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Ein Ehemann muss her! Wenn Lucy diese Beförderung will, muss sie verheiratet sein. Vorher sollte sie dringend ihre Fähigkeiten im Bett auffrischen. Zwischen ihr und ihrem besten Freund Gideon knistert es seit jeher gewaltig - also warum nicht mit ihm üben? Er nimmt ihr alle Ängste und Hemmungen und weckt eine Lust in ihr, die sie nie für möglich gehalten hätte. Als sie sich schließlich mit den ersten Heiratswilligen trifft, steht Lucy vor der Frage: Sicherheit oder Verlangen?
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Seitenzahl: 285
MIRA® TASCHENBUCH
Copyright © 2018 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
2018 by Katee Hird Originaltitel: „Make Me Want“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DARE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./SARL Übersetzung: Rainer Nolden Coverabbildung: GettyImages_g-stockstudio, Epifantsev
ISBN E-Book 9783955769130
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E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
Für Tim.Die besten Geschichten entstehen oft erst aus zweiten Chancen.
Beinahe hätte Gideon Novak das Treffen abgesagt. Und wenn er auch nur einen Funken Ehrgefühl in der Brust gehabt hätte, dann hätte er es auch getan. Einige Dinge im Leben waren einfach zu gut für ihn, und Lucy Baudin stand zweifellos an erster Stelle auf der Liste. Dass sie sich jetzt wieder gemeldet hatte – zwei Jahre danach …
Konzentrier dich auf die Fakten!
Die Anwaltskanzlei Parker & Jones sah noch genauso aus wie bei seinem letzten Besuch. Das Team von Anwälten kümmerte sich überwiegend um Wirtschaftskriminalität – und hier vor allem um jene Fälle, die viel Geld versprachen. Diese Vorliebe spiegelte sich auch in der luxuriösen Ausstattung der Geschäftsräume. Pastelltöne an den Wänden und eine elegante, aber sachlich-nüchterne Inneneinrichtung vermittelten Vertrauen und sorgten für ein beruhigendes Ambiente.
Doch die hellblauen Wände und die Geradlinigkeit der Ausstattung konnten nicht verhindern, dass Gideons Anspannung mit jedem Schritt wuchs.
Normalerweise übernahm er keine Aufträge von Anwaltskanzleien. Als Headhunter bevorzugte er Technologie- oder Start-up-Unternehmen – oder anders gesagt: alles außer Juristen. Die litten nämlich ausnahmslos unter Kontrollzwang und bestanden darauf, bei jeder Kleinigkeit mitzureden – und zwar von Anfang bis Ende. Es war absolut lästig.
Du tust es für Lucy.
Im Lift auf dem Weg nach oben bemühte er sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. Als er noch mit ihr befreundet gewesen war, hatte sie ihr Büro auf der fünften Etage gehabt und sich mit Fällen herumschlagen müssen, die den erfahreneren Anwälten zu unwichtig erschienen – allerdings nicht zu unwichtig, um sie zu übernehmen. Inzwischen saß sie in der neunzehnten Etage, nur zwei Stockwerke unter Parker und Jones persönlich. Seit ihrer letzten Begegnung vor zwei Jahren hatte sie also vermutlich ordentlich Karriere gemacht. Sehr ordentlich sogar.
Die Aufzugtüren öffneten sich und gaben den Blick frei auf einen weitläufigen Empfangsraum, der ganz und gar nicht wie ein Wartezimmer aussah. Gideon erlebte es immer wieder: Je mehr Geld die Leute hatten, umso mehr Aufmerksamkeit wurde ihnen gewidmet. Die Kaffeebar und die Sitzgruppen mit Sofas und den Wirtschaftsmagazinen auf den Beistelltischen waren ein eindeutiger Hinweis auf diese Vorzugsbehandlung. Hinter dem Empfangstresen am Anfang des Korridors saß eine ältere Frau mit silbernen Strähnen in ihrem schwarzen Haar. Erstaunlich. Er hatte mit einer jungen Blondine gerechnet – oder einer Brünetten, sollten die Chefs ein bisschen risikofreudiger sein …
Als die Empfangsdame zu ihm aufschaute, hatte er das Gefühl, er sei in das Hoheitsgebiet eines Feldherrn eingedrungen. Sieh mal an! Sie hatten also jemanden eingestellt, der sich nicht einschüchtern ließ. Das musste jedem Besucher sofort ins Auge springen. Sehr praktisch, wenn es darum ging, unangenehme Klienten in Schach zu halten.
Vor dem Empfangstresen blieb Gideon stehen und bemühte sich, einen möglichst freundlichen Eindruck zu machen. „Ich möchte zu Lucy Baudin.“
„Sie erwartet Sie bereits.“ Damit wandte sich die Frau wieder ihrem Computer zu und beachtete ihn nicht weiter.
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er über ihre Qualifikationen nach – und ob sie gegebenenfalls bereit wäre, sich von einer anderen Firma abwerben zu lassen. Doch dann verscheuchte er diesen Gedanken wieder. Lucy ihre Empfangsdame abspenstig zu machen wäre wirklich kein guter Start für dieses Treffen.
Während der vergangenen Woche hatte er immer wieder darüber nachgedacht, warum Lucy ausgerechnet auf ihn gekommen war. In New York wimmelte es von Headhuntern. Gideon war zwar gut – um nicht zu sagen: einer der Besten –, aber angesichts ihrer gemeinsamen Vergangenheit hätte es doch bestimmt jemanden gegeben, der besser für diesen Auftrag geeignet wäre.
Du hättest ja Nein sagen können.
Ja, hätte er.
Aber er schuldete Lucy Baudin etwas. Ein einziges Treffen war nichts, das er ihr abschlagen konnte.
Er klopfte an die dunkle Holztür und öffnete sie sofort. Das Büro war hell und groß. Durch bodentiefe Fenster konnte man auf New York hinunterschauen. Ein L-förmiger Schreibtisch, vor dem zwei bequeme Sessel standen, beherrschte den Raum. Mit einem raschen Blick hatte Gideon die Atmosphäre des Büros in sich aufgenommen, ehe er seine Aufmerksamkeit auf die Frau hinter dem Schreibtisch richtete.
Lucy saß aufrecht und mit gestrafften Schultern auf ihrem Stuhl, als bereite sie sich mental auf eine Schlacht vor. Ihr langes dunkles Haar hatte sie auf eine Art zusammengebunden, die lässig aussah, aber vermutlich viel Zeit in Anspruch nahm. Sie streckte das schmale Kinn vor, was Gideon automatisch auf ihren Mund schauen ließ. Lucys Gesichtszüge waren ein bisschen zu markant, um als klassisch schön durchzugehen, aber ihre vollen Lippen waren von elegantem Schwung und immer zu einem Lächeln bereit. Sicherlich hätte sie auf dem Laufsteg ein Vermögen machen können.
Im Moment lächelte sie jedoch nicht.
„Lucy.“ Er schloss die Tür hinter sich und blieb erwartungsvoll stehen. Sie war es, die ihn hergebeten hatte. Eigentlich war er es nicht gewohnt, das Heft aus der Hand zu geben, aber für sie würde er eine Ausnahme machen.
Jedenfalls solange, bis er erfahren hatte, was sie von ihm wollte.
„Gideon. Setz dich bitte.“ Sie deutete auf die Stühle vor ihrem Schreibtisch.
Sie konnte vielleicht so tun, als sei ihre Zusammenkunft nur ein ganz gewöhnliches Bewerbungsgespräch, aber er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie trug ein dunkelgraues Kleid, das die Blässe ihrer Haut unterstrich. Die einzigen Farbtupfer waren ihre blauen Augen und die roten Lippen, und das alles ergab ein bewundernswertes Gesamtbild. Die Frau war wirklich ein Gottesgeschenk. Das war sie immer schon gewesen.
Konzentrier dich!
Sie hatte ihn nicht wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu diesem Treffen gebeten. Wenn sie auf professionelle Distanz bestand, würde er das respektieren. Es war das Mindeste, das er für sie tun konnte.
Gideon ließ sich auf den Stuhl fallen, beugte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf seine Knie. „Du hast gesagt, es geht um einen Job.“
„Ja.“ Eine leichte Röte überzog ihre blassen Wangen. „Die Angelegenheit ist natürlich streng vertraulich.“
Es war keine Frage, aber er gab ihr trotzdem eine Antwort. „Ich habe keine Geheimhaltungsvereinbarung vorbereitet, doch ich könnte das selbstverständlich tun, wenn das Ganze hier offiziell sein soll.“
„Das ist nicht nötig. Dein Wort, dass die Sache unter uns bleibt, reicht mir völlig aus.“
Allmählich wurde er neugierig. Viele seiner Klienten hatten in der Vergangenheit um Vertraulichkeit gebeten – es war eher die Regel als die Ausnahme –, aber dieses Mal fühlte es sich irgendwie anders an. Er verjagte den Gedanken und konzentrierte sich auf seinen Job. „Es wäre hilfreich, wenn du mir verraten würdest, was für eine Art Position du besetzen möchtest. Dann bekomme ich eine ungefähre Vorstellung von dem, worauf es dir ankommt, und wir können die Suche enger fassen.“
Der durchdringende Blick ihrer blauen Augen erschreckte ihn fast ein wenig. „Die Position, die ich besetzen muss, ist die eines Ehemanns.“
Verdutzt schüttelte Gideon den Kopf. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben. „Wie bitte?“
„Ein Ehemann.“ Sie hob die linke Hand und bewegte ihren Ringfinger. „Bevor du mich weiterhin anschaust wie ein Esel, will ich es dir erklären.“
Er schaute sie ganz bestimmt nicht wie ein Esel an. Ein Ehemann. Woher zum Teufel soll ich einen Ehemann für sie nehmen? Er öffnete den Mund, um ihr diese Frage zu stellen, aber Lucy kam ihm zuvor. „Der Zeitpunkt ist nicht ideal, aber mir ist gerüchteweise zu Ohren gekommen, dass ich am Ende des Jahres Teilhaberin werden soll. Normalerweise wäre das ein Grund zum Feiern, aber ein paar von den Alteingesessenen in der Kanzlei haben gewisse Vorurteile gegenüber alleinstehenden Frauen.“ Sie verdrehte die Augen. Eine typische Reaktion für Lucy. „Es wäre lächerlich, wenn es nicht eine ernstzunehmende Hürde auf dem Weg zu meinem angestrebten Ziel wäre. Aber ich habe erlebt, dass Georgia im letzten Jahr aus genau diesem Grund bei einer Beförderung übergangen wurde. Sie wollte nicht nachgeben, und deshalb haben sie sich für ihren männlichen Mitbewerber entschieden.“
Sie meinte es wirklich ernst.
Gideon holte tief Luft und versuchte, die Sache logisch anzugehen. Offenbar hatte sie lange darüber nachgedacht, und selbst wenn sie sich da in irgendeine verrückte Sache verrannt haben sollte, bedeutete das nicht, dass er es ihr ausreden musste. Diese Lucy war eine vollkommen andere Person als die, die er zuletzt gesehen hatte – in Tränen aufgelöst und am Boden zerstört. Das änderte freilich nichts an der Tatsache, dass sie immer noch Lucy war. Er würde ganz professionell reagieren und versuchen, sie zur Vernunft zu bringen.
Aber er schaffte es nicht, ruhig und gelassen zu antworten. „Bist du vollkommen verrückt geworden, Lucy? Ich bin Personal- und kein Heiratsvermittler. Und selbst, wenn ich einer wäre: Heiraten, nur um befördert zu werden, ist absolut schwachsinnig.“
„Wirklich?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die Leute heiraten aus viel schwachsinnigeren Gründen. Ich hätte fast mal aus Liebe geheiratet, und wir wissen beide, wie das ausgegangen ist. Es ist doch nichts Falsches daran, eine Ehe wie eine geschäftliche Vereinbarung zu betrachten. In vielen Kulturkreisen ist das durchaus üblich.“
„Wir reden nicht über andere Kulturkreise. Wir reden über dich.“
Wieder zuckte sie mit den Schultern. Als ob es ihr egal sei. Er hasste diese gespielte Gleichgültigkeit, aber es stand ihm nicht zu, ihr deswegen Vorwürfe zu machen.
Sie hielt seinem Blick stand. „Das ist sehr wichtig für mich, Gideon. Mit Kindern habe ich nichts am Hut – ich liebe meine Arbeit, und ein Baby wäre da nur im Weg –, aber ich bin einsam. Es wäre nicht schlecht, wenn es da jemanden gäbe, der abends auf einen wartet, selbst, wenn es nicht die Liebe deines Lebens ist. Vor allem, wenn es nicht die ganz große Liebe ist.“
„Lucy, das ist verrückt.“ Jedes ihrer Worte drohte, seine professionelle Fassade zum Einsturz zu bringen, was er auf jeden Fall vermeiden wollte. „Wo zum Teufel soll ich einen Ehemann für dich finden?“
„Genau da, wo du auch sonst deine Kandidaten für offene Stellen findest. Bei Bewerbungsgesprächen. Wir sind in New York – wenn du es nicht schaffst, einen Mann zu finden, der zumindest gewillt ist, darüber nachzudenken, dann schafft es keiner.“
Gideon wollte ihr gerade erklären, wie unmöglich das war, aber ein plötzliches Schuldgefühl ließ ihn innerhalten. Er hielt diesen Plan zwar für vollkommen bescheuert, und die Vorstellung, dass Lucy in einer Vernunftehe stranden könnte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er hätte bestimmt keine ruhige Minute mehr und würde dauernd an sie denken müssen …
Aber das hatte er schließlich nicht zu entscheiden.
Und zum Teil war es ja seine Schuld, dass sie im Moment allein war.
Verflucht!
Gideon straffte die Schultern. Egal, was er von dem Plan hielt – letzten Endes schuldete er Lucy etwas. Er wusste, dass ihr letzter Freund, dieser Mistkerl Jeff, sie nach Strich und Faden betrogen hatte. Trotzdem hatte Gideon einen Monat lang geschwiegen, ehe er ihr reinen Wein eingeschenkt hatte. Ein solches Schuldgefühl löste sich nicht einfach in Luft auf. Wenn sie ihn jetzt um Hilfe bat, lag es daran, dass ihr keine andere Wahl blieb. Wenn er ihren Wunsch jetzt ablehnte, würde sie das keineswegs von ihrem Ziel abbringen. Dickköpfig, wie sie nun mal war, würde sie einen anderen Weg finden.
Ihm blieb tatsächlich keine Wahl. Vor etwa zwei Jahren hatte er Lucy zuletzt gesehen, was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass er sie immer noch als Freundin betrachtete, und eine Freundin würde er niemals im Stich lassen, wenn sie ihn brauchte. Über Gideons moralische Integrität ließ sich vielleicht streiten. Aber seine Loyalität hatte niemals außer Zweifel gestanden.
Sie brauchte ihn. Und er hätte ihr auch dann geholfen, wenn er nicht in ihrer Schuld gestanden hätte.
Und wenn er bei diesem irrwitzigen Plan mitmachen würde, könnte er zumindest einen kühlen Kopf bewahren, um sie vor dem Schlimmsten zu schützen – wenn er sie schon nicht vor dem Leid hatte schützen können, das Jeff ihr zugefügt hatte.
Wenn sie verrückt genug war, überhaupt auf eine solche Idee zu kommen, dann wäre er eben verrückt genug, um sie dabei zu unterstützen. „Okay. Ich mache es.“
Lucy traute ihren Ohren nicht. Hatte er das wirklich gesagt? Es war zu schön, um wahr zu sein. Gideon Novak für ihre Absicht zu gewinnen war ihr letztes Ass im Ärmel. In ihrer verzweifelten Situation war er der Einzige, dem sie genug vertraute, um ihn mit der Suche nach einem Ehemann zu beauftragen. Obwohl sie tief in ihrem Herzen nicht mit seiner Zustimmung gerechnet hatte …
Er hat gesagt, er würde mir helfen. Der Schock saß so tief, dass sie ganze fünf Sekunden lang kein Wort hervorbringen konnte. Sag etwas. Du weißt doch, wie das funktioniert. Lass ihn bloß nicht deine Zweifel spüren. Das ist hier auch nichts anderes als ein Bewerbungsgespräch. Spiel deine Rolle! Sie räusperte sich. „Entschuldige bitte – hast du gerade Ja gesagt?“
„Ja.“ Er sah sie mit seinen dunklen Augen an. Um seine dichten langen Wimpern hatte sie ihn insgeheim immer beneidet. Für Lucy war Gideon immer schon auf verwirrende Weise viel zu attraktiv gewesen. Sein schwarzes Haar war auf lässige Art unordentlich – so hätte sie es beschrieben –, und sein markantes Kinn sowie seine vollen Lippen hätten sie nachts bestimmt um den Schlaf gebracht, wenn er nicht bloß ein Freund gewesen wäre.
Zumindest war er das mal.
Sie vertrieb den Gedanken – ebenso wie die schmerzhaften Gefühle, die immer dann hochzukommen drohten, wenn sie an ihre verkorkste Beziehung mit Jeff Larson dachte. Die war endgültig Geschichte. Bedauerlich war, dass ihre Freundschaft mit Gideon damals ebenfalls Schaden genommen hatte.
Doch das konnte sich jetzt ändern.
Gideon rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. „Wie hast du dir die Sache denn nun vorgestellt?“, riss er sie aus ihren Überlegungen.
Wenigstens darauf hatte sie eine Antwort. Lucy hatte sehr viel Zeit darauf verwendet, einen Schlachtplan zu entwickeln. Sie hatte sich vorgenommen, ihre Ziele mit so wenig Aufwand wie möglich zu erreichen: einen Ehemann ergattern und befördert werden. „Ich habe mir überlegt, dass du mir eine Aufstellung mit potenziellen Kandidaten zur Verfügung stellen könntest. Ich würde mich dann ein oder zwei Mal mit jedem treffen, und dann würden wir nach und nach die Liste zusammenstreichen, bis nur noch einer übrigbleibt.“
„Hmm.“ Nachdenklich trommelte er mit dem Finger auf sein Knie, was ihre Aufmerksamkeit von seinem Gesicht ablenkte. Sein Dreiteiler war für dieses Treffen eigentlich zu formell; trotzdem wirkte Gideon überhaupt nicht overdressed. Der graue Nadelstreifenanzug ließ ihn auf etwas altmodische Weise elegant erscheinen – als sei er direkt der Fernsehserie „Mad Men“ entsprungen.
Doch zu Lucys Glück hatte er höhere moralische Ansprüche als deren Titelheld Dan Draper.
Sie versuchte, unter seinem durchdringenden Blick nicht nervös zu werden. Normalerweise fiel es ihr leicht, distanziert und professionell zu bleiben, wenn sie ihr Anliegen erst einmal vorgebracht hatte. Genauso war es auch bei Gerichtsverhandlungen, wenn sie ihr Eröffnungs- und Schlussplädoyer hielt. Das weitere Vorgehen war dann allerdings eine andere Sache …
„Natürlich bin ich offen für Vorschläge.“ Bitte, schau mich an – ich bin absolut klar im Kopf!
„Natürlich.“ Er nickte, als träfe er soeben eine Entscheidung. „Sollten wir allerdings zusammenkommen – ich meine, geschäftlich –, dann zu meinen Konditionen. Ich suche die Männer aus. Ich organisiere die Treffen. Und wenn mir einer von ihnen nicht gefällt, habe ich ein Vetorecht.“
Vetorecht? Das gehört nicht zum Plan. Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Kommt nicht in Frage.“
„Du hast mich um Rat gefragt, Lucy. Das bedeutet, du hast Vertrauen in mein Urteilsvermögen.“ Er musterte sie so intensiv, dass sie sich ein wenig unbehaglich fühlte. „So sind die Bedingungen.“
Bedingungen. Verdammt, da fiel ihr noch etwas ein – das Wichtigste hatte sie glatt vergessen.
Es muss nicht das Wichtigste sein. Er weiß noch nicht, dass es ein Teil meines Plans ist. Ich könnte noch einen Rückzieher machen. Noch ist es nicht zu spät dafür …
Aber wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würde sie die tiefsitzende Furcht vor ihrem Ex niemals verlieren. Für den Rest ihres Lebens – und ihrer zukünftigen Ehe – würde sie dann an sich und an ihrem Mann zweifeln. So etwas konnte einen geradezu in den Wahnsinn treiben – und alles zerstören.
Das durfte sie auf keinen Fall zulassen, egal, wie demütigend es für sie auch sein mochte, Gideon in dieser Angelegenheit um Hilfe zu bitten.
Lucy schlug die Augen nieder, ehe sie weitersprach. Dabei zupfte sie ein wenig verlegen am Saum ihres Rocks. „Da ist noch etwas.“
„Ich höre.“
Plötzlich waren ihre Handflächen ganz feucht. Sie presste sie auf den Schreibtisch. „Triffst du dich momentan mit jemandem?“
„Was zum Teufel hat das mit deinem Auftrag zu tun?“
Eine ganze Menge! Sie hatte noch nie erlebt, dass Gideons Beziehungen länger als ein paar Wochen hielten, aber das bedeutete ja nicht unbedingt, dass er sich in den vergangenen zwei Jahren nicht geändert hatte. Der gesamte zweite Teil ihres Vorhabens beruhte jedoch darauf, dass er sich nicht verändert hatte.
Der Gideon, den sie gekannt hatte, war zwar ihr Freund gewesen, aber auch ein Playboy, wie er im Buche stand. Wenn er sich mit einer Frau traf, war es nie etwas Ernstes gewesen. Wenigstens nicht für ihn. Natürlich hatte er die Frauen nicht schlecht behandelt, aber er war auch nie lange mit ihnen zusammengeblieben. Auf dem College hatte Lucy die Gerüchte über seine Eroberungen und seine besonderen Fähigkeiten im Schlafzimmer mitbekommen – und die hörten sich so vielversprechend an, dass sich die meisten Frauen nicht um das Ablaufdatum scherten, das sofort rot aufleuchtete, sobald er eine Affäre mit ihnen begann.
Kurz gesagt: Er passte perfekt in Lucys Plan.
Sie musste es nur noch über sich bringen, die verflixten Worte auszusprechen. „Ich brauche … Nachhilfe“, gestand sie schließlich, während sie den Blick nicht von ihren Händen nahm, die immer noch auf der Schreibtischplatte lagen.
„Lucy, schau mich an.“
Betreten folgte sie seiner Aufforderung. Er betrachtete sie stirnrunzelnd, als bemühte er sich, ihre Gedanken zu lesen. „Erklär mir mal bitte, wovon zum Teufel du da redest.“
Wenn sie ihn anschauen musste, fiel es ihr viel schwerer, die Worte auszusprechen. Sie presste die Lippen zusammen. Sie hatte ein paar von den gewieftesten Staatsanwälten New Yorks offen und furchtlos ins Gesicht geschaut. Da würde sie es doch wohl auch schaffen, Gideons Blick standzuhalten.
Du weißt, was du zu sagen hast. Du hast es oft genug geübt.
„Ich brauche ein paar Lektionen in … Sex.“ Er sagte kein Wort. Stattdessen saß er vor ihr wie versteinert. Also fuhr sie fort: „Es würde eine arrangierte Hochzeit werden, aber eine ehrliche Ehe. Und da ich nicht noch einmal von einem Verlobten betrogen werden möchte, bedeutet es, dass Sex ein Teil der Abmachung sein muss. Es ist schon so lange her, und ich muss meine Kenntnisse ein bisschen auffrischen.“
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Jeff der einzige Mann war, mit dem ich je geschlafen habe. Und er hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich darauf hinzuweisen, wie langweilig er unser Sexleben fand.
Und dann hatte er auch noch die Stirn, mir zu erzählen, er habe mich nur betrogen, weil ich seine Bedürfnisse nicht erfüllen konnte.
Zwar spielten Jeffs Ansichten in ihrem Leben schon lange keine Rolle mehr, aber Lucy hätte lügen müssen, wenn sie behauptete, dass sie seine Worte vollkommen vergessen hätte – und dass sie sich in den zwei Jahren ihres unfreiwilligen Single-Daseins nicht von ihnen hätte beeinflussen lassen. Sex hatte ihr immer Spaß gemacht. Und sie hatte geglaubt, Jeff hätte ebenfalls Spaß gehabt. Aber wenn sie in dieser Beziehung so falsch gelegen hatte – wer konnte garantieren, dass es ihr nicht noch einmal passieren würde?
Nein, das durfte sie auf keinen Fall zulassen. Wenn sie Gideon zutraute, einen Mann für sie zu finden, dann traute sie ihm auch zu, ihr alles beizubringen, was sie wissen musste, um eine erfolgreiche Ehefrau zu sein. Die Gerüchte über seine Talente ließen darauf schließen, dass es keine schlechte Idee war; er war erfahren genug, um ihr einen Crashkurs in der Kunst der Verführung zu erteilen.
Er hatte noch immer nichts gesagt.
Sie seufzte. „Ich weiß, das ist sehr viel verlangt …“
„Das reicht jetzt.“ Er erhob sich und knöpfte sein Jackett zu. „Für die Suche nach einem passenden Ehemann werde ich dir eine Rechnung stellen – die gleiche Summe, die ich jedem Kunden berechne. Aber ich bin kein Sex-Arbeiter, Lucy. Du kannst von einem Mann nicht verlangen, dass er dir Unterricht im Vögeln erteilt.“
Sie tat ihre Bestes, um Haltung zu bewahren.
Du weißt, dass du auf volles Risiko gespielt hast.
„Ich verstehe.“
„Dennoch …“ Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was er da sagte – ebenso wenig wie sie. „Komm heute Abend zu mir. Wir werden über alles reden. Und danach schauen wir weiter.“
Das … war zumindest kein Nein. Es war allerdings auch kein Ja. Aber ein Nein war es auf keinen Fall.
„Okay.“ Mehr wagte sie nicht zu erwidern aus Angst, dass er seine Meinung ändern könnte. Ich kann nicht glauben, dass das gerade geschieht. Aber nach Gideons Miene zu urteilen schien er seine Einladung bereits zu bereuen. Mehr noch: Er sah sogar richtig zornig aus.
Er musterte sie mit einem kühlen Blick. „Um sieben Uhr. Die Adresse kennst du ja noch.“
Obwohl es keine Frage war, nickte sie bestätigend. „Ich werde da sein.“
„Komm nicht zu spät.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ ihr Büro. Mit offenem Mund sah sie ihm hinterher.
Was ist da gerade passiert?
Ein wohliger Schauer durchfuhr sie. Gideon hatte sich soeben bereit erklärt, ihr zu helfen. Ihm eilte der Ruf voraus, immer den richtigen Kandidaten zu finden, und was ihn persönlich anbetraf, verfügte er über alles, um ihre bevorstehende Hochzeit von Anfang an auf die richtige Schiene zu setzen.
Er hat Ja gesagt.
Mit seiner Unterstützung konnte nichts schief gehen.
Damit hatte sie Beförderung bereits so gut wie in der Tasche. Dessen war sie sich vollkommen sicher.
Gideon schwamm so viele Bahnen, bis jeder Muskel in seinem Körper vor Erschöpfung schmerzte. Doch es half nichts. Lucys ernste Miene und ihre Lippen, die eine Sünde wert waren, gingen ihm nicht aus dem Kopf. Wie gerne hätte er diese Sätze früher aus ihrem Mund gehört. Bring es mir bei. Die Anziehungskraft, die diese Frau auf ihn ausübte, hatte ihm nur Probleme bereitet, und offenbar würde es jetzt noch schlimmer werden, weil er ihr Ansinnen nicht kategorisch abgelehnt hatte, wie er es hätte tun sollen. Stattdessen hatte er sie zu sich nach Hause eingeladen.
Damit sie sich unterhalten konnten.
Darüber, dass er ihr Unterricht im Vögeln erteilte.
Er zog sich aus dem Becken und stellte sich auf den Rand. Eigentlich hatte er weder das eine noch das andere gewollt – weder wollte er für sie einen Ehemann suchen noch ihr Nachhilfe geben. Trotzdem hatte er sie gebeten, am Abend zu ihm zu kommen. Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht?
Du weißt ganz genau, was du dir dabei gedacht hast.
Gideon begehrte Lucy.
Er begehrte sie seit dem Moment, als er sie vor sechs Jahren zum ersten Mal in jener überfüllten Bar in Queens gesehen hatte. Ihre positive Ausstrahlung hatte ihn sofort beeindruckt, und obwohl er schon einige Drinks intus hatte, wusste er instinktiv, dass sie etwas Besonderes war.
Leider hatte das auch Jeff Larsson gewusst, und dieser Bastard war ihm zuvorgekommen. Er hatte Lucy angerufen, sich mit ihr verabredet – und ihr schließlich einen Heiratsantrag gemacht.
Gideon hatte wirklich versucht, sich für seinen besten Freund zu freuen – und sein Begehren für dessen Freundin zu vergessen. Aber so ganz war ihm das nie gelungen. Egal, mit wie vielen Frauen er danach noch ausgegangen war – sein Herz war niemals bei der Sache gewesen. Als Jeff einmal beiläufig Gideons Talent erwähnte, immer wieder gertenschlanke Brünette mit Sommersprossen zu finden, verzichtete er fortan auf Dates und beschränkte sich auf One-Night-Stands.
Er duschte und zog sich schnell an. Er würde sich beeilen müssen, um vor ihr zu sich nach Hause zu kommen, aber er musste unbedingt noch Hand anlegen, weil andernfalls die Gefahr bestand, dass er sämtliche Bedenken über Bord werfen würde. Die Versuchung, Lucy in sein Bett zu bekommen, selbst wenn es nur aus diesem bescheuerten Grund war …
Er müsste schon ein ziemlicher Mistkerl sein, wenn er so etwas täte.
Nein. Gideon wollte bei Lucys Lieblingschinesen etwas zu essen besorgen und ihr dann in aller Ruhe erklären, warum Sex für sie beide nicht in Frage käme. Er würde ganz ruhig und vernünftig bleiben und sämtliche Argumente auffahren, um ihr seinen Standpunkt klarzumachen. Sie brauchte keine Unterrichtsstunden. Kein Mann mit Blut in den Adern und einem funktionierenden Schwanz würde ein Problem mit Lucy haben – und mit dem, was sie zu bieten hatte.
Bei der Vorstellung, dass irgendein anderer jeden Morgen neben ihr aufwachen würde, geriet er fast ins Stolpern. Die Vorstellung, in langen Nächten zwischen ihren Schenkeln zu liegen, sich an ihrer Haut zu reiben und die Feuchtigkeit zu spüren …
Mist!
Er ließ seinen Blick durch das Fitnessstudio schweifen und überlegte ernsthaft, die ganze Sache abzublasen und auch die nächsten drei Stunden im Schwimmbecken zu verbringen. Vielleicht würde sich der Gedanke an sie in Gesellschaft eines anderen Mannes dann in Luft auflösen.
Aber er wusste es besser.
Wenn er sich damals nicht darüber hatte freuen können, dass sein bester Freund mit ihr zusammen war – bevor dieser Idiot mit seinen Seitensprüngen begonnen hatte –, würde er mit einem vollkommen Fremden an ihrer Seite kaum glücklicher sein. Es nützte alles nichts. Lucy würde ihren Plan in die Tat umsetzen – egal, ob er dafür oder dagegen stimmte. Vielleicht konnte er ihr den Teil mit dem Sex ausreden, aber ganz sicher nicht den Ehemann.
Bei Jeff hatte er vollkommen versagt. Obwohl er Gideons bester Freund gewesen war, hatte er die Warnzeichen erst bemerkt, als es schon fast zu spät war. Und dann hatte er noch einen ganzen Monat lang gewartet, ehe er Lucy reinen Wein eingeschenkt hatte. Er war auf ganzer Linie gescheitert, und das hatte ihn ihre Freundschaft gekostet – etwas, das ihm mehr wert war, als er sich hatte eingestehen wollen.
Solchen Mist würde er nicht noch einmal bauen!
Sie wollte einen Ehemann? Nun, dann würde Gideon sich bemühen, den anständigsten Mann für sie zu finden, um sie glücklich zu machen. Das war er ihr schuldig.
Zuhause angekommen blieb ihm kaum Zeit, das mitgebrachte Essen auf die Küchentheke zu stellen, da klopfte es bereits. Er umrundete die Couch und ging zur Tür. „Du bist früh dran.“
„Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Dein Portier hat sich noch an mich erinnert, deshalb hat er sich nicht die Mühe gemacht, dir Bescheid zu geben, und mich einfach hereingelassen.“ Das schüchterne Lächeln, mit dem sie ihn begrüßte, versetzte ihm einen Stich ins Herz. Trotzdem war er fest entschlossen, distanziert zu bleiben.
Lucy musste zuvor noch zu Hause gewesen sein, denn sie hatte sich umgezogen: schwarze Leggings und ein leichtes, weit geschnittenes T-Shirt, das jeden Moment über ihre Schulter zu rutschen drohte. Als sie seinen Blick bemerkte, biss sie sich auf die Unterlippe. „Ich weiß, wir haben über Nachhilfe gesprochen, und ich sehe gerade nicht aus wie die geborene Verführerin, aber als ich meinen Kleiderschrank durchsucht habe, konnte ich beim besten Willen nichts Verführerisches finden. So was besitze ich gar nicht.“
Himmel, sie brachte ihn noch um den Verstand. Gideon trat einen Schritt zurück und hielt ihr die Tür auf. „Du siehst toll aus.“
„Toll?“ Sie runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass du die ganze Sache ziemlich abgedreht findest, aber du brauchst dir jetzt keine Komplimente abzuringen. Ich habe dich darum gebeten, weil ich dir vertraue. Ich habe immer darauf vertraut, dass du mir gegenüber ehrlich bist.“
Hätte sie ihm ein Messer ins Herz gerammt, der Schmerz wäre kaum geringer gewesen. Leise schloss Gideon die Tür hinter ihr und versuchte, gelassen zu bleiben. Es war egal, für wie aufrichtig sie ihn hielt – er würde nicht mit ihr ins Bett gehen. Er konnte es einfach nicht. „Das wird nicht funktionieren, wenn du alles, was ich sage, hinterfragst. Ich habe gesagt, du siehst toll aus. Und das tust du wirklich. Ich habe dir nicht geraten, dir aufreizende Klamotten anzuziehen, Lucy. Ich habe nur gesagt, komm vorbei, damit wir reden können.“ Und auf ihre Kleidung deutend fügte er hinzu: „Das ist genau richtig für eine Unterhaltung zwischen Freunden.“
„Okay. Gut. Es tut mir leid. Ich bin nervös.“ Sie zupfte an ihrem T-Shirt, was zur Folge hatte, dass es ihr noch tiefer über die Schulter rutschte.
Gideon hatte Schultern nie besonders aufreizend gefunden, aber jetzt hätte er sie am liebsten sofort geküsst. Reiß dich zusammen, Idiot. Er räusperte sich und wandte den Blick ab. „Du brauchst keinen Unterricht, Lucy. Nicht von mir. Von niemandem. Du bist wunderschön, und jeder Mann wäre froh, dich im Bett zu haben.“
„Wenn du mir nichts beibringen willst, ist das okay. Das habe ich dir ja heute Morgen gesagt.“ Sie ging in sein Wohnzimmer und umrundete das Sofa, das er vor sechs Monaten gekauft hatte. Es war schiefergrau mit dunkelblauen Kissen, und die Verkäuferin hatte ihm versichert, dass es wunderbar zu seiner übrigen Einrichtung passen würde, ja, mehr noch: Über kurz oder lang würde er sich regelrecht in die Couch verlieben. Darauf wartete Gideon allerdings immer noch. Lucy nahm eines der lächerlichen Kissen in die Hand und drückte es sich gegen die Brust. „Ich bin nicht auf Komplimente aus, aber trotzdem vielen Dank. Schönheit liegt allerdings immer im Auge des Betrachters. Da du nicht … da wir nicht …“ Sie holte tief Luft. „Darf ich ganz ehrlich sein?“
„Warst du das bis jetzt nicht?“ Er befürchtete, nicht an sich halten zu können, wenn sie noch ehrlicher wurde.
„Jeff mag ein betrügerischer Mistkerl sein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er niemals befriedigt war, bevor er angefangen hat, mit anderen Frauen zu schlafen. Da die ihm offenbar geben konnten, was er brauchte, kann man nicht alles ihm allein zum Vorwurf machen.“
Sie zupfte an den Ecken des Kissens, während er zu verstehen versuchte, was sie gerade gesagt hatte.
„Aber seitdem bist du mit anderen Männern zusammen gewesen.“
„Nein.“ Noch immer schaute sie ihn nicht an. „Einmal beinahe. Aber mir sind Jeffs gemeine Bemerkungen nicht aus dem Kopf gegangen. Er hat zwar immer beteuert, dass er es witzig meinte, aber ich habe es überhaupt nicht lustig finden können. Ich weiß, das klingt dramatisch, doch nach einer Weile kam ich zu dem Schluss, dass ich es lieber nicht darauf anlegen wollte, herauszufinden ob Jeff tatsächlich recht gehabt hatte. Auch wenn das hieß, möglicherweise auf das Vergnügen zu verzichten. Deshalb habe ich mich auf die Arbeit konzentriert und mein Privatleben … zurückgefahren. Und jetzt sind wir hier.“
Gideon wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen und Jeff ein paar gezielte Schläge in sein makelloses Gesicht verpassen. Er hatte gewusst, dass es zwischen Jeff und Lucy nicht zum Besten stand, aber ihm war nicht bewusst gewesen, was für ein Mistkerl sein Freund wirklich war. „Er ist ein richtiger Scheißkerl.“
„Glaub mir, das bestreite ich nicht.“ Sie lächelte schwach. „Und danke noch mal dafür, dass du mich vor einer Ehe mit ihm gerettet hast. Ich weiß nicht, ob ich dir das schon mal gesagt habe. Es war bestimmt nicht leicht für dich. Immerhin wart ihr sehr lange beste Freunde.“
Gideon fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Er hatte ein sehr gutes Urteilsvermögen, was andere Menschen betraf – sowohl, was seine Auftraggeber als auch die Bewerber anging, die er für sie auswählte. Von dieser Fähigkeit lebte er schließlich. Und er war sehr gut in seinem Job. Manche hielten ihn sogar für den Besten in seiner Branche, und das führte dazu, dass er in der Regel auch den zweiten Bonus erhielt – ein Jahr nach erfolgreicher Vermittlung, wenn sein Auftraggeber und der Bewerber, den er für ihn ausgesucht hatte, immer noch zusammenarbeiteten.
Und jetzt sagte ihm sein Instinkt, dass Lucy hinter ihrem traurigen Lächeln eine zutiefst verletzte Seele verbarg. Wenn er ein guter Mensch war, würde er es jemand anderem überlassen, ihr zu helfen – jemandem, der für lange Zeit bei ihr blieb. Und es war durchaus möglich, dass er einen passenden Ehemann für sie finden würde. Aber Gideon war kein guter Mensch.
Er wollte nicht, dass es irgendjemand anders war.
Er wollte es selbst sein.
„Setz dich doch.“
Sie ließ sich auf die Couch fallen. Das Kissen hielt sie noch immer an sich gedrückt. „Danke.“
Dummerweise gab es kein Handbuch für solche Situationen. Aber sie mussten sich unbedingt unterhalten, ehe sich die Situation in irgendeine Richtung weiterentwickelte. „Ich … werde dir Nachhilfe geben. Unter zwei Bedingungen.“
„Einverstanden.“
Er schaute sie verdutzt an. „Willst du nicht erst die Bedingungen erfahren? Dann kannst du immer noch entscheiden, was du tun möchtest.“
Sie nickte.
„Erstens: Du musst mit mir reden“, fuhr Gideon fort. „Stehst du auf etwas Besonderes? Dann sag es mir. Irgendetwas gefällt dir nicht? Das musst du mir auch sagen. Wenn du mir in irgendeinem Moment etwas vorspielst, beenden wir das Ganze sofort. Ich kann dir nämlich nicht helfen, wenn du mir und dir gegenüber nicht ehrlich bist.“
Sie zog die Nase kraus. „Einverstanden. Ich bin erwachsen. Ich kann über Sex reden.“
Er schaute darüber hinweg, dass sie sich offensichtlich gerade selbst von ihren Worten zu überzeugen versuchte. Das Selbstvertrauen der Eisprinzessin, das sie in ihrem Büro an den Tag gelegt hatte, war wie weggeblasen, und er fragte sich, wer wohl die wahre Lucy sein mochte – die kühle und professionelle Anwältin oder die verunsicherte Frau, die jetzt vor ihm saß.
Gideon beugte sich nach vorn. „Die zweite Bedingung: Während wir das hier machen, fängst du nichts mit einem anderen Mann an.“
„Warum nicht?“ Beschwichtigend hob sie die Hand. „Ich habe nicht vor, mit irgendeinem anderen etwas anzufangen, aber ich würde gerne deinen Grund wissen. Nur aus Neugier …“
„Es geht um Respekt.“ Lügner. Es geht um Eifersucht! Er ignorierte die höhnische Stimme in seinem Ohr und fuhr in neutralem Ton fort. „Wir beide schließen einen Exklusivvertrag – mit einem klar geregelten Ablaufdatum.“
„Exklusivvertrag.“ Sie sprach das Wort aus, als würde sie es abschmecken. „Wann ist denn das Ablaufdatum?“
Niemals. Mist. Er war ihr schon total verfallen, obwohl er sie noch nicht einmal berührt hatte. „Sobald du dich für einen Kandidaten entschieden hast, hören wir auf.“