Lia Sturmgold – Die Macht der Kristalle - Aniela Ley - E-Book
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Lia Sturmgold – Die Macht der Kristalle E-Book

Aniela Ley

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Beschreibung

Bodyswitch – und plötzlich Elfe! Bis eben wusste die elfjährige Lia nicht mal, dass es Elfen wirklich gibt. Jetzt steckt sie nach einem missglückten Zauber im Körper der Luftprinzessin Asalia fest und muss an ihre Stelle das Elfeninternat Springwasser besuchen. Doch kaum angekommen ist Lia hellauf begeistert, denn die zauberhafte Schule hat so viel zu bieten: Im Inneren eines Diamanten macht Lia erste Flugversuche und der berühmte Mondscheintanz verbindet sie auf magische Weise mit ihren neuen Freundinnen. Doch als Prinzessin sind ihr nicht alle wohlgesonnen und Lia muss lernen, sich und andere zu schützen. Unter allen Umständen muss sie aber verbergen, wer sie in Wirklichkeit ist. Denn Menschen sind in Springwasser schon lange nicht mehr willkommen …

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Über das Buch

»Im Schaufenster sah Lia ein zierliches Geschöpf im Fantasykostüm, inklusive spitze Ohren – und mit Schultasche. Das war sie. Lia Dornmeier. Seit Neuestem Elfenprinzessin.«

 

Bis eben wusste Lia nicht mal, dass es Elfen wirklich gibt. Jetzt steckt sie nach einem missglückten Zauber im Körper der Luftprinzessin Asalia fest und muss an ihrer Stelle das Elfeninternat Springwasser besuchen. So schnell wie möglich will sie dort die Taukristalle finden, ohne die der Tausch nicht rückgängig gemacht werden kann. Doch die zauberhafte Schule begeistert Lia wider Erwarten. Sie muss nur unter allen Umständen verbergen, wer sie in Wirklichkeit ist. Denn Menschen sind in Springwasser schon lange nicht mehr willkommen …

 

Der bezaubernde erste Band einer Elfenmädchen-Serie

1.

Blitzeinschlag

Autsch, dachte Lia. Der Hockeyball hat mich voll ausgeknockt. Das hat man davon, wenn man nach dem Sportunterricht noch allein Hockey im Stadtpark übt.

Lia erinnerte sich bloß noch daran, wie ein Blitz in ihren Kopf eingeschlagen hatte. Danach herrschte Sendepause. Der harte Kunststoffball musste von einem Baumstamm abgeprallt und voll gegen ihre Stirn geflogen sein.

Vorsichtig tastete Lia nach einer Beule.

Da war jedoch nichts …

Bestimmt war es nur eine Frage der Zeit, bis sie aussah wie ein Einhorn in der Pubertät.

Jetzt war es erst mal wichtig, wieder in die Senkrechte zu kommen. Lia lag auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt – und das mitten im Stadtpark, am ersten schönen Frühlingstag des Jahres.

Zwar hatte sie sich zum Üben nach dem Schultraining ein ruhiges Plätzchen zwischen alten Bäumen ausgesucht, aber nach Schulschluss trieben sich immer einige Mitschüler im Park herum. Und wenn sie Lia dann platt wie eine Flunder auf dem Rasen finden würden, niedergestreckt vom eigenen Ball … Urgh. Es würde schon schlimm genug sein zu erklären, warum zwischen ihren Augenbrauen ein Horn wuchs.

Nein, hier rumliegen, das ging gar nicht.

Lia versuchte sich aufzusetzen, aber es klappte nicht. Ihr ganzer Körper fühlte sich an, als sei er falsch zusammengesetzt. Vielleicht hatte es sie doch härter erwischt als gedacht.

Stöhnend tastete Lia nach ihrem Brillenbügel, um daran herumzuruckeln. Was sie immer machte, wenn sie gestresst war.

Nur war da gar keine Brille.

So ein Mist, auch das noch!

Vermutlich war das gute Stück bei ihrem Sturz ins Gras gefallen, und wenn sie jetzt nicht aufpasste, schrottete sie ihre Brille auch noch.

Lia blinzelte und allmählich stellte sich ihr Blick scharf. So scharf, wie sich ihre kurzsichtigen Augen noch nie gestellt hatten. Vielleicht hat so ein Rums gegen den Kopf ja auch was Gutes, dachte sie.

Über Lia strahlte die Sonne hinter einigen Schleierwolken … sie sah das erste Grün an den Bäumen … und ihr Gesicht, das sich in ihr Blickfeld schob.

Ja, das war eindeutig ihr Gesicht.

Es musterte sie aufmerksam durch ihre verschwundene Brille.

Und das mitten in diesem Gesicht war eindeutig ihre Stupsnase mit den Sommersprossen und ihr Mund, von dem ihre Mutter behauptete, er sähe überhaupt kein bisschen so aus, als könne man damit Bananen quer essen.

So breit, wie ihr Mund jetzt von einem Ohr bis zum anderen grinste, würde er vermutlich sogar zwei Bananen auf einen Happs schaffen.

»Alles klar?«, fragte Lias Mund.

»Ich glaube nicht«, antwortete Lia. »Scheinbar habe ich eine schwere Gehirnerschütterung und sehe alles doppelt.« Sie dachte angestrengt nach. Ja, das mit der Gehirnerschütterung klang vernünftig, der Ball hatte sie ausgeknockt und jetzt halluzinierte sie komische Sachen. Andere sahen nach so einer Kopfnuss Sterne, sie blickte sich eben selbst ins Gesicht.

»Mit erschütterten Gehirnen kenne ich mich nicht aus«, sagte die doppelte Lia und ruckelte am Brillengestell, woraufhin es schief saß. »Und mit Dopplungszaubern ganz offensichtlich auch nicht. An deinem Aussehen sollte sich eigentlich nichts verändern, ich wollte es nur kopieren … Schöner Pixie-Kompost.«

Das wurde ja immer verrückter. »Ich muss zum Arzt, und zwar sofort«, murmelte Lia und fand endlich die Kraft, sich aufzusetzen. Dabei knallte sie – Stirn gegen Stirn – mit ihrem Spiegelbild zusammen, was übel wehtat. Jetzt würde aus dem Einhorn ein Zweihorn werden.

»Du bist ja echt«, jammerte Lia.

Ihr Zwilling rieb sich die Stirn. »Klar bin ich das. Was denn sonst?«

»Aber du siehst haargenau so aus wie ich! Du hast sogar das gleiche Knie aufgeschabt und dasselbe Pflaster mit Minnie Maus über der Wunde. Das hat mir Frau Klein vorhin beim Hockeytraining gegeben. Total peinlich.« Lia konnte nicht anders, sie streckte die Hand aus und tippte gegen das Minnie-Maus-Pflaster des Mädchens, das vor ihr im Gras hockte.

Die doppelte Lia quickte. »Vorsicht, das Knie tut voll weh! Und jetzt beruhig dich mal, wir beide haben einiges zu klären. Als Erstes solltest du kapieren, dass wir nicht gleich aussehen. Kein bisschen, um genau zu sein. Wie gesagt: Ich habe den Dopplungszauber vermasselt – und zwar gründlich. Deshalb steckst du nun im eindeutig besser aussehenden Körper, während ich mich mit so was hier rumplagen darf.« Missmutig strich sie das Minnie-Maus-Pflaster glatt. »Wie heißt du überhaupt?«

»Larissa, aber alle nennen mich Lia«, antwortete Lia automatisch.

Die doppelte Lia kicherte. »Das passt ja wie die Biene auf die Blüte.«

»Was passt?«, fragte Lia verwirrt.

»Dein Name natürlich. Ich heiße nämlich Asalia Laliala Pergusta von Silberhaar, was natürlich viel zu lang ist. Deshalb bestehe ich darauf, nur Asalia genannt zu werden, was man übrigens problemlos in Lia verkürzen kann.« Immer noch schmunzelnd schnappte sich diese Asalia Lias Rucksack und durchwühlte ihn.

»Hey, was soll das?« Lia war noch zu erstaunt, um sich ihren Rucksack zurückzuholen.

»Ich suche nach einem Schminktäschen«, sagte Asalia. »In den Büchern und Zeitschriften habt ihr Menschenmädchen so was immer dabei.«

Lia zuckte mit der Schulter. »Mag sein, aber ich werde im Sommer erst zwölf Jahre alt. Meine Mutter ist schon ausgerastet, als ich farbiges Lipgloss wollte.«

»Wir brauchen aber einen Spiegel. Ah, hier steckt einer im Seitenfach.«

»Echt?« Der kleine Spiegel war Lia gar nicht aufgefallen, aber der Rucksack war auch noch ganz neu. Ihr alter Schulranzen mit den Sternschnuppen war ihr von einem Tag auf den anderen plötzlich kindisch vorgekommen. Und ihre Mutter hatte dem Kauf zugestimmt, weil sie wegen des erneuten Umzugs ein schlechtes Gewissen hatte und Lia den Start an der neuen Schule versüßen wollte. Dabei hatte Lia weder ein Problem mit den ständigen Umzügen noch mit den Schulwechseln. Ganz im Gegenteil, das brachte Farbe in ihr Leben.

»So, jetzt schau dich im Spiegel an. Und zwar gründlich.« Asalia hielt Lia den Spiegel vors Gesicht.

Lia schrie auf.

Ihr blickte eine Fremde entgegen!

Nicht einfach nur ein unbekanntes Mädchen, sondern ein vollkommen fremdartiges Geschöpf mit großen Augen, deren Blau mit funkelnden Kristallen durchsetzt zu sein schien. Es hatte ein überirdisch hübsches Gesicht, eingerahmt von silbern glänzendem Haar mit blauen Strähnen. Und auf dem Kopf saß ein silberner Reif geschmückt mit Kristallen, die wie weiße Sterne flimmerten.

Asalia grinste. »Nicht schlecht, was? Ich sagte doch, du hast den besseren Deal gemacht. Obwohl …« Sie betrachtete sich im Spiegel. »Ich wollte immer schon gesprenkelt sein. Sommersprossen heißen die Pünktchen, richtig? Ich hatte mir mal welche aufgemalt, war aber ein voller Flop.«

»Wer bist du?«, brachte Lia atemlos hervor. »Ich meine: Wer bin ich?«

»Eine Elfenprinzessin aus der ehrenwerten Königsfamilie der Aurelianten. Um konkret zu sein, ich bin die Tochter von Königin Fetania Salira Nox und ihrem Gatten Tetastis Rufur von Silberhaar. Ist doch wohl klar, wer sieht sonst noch so absolut fabelhaft aus in Andersreich? Hast du den edlen Schwung meiner Wangenknochen bemerkt? Oder meinen Kussmund? Dafür würden gewöhnliche Elfen ungelogen ihren Plantling hergeben.«

Elfenprinzessin? Von Silberhaar? Überwältigt von dieser Ladung Ego mit einer Prise geistiger Umnachtung, griff Lia sich ins Haar. Es war viel seidiger und feiner als ihr Lockenhaar. Dann ertasteten ihre Finger den Silberreif.

»Vorsicht mit der Tiara«, mahnte Asalia. »Jetzt sitzt sie schief. Wenn meine werte Frau Mutter das sehen würde, bekämen wir ein Donnerwetter zu hören. Nein, nicht wir. Nur du.« Die Vorstellung schien Asalia zu gefallen.

Lia hingegen freute sich kein Stück, trotz des Krönchens. »Das ist eine Katastrophe«, brachte sie aus ihrem neuen Kussmund hervor. Sogar ihre Stimme klang fremd, viel zu sehr nach Vogelgezwitscher.

»Nun mach mal halblang«, sagte Asalia leichthin. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass mein Zauber nicht wie geplant über die Bühne gegangen ist. Dann würdest du immer noch bloß du sein und allein auf dieser langweiligen Wiese rumhängen. Ist wirklich super für dich, jetzt in meinem Körper zu stecken.«

Nach einigem Zögern schaute Lia an sich herab. Nur ganz kurz, ihr wurde nämlich schwindelig.

Keine Ahnung, ob ihre Beine noch ihre Beine waren, auf jeden Fall steckten sie nicht länger in Shorts, sondern in silbrig schimmernden Leggins, über denen sie ein Kleid aus irgendeinem spacigen Material trug. Es endete in einem schrägen Saum, der an der Hüfte verknotet war. Und sie trug auch nicht länger Sneakers, sondern knöchelhohe Boots, die wie Socken aussahen und aus so feinem Leder waren, dass man sie kaum spürte. Vorsichtig warf Lia einen Blick auf ihre Hände. Tatsache, keine einzige Sommersprosse, dafür war die Haut so hell schimmernd wie Mamas gutes Porzellan.

Lia war froh, dass sie auf dem Hosenboden saß. »Mir wird übel.«

»Weil du dich so freust?«, fragte Asalia, die angebliche Elfenprinzessin.

»Nein, weil ich die schwerste Gehirnerschütterung aller Zeiten habe.«

Immer noch wackelig, stand Lia auf und schulterte ihren Rucksack. Dann sah sie sich um, bis sie ihren Hockeyschläger gefunden hatte. Der blöde Ball konnte bleiben, wo er war.

»Was machst du denn, du kannst doch nicht einfach abhauen! Wir müssen überlegen, was wir jetzt machen.« Asalia wedelte mit ihrer Hand vor Lias Gesicht herum. »Hallöchen? Ich spreche mit dir!«

Lia drehte den Kopf weg. »Ich spreche aber nicht mit Halluzinationen.«

»So ein Unsinn. Die Kopfnuss eben hat doch total wehgetan. Warum sollte ich denn nicht echt sein?«

»Weil du behauptest, eine Elfe zu sein!« Lia schrie fast. »Und Elfen gibt es nur in Märchen.«

Ungläubig starrte Asalia sie durch die Brillengläser an. »Ihr Menschen wisst ganz genau, dass es uns Elfen gibt. Sonst würdet ihr ja wohl keine Elfenfiguren in eure Gärten stellen und ganze Bücher über uns schreiben. Ihr seid Fans!«

»Sorry, aber Elfen sind reine Fantasieprodukte.«

Asalia winkte ab. »Die meisten Menschen sind nur zu unterentwickelt, um durch den Schleier zu blicken, der unsere Welt, das Andersreich, beschützt. Vielleicht sind eure Gehirne nicht nur leicht erschütterbar, sondern auch etwas zu klein geraten.«

»So eine Frechheit«, sagte Lia. Das reichte jetzt aber wirklich.

Mit langen Schritten ließ Lia die Baumlichtung hinter sich und eilte quer durch den Park. Asalia folgte ihr auf dem Fuß und redete ununterbrochen auf sie ein. Lia beachtete sie nicht. Sie ignorierte auch die Kids aus der Nachbarklasse, die auf einer Parkbank saßen und heftig zockten. Nicht einmal die Vorstellung, dass der Jahrgangsfiesling Lars sie entdecken und »Hey, du Vogel! Bis zum Fasching dauert es noch Monate« brüllen könnte, kratzte sie.

Als die ersten Spaziergänger ihren Weg kreuzten, beruhigte sich Lia. Niemand starrte sie an, was bedeutete, dass ihr verrücktes Aussehen mit Glitzerfummel und silbern-blauer Haarmähne genauso Einbildung war. Sie hatte eine Gehirnerschütterung und bestimmt war es nur eine Frage der Zeit, bis die plappernde Asalia sich einfach in Luft auflöste.

Nachdem sie den Park verlassen hatten und durch die vom Feierabendverkehr verstopfte Innenstadt liefen, stellte Asalia ihr Gerede tatsächlich ein. Allerdings nur, um »Wahnsinn« und »Wie im City-Style-Magazin, nur soooo viel cooler« zu hauchen, bis ihr nur noch der wirklich sehr breite Mund offen stand. Es war so still, als wäre Lias Doppelgängerin verschwunden. Ein schöner Gedanke! Als Lia einen Kontrollblick riskierte, entdeckte sie in einer Schaufensterscheibe jedoch die Spiegelbilder zweier Mädchen. Dort ging Lia in Shorts und den zu einem Messy Bun hochgebundenen braunen Haaren – und vor ihr schwebte ein zierliches Geschöpf, das wie eine Tänzerin in einem Fantasykostüm aussah. Inklusive spitzer Ohren.

Nur leider trug eben genau dieses Spitzohr mit der Funkel-Tiara auf dem Kopf den Schulrucksack und den Hockeyschläger.

Das war sie, Lia Dornmeier. Seit Neuestem Elfenprinzessin.

2.

Donnerknall

Das Schloss klickte leise, als Lia die Wohnung aufschloss. Ansonsten machte die Tür kein Geräusch, dafür war sie zu neu. Lia war mit ihrer Mutter vor knapp vier Monaten eingezogen, kurz nachdem der Wohnblock fertiggestellt worden war. Es roch alles so neu, als würde man eine Möbelausstellung betreten und nicht sein Zuhause.

Lia wollte einen Blick auf ihre Smartuhr werfen, um zu checken, wie viel Zeit sie noch hatten, bis ihre Mutter von der Arbeit nach Hause kam. Bloß war da keine Uhr, sondern nur ein Ornament oberhalb ihres Handgelenks. Es sah aus, als habe jemand mit einem goldenen Kajalstift ein schnörkeliges Muster in einem Oval aufgemalt. Mit ihrer Freundin Smilla hatte Lia sich in der fünften Klasse mit Filzstift ähnliche Muster auf die Handrücken gemalt, was echt gut ausgesehen hatte. Leider hatte Smillas Haut mit roten Pusteln reagiert.

Prüfend rieb Lia an dem Ornament, das prompt sein Muster veränderte.

»Lass den Blödsinn! Du darfst das Fendrill nicht aktivieren«, rief Asalia.

Nur hörte Lia sie kaum, denn plötzlich ertönte noch eine andere, sehr viel lautere Stimme: »Wo, in aller Dornkröten Namen, steckst du Nebelsuppenhirn?«

»Da ist eine Jungenstimme in meinem Kopf«, sagte Lia erschüttert.

Asalia blinzelte panisch hinter den Brillengläsern. »Bloß nicht antworten. Und stell das Fendrill ab, vielleicht ist es noch nicht zu spät.«

»Wie macht man das denn?« Lias Herz klopfte wie wild.

»Berühre das Fendrill leicht und denk ›Verbindung beenden und beendet lassen‹. Das ist ganz wichtig, sonst geht das Gemecker gleich wieder los.«

Obwohl Lia so ihre Zweifel hatte, legte sie ihre Finger auf das goldene Ornament. Sofort regten sich die Schnörkel.

»Asalia, du fieses Früchtchen. Wag es ja nicht, die Verbindung zu kappen«, drohte die Jungenstimme.

Lia zuckte zusammen, dann flüsterte sie: »Verbindung beenden und beendet lassen. Bitte, bitte, bitte. Auf jeden Fall beendet lassen.«

Wie von Zauberhand kehrten die Muster auf ihrer Haut in ihre ursprüngliche Form zurück.

»Zum Sternenzauber, das war knapp.« Asalia wischte sich über die Stirn.

Lia stand immer noch unter Strom. »Was genau ist eben passiert? Und wer hat mich als fieses Früchtchen beschimpft?«

»Du hast eine Verbindung zu meinem älteren Bruder Dorient hergestellt. Hört sich ganz so an, als wäre er ziemlich sauer, weil ich mich ohne ein Wort abgesetzt habe.« Asalia zuckte mit den Schultern. »Egal, sein Problem.«

»Ehrlich gesagt klang dieser Dorient so wütend, dass er schnell unser Problem werden könnte.« Lia dachte nach. »Nein, es ist allein dein Problem. Du wirst sofort dafür sorgen, dass jede von uns wieder in ihrem Originalkörper steckt. Und dann gehst du schleunigst dorthin zurück, wo du hergekommen bist.«

Asalia verschränkte die Arme vor der Brust. »Vergiss es, schließlich habe ich mir nicht die ganze Mühe mit dem Dopplungszauber gemacht, um gleich beim ersten Mini-Hindernis aufzugeben. Ich habe das Andersreich verlassen, um mir die Menschenwelt anzuschauen, anstatt auf diese langweilige Schule zu gehen und mich mit meinen noch langweiligeren Mitschülern herumzuplagen. Schließlich bin ich eine Prinzessin!« Sie stampfte mit dem Fuß auf, was wegen der Sneaker nicht besonders beeindruckend klang. »Ich will ein Handy, einen eigenen Instagram-Account, Veggie-Burger mit Jalapeños, jede Menge Beauty-Kram, bunte Strähnen im Haar …«

»Die hast du bereits.« Lia hielt eine bläulich schimmernde Haarsträhne auf ihrem Kopf in die Höhe.

Davon ließ sich Asalia jedoch nicht beirren. »Und zweitens habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie man den Zauber rückgängig macht. Ist ja alles schiefgelaufen. Mein ursprünglicher Plan sah vor, dein Aussehen zu kopieren, weil wir ungefähr gleich groß und gleich alt sind. Außerdem siehst du cool aus, besonders mit dieser tollen Brille. Die ist der Hit.« Asalia ruckelte am Bügel, bis die Brille erneut schief saß.

»Vorhin meintest du noch, dass ich mit deinem Körper den besseren Deal gemacht hätte«, sagte Lia.

Asalia verdrehte die Augen. »So ein Elfenkörper ist einem Menschenkörper eben meilenweit voraus, vor allem wenn er von einer echten adeligen Aureliantin stammt. Merkst du den Unterschied etwa nicht?«

Bislang hatte Lia es vermieden, genauer in sich hineinzuhorchen, schließlich gehörte ihr dieser Körper nicht, genau wie das Bauchblubbern und der komische Geschmack im Mund. Mit Grauen dachte sie an den Moment, in dem der erste Toilettenbesuch anstand. Allerdings musste sie zugeben, dass sie sich in Asalias Körper sehr viel leichter fühlte, beinahe als würde sie schweben. Und, nun ja, seit Lia denken konnte, saß die Brille auf ihrer Nase, weil ohne sie alles verschwommen war. Zum ersten Mal erblickte sie die Welt durch Elfenaugen und musste zugeben: Es war der Wahnsinn!

Neugierig ließ Lia ihren Blick durch den Flur schweifen. Alles wirkte viel bunter und sah irgendwie auch nach mehr aus. Allein die Rankenpflanze auf der Anrichte! Ihre Blätter hatten nicht länger ein schlappes Grün, sondern schimmerten, als wären sie mit Smaragdsplittern bestäubt.

Während Lia noch staunte, streckte sich ihr die Ranke entgegen und wackelte mit den Blättern.

»Hilfe! Die Pflanze hat sich bewegt! Ohne Mist!«

Asalia verzog keine Miene. »Die Tiefhinab wollte halt Hallo sagen, schließlich hast du sie angestarrt. Was übrigens unhöflich ist.«

Lia klappte die Kinnlade runter. »Die Pflanze hat mir zugewunken?«

Nachdenklich zog Asalia ihre Brauen zusammen, dann lachte sie. »Ich hab ganz vergessen, dass die Sinne von euch Menschen zu unterentwickelt sind, um Pflanzen-, Stein- und Tierreich so zu sehen, wie sie wirklich sind.« Dann schüttelte sie den Kopf, dass der Messy Bun wackelte. »Ganz schön arm, wenn man drüber nachdenkt.«

»Und trotzdem hast du dir so viel Mühe gemacht, ein unterentwickeltes Menschenkind zu werden«, hielt Lia dagegen.

»Wie gesagt: Ich will ein Handy, einen Instagram-Account, pinke Donuts …«

»Schon gut, ich weiß Bescheid.« Lia seufzte. »Du willst einen Ausflug in die aufregende Glitzerwelt der Großstadt machen und Menschenmädchen spielen. Meinetwegen. Aber was mache ich inzwischen? Ich werde wohl kaum mit der Ausrede durchkommen, dass ich meinen Look gewechselt habe.«

»Nimm dir doch auch eine Auszeit«, schlug Asalia vor. Es war ihr anzusehen, dass sie Lias Problem nicht sonderlich interessierte. Stattdessen betrachtete sie sich neugierig im Spiegel, der neben der Garderobe angebracht war.

Drohend hob Lia den Zeigefinger. »Du kannst dich hier nicht einfach so aus der Affäre ziehen. Du hast den Schlamassel angerichtet und deshalb wirst du ihn auch wieder in Ordnung bringen.«

»Das werde ich ja auch«, winkte Asalia ab. »Nach meiner Auszeit.«

»Nein, jetzt!«

Aus Lias Zeigefinger schoss ein goldener Miniblitz, schlug in die Wand und hinterließ dort eine Rußspur.

Während die beiden Mädchen erschrocken zusammenzuckten, dröhnte aus dem angrenzenden Wohnzimmer ein Knall.

»War der Donner auch von mir?«, fragte Lia.

»Nee, du hast nur die Sache mit dem Blitz gemacht.« Asalia wirkte nicht weniger entsetzt über dieses Kunststück. »Ich wusste gar nicht, dass ich das kann. Das Blitzrufen gilt in unserer Familie als ausgestorben. Was den Knall anbelangt … Das war auf keinen Fall der Donner, der auf den Blitz folgt. Ist wohl bloß was runtergefallen. Habt ihr Katzen?«

»Nein, meine Mutter hat eine Tierhaarallergie.« Lia wurde immer mulmiger zumute.

»Dann weiß ich es auch nicht«, sagte Asalia. »Sollten wir uns deshalb Sorgen machen?«

»Du offenbar nicht«, murmelte Lia. Laut sagte sie: »Ich schaue mal nach.« Vorsichtig lugte sie um die Ecke – und fuhr sofort zurück, Schrecken ins Gesicht geschrieben.

3.

Krawall mit Erdbeereis

Vor Lia stand ein Junge, der sie einen Kopf überragte und seinem Gesichtsausdruck nach sehr sauer war. Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie den Wuschelkopf von der Farbe eines Sturmhimmels, aus dem spitze Ohrzipfel herausragten. Hinter ihm lag Lias Notenständer auf dem Boden. Er musste umgefallen sein, als der Junge die Balkontür geöffnet hatte.

»Du bist wohl noch ein Elf auf Auszeit«, platzte es aus Lia heraus. »Was steht auf deiner Wunschliste? Ein Skateboard, Vans und Pizza Diabolo endlos?«

Der Junge mit den Sturmhaaren überhörte ihre Fragen, stattdessen knurrte er: »Asalia Laliala Pergusta, du verrückter Kugelblitz, warum bist du kurz vorm Schulportal abgehauen? Ich hatte meine liebe Mühe, unserer Reisebegleitung eine passende Ausrede zu servieren, warum unsere erlauchte Hoheit schwuppdiwups verschwunden ist.«

»Also …«, versuchte Lia seinen Redefluss zu unterbrechen.

»Komm mir jetzt bloß nicht mit einer deiner typischen Ausreden«, schnauzte der Junge sie an. »Es ist deine Schuld, dass wir uns gleich zu Schulbeginn verspäten werden. Dir ist das vielleicht egal – mir aber nicht! Du weißt genau, dass ich mich nach dem Missgeschick im letzten Jahr zusammenreißen und an die Regeln halten muss.«

»Ehrlich gesagt habe nicht die geringste Ahnung, wovon du redest«, gab Lia wahrheitsgemäß zu.

»Weil du dich nur für dich selbst interessierst. Du bist egoistischer als jeder Grottenkobold.« Die dunkelblauen Kristallaugen des Elfenjungen funkelten wütend.

Lia wich zurück.

Asalia stellte sich zwischen Lia und den aufgebrachten Jungen. »Spiel dich nicht so auf, Dorient. Du bist die totale Dramaqueen.« Sie machte einen Schmollmund, wodurch sie aussah, als wolle sie dem Jungen einen Kuss geben, anstatt ihm Paroli zu bieten.

So sehe ich also aus, wenn ich wütend bin: wie eine verschnupfte Emily Erdbeere, dachte Lia. Sie kratzte sich am Kopf, stieß aber prompt gegen die Tiara. Dann doch lieber Emily Erdbeere als eine aufsässige Elfenprinzessin, deren Krone nicht richtig sitzen wollte.

Asalia kümmerte sich nicht darum, wie sie rüberkam. Sie war sauer auf ihren großen Bruder. »Bevor du hier einen Aufstand machst, mein lieber Dorient, denkst du besser mal drüber nach, was ich dir und jedem, der es hören wollte, glasklar gesagt habe: Ich habe keine Lust auf diese blöde Schule! Und die Wünsche einer Prinzessin sollten anerkannt werden. Punkt.«

Wäre Lia von dem großen Elfenjungen namens Dorient nicht so beeindruckt gewesen, hätte sie schallend gelacht, so verdattert, wie er von Asalia zu ihr und wieder zurück blickte. Dann schnappte er sich Lias Unterarm und begutachtete das goldene Ornament.

»Sag mir, wem du gehörst«, forderte Dorient das Fendrill auf.

Die Schnörkel veränderten sich wie durch Zauberei, was Lia als ein feines Kitzeln auf der Haut wahrnahm.

Was auch immer das Fendrill durch das veränderte Muster mitteilte, Dorient sah zufrieden aus. Dann forderte er das Ornament auf: »Und jetzt sag mir, wer dein Träger ist.«

Das Zeichen veränderte sich erneut.

Dieses Mal zuckte Dorients Braue in die Höhe. »Wer bei Flechtenbarts Namen ist Larissa Dornmeier?«

»Das bin ich«, fiepte Lia. »Aber du kannst mich ruhig Lia nennen.«

Doch Dorient beachtete sie nicht. Dafür starrte er seine Schwester an, als würde er ihr am liebsten den Hintern versohlen. Mindestens. Gut möglich, dass Lia es sich einbildete, aber sein Haar sah so aus, als puste der Wind hinein. Der ganze Junge wirkte wie ein Sturm, der jeden Augenblick auszubrechen drohte.

»Deshalb wolltest du unbedingt die Wasserfälle im Zaarz-Tal besuchen!«, schimpfte Dorient. »Ich hatte mich schon gewundert, woher dein plötzliches Interesse an Elfengeschichte kommt. Dabei hast du nur Taukristalle für einen Körperwechselzauber sammeln wollen, um deine schwachsinnige Idee, Menschenkind zu spielen, in die Tat umzusetzen.«

»Es sollte ein Dopplungszauber werden, wenn du es genau wissen willst«, hielt Asalia dagegen.

Dorient schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Na, dann ist ja klar, warum es schiefgegangen ist. Du hättest entweder die doppelte Portion Taukristalle verwenden oder bis zum Sommer warten müssen, wenn die Sonne im Zenit steht. Nur dann reicht die Kraft der Taukristalle von einer Portion für etwas so Schwieriges wie einen Dopplungszauber. Schließlich legst du eine Körperkopie über deinen eignen. Zwei Körper miteinander zu vertauschen ist dagegen ein Klacks.« Er stöhnte. »Lass mich raten, Schwesterherz: Du hast es nicht für nötig gehalten, die komplette Zauberanleitung durchzulesen.«

Asalia schnaufte nur, aber ihre Wangen verfärbten sich rot.

»So weit, dass etwas an Asalias Elfen-Hokuspokus schiefgegangen ist, waren wir auch schon«, mischte Lia sich ein. »Können wir den Zauber jetzt bitte rückgängig machen? Meine Mutter kommt bald nach Hause, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihr erklären soll, dass ich wie eine Elfe aussehe, aber ansonsten noch ganz die Alte bin.«

Dorient nickte, dann wendete er sich an seine Schwester, die immer noch einen beleidigten Flunsch zog. »Hoffentlich hast du genug Kristalle eingepackt, um den Zauber rückgängig zu machen.«

»Selbstverständlich, schließlich habe ich nicht vor, den Rest meines Lebens in diesem unzulänglichen Körper zu bleiben«, sagte Asalia.

»Dann rück die Dinger endlich raus, Schwesterchen.«

Asalias Kinn begann zu beben. »Ich habe die Kristalle nicht bei mir, sie liegen gut verstaut in meinem Gepäck.«

»Anders ausgedrückt, hast du Luftkopf vergessen, das Rückreiseticket in deinem eigenen Körper mitzunehmen. Warum überrascht mich das nicht?« Dorient verdrehte die Augen. »Inzwischen dürfte dein Gepäck samt unserer Reisegesellschaft in Springwasser angekommen sein.«

In Lias Bauch breitete sich ein flaues Gefühl aus. »Wo genau liegt denn dieses Springwasser?«

»Springwasser ist kein Ort, sondern das Internat, zu dem meine dusselige Schwester und ich unterwegs sind. Das ist die einzige Schule in Andersreich, an der alle Elfen willkommen sind und an der man eine umfassende Ausbildung in den Künsten unseres Volkes erhält. Die Formidable & Allgemeine Elfenschule Springwasser ist einzigartig in Andersreich und man muss eins der Schulportale nehmen, um dorthin zu gelangen.«

»Dann könnt ihr mich nicht jetzt sofort zurückverwandeln? Oh bitte!« Lia schrie, sie konnte nicht anders. Die Tiara rutschte ihr in die Stirn. »Wie soll ich denn in der Zwischenzeit in diesem Körper ein normales Leben mit Schule, Hockey und Kinobesuchen hinbekommen? Wir Menschen sind aus Elfensicht vielleicht nicht besonders hoch entwickelt, aber selbst wir bemerken es, wenn jemand Ornamente auf der Haut hat, die ein Eigenleben führen, oder goldene Blitze mit den Fingern abschließt.«

»Du hast dich im Blitzrufen geübt?«, fragte Dorient beeindruckt. »Ich hab mich schon gewundert, warum die Luft so energiegeladen ist.«

»Das ist doch komplett egal. Ich will jetzt meinen Körper zurück!« Lia wusste nicht, ob sie einen Wutanfall bekommen oder in Tränen ausbrechen sollte. Bevor sie sich entscheiden konnte, erklangen Schritte im Flur.

Dann rief ihre Mutter: »Süße, ich bin wieder da. Was sagst du zu Erdbeereis mit Käsekuchenkrümeln auf dem Balkon? Wir müssen unbedingt die neuen Gartenmöbel einweihen und heute ist dafür der perfekte Tag. Und bevor du Einwände wegen deiner Höhenangst erhebst, vergiss nicht: Unsere Wohnung liegt im ersten Stock. Es gibt also keine Ausreden.«

Eine Sekunde später stand Lias Mutter auch schon glücklich lächelnd in der Tür zum Wohnzimmer.

Lia rechnete damit, dass ihr beim Anblick des seltsamen Besuchs die Gesichtszüge entgleisen und sie verblüfft zurückweichen würde. Oder ihre Mutter zumindest streng fragen würde, was das hier bitte schön zu bedeuten habe. Besuch in ihrer Abwesenheit war nämlich nur erlaubt, wenn Lia vorher gefragt hatte. Doch ihre Mutter tat nichts dergleichen, stattdessen kam sie lächelnd auf Asalia zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Schau mal an«, sagte Andrea Dornmeier. »Kaum steht der Frühling vor der Tür, sind auch schon deine Sommersprossen da. Niedlich.«

Asalia blinzelte, dann breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. »Ich stehe auch total auf die Sommersprossen, das ist so viel cooler als langweilige Alabasterhaut«, jubelte sie. »Und Erdbeereis klingt echt super, davon habe ich schon so viel gehört. Könnte es sein, dass ich Hunger habe? Jedenfalls fühlt sich mein Bauch ganz komisch an … so grummelig. Ist das Hunger?«

Lias Mutter schüttelte lachend den Kopf über den vermeintlichen Witz ihrer Tochter. »Hilf mir rasch, die Balkonmöbel abzudecken, dann machen wir es uns so richtig gemütlich.«

»Und schießen ein paar Fotos von uns, die wir dann posten. Das wird mega. Es heißt doch mega … oder megi? Egal!« Asalia sprühte vor Begeisterung, während sie Lias Mutter auf den Balkon folgte.

»Mama … Bitte warte«, rief Lia. »Wir müssen dringend was besprechen.«

Pfeifend zog ihre Mutter die Plastikfolien von den Möbeln und faltete sie mit Asalias Hilfe zusammen.

Lia wollte zu ihr laufen, doch Dorient hielt sie zurück. »Nun denk mal nach«, sagte er. »Wenn deine Mutter dich in einem Elfenkörper nicht sieht, dann wird sie wohl auch kaum deine Stimme hören. Richtig?«

»Meine Mama kann mich nicht sehen? Bist du dir auch wirklich sicher?« Die Vorstellung wollte Lia nicht in den Kopf, obwohl ihre Mutter sie keines Blickes würdigte. Und auch auf ihren Ruf hin hatte sie nicht einmal gezuckt, was ganz und gar untypisch war. Gleichgültig, wie viel ihre Mutter um die Ohren hatte, sie war immer für Lia da. Außer jetzt, wo sie sie mehr denn je brauchte.

»Tut mir leid«, sagte Dorient.

4.

Die unsichtbare Tochter

Lia saß neben Dorient auf der Balkonbrüstung.

Was wirklich etwas zu bedeuten hatte, denn normalerweise mied sie Höhen, wo es nur ging. Aber dafür hatte sie jetzt keinen Sinn, sie sah ihrer Mutter und Asalia nämlich angespannt beim Eisessen zu. Gelegentlich grinste die Elfenprinzessin zu ihnen rüber, aber ansonsten tat sie so, als würden die beiden Zaungäste nicht existieren.

»So prächtig, wie Asalia sich amüsiert, werden wir sie den Weg nach Springwasser hinter uns herzerren müssen«, sagte Lia.

Dorient schwieg.

»Stimmt was nicht?«

»Na ja …«, setzte der Elfenjunge an. »Es ist nur so, dass kein menschliches Wesen Springwasser betreten kann. Es befindet sich sozusagen außerhalb dieser Welt, und zwar in Andersreich, das uns Elfen gehört. Es wäre also ziemlich sinnlos, Asalia mitzunehmen, sie würde keine einzige Pforte passieren können. Besser, wir lassen sie hier bei deiner Mutter, dann kann sie uns auch keine Schwierigkeiten machen.«

»Ich habe eine noch bessere Idee«, sagte Lia. »Ich bleibe ebenfalls hier und du gehst allein an diesen megageheimen Elfenort, um die Kristalle zu holen. Schließlich bist du der Bruder von dieser Verrückten.«

»Kann es sein, dass ich da eine Kröte ganz hässlich quaken höre?«, sagte Asalia, wobei sie Lia einen säuerlichen Blick zuwarf.

»Hier in der Stadt gibt es keine Kröten, Liebling«, sagte Lias Mutter, die es offensichtlich genoss, mit einer Schüssel Eiscreme auf dem Bauch in der Nachmittagssonne zu entspannen.

»Ignorier den Giftpilz einfach«, sagte Dorient. »Asalia wäre uns auch dann keine Hilfe, wenn sie es versuchen würde. Sie hat ein Händchen für Katastrophen, wie sie gerade mal wieder bewiesen hat. Vergisst einfach, die Kristalle einzustecken. Unfassbar.«

»Da quakt eindeutig noch eine zweite, bestimmt mordshässliche Kröte«, nuschelte Asalia gerade so laut, dass es nur spitze Elfenohren hören konnten.

Dorient kümmerte sich nicht um die auf ihn gemünzte Gemeinheit, sondern holte einen weißen Kristallstab hervor, der in ein feines Geflecht aus silbernen Ranken gefasst war. Nachdenklich ließ er den Kristall durch seine Finger gleiten.