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Leiterschaft ist ... wenn der Leiter schaf(f)t! Hinter diesem Titel verbirgt sich ein biblischer Gedanke, der in 1. Petrus 5,2 nachzulesen ist: "Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund". Dies zu leben bedeutet, dass eine Führungskraft in einer christlichen Gemeinde nicht dazu verpflichtet ist, alles selbst zu machen, sondern es darum geht, die Menschen innerhalb der Gemeinde dazu anzuleiten, gemeinsam auf den Auftrag Jesu einzugehen, die Güte Gottes - mit all ihren Facetten - in die Welt zu tragen (Epheser 4,11-14). Für alle Führungskräfte, die nicht alles alleine machen, sondern andere mit ins Boot nehmen wollen (sie weiden/"schafen"), soll dieses Buch als Coach dienen, der sie durch die wichtigsten Themen der Leitung einer christlichen Gemeinde führen wird: Führen mit Vision - Gemeinde mit Struktur und Strategie - Mitarbeiter-/Leiter-Nachwuchs - Teambuilding - Coaching - Kommunikation - Konfliktbewältigung - Sitzungen/Meetings - Selbstmanagement ...
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Seitenzahl: 414
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Für alle Menschen, die Verantwortung übernehmen, damit Gemeinde ihren Auftrag erfüllen kann!
Wenn es um ein Dankeschön geht, weiß ich immer gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele inspirierende Menschen um mich herum, die mich sowohl durch ihr positives als auch negatives Verhalten zu diesem Buch angeregt haben. Dafür danke ich all diesen Menschen in ganz ehrlicher Weise und von Herzen.
Und dann danke ich meinem Gott dafür, dass er mir immer wieder die Ausdauer und die Motivation gegeben hat, an diesem Projekt dranzubleiben. Solch ein Projekt ist für mich wie ein großer Berg vor einem Aufstieg, wenn man im Tal steht und nach oben schaut. Dennoch konnte ich losziehen und Höhenmeter für Höhenmeter diesen Berg erklimmen, bis ich irgendwann am Gipfelkreuz stand. Danke Vater im Himmel!
Vielen Dank auch meiner Frau Angelika. Sie ist meine Beste! Sie ist Wegbegleiterin und eine Frau, die mich schon durch ihre pure Anwesenheit inspiriert und zu kreativem Denken anregt. Und sie lässt mir auch den Raum, viel Zeit in solch ein Projekt zu investieren. Danke, mein Schatz!
Einleitung
Nichts geht über ein gutes Fundament
Dimensionen der Leiterschaft
Leiterschaft in der Bibel
Leiterschaft mit Fundament
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Leiterschaft und Charakter
Workshop: „Mein Charakter“
Dienende Leiterschaft
Ebenen der Leiterschaft
Leiterschaft mit Vision
Die Gemeinde kommt nur so weit wie ihre Leiter schon sind
Prinzipienorientiert Leiten
Leiten im Regelkreis
Kommunikativ Leiten
Gemeindearbeit mit Struktur
Gemeindestruktur einer Meta-Gemeinde
Exkurs: Gemeinde, die dazulernen möchte
Ohne Strategie geht es nicht
Mit einer Vision fängt es an
Der Mensch im Mittelpunkt der Gemeindearbeit
Strategische Konsequenzen daraus
Mögliche Hindernisse und Blockaden bei der Umsetzung
Auf den Nachwuchs kommt es an
Mitarbeiter gewinnen
Was ist erfüllende Mitarbeit?
Nachwuchs-Förderung
Im Team geht’s gleich viel besser
Bedeutung des Teams
Rollen in einem Team
Exkurs: Der fünffältige Dienst
Leitung im Team
Coaching muss nicht stressig sein
Einzel-Coaching
Coaching-Prozess
Gruppen-Coaching
Führen durch Coaching
Wer kommunizieren kann, ist echt im Vorteil
Kommunikation mit Mitarbeitern
Konfliktbewältigung
Macht und Vollmacht
Sitzungen können auch Spaß machen
Vorbereitung
Durchführung
Nachbereitung
Moderationsmethoden
Selbstmanagement ist das A und O
Arbeitsplatzorganisation
Umgang mit Informationen
E-Mail-Management
Nachwort
Bibliografie
Anlagen
Anlage 1 - Formular: Ziele formulieren
Anlage 2 - Checkliste: Ziele
Anlage 3 - Formular: Ziele - Projekte - Aktionen
Anlage 4 - Fragebogen: Kriterien für den „Reifegrad“ eines Christen
Anlage 5 - Vorlage: Aufgabenbeschreibung
Anlage 6 - Coaching-Fragen
Anlage 7 - Vorlage: Coaching-Vereinbarung
Anlage 8 - Checkliste: Sitzungen
Anlage 9 - Vorlage: Sitzungen - Einladung
Anlage 10 - Vorlage: Sitzungen - Sitzordnungen
Anlage 11 - Vorlage: Sitzungen - Gesprächstagebuch
Anlage 12 - Vorlage: Sitzungen - Protokoll
Anlage 13 - Ihr persönlicher Maßnahmen-Plan
Weitere Bücher von Hans-Werner Zöllner
Über den Autor
„Wenn die grundlegenden Qualifikationen geistlicher Leiterschaft nicht entwickelt werden, dann sind wir trotz theologischer Ausbildung nicht darauf vorbereitet, Diener Christi zu sein.“1
„Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ (1. Korinther 12,4-6)
Es war in meiner Kindheit, wir wohnten auf dem Land. Meine Eltern hatten sich ein Haus gebaut am Rand eines idyllischen Dorfes in Hohenlohe. Mein Vater war ein Autodidakt, wie er im Buche steht, der zudem noch handwerklich sehr begabt war. Alles, was es zu bauen oder zu reparieren galt, machte er selbst. Es waren die Zeiten in den 1970er Jahren, in denen „Do-it-yourself“ ganz groß geschrieben wurde.
Hinter unserem Haus hatte sich Papa deshalb auch eine kleine Werkstatt gebaut, die ein Paradies war für jeden Bastler, und so auch für uns vier Buben. Werkzeuge und Maschinen jedweder Art waren dort anzutreffen, und wir Kinder hatten freien Zugang dazu. Das haben wir natürlich auch ausgenutzt, wenn es darum ging, Fahrräder zu reparieren oder z.B. ein Baumhaus zu bauen.
Wir haben diese Werkzeuge nicht immer in der richtigen Weise verwendet, und manches haben wir bei der Benutzung auch kaputt gemacht. Doch auf unserer Reise durch das Land des „Do-it-yourself“ lernten wir dazu und wurden immer besser.
Dieses Buch möchte ich auch so verstanden wissen: Wir alle befinden uns auf einer geistlichen Reise, bei der es darum geht, den Auftrag Gottes zu erfüllen, den er auf jedes einzelne Leben gelegt hat. Dazu bedarf es auch gewisser Hilfsmittel, vor allem wenn es darum geht, seinen Auftrag im Rahmen der Gemeindearbeit umzusetzen.
Ein paar dieser Hilfsmittel möchte ich Ihnen mit diesem Buch anbieten. Diese können Sie ruhig in der Weise verwenden, wie wir es als Kinder in der Werkstatt von Papa gemacht haben. Wir benötigten nicht jedes Mal die ganze Auswahl an Werkzeugen, sondern immer nur einen Bruchteil davon, um das jeweilige Projekt zum Erfolg führen zu können.
Nehmen Sie dieses Buch als eine Art Werkstatt oder Werkzeugkiste, und suchen Sie sich das passende Werkzeug aus, das Sie für Ihr derzeitiges Projekt benötigen. Das bedeutet, dass Sie dieses Buch nicht zwingend Seite für Seite durchlesen müssen. Suchen Sie im Inhaltsverzeichnis das Thema heraus, das Sie interessiert oder das Sie gerade benötigen, und benutzen Sie es als Hilfsmittel für Ihr Projekt.
Machen Sie sich nichts draus, wenn nicht alles aufs erste Mal so gelingt, wie Sie es vielleicht erwartet haben. Sehen Sie Ihr Projekt oder Ihren Auftrag in der Gemeinde Jesu einfach als einen Prozess, in dessen Verlauf Sie die Chance haben dazuzulernen und in Ihrem Tun immer besser zu werden.
Solange Sie mit Ihren Hilfsmitteln und Werkzeugen an der Seite Gottes unterwegs sind und sich vom Heiligen Geist führen lassen, sowohl im großen Ganzen als auch in den Details, werden Sie immer auf dem richtigen Weg sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute Reise und viel Freude bei der Anwendung dieses gedruckten Werkzeugkastens.
Gott wird mit Ihnen sein.
Ihr Hans-Werner Zöllner
1 Vgl. Getz: Mann, S. 15.
„Menschen mit einem dienenden Herzen orientieren sich bei ihren Entscheidungen als Führungspersonen an bestimmten Kriterien und Werten. Ihr oberstes Ziel ist die Interessen derer, die sie führen, so gut wie möglich zu wahren.“2
„Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20,25-28)
Jesus schaffte es immer wieder, seine Zuhörer zu überraschen. Ich möchte dies zu Beginn dieses Führungskräfte-Coachings auch tun, indem ich Sie nicht mit Informationen in das Thema einführe, sondern Sie bitte, zunächst über folgende Aussage nachzudenken, die von mir aufgrund eigener Erfahrung so formuliert wurde:
»Es ist Gottes Gnade, wenn du Führungskraft hast, aber „Gnade dir Gott“, wenn du Führungskraft bist!«
Vielleicht können Sie sich über diese Aussage mit anderen Personen aus Ihrem Leitungsteam austauschen, oder Sie nehmen sich einfach ein wenig Zeit, um allein darüber nachzudenken. Folgende Fragen können Ihnen dabei eine Hilfe sein:
Was sagt dieser Satz über die Führung von Menschen aus?
Welche Erfahrungen können sich hinter solch einem Satz verbergen?
Welches Gottes- bzw. Menschenbild verbirgt sich dahinter?
Führungsarbeit, auch in einer christlichen Gemeinde, wird immer auf etwas gegründet sein. Z.B. darauf, wie Sie Menschen sehen, oder auch, wer Gott für Sie ist. Entscheidend ist auch, welche Werte für Sie wichtig, und mit welchen natürlichen Fähigkeiten Sie gesegnet sind, ganz unabhängig davon, ob Sie an Jesus Christus glauben oder nicht.
Denn auch gesellschaftliche Werte und natürliche Fähigkeiten können sich positiv auf eine geistliche Leitungsaufgabe auswirken. Dazu zählen z.B. Selbstbewusstsein, ohne die auch eine Führungskraft in der Gemeinde nicht auskommt, Menschenkenntnis, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, oder gesunder Ehrgeiz und Kreativität, die auch sehr hilfreich sein können.
Wenn das jedoch alles ist, dann ist ein geistlicher Leiter nicht zu beneiden, denn ihm fehlt die geistliche Komponente, die für die Leitung einer Gemeinde unabdingbar ist. Jesus sagte in diesem Zusammenhang: „So soll es nicht sein unter euch“. Das heißt auch, dass wir einen anderen Stil pflegen müssen, wenn es um Führung und Leitung geht.
Geistliche Leiter kämpfen nicht um Kompetenz und Macht, sondern darum, dass sich alle Christen dessen bewusst sind, dass sie Glieder am geistlichen Leib sind und Jesus ihr Herr ist. Was bedeutet, dass Christen einander dienen, füreinander sorgen, das Wachstum des anderen im Blick haben und seine Weiterentwicklung fördern. Und dies mit dem Ziel, dass sie die Dinge umsetzen können, die Gott von ihnen möchte. Wobei es dabei vor allem um die Veränderung des Charakters geht, oder um es geistlich auszudrücken: Es geht darum, dass Christen ihrem Herrn und Heiland, Jesus Christus, immer ähnlicher werden, auch wenn der Prozess dahin vielleicht ihr ganzes Leben andauern wird.
Letztlich geht es darum, dass Christen geistlich authentisch sind. Sprich: Dass sie nicht nur große Sprüche machen, sondern dass sie auch das tun, was sie sagen bzw. sich so verhalten, wie es sich für die Kinder des Königs aller Könige gehört.
Wie das in Bezug auf Leiterschaft aussehen kann, möchte ich aus drei verschiedenen Dimensionen beleuchten: Dabei geht es um Wissen, das Sie über Menschenführung bzw. Leiterschaft benötigen. Es geht um Ihre Persönlichkeit, die Sie nie ausklammern können, wenn es um die Führung von Menschen geht - Stichwort: Charakterbildung. Und es geht um die Praxis, in der all die Dinge durch die Persönlichkeit umgesetzt werden können, die Sie sich als theoretisches Wissen angeeignet haben. Zusammen genommen nennt man dies eine „Dienstbefähigung“.
Ursprünglich stammt diese Dreiteilung von Dr. Stephen R. Covey, der z.B. den Bestseller „Die sieben Wege zur Effektivität“ geschrieben hat. Darin wird in der Einführung zu seinen Strategien die nebenstehende Grafik erläutert. Mittlerweile hat dieses Konzept Weltruhm erlangt. Es geht darum, dass in allen Bereichen von Leben und Arbeit diese drei Dimensionen zusammengehören. Wenn im Rahmen einer Persönlichkeit, eines Willens bzw. eines Charakters Theorie und Praxis zusammenkommen, wird dies immer zu einem Ergebnis führen, ob das nun Lebensgewohnheiten oder irgendwelche andere Befähigungen sind. Nimmt man allerdings eine Dimension heraus, wird sich kein Gesamtbild ergeben.
Sehr gut vertiefen lässt sich dies mit einer Bibelstelle, die die angesprochenen Dimensionen aus biblischer Sicht beleuchtet. Es sind Sätze aus dem ersten Brief des Apostels Petrus:
„Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“ (1. Petrus 5,2-4)
Wir beginnen im oberen, linken Kreis des Diagramms, mit „Wissen“. Wenn Sie sich mit Wissen auseinandersetzen, steht dabei immer die Frage nach dem „Was?“ im Raum: Was müssen Sie wissen? Der Apostel Petrus gibt Ihnen ein paar Antworten, wenn es um die Grundanliegen von Leiterschaft geht. Folgende Fragen können Ihnen helfen, die Antworten selbst zu finden:
Wie weide ich die Herde?
Welche Bedürfnisse haben eigentlich „meine“ Schafe?
Wie kann ich Vorbild sein?
Wenn Sie sich den Bibeltext für die Dimension „Persönlichkeit“ anschauen, begegnen Ihnen dazu Worte wie „freiwillig“, „wie es Gott gefällt“, „von Herzensgrund“ und „als Vorbilder der Herde“. Eigenschaften, die eine Persönlichkeit ausmachen, hier allerdings auf die Leitung einer Gemeinde bezogen.
Wenn Sie nun die beiden Dimensionen, Wissen und Persönlichkeit verbinden, ergeben sich Verbindungslinien bzw. Überschneidungen, die Sie als Leiter direkt beeinflussen werden. Beispiel: Sie eignen sich Wissen darüber an, wie Sie für andere Menschen Vorbild sein können, und versuchen dies auch umzusetzen. Das wird sowohl Ihren Wissensschatz erweitern als auch Ihre Persönlichkeit verändern.
Bei bewusster Umsetzung wird es deshalb auch Einfluss auf die „Praxis“ Ihrer Führungsarbeit nehmen. Denn Petrus bleibt in diesem kurzen Abschnitt nicht theoretisch, sondern beschreibt ein paar Aufgaben, die für Leiterschaft unersetzlich sind. Wenn ich es recht sehe, könnten dies folgende sein:
die Herde weiden
die Schafe führen
auf die Herde achten
Rechenschaft ablegen
In der Summe fördert ein Handeln entsprechend dieser Dimensionen Ihre Befähigung zum Dienst. Es ist also wichtig, dass Sie Ihre Lernbereitschaft niemals verlieren, sondern immer wissbegierig und neugierig bleiben. Dabei sollte es allerdings nicht nur beim Kopfwissen bleiben, sondern alles Wissen, das Sie sich aneignen, sollte auch Ihre Persönlichkeit prägen und formen dürfen. Wenn Sie dieses Anliegen zu Ihrem täglichen Gebet und Ihrer Bitte an den Heiligen Geist machen, wird es ganz sicher Auswirkungen auf die Praxis Ihrer Leiterschaft haben. Der Apostel Paulus bestätigt dies in Philipper 4,13: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht!“
Und dies alles unter der Vorgabe, die Jesus selbst seinen Jüngern mitgegeben hat. Meditieren Sie dazu über der Bibelstelle aus dem Matthäus-Evangelium, die ich weiter oben schon einmal angeführt habe:
„Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20,25-28)
Henry Nouwen schreibt in diesem Zusammenhang über die Leiter der Zukunft Folgendes:
„Die entscheidende Frage ist: Sind die Leiter der Zukunft wahre Männer und Frauen Gottes, Menschen mit einem brennenden Verlangen, in Gottes Gegenwart zu wohnen, auf Gottes Stimme zu hören, Gottes Schönheit zu betrachten, Gottes fleischgewordenes Wort zu berühren und die Fülle der unendlichen Güte Gottes zu schmecken ..? Christliche Führer können nicht einfach nur Menschen sein, die wohlbegründete Meinungen zu den brennenden Themen unserer Zeit haben. Ihre Leiterschaft muss verwurzelt sein in einer dauernden, innigen Beziehung zum fleischgewordenen Wort, Jesus. Dort müssen sie die Quelle ihrer Worte, ihrer Ratschläge und ihrer Führerschaft finden. Durch das Einüben des kontemplativen Gebets müssen christliche Führer lernen, immer und immer wieder auf die Stimme der Liebe zu hören, um darin die Weisheit und den Mut zu finden, sich jedwedem Thema zu stellen, das auf sie zukommt.“3
Zusammenfassend könnte man demnach sagen: Ganzheitliche Leiterschaft bedeutet, dass Sie sowohl Ihrem Gott als auch den Menschen mit Ihrem Verstand (Wissen), mit Ihrem Herzen (Persönlichkeit) und mit Ihren Händen (Praxis) dienen. Das ist Leiterschaft als „trinitarische“ Aufgabe des ganzen Menschen, mit Geist, Seele und Leib.
Diese Form der Führung möchte ich vertiefen, indem wir die Bibel befragen, was sie zum Thema Führung und Leitung zu sagen hat.
Der Begriff „Leiterschaft“ oder „Leitung“ erscheint im Neuen Testament der Bibel zweimal als Teil einer Gabenliste und an anderen Stellen als Bezeichnung eines Dienstes in der Gemeinde. Daraus ergeben sich drei Definitionen von Leiten:
(1) Leiten heißt: Vorstehen und Verantwortung tragen
Paulus schreibt in seinem Brief an die Christen in Rom: „Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig“ (Römer 12,8). Oder anders übersetzt: „Wenn jemand Gemeinde leitet, dann tue er es mit Eifer/ Fleiß“. Das hier verwendete griechische Wort für vorstehen oder leiten bezeichnet normalerweise eine Führungsfunktion in der Armee, im Staat oder in einer Partei.
Also „leiten“ so verstanden, dass sich derjenige seiner Verantwortung bewusst ist, der die Gemeinde leiten soll, und nicht so, dass es nur darauf ankommt, das Leitungsamt zu besetzen, egal ob der potenzielle Anwärter dafür geeignet ist oder nicht.
Das kenne ich so auch aus meiner Zeit bei der Bundewehr. Der Leiter einer Kompanie war nicht derjenige, der sich seines Amtes freute, während alle anderen machen konnten, was sie wollten. Ganz im Gegenteil. Der Kompaniechef achtete auf seine Soldaten und darauf, dass sie auch umsetzten, was „von oben“ vorgegeben war. Damit war auch eine hohe Verantwortung verbunden. Er konnte nicht einfach nach Lust und Laune handeln, sondern musste im Sinne des Auftrags und seiner Vorgesetzten und Untergebenen darüber wachen, dass bei der Umsetzung alles in geordneten Bahnen verläuft.
Ganz sicher geht es in der Gemeinde Jesu nicht um Befehl und Gehorsam. Auch wenn es manche vielleicht gerne so hätten. Es geht nicht um blinden Gehorsam, der in vergangenen Weltkriegen unsägliches Leid angerichtet hat, weil jeder Untergebene praktisch sein Gehirn ausschalten musste, um das zu tun, was befohlen war.
Nein, darum geht es Paulus nicht. Dennoch sagt er mit deutlichen Worten, dass Gemeinde Jesu letzten Endes keine Demokratie ist, in der die gemeinsame „Meinung des Volkes“ das Sagen hat und man ganz bestimmt jeden mitbestimmen lassen müsste, frei nach dem Motto: „Alle Macht den Gemeindegliedern!“
Gemeinde ist nach Paulus weder die Diktatur der Gemeindeleitung noch die Demokratie der Gemeindeglieder. Paulus möchte deutlich machen, dass wir als Gemeinde Jesu eine Art Christokratie bzw. Theokratie sind. Das bedeutet für mich, dass sich alles nur um das drehen soll, was Gott von seinen Nachfolgern möchte. Dazu muss eine Gemeindeleitung manchmal auch „einsame Entscheidungen“ treffen, auch wenn sie in den allermeisten Fällen gut daran tun wird, die Gemeinde zu dem zu befragen, was zu entscheiden ist. Das muss jedoch von Fall zu Fall und sehr individuell entschieden werden.
Paulus teilt im Römerbrief mit, dass Gott in der Gemeinde die Leiter einsetzen möchte, die die Gemeinde dorthin führen, wo Gott selbst sie haben möchte. Das ist mit hoher Verantwortung verbunden, nicht nur für die Gemeindeleitung, sondern auch für die Gemeinde selbst. Nicht umsonst ist in Hebräer 13,17 (Elberfelder Übersetzung) zu lesen:
„Gehorcht und fügt euch euren Führern! Denn sie wachen über eure Seelen, als solche, die Rechenschaft geben werden, damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre nicht nützlich für euch!“
(2) Leiten heißt: Lenken, Beeinflussen, Ziele ansteuern
Paulus schreibt in 1. Korinther 12,28: „Gott hat in der Gemeinde eingesetzt [...] zu leiten“. Das hier verwendete griechische Wort für leiten bezeichnet die Aufgaben eines Steuermannes in einem Boot, also im übertragenen Sinne die Aufgabe eines Lenkers oder Leiters.
Der Steuermann besaß im Altertum eine höhere Stellung als heute. Er war Kapitän und Steuermann zugleich. Die Schiffsbesatzung war ihm verantwortlich, und der Steuermann dem Schiffseigentümer, der irgendwo in einer Hafenstadt wohnte und ihn angeheuert hatte. Dieses Doppelverhältnis zeigt sehr gut, in welcher Position jeder steht, der aus Sicht der Bibel eine Leiterposition in der Gemeinde innehat: Die Gemeindeglieder sind dem Leiter oder dem Leitungskreis verantwortlich, den sie aus ihrer Mitte gewählt oder berufen haben. Und die Leiter sind ihrem Gott verantwortlich, oder denen, die Gott über sie gesetzt hat.
Dies bedeutet aber auch, dass damit eine verantwortliche Leiterschaft eingesetzt ist und nicht mehr jedes Gemeindeglied machen kann, wonach ihm gerade ist. Auf hoher See konnte auch nicht jeder Seemann ein Segel setzen, wann er es wollte. Oder einfach den Anker werfen, wenn er der Meinung war, dass er an einem schönen Platz zum Ausruhen angekommen wäre.
Das alles musste mit dem Steuermann und Kapitän abgesprochen sein, damit das Schiff den nächsten Hafen auch erreichen konnte. Welche Beziehung dabei der Steuermann zu seinen Leuten hatte, werde ich gleich noch ausführen. Auf jeden Fall war klar: Der Steuermann hatte das Ziel vor Augen und versuchte seine Mannschaft auf dieses Ziel einzuschwören, und ihr Anweisungen und Tipps mitzugeben, wie sie gemeinsam dieses Ziel erreichen konnten. Also nicht aus dem Ärmel geschüttelt, frei nach dem Motto: „Stecken wir uns mal eben ein Ziel und schauen danach, ob und wie wir es erreichen können“. Sondern von einem bestimmten Standort aus und einer klaren Vorstellung davon, wie das Ziel erreicht werden könnte.
Peter Senge, der Autor des Buches „Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation“, spricht in diesem Zusammenhang von einer Kluft als Diskrepanz zwischen der Realität und dem Ziel. Er schreibt, dass diese Diskrepanz erst die gestalterische Kraft schenkt, die wir brauchen, um uns von dem Punkt, an dem wir stehen, zu dem Punkt zu begeben, an dem wir gerne sein möchten. Dies bezeichnet er als „kreative Spannung“. Das muss man sich vorstellen wie bei einem Gummiband, das um zwei Hände gelegt ist. Die eine Hand ist die Realität und die andere Hand ist das Ziel oder die Vision. Solange beide Hände aufeinander liegen, ist alles entspannt; nichts bewegt sich, wie in manchen Gemeinden auch. Wenn sich das Band allerdings dadurch dehnt, dass sich die Hände auseinander bewegen, wird eine Spannung erzeugt.
Diese strebt normalerweise nach Entlastung bzw. in unserem Fall nach einer Lösung. In diesem Zustand der Spannung haben Sie zwei Möglichkeiten der Lösung: Erstens, Sie ziehen die Realität näher an das Ziel oder die Vision heran. Das bedeutet Arbeit, weil Sie das Ziel oder die Vision immer wieder hinterfragen und neu ausrichten müssen. Die Monats- bzw. Jahresziele müssen immer wieder überprüft werden, ob sie noch helfen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Menschen müssen motiviert werden, sich diesen Zielen zu verschreiben, usw.
Oder Sie wählen die zweite Möglichkeit, die Ziele oder die Vision näher an die Realität heranzuziehen. Das ist einfacher: Wenn etwas nicht vorwärts geht, einfach die Ziele nach unten korrigieren, und vielleicht sogar die Vision in der Weise verändern, dass sie auch ohne großen Aufwand erreicht werden kann.
Für welche der beiden Möglichkeiten Sie sich entscheiden hängt vermutlich davon ab, wie sehr Sie Ihre Ziele oder die Vision Ihrer Gemeinde verinnerlicht haben bzw. wie wichtig Ihnen das alles ist. Die Diskrepanz oder Spannung ist also wichtig, aber Sie müssen sich immer gut überlegen, in welche Richtung Sie diese auflösen möchten.
Auf der anderen Seite darf die Spannung auch nicht zu groß werden. Sie dürfen also Ihre Ziele nicht zu groß formulieren oder zu weit stecken, sonst reißt das Spannungsband durch Frustration oder Ähnliches, und es wäre im Grunde das Gleiche erreicht, wie Ihre Ziele an die Realität der Gemeindesituation anzupassen.
Lenken, Beeinflussen, Ziele ansteuern heißt also nichts anderes, als die Realität zu beschreiben und Ziele zu erarbeiten, die eine kreative Spannung erzeugen. Eine Spannung, die Menschen brauchen, um sich in Bewegung zu setzen. Nichts anderes ist die Aufgabe eines Leiters in der Gemeinde, oder auch in einer Zell- oder Dienstgruppe, sei es Hauskreis, Kinder- und Jugendarbeit, Putz-Team, Gottesdienst-Team, usw.
Mit diesem Bild des Steuermannes wird deutlich, wie wichtig zielorientierte Leitung in der Gemeinde ist, und warum es ein sehr verantwortungsloses Verhalten sein kann, wenn Sie jeden machen lassen, wonach ihm gerade ist.
Auf der anderen Seite gibt es mancherorts auch das Problem, dass nicht geleitet sondern nur organisiert wird. In solchen Fällen versuchen manche, die eine „gute Idee“ oder „bessere“ Ziele oder Pläne haben, das Ruder in die Hand zu nehmen. Dazu sagte der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln: „Wer im Leben kein Ziel hat, verläuft sich“. Lassen Sie es nicht zu, dass sich Ihre Gemeinde verläuft, nur weil Sie nicht lenken, beeinflussen und Ziele setzen.
(3) Leiten heißt: Wachen, Versorgen, zur Reife führen
Ein biblisches Leitmotto hierzu sind die Sätze aus Epheser 4,11-14:
„Und er - Jesus - hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.“
In der Frühzeit der Gemeinde Jesu wurden die verschiedenen Leitungsaufgaben nicht als Ämter bezeichnet, sondern es waren einfach verschiedene Dienste, mit denen der Herr der Gemeinde, Jesus Christus, einzelne seiner Jünger betraut hatte. „Ältester“, „Aufseher“, „Leiter“ und „Hirte“ sind dabei Begriffe, die durchaus wechselseitig verwendet wurden. Beispielsweise werden in 1. Petrus 5,1-4 die Begriffe Älteste und Hirte wechselseitig für die gleiche Aufgabe verwendet.
In Hebräer 13,17 und 1. Petrus 5,2 haben Leiter und Hirten dieselbe Aufgabe, nämlich über die ihnen anvertrauten Menschen zu wachen und sie zur Reife zu führen. In Titus 1,5-7 wird dieselbe Personengruppe einmal als Älteste und einmal als Aufseher bezeichnet. Und in Apostelgeschichte 20,17+28 werden dieselben Personen nacheinander Älteste, Aufseher und Hirten genannt.
Wozu dann diese verschiedenen Bezeichnungen für die Gabe der Leitung? Die verschiedenen Begriffe benennen verschiedene Aufgabenschwerpunkte, die zum Leiten gehören:
Hirte sein bedeutet weiden, versorgen, wachen, leiten.
Aufseher sein bedeutet Kontrolle und Korrektur.
Leiter sein betont am stärksten das Hinführen zur Reife.
Ältester sein bezeichnet mehr die Person des Ältesten als seine Aufgabe: Es handelt sich um eine reife - nicht unbedingt alte Person, der man mit Achtung begegnet.
Zeitreihe von Bibeltexten über Gemeindeleitung
Datum
Apostelgeschichte und Briefe
Ereignisse
45 n. Chr.
Apostelgeschichte 11,30
Die Ältesten in Judäa
45-47 n. Chr.
Jakobus 5,13-16
Das Gebet der Ältesten und der Heilungsdienst
47 n. Chr.
Apostelgeschichte 14,21-23
Paulus und Barnabas ernennen Älteste
48-49 n. Chr.
Galater 6,6
Materielle Unterstützung für geistliche Leiter
49 n. Chr.
Apostelgeschichte 15,1-32
Apostel und Älteste in Jerusalem
49-50 n. Chr.
Apostelgeschichte 16,4
Übergabe des Briefes der Apostel und Ältesten
51 n. Chr.
1. Thessalonicher 5,12-13
Aufseher achten und ehren
58 n. Chr.
Apostelgeschichte 20,17-38
Die Anweisungen von Paulus an die Ältesten und Aufseher in Ephesus
58 n. Chr.
Apostelgeschichte 21,17-26
Paulus trifft sich mit Jakobus und den Ältesten in Jerusalem
61 n. Chr.
Philipper 1,1
Paulus grüßt die Aufseher und Diakone in Philippi
63 n. Chr.
1. Timotheus 3,1-13
Eignungsvoraussetzungen für Älteste und Diakone
63 n. Chr.
1. Timotheus 4,13-14
Paulus, die Ältesten und die Gabe von Timotheus (2. Timotheus 1,6)
63 n. Chr.
1. Timotheus 5,17-18
Materielle Unterstützung einiger Ältester
63 n. Chr.
1. Timotheus 5,19-20
Älteste schützen und in Zucht nehmen
63 n. Chr.
1. Petrus 5,1-4
Die Anweisungen von Petrus an die Ältesten und Aufseher
65 n. Chr.
Titus 1,5-16
Eignungsvoraussetzungen für Älteste und Aufseher
64-68 n. Chr.
Hebräer 13,7.17.24
Die Anweisung, geistliche Leiter nachzuahmen
Bei all diesen neutestamentlichen Beschreibungen der Leitungsaufgaben fällt jedoch eine zweifache Beziehung des Leiters immer wieder auf: Jeder Leiter, ganz egal in welchem Dienst in der Gemeinde er einer Gruppe von Menschen vorgestanden hat, wird nach der Bibel einmal dem Herrn der Gemeinde Rechenschaft ablegen müssen über die Arbeit, die er oder sie getan hat. Das wird ausnahmslos so sein (vgl. Hebräer 13,17; 1. Petrus 5,4).
Und darum ist es vielleicht auch gar nicht so weise zu versuchen, mit „guten Ideen“ oder „besseren“ Zielen und Plänen Einfluss auf eine Gemeinde nehmen zu wollen. Vor Gott zählt nicht das Amt, in das ein Mensch eingesetzt wurde, sondern die Ausführung des Dienstes, in dem ein Mensch gestanden oder sich selbst gestellt hat.
Das war für mich z.B. der Grund, warum ich mich in einer bestimmten Gemeindesituation nicht selbst um den Dienst des dortigen ehrenamtlichen Gemeindeleiters beworben habe. Natürlich war ich gerne bereit, die notwendige Verantwortung zu tragen. Und als ehemaliger Pastor, der 10 Jahre in Gemeinden gedient hatte, war auch einiges an Erfahrung vorhanden. Aber ob ein Mensch in die Aufgabe der Gemeindeleitung berufen werden soll, muss die Gemeinde bzw. deren Älteste entscheiden, denn sie müssen „ihrem“ Gemeindeleiter in seiner Verantwortung auch beistehen. Darum habe ich damals so lange gewartet, bis ich vom leitenden Pastor angefragt wurde.
Mit dem praktischen Dienst in der Gemeindeleitung ist also auch Verantwortung verbunden, weil ein Mitglied eines Leitungsteams immer in Beziehung zu Gott steht, der der Herr der Gemeinde ist und seine Gemeinde selbst bauen möchte (Matthäus 16,18).
Die zweite Beziehung, die ein Leiter leben und derer er sich bewusst sein muss ist, dass er Verantwortung trägt für die Menschen, die ihm vom Herrn der Gemeinde anvertraut wurden (1. Petrus 5,2-3). Dabei geht es nicht nur um die Personen in der Leitung der Gemeinde, sondern auch um Gemeindeglieder und die Dienste in der Gemeinde, für die diese Menschen verantwortlich sind.
Ich hatte dieses Kapitel begonnen mit der Aussage:
»Es ist Gottes Gnade, wenn du Führungskraft hast, aber „Gnade dir Gott“, wenn du Führungskraft bist!«
Ich gebe zu, sie ist sehr provokativ und stark formuliert. Doch kann sich das Leben einer Führungskraft genau auf solch ein Szenario zubewegen, wenn es kein wirkliches Fundament hat. Nach meiner Erfahrung ist die Mitarbeit in der Leitung einer Gemeinde eine der schönsten Aufgaben, die es gibt, wenn sie auf einem geistlichen Fundament steht.
Auf den vorangegangenen Seiten habe ich versucht, solch ein Fundament zu legen, indem ich auf die drei Dimensionen von Leiterschaft hingewiesen habe: Wissen, Persönlichkeit und Praxis. Wenn diese gut zusammenspielen, ergibt sich daraus eine Dienstbefähigung, die hilfreich ist, wenn es um die Umsetzung von der Theorie in die Praxis geht.
Dies alles wird Ihnen jedoch nur dann etwas nützen, wenn die menschliche Art der Befähigung zum Dienst auf einem Fundament steht, das einen Eckstein hat, Jesus Christus (vgl. Epheser 2,20). Und deshalb möchte ich dieses Kapitel schließen, indem ich Sie noch einmal auf die beiden zentralen Verse hinweise, die dieses Kapitel geprägt haben. Bitte meditieren Sie über diesen Versen immer wieder mit der Fragestellung: Was haben diese Worte für mich als Leiter zu bedeuten? Und dann lassen Sie sich vom Heiligen Geist Ihren Weg zeigen (vgl. Psalm 32,8). Es geht nichts über ein gutes, geistliches Fundament!
„Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Matthäus 20,25-28)
„Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“ (1. Petrus 5,2-4)
2 Blanchard: Jesus-Prinzip, S. 62f.
3 Nouwen, Henry: Adam, God's Beloved, Maryknoll, NY 1997, S. 31, in Jersak, Brad: Kannst du mich hören? Auf Empfang sein, wenn Gott redet, Lüdenscheid 22009, S. 257.
„Führungsaufgaben erfüllt nicht, wer Menschen zu seinen Bediensteten herabwürdigt, sondern wer sich selbstlos in ihren Dienst begibt.“4
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28,18-20)
Kennen Sie Joseph von Zypern? Die Apostel des Neuen Testaments gaben ihm einen Künstlernamen, den man mit „Sohn des Trostes“ oder auch mit „der Mann, der anderen Mut macht“ übersetzen könnte. Dieser Künstlername war Barnabas (vgl. Apostelgeschichte 4,36). In Apostelgeschichte 11,23-24 wird von ihm gesagt, dass er ein fröhlicher, guter und auch ermutigender Mensch war, voll Heiligen Geistes und persönlichen Glaubens. Weiteren Berichten zufolge war er auch ein erfolgreicher Evangelist. Könnte er damit ein Vorbild für Leiterschaft sein?
Was ist überhaupt unter „Leiterschaft“ zu verstehen? Vielleicht nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um für sich selbst über diesen Begriff nachzudenken. Was für Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie den Begriff „Leiterschaft“ hören? Welche Erfahrungen verbinden Sie mit Leiterschaft, vielleicht in der Gemeinde, zu der Sie gehören, oder in der Sie vielleicht sogar eine Leitungsaufgabe haben? Oswald Sanders definiert den Begriff „Leiterschaft“ folgendermaßen: „Vollmächtiges Führen bedeutet Einfluss haben. Ein Mensch kann andere nur so weit führen, wie er sie beeinflussen kann“5. Lord Montgomery6 definiert den Begriff so: „Leitung bedeutet, den Willen und die Fähigkeit dazu haben, Männer und Frauen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenzubringen, und einen Charakter zu besitzen, der Vertrauen einflößt“7. Dr. John R. Mott8 erklärt dazu: „Ein Leiter ist ein Mann, der den Weg kennt, der vorangeht und andere nach sich zieht“9. Und schließlich noch Dr. J. Robert Clinton, der es folgendermaßen umschreibt: „Leiterschaft ist ein dynamischer Prozess, in dem ein Mann oder eine Frau mit den von Gott gegebenen Fähigkeiten eine bestimmte Gruppe von Menschen Gottes in Bezug auf Seine Absichten mit dieser Gruppe beeinflusst“10.
Wenn man sich diese Definitionen genauer anschaut, kristallisiert sich ein Schlüsselbegriff heraus: Einfluss nehmen. Menschen, die andere Menschen führen, nehmen automatisch Einfluss auf diese Menschen.
Wenn man dies zu Ende denkt wird deutlich, warum der Charakter des Leiters in der Menschenführung eine solch entscheidende Rolle spielt. Theodore Roosevelt (26. Präsident der USA) sagte einmal: „Der entscheidende Faktor im Leben des Einzelnen wie der Nation ist auf lange Sicht der Charakter“. Bei der Frage, ob er Recht hat, könnte uns eine Geschichte aus einem Kompetenzcenter11 helfen. Sie dürfen am Ende raten, ob diese Geschichte wahr ist, oder einfach nur eine übertriebene Erzählung:
Herr Maier wurde Geschäftsführer eines neuen Kompetenzcenters eines Konzerns. In den vergangenen Jahren waren die besten Fachleute weltweit ausgewählt worden, um in diesem neuen Projekt zusammenzuarbeiten. Er wurde von vielen Kollegen beneidet, mit den Besten der Besten zusammenarbeiten zu dürfen. Die Namen des vorgesehenen Teams lasen sich wie das Who-is-Who der Szene. Der Schrecken begann gleich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit, als einer seiner Experten sich weigerte, zu einer Teamstartveranstaltung zu kommen. Dort sei ein anderer Kollege, dieser habe ihn vor zehn Jahren öffentlich beleidigt. In der gleichen Firma zu arbeiten, sei gerade noch tolerierbar, aber er würde nie denselben Raum betreten wie dieser Kollege.
Ein anderer Experte ließ hoch beleidigt anrufen, er sei sich nicht sicher, ob er mit der Einladung gemeint sei. Denn die Anrede sei nicht korrekt. Sein Professoren-, Doktor- und Funktionstitel war - wie hausintern üblich - weggelassen worden. Das könne er jedoch nicht akzeptieren. Ob man ihm eine korrigierte Einladung zusenden könne, sonst sehe er sich leider nicht imstande zu kommen. Wieder ein anderer meldete sich. Er sei hier, um zu arbeiten, deswegen werde er an solchen Treffen prinzipiell nicht teilnehmen. Innerhalb kürzester Zeit sprachen sich diese Fakten auch noch bei anderen Mitarbeitern herum.
Das Center war in Aufruhr und Herrn Maiers Zeitplan total durcheinander. Zuerst musste er den beleidigten Kollegen besuchen, dann stundenlange Versuche unternehmen, die zerstrittenen Kollegen doch für eine Teilnahme zu gewinnen. Die Gespräche waren extrem erniedrigend für ihn. Sein beleidigtes Gegenüber strotzte nur so von Arroganz und Eitelkeit, die er in scheinheilige Pseudo-Sachargumente verpackte. Kaum in sein Büro zurückgekehrt, warteten zwei Mitarbeitervertreter, die extrem erbost waren und sich von den Experten nur als moderne Sklaven benutzt sahen, mit der Hauptaufgabe, den hohen Herren zu huldigen und in den Mantel zu helfen, begleitet von stundenlangen sinnlosen Meetings, die der Selbstdarstellung und Machtdemonstration dienten.
Soweit diese Geschichte. Nun sind Sie dran. Was denken Sie: ist diese Geschichte wahr oder ist sie hoffnungslos übertrieben? Nicht weiterlesen, zuerst entscheiden! + + + + + +
Diese Geschichte ist geschehen im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Nach dem Autor, Jörg Knoblauch, gibt es noch mehr solcher Beispiele: Da musste z.B. ein neuer Unternehmensstandort in einer strukturschwachen Gegend bald wieder geschlossen werden, nur wegen Machtgerangel zwischen zwei Parteien. Im Grunde war es ein riesiger Kindergarten, der einen wirtschaftlichen Schaden von ca. 500 Millionen Euro anrichtete und einige hundert Arbeitsplätze kostete. Natürlich wurde das alles gut begründet, diese Gründe hatten jedoch nichts mit der Realität zu tun12. Es war schlicht und ergreifend eine Katastrophe, verursacht von charakterschwachen Führungspersönlichkeiten.
In unserer deutschen Wirtschaft entstehen jedes Jahr Milliardenschäden aufgrund von extremen Charakterschwächen auf allen Führungsebenen, wobei dabei der immense Verlust an Zeit und an Lebensqualität noch gar nicht berücksichtigt ist.
Stephen Covey hat dazu, beim Durchforsten der Erfolgsliteratur der letzten 200 Jahre, ein paar interessante Beobachtungen gemacht. Die Quintessenz dieser älteren Literatur war einhellig: „Säe einen Charakter und du erntest ein reiches Leben“. Das heißt, es wurde zur damaligen Zeit eine sehr starke Ethik des Charakters vertreten. Die Literatur der vergangenen 50 Jahre stand dagegen eher unter dem Aspekt der Ethik des Images, frei nach dem Motto: „Tu so, als ob du einen starken Charakter hast und du erntest dasselbe, als wenn du einen hättest“. Sprich: Image ist alles! Zeige, was du hast, aber nicht unbedingt, wer du bist.
Und noch ein letztes Zitat, das uns auf die geistliche bzw. Gemeindeebene bringen wird. Es ist aus einem Buch von William MacDonald:13 „Dr. Howard Hendricks weiß von 246 Männern zu berichten, die im vollzeitlichen Dienst begonnen hatten und innerhalb von 2 Jahren moralisch versagten. Fast 250 Männer also haben innerhalb von 24 Monaten Schiffbruch erlitten. Das sind ungefähr 10 jeden Monat, die sich [...] disqualifiziert hatten. Dr. Paul Beck schätzt, dass nur ein Zehntel derer, die mit 21 Jahren in den vollzeitlichen Dienst für den Herrn gehen, mit 65 Jahren noch Christus predigen. Neun von zehn fallen aus. »Manche kommen moralisch zu Fall, andere durch Entmutigung, wieder andere durch liberale Theologie. Auch Geldliebe wird etlichen zum Fallstrick«.“14
Ja, es gibt sie tatsächlich, diese zwei Seiten der Medaille, denen wir uns stellen müssen. Es gibt den Menschen, der an seinem Charakter arbeitet und den Menschen, der meint, an seinem Charakter zu arbeiten. Der eine macht eine gute Arbeit und der andere denkt so lange, dass er eine gute Arbeit macht, bis ihn die Realität vom Gegenteil überzeugen wird. Wenn Sie sich das Schaubild mit den drei Dimensionen von Leiterschaft noch einmal anschauen, befinden wir uns mit dieser Thematik mitten im Bereich der Persönlichkeit.
Es geht um ein „dienendes Herz“. Wenn Sie an die Beispiele und Statistiken von eben denken, können Sie deshalb die Arbeit am Charakter eines Leiters gar nicht hoch genug einschätzen. Ich persönlich habe zwar keine Aufzeichnungen und Umfragen gemacht, habe jedoch sowohl als Gemeinde-Coach als auch als Pastor und Gemeindeleiter viel zu oft negative Erfahrungen mit Leitern gemacht, die einen schwachen Charakter hatten. Wenn Sie selbst nicht zu diesen schwachen Führungskräften gehören möchten, fragen Sie sich bitte selbst einmal: Was macht eigentlich einen guten Charakter aus?
1985 begann Rob Lebow - damals noch Mitarbeiter des Microsoft-Gründers Bill Gates - damit, die Grundzüge eines positiven Arbeitsumfeldes für Unternehmen zu untersuchen. Lebow startete die Erforschung dieses „menschlichen Betriebssystems“ mit einer wissenschaftlichen Studie über persönliche und betriebliche Werte.
Als Grundlage dazu diente ihm ein Fragebogen, der von 17 Millionen Arbeitnehmern in 40 Ländern ausgefüllt wurde und die Frage beinhaltete, in welchem Umfeld Menschen bereit wären, Höchstleistungen zu erbringen. Heraus kamen acht persönliche Werte, die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern und Kulturen und Weltanschauungen übereinstimmend genannt hatten:
Ehrlichkeit
Vertrauen
Unterstützung
Offenheit
Risikobereitschaft
Anerkennung
Integrität
Selbstlosigkeit
Was für ein Umfeld! Wären Sie in solch einem Umfeld nicht auch bereit, Höchstleistungen zu bringen? Doch, wie kann solch ein Umfeld geschaffen werden, wenn Sie für Menschen verantwortlich sind?
Es lohnt sich, darüber etwas länger nachzudenken, und auch in der Bibel nachzuschauen. Dort können Sie z.B. einen Satz finden, der sehr gut zum Ausdruck bringt, wodurch sich der eigene Charakter entwickelt bzw. wie der eigene Charakter gestärkt wird. Er ist im Neuen Testament zu finden, in Galater 5,22-23: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit (Selbstbeherrschung oder Enthaltsamkeit); gegen all dies ist das Gesetz nicht“.
Manche Ausleger sagen, dass man bei diesem Ausspruch - nach der Satzstellung in den Urtexten - hinter dem Wort „Liebe“ eigentlich einen Doppelpunkt setzen müsste. Das würde auch die Einzahl des Wortes „Frucht“ erklären: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe:“ Und dann käme der Doppelpunkt, der besagen würde: Und diese Liebe äußert sich in „Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung“.
Wenn ein Mensch die Liebe Jesu in all diesen Ausprägungen zu leben vermag, kann man von einem sehr charakterstarken Menschen sprechen. Das ist jedoch nicht die Regel, weshalb es sicher ratsam ist, in der persönlichen Entwicklung den eigenen Charakter immer im Blick zu behalten.
Wenn Sie gleich damit anfangen möchten, empfehle ich Ihnen, eine kleine Übung, die Sie auf der folgenden Seite in Form eines Fragebogens vorfinden. Auf diesem Fragebogen können Sie sich auf einer Skala von 0 (negativ) bis 10 (positiv) selbst beurteilen.
Nehmen Sie sich bitte ca. 10-15 Minuten Zeit, schauen sich die Eigenschaften an und beurteilen Sie sich damit selbst. Bitte lesen Sie nicht einfach weiter. Machen Sie bitte zuerst den Test!
Meine negativen Charaktereigenschaften
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Meine positiven Charaktereigenschaften
Ich bin unehrlich, rede schön und suche Ausreden
Ich bin ehrlich (meine Worte stimmen mit der Realität überein)
Ich bin unzuverlässig
Ich bin zuverlässig
Ich bin humorlos
Ich bin freudig (freue mich über kleine und große Dinge)
Ich bin bequem
Ich bin fleißig
Ich bin opportun (meine Worte und mein Tun sind nicht stimmig)
Ich bin integer (meine Worte und mein Tun sind stimmig)
Ich bin unbeherrscht
Ich bin selbstbeherrscht
Ich rede anderen nach dem Mund, was mir günstig erscheint
Ich bin prinzipienorientiert
Ich bin egoistisch
Ich bin besorgt um das Wohl anderer
Ich bin ungeduldig
Ich bin geduldig
Ich bin besserwisserisch und arrogant
Ich bin belehrbar und lernwillig
Ich bin angeberisch
Ich bin bescheiden
Ich nutze aus, bin machtbesessen und selbstherrlich
Ich bin unterstützend, dienstleistend, hilfsbereit
Ich bin autoritär
Ich bin kooperationsbereit
Ich bin unbarmherzig
Ich bin barmherzig
Nach diesem Selbsttest möchte ich gerne, dass Sie herausfinden, wie sehr Ihre Sensibilität für die Dinge des Charakters schon gestiegen ist. Dies soll geschehen, indem Sie in der folgenden Situationsbeschreibung, aus einem Buch von Stephen Covey15, herausfinden, welches das Problem in der beschriebenen Situation sein könnte. Die Geschichte dazu trägt den Titel „Neulich in einer Bank“:
„Vor einiger Zeit wurde ich von einer Bank, die ein Problem mit der Moral ihrer Angestellten hatte, als Berater hinzugezogen. »Ich weiß nicht, was los ist!«, klagte der junge Direktor. Er war intelligent und charismatisch, hatte einen schnellen Aufstieg hinter sich, und musste jetzt sehen, dass seine Institution strauchelte. Die Profitabilität und der Gewinn waren stark gesunken. Dafür machte er seine Leute verantwortlich: »Ich kann ihnen die tollsten Anreize bieten, aber sie blasen einfach weiter Trübsal«. Er hatte Recht. Das Klima schien durch Argwohn und fehlendes Vertrauen vergiftet. Ich führte zwei Monate lang Workshops durch, doch es änderte sich nichts. Ich stand vor einem Rätsel. »Wie könnte man dem vertrauen, was hier vorgeht?«, war die typische Antwort der Leute. Doch niemand wollte mir sagen, wie es zu diesem Misstrauen gekommen war. In informellen Gesprächen kristallisierte sich dann allmählich die Wahrheit heraus.“
Soweit erst einmal. Bevor Sie weiterlesen möchte ich Sie bitten, folgende Frage zu beantworten: Welches Problem könnte sich hinter dem Misstrauen und der daraus resultierenden, miserablen Arbeitsmoral der Mitarbeiter verbergen?
Wenn Sie die Frage beantwortet haben, können Sie weiterlesen.
„Der Bankdirektor, der verheiratet war, hatte ein Verhältnis mit einer seiner Angestellten. Und alle wussten das! Jetzt war offensichtlich, dass die schlechte Leistung der Bank durch sein Verhalten verursacht wurde. Der größte Schaden, den dieser Mann anrichtete, betraf jedoch ihn selbst. Er dachte nur an sein Vergnügen und ließ die langfristigen Konsequenzen außer Acht. Außerdem hatte er ein Vertrauen verletzt, das ihm hätte heilig sein sollen: Das seiner Frau. Mit anderen Worten: Sein Misserfolg lag im Bereich des Charakters.“
Hier haben wir es mit einem Fall zu tun, den C. S. Lewis folgendermaßen beschreiben würde16: „Wenn Sie einem Menschen begegnen, der nicht an das wahre Richtig oder Falsch glaubt, wird eben jener Mensch einen Augenblick später genau darauf zurückgreifen. Er mag sein Versprechen Ihnen gegenüber brechen, aber wenn Sie versuchen, Ihr Versprechen ihm gegenüber zu brechen, wird er jammern: »Das ist doch nicht fair«, bevor Sie mit der Wimper zucken konnten“.
Das sind die Leiter, die nur auf ihr eigenes Wohl und ihre Bedürfnisse aus sind. Aber „gnade dir Gott“, wenn du es auch bist. Falls doch, können solche Leiter ziemlich unangenehm werden. Sie merken also: Die Entwicklung des Charakters ist sehr wichtig und wird Ihnen im Rahmen von Leiterschaft in der Gemeinde an allen Ecken und Enden begegnen. Fassen wir es deshalb zusammen, mit einer griffigen Definition von Andy Stanley: „Charakter ist der Wille, das Richtige zu tun, selbst wenn es schwerfällt!“
Und damit sind Sie nun bestens gerüstet für das, was ich als die Kernaufgabe geistlicher Leiterschaft bezeichnen würde. Diese finden Sie in einer Stelle aus dem Neuen Testament, die mein persönlicher Favorit in Bezug auf den Bau der Gemeinde ist:
„Und er (Jesus) hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.“
(Epheser 4,11-14)
Dahinter verbirgt sich nicht nur ein wunderbares Prinzip, sondern auch ein Auftrag an alle, die in einer Gemeinde Verantwortung tragen. Robert Logan hat einmal gesagt: „Wo immer wir mit Gemeinden zu tun haben, können wir Folgendes feststellen: Dort, wo ein Leiter seine Aufgabe primär darin sieht, die Arbeit selber zu tun, anstatt andere zum Dienst anzuleiten, ist das Wachstumspotential der Gemeinde äußerst begrenzt“17.
Solange eine Gemeinde noch klein ist, ist das alles noch nicht schwierig. Die Arbeit ist für den Leiter noch überschaubar, und es ist kein Problem, eine Ein-Mann-Show aus der Gemeinde zu machen. Aber mit zunehmendem Wachstum an Gemeindegliedern oder Arbeits- und Verantwortungsbereichen, kommen Sie an Systemen und Strategien nicht mehr vorbei, die weiteres Wachstum der Gemeinde und der Christen in der Gemeinde ermöglichen. Ich zitiere noch einmal Robert Logan:
„In dem Maße jedoch, wie sich der Leiter darauf konzentriert, ehrenamtliche Mitarbeiter zum Dienst anzuleiten, steigt das Wachstumspotential, da nun die Ressourcen der ganzen Gemeinde für den Dienst freigesetzt werden. Konzentriert er sich darauf, Menschen zum Dienst zu befähigen, so wird er erleben, dass mehr und mehr Christen in Leitungsaufgaben hineinwachsen. Ein »Schneeballeffekt« entsteht“18.
Ich habe versucht, dies mit Hilfe eines Dreiecks aus Epheser 4,11-14 abzuleiten. In der Struktur der ersten Gemeinden werden „einige“ zu Leitern bestimmt, die für die Gemeinde verantwortlich sind. Diese sollen „die Heiligen zurüsten“, damit das Werk Jesu getan werden kann - also viele davon sind Mitarbeiter. Das Ziel ist, dass „wir alle hingelangen“ zur Reife in Jesus Christus. Im Grunde also ein Prozess zur Entwicklung geistlichen Lebens, aus Sicht der Leiter, die Jesus eingesetzt hat.
In eine Struktur der Leitung einer Gemeinde umgesetzt, könnte es dann so aussehen, wie auf nebenstehendem Bild. Dabei wird die klassische Führungspyramide bewusst auf den Kopf gestellt, sodass sich, wie von Jesus gedacht (vgl. Matthäus 23,8-12), sowohl der Gemeindeleiter als auch die gesamte Gemeindeleitung am unteren Ende der Pyramide befinden.
Die Leitung der Gemeinde nimmt dadurch eine dienende Haltung ein, und fokussiert sich letzten Endes auf „die Menschen in der Umgebung“, auch wenn sie dabei die Gemeinde nicht aus dem Blick verlieren darf. Und das alles in einer Art und Weise, die von Fragen bestimmt ist, wie z.B.: Wie kann ich dir helfen? Was kann ich tun, damit du dein von Gott gegebenes Potential entfalten kannst?
Damit verbunden ist für mich das Bild des Adlers. Nicht nur, weil er sich in seiner majestätischen Art über den Rest der Welt in die Luft erheben kann, sondern weil er nicht so erdverbunden ist. Weil er Überblick hat und auch mal etwas riskiert, wie z.B. einen Sturzflug, um Beute zu machen. Er ist ein königlicher Jäger.
Im positiven Sinne sollten Leiter dies auch sein: Immer die Augen offen halten für die Menschen in der Gemeinde, und dabei den Überblick behalten, damit sie auch die Menschen nicht aus den Augen verlieren, die ohne eine Beziehung zu Jesus verloren gehen würden.
Diese Form der Leiterschaft spielt sich in der Praxis der Gemeindearbeit auf verschiedenen Ebenen ab. Führung von Menschen geschieht nicht nur im Rahmen der Gemeindeleitung, auch wenn es bei dieser Aufgabe am deutlichsten zu Tage tritt. Führung von Menschen findet sich auch noch in anderen Bereichen der Gemeinde. Ein Leitgedanke dazu könnte die Feststellung des Apostels Paulus sein, die er in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth trifft. Dabei geht es explizit um das Thema Leiterschaft:
„Und Gott hat in der Gemeinde eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede.“ (1. Korinther 12,28)
Luther hat das Wörtchen „zu leiten“ als Verb übersetzt. In anderen Übersetzungen findet sich dieses Wort auch als Substantiv und im Plural. Es handelt sich demnach um „Leitungen“. Nicht in der Art wie z.B. eine Wasserleitung, sondern es geht um verschiedene Arten von Leitung in der Gemeinde. Man spricht auch von verschiedenen Ebenen der Leiterschaft in der Gemeinde. Damit haben Sie auch ein gutes Instrument an der Hand, mit dem angehende Leiter langsam aber sicher an größere Aufgaben herangeführt werden können.
Das kann beginnen, indem sie auf der Ebene 1 einem Leiter eines Hauskreises (Zelle) oder einer Dienstgruppe (Lobpreis - Putz-Team Technik - etc.) als Co-Leiter oder Leiter-Azubi zur Seite stehen. An dessen Seite können sie Grundlagen von Leiterschaft kennenlernen und einüben, bevor sie durch Multiplikation der Zelle selbst die Leitungsaufgabe übernehmen.
Auf der Ebene 2 wäre es möglich, weitere Erfahrungen zu machen, indem z.B. der Leiter einer Zell- oder Dienstgruppe einen Leiter-Azubi anleitet oder die Betreuung und Fortbildung von mehreren Zell-Leitern übernimmt.
Auf der Ebene 3 befinden sich Leitungsaufgaben, die größere Bereiche der Gemeinde betreffen, wie z.B. Jugend-, Frauen-, Männer- oder Seniorenarbeit einer Gemeinde. Stellen sich bei einem Leiter auf der Ebene 3 besondere Befähigungen heraus, könnte er gleichzeitig die Begleitung anderer Bereichsleiter übernehmen.
Und schließlich geht es auf der Ebene 4 darum, in der Leitung der Gemeinde direkt mitzuarbeiten. Dies kann als Gemeindeleiter, als Ältester oder als Bereichsleiter geschehen. Auf diese Ebene sollten nur er