass sie aus dem Raum kam. Bloß weg von hier, dachte sie. Weg von dem Monster, raus aus dem Raum, weg aus dem Hotel, bloß raus hier!
Weit kam sie nicht. In der Lobby fühlte sie, dass sie dringend, ganz dringend auf die Toilette musste. Sie sah sich um. Der Türsteher war ihr nicht weiter gefolgt.
Sie ging vorsichtig durch den Raum auf die Toiletten zu, damit sich kein Unglück ereignete. Sich in einem teuren Hotel in der Schweiz in die Hose zu machen, das war so ziemlich das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte.
Sie schaffte es. Als sie fertig war, musste sie weinen. Sie saß zitternd auf der Schüssel und blieb so lange dort, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte.
Zwanzig Minuten. Eine lange Zeit, in der sie keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte.
Schließlich schaffte sie es raus aus dem Hotel, draußen wusch sie sich die Hände erneut im Schnee. Die Kälte beruhigte sie weiter, und sie wusch sich auch das Gesicht mit dem kühlen Weiß.
Das war nicht der beste Tag in ihrem Leben geworden, dachte sie, sondern der schlechteste. Erst hatte man ihr die Glock weggenommen, dann ihr kostbares neues Handy zertrümmert und ihr die Würde genommen.
Sie brauchte ein neues Signspeak. Die hatten bestimmt noch welche im Kongresszentrum, dachte sie. Es war nach vier Uhr, als sie dort ankam, der Raum Strela war bereits abgeschlossen, von Bess Harper keine Spur. Immerhin hatte der Wachmann sie noch erkannt.
Mist, dachte sie. Klar, sie hatte ihr altes Handy noch, so schlecht war das auch nicht. Damit wollte sie sich nicht zufriedengeben, dafür war sie nicht hierhergekommen.
Sie schlich zurück zu ihrem Hotel, wo sie sich in die Lobbybar setzte und einen Caffè Corretto bestellte, mit einem doppelten Schuss Grappa.
Sie musste ihre Gedanken ordnen.
Erstens. Sie brauchte ein neues Gerät. Hoffentlich gaben die ihr morgen eines. Sonst musste sie eins kaufen, egal wie teuer das war.
Zweitens. Sie musste Bess Harper erklären, was vorgefallen war.
Drittens. Was war eigentlich vorgefallen? Was war diese Young World Order, diese YWO, was wollten diese Leute, wer steckte dahinter?
Viertens. Warum hatten die ihr Signspeak zerstört? Dachten die, sie hätte etwas damit fotografiert? Dann fiel ihr ein, dass das Gerät von selbst etwas heruntergeladen hatte. Sie erinnerte sich dunkel an Push- und Pull-Verfahren. Was war das wohl für eine Datei gewesen? Das würde sie nun nie mehr erfahren.
Fünftens. Wer war Darius Bakhtiary? War das tatsächlich ihr Vater? Vielleicht doch nicht, dachte sie. Den Nachnamen gab es häufiger. Die ehemalige Kaiserin Soraya hatte so geheißen. Deren persischer Vater hatte auch in Deutschland gelebt und eine Deutsche geheiratet, eine Frau Karl. Die Tochter hatte der Schah zu seiner zweiten Frau gemacht. Mit der war sie um drei Ecken verwandt. Als ob ihr das jetzt etwas nützen würde. Sie begann wieder zu heulen und wischte sich die Augen trocken.
Ein Zweig der Bakhtiarys hatte schon länger in Deutschland gelebt, einige darunter waren Christen. Und nach dem Sturz des Schahs waren weitere Sippenmitglieder nach Deutschland gekommen, unter anderem ihr Vater, der ebenfalls eine Deutsche geheiratet hatte. Marion Gerstner, ihre Mutter, die bei ihrer Geburt gestorben war. Die ihr vorher den Namen Sarah gegeben hatte. Scherzhaft hatte sie sie immer Methusarah genannt, hatten ihr ihre Adoptiveltern erzählt, die das von ihrem Vater wussten. Sie sollte wohl so alt wie Methusalem werden. Schon damals hatte ihre Mutter geahnt, dass sie selbst die Geburt wegen ihrer Bauchhöhlenschwangerschaft nicht überstehen würde, trotz aller Beruhigungsversuche der Ärzte. Die hatten ihr andererseits von den zu erwartenden Komplikationen erzählt. Kurz nach der Geburt war sie verblutet. Sie war nicht alt geworden, gerade mal achtundzwanzig.
Ihre Mutter hatte sich während der Schwangerschaft außerdem noch mit dem Zytomegalievirus angesteckt. Das wurde sexuell übertragen, wahrscheinlich hatte sie es von ihrem Mann geschenkt bekommen. Dies Virus hatte maßgeblich zu ihrer Taubheit beigetragen.
Untreu war Darius Bakhtiary wohl also auch noch gewesen.
Ein Grund mehr, warum sich alles in ihr sträubte, wenn sie seinen Namen hörte.
Vieles davon hatte ihr ihre Adoptivmutter erzählt. Mutti. Sigrid Walter. Sarah hatte als Heranwachsende selbst kurz in ihre Adoptionspapiere sehen dürfen und die knappe Erwähnung dieser Krankheit dort auch entdeckt, neben Fotos ihrer Eltern und der Krankengeschichte ihrer leiblichen Mutter.
Alles hatte sie nicht lesen dürfen.
War er es wirklich gewesen, der auf der Konferenz gesprochen hatte?
Darius war ein häufiger Vorname bei persischen Männern. Darius der Große hatte das Persische Weltreich zu seiner Größe gebracht, das mehr als die Hälfte der bekannten Welt beherrscht hatte. Erst sein Sohn Xerxes hatte es an Alexander den Großen verloren, der die Hauptstadt Persepolis zerstört hatte.
Darius Bakhtiary war in Persien etwa so häufig wie Otto Müller in Deutschland. Trotzdem. Was war eigentlich aus ihrem Vater geworden? Sarah wusste nur, dass er in die USA ausgewandert war, wie viele Anhänger des ehemaligen Schahs, nachdem er seine Vaterrolle neben seinem Job nicht mehr ausüben konnte und sie weggegeben hatte.
Sie hasste ihn noch immer dafür, obwohl sie sich nicht an ihn erinnern konnte. Ein Jahr, so weit reichten ihre Erinnerungen nicht zurück. Die begannen im Hause Walter, einer katholischen Familie im protestantischen Berlin, wo sie aufgewachsen war. Die Walters beherrschten die Gebärdensprache, weil sie selbst eine Tochter gehabt hatten, die gehörlos gewesen war. Und die das Auto nicht gehört hatte, das sie mit sechzig auf einer Spielstraße, in der maximal dreißig erlaubt gewesen waren, überrollt hatte, mit anschließender Fahrerflucht.
Sie war in die Rolle der Tochter hineingewachsen und mit Liebe und Fürsorge aufgewachsen. Ohne sprechen zu müssen oder es erlernen zu müssen. Sie war in einen Kindergarten für Hörbehinderte gegangen, dann in eine spezielle Schule in Berlin und zum Schluss auf das Gehörlosen-Internat in Osnabrück. Erst dort hatte sie richtig Sprechen gelernt.
Manchmal hatte sie den Eindruck, dass sie besser schießen konnte als sprechen.
Sarah schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab. Sie war hierhergekommen, um mit der neuen Technik besser am normalen sozialen Leben teilnehmen zu können. Stattdessen war sie gedemütigt und ihr kostbarer neuer Besitz zerstört worden.
Sie musste rausfinden, wer dahintersteckte, und für Gerechtigkeit sorgen.
Sarah unterschrieb die Rechnung und nahm den Lift hinauf zum vierten Stock und ging in ihr Zimmer.
Wer war diese Young World Order? Sie hatte schon mal von einer New World Order gehört, im Zusammenhang mit der Neuordnung der Welt nach den Weltkriegen oder als Verschwörungstheorie. Dass jemand die Welt umorganisieren wollte, zu ihrem Besten, nach seinen Vorstellungen, ohne die Menschheit dazu anzuhören. Eine Schöne Neue Welt wie bei Aldous Huxley.
Sie fand nichts zu einer Young World Order. Viel zu den Worten One Young World und New World Order, nichts jedoch zu der Gruppe, die als YWO im Waldhuus getagt hatte.
Fast hätte sie ihr Tablet wieder zugeklappt.
Sie suchte weiter nach Darius Bakhtiary. Auch dazu fand sie niemanden, auf keiner der gängigen Suchmaschinen. Das war merkwürdig, sie hatte mit zwanzig bis dreißig Einträgen gerechnet. Nicht einmal ihr Vater war dort zu finden. Sie änderte den Namen ab und schrieb ihn in anderen Varianten, schließlich war er nur aus dem Farsi, der Sprache Persiens, transkribiert. Und Farsi wurde mit arabischen Zeichen geschrieben, was die Möglichkeiten weiter ausweitete.
Trotzdem fand sie nichts. Hatte er seinen Namen geändert?
Dann fiel ihr die Liste auf dem Schild vor dem Tagungsraum ein. Dort hatte der Name exakt so gestanden, wie sie ihn eingegeben hatte.
Als Nächstes gab sie »Darius AND Bahktiary AND Young_World_Order« ein. Mit dem Ergebnis, dass ihr Tablet nach einer Weile nur noch das rotierende Wartesymbol zeigte und auch sonst zu keiner weiteren Aktion mehr zu bewegen war.
Auf was war sie da gestoßen? Wieso fand sie nichts? Warum dauerte das so lange?
Nach zehn Minuten, in denen sie sich einen Tee gemacht hatte, rotierte das Symbol immer noch vor sich hin.
Das Gerät hatte sich aufgehängt. Passierte. Sarah drückte auf den Power-Knopf, um es neu zu starten.
Nichts passierte. Das Symbol rotierte weiter.
Erst als sie auf alle Knöpfe gleichzeitig drückte und sie gedrückt hielt, ging das Tablet aus.
Nachdem sie es neu gestartet hatte, erschien nach wenigen Sekunden wieder das Warte-Symbol. Das gab es doch nicht!
Sarah versuchte es mit ihrem alten Handy. Freies Internet gab es hier im Hotel, das war kein Problem. Gewarnt durch das Problem mit dem Tablet, schaltete sie ihr VPN ein und benutzte dann Opera Coast als Browser. Das sollte unsichtbar genug sein, dachte sie.
Sie gab wieder beides ein, den Namen und die Organisation, in einer Zeile, ohne Operatoren wie AND.
Opera Coast schlug ihr einen David Bakhtiary und die New World Order vor, nebst Einträgen zu Basketballern und Künstlern und Wiki-Seiten. Das war es nicht.
Sie gab ihr Suchschema erneut ein, diesmal wieder mit Anführungszeichen und logischen Operatoren.
Auch hier kam zunächst nichts. Und dann schaltete sich ihr Handy von selbst aus und wurde ganz warm.
Das durfte nicht wahr sein, dachte sie, und schaltete es wieder ein. Jetzt kam die Nachricht, dass die Batterie leer war. Dabei hatte sie es vor ein paar Stunden erst voll aufgeladen. Das war nicht möglich, dass die Batterie schon wieder keinen Saft mehr hatte. Und doch war es genau so.
Sie hängte es an ihr Ladekabel und wartete zwei Minuten, in denen sie ihren Tee austrank und darüber nachdachte, wann und wo sie etwas essen sollte, hungrig, wie sie inzwischen geworden war.
Das Handy ging an, war aber nicht zu entsperren, weder über Gesten noch die Gesichtserkennung oder den eingetippten Code. Es reagierte nicht. Es arbeitete, wie sie am Summen in ihrer Hand spüren konnte. Was tat es?
Sarah machte es sofort aus und zog den Stecker. Jemand oder eher ein Computer irgendwo auf der Welt hatte die Kontrolle über ihre Geräte übernommen. An wen war sie da geraten? Die NSA, die CIA, den iranischen Geheimdienst?
Was hatte sie mit ihrer Suche ausgelöst? Und wer steckte hinter diesen Namen, die nicht zu finden waren?
So ging das nicht. Sie durfte sich nicht in Gefahr bringen. Sie packte die beiden Geräte in den Rucksack und ging raus. Sicher gab es irgendwo im Ort ein Internet-Café oder einen Laden, der Computer verkaufte. Vielleicht konnte sie die Geräte dort überprüfen lassen. Und dort konnte sie das Gleiche nochmals über den Tor-Browser versuchen, den sie dazu runterladen musste, was nur Sekunden dauern würde. Das war zu schaffen.