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Wie leben Kinder narzisstischer Eltern und wie gestalten sie ihren weiteren Lebensweg? Welche Hindernisse müssen sie überwinden? Warum ist das Zusammenleben mit den Eltern so schwierig? Dieses Buch beinhaltet Erklärungen, gibt Denkanstöße und zeigt mögliche Lösungswege auf, indem es das Thema in umfassender Weise beleuchtet.
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Seitenzahl: 91
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Andrea Pirringer
Leben mit narzisstischen Eltern
Die Entlarvung der Niedertracht
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorbemerkung
Vorwort
Narzissmus
Merkmale der NE
Die Unfähigkeit zu lieben
Zerstörung des Urvertrauens
Ablehnung des „bösen“ Kindes
Manipulation des Kindes
Das Kleinkind als „Wünsche-Erfüller“
Das „apersonale“ Kind
Das „asexuelle“ Kind
Macht und Ohnmacht – Das Kind als Marionette
Gestörte Kommunikation
Das Kind als „Lügner“
Der steinige Lebensweg von Kindern NE
Leben der Kinder mit den NE
Das Rollenbild der Eltern
Verbote und enges Korsett
Grenzverletzungen und Übergriffe
Missbrauch und häusliche Gewalt
Nachwirkungen der nationalsozialistischen Ideologie
Loslösung vom Elternhaus
Schwierigkeiten der (noch nicht volljährigen) Kinder
Probleme der Kinder im Erwachsenenalter
Lösungsansätze für die Kinder narzisstischer Eltern
Denkanstöße
Der „Brief an die Eltern“
Kontaktabbruch in Familien
Fragen, die Sie sich stellen sollten
Probleme im Alter
Anhang: Selbsttest für Betroffene
Literatur-Empfehlungen
Über die Autorin
Impressum neobooks
Liebe Leserinnen und Leser dieses Buches!
Bitte beachten Sie, dass die hier geschilderten Inhalte stark triggernde Wirkung entfalten und Flashbacks auslösen können.
Liebe Leserin, lieber Leser!
dieses Buch richtet sich an erwachsene (volljährige) Kinder von narzisstischen Eltern (im Folgenden kurz „NE“ genannt) sowie an die sogenannten „Kriegsenkel“ (zwischen beiden Gruppen gibt es inhaltliche Überschneidungen. Die Grenzen sind fließend.)
Viele dieser „Kinder“ sind heute zwischen 30 und 50 Jahre alt, zum Teil noch älter. Es sind häufig Kinder von Eltern, welche den Krieg miterlebt und in der Nachkriegszeit ihre Familien gegründet haben.
Bei diesen Eltern handelt es sich um Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend besonderen Einflüssen und Belastungen ausgesetzt waren. Persönliche Dramen und Traumen überschatteten das Leben dieser jungen Menschen. Sie lebten in einer Diktatur und haben gelernt, zu „funktionieren“, angepasste Bürger zu sein. Das zu tun, was von ihnen erwartet wurde. Dabei blieb der emotionale Bereich oft auf der Strecke.
In den meisten Fällen haben sie nie eine psychotherapeutische Behandlung erhalten. Es befasste sich niemand mit ihren seelischen Problemen. Damals war das „halt so“. Sie selbst haben nicht das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmen könne, weil sie ihre Emotionen fest im Griff haben. So fest, dass es zu starken Verdrängungen und auch Verhärtungen gekommen ist.
Oft haben sie auf diese Weise den direkten Zugang zu ihren Empfindungen verloren bzw. nie wirklich aufgebaut. Daraus entstand eine Sprachlosigkeit, eine Unfähigkeit, eigene Bedürfnisse und Gefühle zu benennen, und Wünsche in angemessener Weise zu artikulieren.
Viele dieser Eltern fühlen sich bedrängt, reagieren ängstlich oder sogar aggressiv, wenn ihre sensible Gefühlswelt angetastet wird. Das zeigt, dass dieser Bereich durchaus immer noch vorhanden, aber nicht zugänglich ist. Aus diesem Umstand ergibt sich eine Fülle von Problemen im Umgang mit der nachfolgenden Generation.
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Die Kinder der 1950er und weiteren Jahrgänge haben die Kriegszeit nicht mehr selbst miterlebt. Sie kennen diese nur aus Erzählungen. Sie hatten das Glück, in einer Zeit des Friedens und des wachsenden Wohlstandes aufwachsen zu können. Auch die persönliche Freiheit, die individuellen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, nahmen stetig zu.
Deswegen gab es keinen Grund mehr, die persönlichen Gefühle unterdrücken zu müssen. Heute werden Emotionen als ganz normaler Bestandteil des Lebens betrachtet. Ob Lachen oder Weinen, Schmerz oder Trauer: Alles kann und darf ausgelebt werden.
Liebe Leserinnen und Leser, dieses Buch soll dazu dienen, die einzelnen Facetten dieser Problematik klar darzustellen und gangbare Lösungswege aufzuzeigen.
Die Autorin
Rosenheim, am 14. Februar 2015 – Valentinstag
Der Narzissmus in der Gesellschaft
Was ist Narzissmus? Narzissmus ist der Versuch, erlittene Kränkungen, Enttäuschungen und Entbehrungen auszugleichen, um sie besser ertragen zu können. – Dahinter steckt also in Wahrheit die Unfähigkeit, die Probleme zu benennen, sich ihnen zu stellen und sie zu bewältigen.
Der Narzissmus ist in der Gesellschaft weiter verbreitet, als man glaubt. Narzissten finden sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Sie können Familienväter (oder –mütter), Arbeiter, Angestellte, Unternehmer, Politiker oder Manager sein.
Insbesondere in Deutschland und Österreich könnte man in diesem Zusammenhang – und vor dem Hintergrund des traumatisierenden Weltkriegs-Geschehens - von einer „gekränkten Gesellschaft“ sprechen.
Häuslicher (familiärer) Narzissmus
Narzissten treten oft in „Paaren“ oder in „Rudeln“ auf: auf wundersamen Wegen „finden“ sich Menschen, die eine ähnliche Vorgeschichte, ähnliche Lebenserfahrungen aufweisen.
So werden aus Schicksalsgenossen Lebens- bzw. Ehepartner. Gemeinsam meint man, die Probleme leichter bewältigen zu können. Leider ist es jedoch häufig so, dass sich die psychischen Belastungen noch weiter verstärken. - Ein Blinder kann keinen Blinden führen. Sie werden beide in die Grube fallen.
Sogar ganze Familienverbände können vom Narzissmus betroffen sein. Aus gemeinsamen Erfahrungen entwickeln sich gemeinsame Verhaltensmuster und Bewältigungs- (meist jedoch Verdrängungs-)Strategien. Es häufen sich bestimmte psychische und psychosomatische Erkrankungen, aber auch Erkrankungen, die auf den ersten Blick nicht damit in Verbindung gebracht werden.
Die moderne Gesellschaft wird zunehmend narzisstischer, daher wird der Narzissmus – bis zu einer gewissen Ausprägung – als normal, ja sogar als hilfreich betrachtet (insbesondere, wenn es um die persönliche Weiterentwicklung und die Karriere geht).
Über den problematischen häuslichen Narzissmus, mit dem sich dieses Buch befasst, wird dagegen wenig bis gar nicht gesprochen. Er wird weitgehend tabuisiert. Es ist die unschöne Seite, die sich im Privaten, in den Familien abspielt.
Man kann davon ausgehen, dass es tausende Fälle, tausende Betroffene, und somit auch viel unausgesprochenes Leid gibt. Nur selten kommen diese ans Licht, und nur wenige werden einer breiteren Öffentlichkeit – wie z. B. der Fall Fritzl in der jüngeren Vergangenheit – bekannt.
Narzissmus als Überlebens-Notwendigkeit
Neben dem krankhaften Narzissmus gibt es auch einen natürlichen, gesunden Narzissmus. Das narzisstische Verhalten des Kleinkindes ist ein Aspekt des Überlebens-Triebes. Das Kind kämpft um Aufmerksamkeit, fordert Liebe und Zuwendung von den Eltern. Diese Form des Narzissmus ist nicht egoistisch oder „böse“, sondern ganz normal.
Leider sehen viele NE dies nicht so. Sie deuten es als Bösartigkeit, Hinterhältigkeit, Verschlagenheit, Unaufrichtigkeit des Kindes. Sie fühlen sich angegriffen und reagieren entsprechend negativ und ablehnend. (→ Weitere Gedanken dazu im Kapitel: „Das „böse“ Kind“)
Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit
Neigung zu aggressivem, autoritärem und dominantem Verhalten
Unfähigkeit, bestimmte (insbesondere warmherzige) Gefühle auszudrücken
Unfähigkeit, zu weinen (dies wird als Schwäche betrachtet)
Vermeidung von positivem Körperkontakt (Umarmungen, Streicheln, Küssen etc.) sowohl im privaten Umfeld als auch in der Gesellschaft
Stark ambivalentes Verhalten in vielen Bereichen (z. B. Erziehung)
Versteckte Depressionen
Tendenz zur „Selbstbestrafung“. (Man lebt weiter, als ob immer noch Krieg herrschte. Beinah „asketische“ Lebensweise durch ein künstlich „entbehrungsreiches“ Leben, obwohl dies nicht notwendig wäre. Sich diese Art zu leben anzueignen, wird später manchmal auch von den eigenen Kindern verlangt.)
Tendenz zu Verrohung und emotionaler Abstumpfung (insbes. bei von PTBS betroffenen Kriegsheimkehrern und deren Nachkommen)
Negatives Weltbild und negatives Denken („Die Welt da draußen ist schlecht.“, „Man will uns nichts Gutes.“ usw.)
Festhalten an negativen Sichtweisen, obwohl es dazu keinen Grund gibt. (Positive Ereignisse werden als störend empfunden, weil man in jedem Fall das negative Denken beibehalten möchte.)
Misstrauische und ablehnende Grundhaltung gegenüber Fremden
Neigung zu Absonderung und Zurückgezogenheit (das geht bis zur völligen Isolation)
Mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen (das Leben ist ernst!).
Extrem beherrschtes und sich zurücknehmendes Verhalten in der Öffentlichkeit. Zuhause jedoch das genaue Gegenteil: sehr dominantes, z. T. tyrannisches Auftreten.
Eingeschränkte Flexibilität im Denken (Sturheit, Festhalten an Verhaltensmustern, auch wenn diese offensichtlich weder sinnvoll noch vernünftig oder sogar nachteilig für die NE sind)
Kaum oder gar keine Reflexion über das eigene Verhalten (Überzeugt-Sein von der eigenen „Unfehlbarkeit“)
Keine oder nur sehr wenige Schuldgefühle über eigene Verfehlungen
Ausblenden von Ereignissen, die in der Vergangenheit liegen (dies gilt insbesondere auch für eigene Fehltritte). „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“
Unterstellung, dass die Kinder, wenn diese auf solche Ereignisse hinweisen, lügen oder die Eltern „schlecht machen“ wollen. (Dies kommt z. B. dann vor, wenn Kinder sich um eine briefliche Klärung des Verhältnisses zu ihren Eltern bemühen. In 99 % der Fälle wird das von den Eltern als Angriff gewertet.)
Eingeschränkte Empathie-Fähigkeit (hat gravierende Auswirkungen auf die psychisch-seelische Gesundheit der Kinder)
Vermeidungshaltung gegenüber emotionalen Themen und Situationen (z. B. Nicht-weinen-Dürfen)
Vermeiden von herzlichem Lachen (wird sofort unterdrückt; Selbstbeherrschung ist die oberste Maxime)
Süchte, wie z. B. Alkoholmissbrauch (Dies kommt nicht in jedem Fall, aber doch vereinzelt vor.)
Hang, Probleme mit Gewalt zu lösen
Nutzung der Sexualität als Druckmittel, zur Einschüchterung und zum Gefügig-Machen anderer
Trennung der Sexualität von Liebe. Damit einher geht oft eine
Unfähigkeit, auf den Partner einzugehen, sich zu öffnen und sich hinzugeben
Tendenz zu sadistischem Verhalten (nicht bei allen NE)
Überfürsorglichkeit, Überhäufen der Kinder mit Geschenken (als Ersatz für emotionale Zuwendung oder als Mittel der Manipulation)
Schaffung eines „entbehrungsreichen Lebens“ für die Kinder (damit diese es keinesfalls einmal besser haben als man es selbst in der eigenen Kindheit erlebt hat)
Neid und Eifersucht auf die Kinder (z. B. wenn diese beruflich erfolgreich und in der Partnerschaft glücklich sind)
Zerstörungs-Trieb (z. B. Beschädigung oder Zerstörung von Spielzeugen der Kinder, Verhinderung oder Zerstörung von zwischenmenschlichen Beziehungen der Kinder, wie etwa kindliche Freundschaften)
Übermäßig starkes Bedürfnis, die Kinder zu bestrafen (dabei manchmal auch das Empfinden von - z. T. sexueller - Befriedigung).
Gleichgültigkeit gegenüber den Kindern. (Kinder werden als lästig und störend empfunden.)
Gestörtes bzw. distanziertes Verhältnis zum eigenen Körper und zu den körperlichen Bedürfnissen (Unterdrückung oder übersteigertes Ausleben von Sexualität, mangelnde Körperhygiene, Sich-gehen-Lassen, mangelnde Kleider-Pflege, Abneigung gegen das Sich-ausziehen-Müssen und gegen den Kontakt mit Wasser (kann im vorgerückten Alter zu großen Problemen führen).
Übersteigertes Kontroll-Bedürfnis (dies führt zu häufigen Grenzverletzungen und schmerzhaften Kränkungen)
Schwierigkeiten mit der Selbstkontrolle (z. B. bei Gewalt-Ausbruch). Neigung zu hemmungslosem Ausleben der Aggression.
„Klammern“ der Eltern an die Kinder. Nicht-loslassen-Können.
Schwierigkeiten im Umgang mit körperlicher und emotionaler Nähe.
Infantile Verhaltensweisen (z. B. Trotz). → Näheres im Kapitel „Probleme im Alter“.
Starke Bindungs- bzw. Verlust-Angst (dies kann sich auch in der Ehe der Eltern äußern, z. B. durch die Tendenz, den Partner beherrschen und dominieren zu wollen)
NE haben selbst – meist vergeblich - versucht, Zuwendung, Liebe und Anerkennung von ihren eigenen Eltern zu bekommen
Leben unter dem „Glassturz“
Unfähigkeit, eigene Empfindungen, Erlebnisse, Erfahrungen zu benennen, Gefühle auszudrücken und diese mit Emotionen zu verknüpfen (z. B. Weinen, Schreien etc.)
Verweigerung des Erinnerns, des Sich-Auseinandersetzens mit der Vergangenheit (sowohl der eigenen Kindheit als auch der jüngeren Vergangenheit).
Liebe zu empfangen und Liebe zu geben: beides ist nicht selbstverständlich und muss erlernt werden. Viele NE handeln nach dem Motto: „Liebe mich, dann schlag‘ ich dich.“
Gerade im Bereich der Zuneigung zeigt sich das ambivalente Verhalten der Eltern und entfaltet sich dessen zerstörerische Kraft.
NE kennen die „wunden Punkte“ ihrer Kinder und „stechen“ bevorzugt dort zu, wo es am meisten weh tut. Kränkungen, Beleidigungen, Demütigungen, Unterstellungen und Vorwürfe werden gezielt dort platziert, wo die Eltern sicher sein können, dass sie wie eine Waffe wirken. Dieses Verhalten kann sadistische Züge annehmen.