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Vor der Vergangenheit und seinen Gefühlen kann man nicht fliehen. Du kannst es versuchen, aber sie werden dich immer wieder einholen.
Martin Groß war einst gezwungen, sein Rudel und damit seine Familie zu verlassen, denn Werwölfe dulden keine Homosexuellen in ihren Reihen. Im „Literary Passion“, einem besonderen Etablissement für Frauen, hat er treue Freunde und ein neues Zuhause gefunden. Mit seinem Aufstieg zum stellvertretenden Sicherheitschef könnte eigentlich alles perfekt sein, doch insgeheim sehnt er sich nach Liebe. Dieser Wunsch bleibt unerfüllt, bis der Halbwerwolf Thomas Neumann auftaucht.
Aufgrund schlechter Erfahrungen kämpfen beide gegen ihre Gefühle an, aber die gegenseitige Anziehungskraft ist zu stark. Doch düstere Schatten aus der Vergangenheit bedrohen das junge Glück. Eine offen gelebte Beziehung zu einem Mann verstößt gegen die Gesetze der Werwölfe. Eine Schande, die Martins Vater als der Alpha des Ex-Rudels keinesfalls dulden kann.
Wird Martin für diese „verbotene Liebe“ kämpfen und damit sowohl sich als auch seinen Liebsten in Gefahr bringen, oder lässt er Thomas ziehen, um ihn zu schützen?
Teil 2 der "Literary Passion"-Serie. Jeder Band ist in sich abgeschlossen.
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel (Martin)
Kapitel
Kapitel
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel (Thomas)
Kapitel (Martin)
Kapitel
Kapitel
Kapitel (Thomas)
Das Buch
Vor der Vergangenheit und seinen Gefühlen kann man nicht fliehen. Du kannst es versuchen, aber sie werden dich immer wieder einholen.
Martin Groß war einst gezwungen, sein Rudel und damit seine Familie zu verlassen, denn Werwölfe dulden keine Homosexuellen in ihren Reihen. Im „Literary Passion“, einem besonderen Etablissement für Frauen, hat er treue Freunde und ein neues Zuhause gefunden. Mit seinem Aufstieg zum stellvertretenden Sicherheitschef könnte eigentlich alles perfekt sein, doch insgeheim sehnt er sich nach Liebe. Dieser Wunsch bleibt unerfüllt, bis der Halbwerwolf Thomas Neumann auftaucht. Aufgrund schlechter Erfahrungen kämpfen beide gegen ihre Gefühle an, aber die gegenseitige Anziehungskraft ist zu stark.
Doch düstere Schatten aus der Vergangenheit bedrohen das junge Glück. Eine offen gelebte Beziehung zu einem Mann verstößt gegen die Gesetze der Werwölfe. Eine Schande, die Martins Vater als der Alpha des Ex-Rudels keinesfalls dulden kann.
Wird Martin für diese „verbotene Liebe“ kämpfen und damit sowohl sich als auch seinen Liebsten in Gefahr bringen, oder lässt er Thomas ziehen, um ihn zu schützen?
Die Autorin
Vanessa Carduie erblickte an einem grauen Herbstmorgen 1988 in Dresden das Licht der Welt. Geschichten faszinierten sie von klein auf und bald folgten die ersten eigenen Erzählungen. Sie hat Biologie studiert und widmet sich seit einigen Jahren aktiv ihrer Schreibleidenschaft.
Ihre Geschichten sind eine Mischung aus Liebesroman, Krimi und Fantasy, je nachdem, an welchem Projekt sie gerade arbeitet. Mit ihren Büchern möchte sie ihre Leserinnen und Leser zum Lachen, Weinen und manchmal auch zum Nachdenken bringen. Dafür beschreitet sie gern ungewöhnliche Wege.
http://www.vanessa-carduie.com/
https://www.facebook.com/VanessaCarduieAutorin
Literary Passion
Verbotene Liebe
Teil 2
Vanessa Carduie
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Text Copyright © 2019 Vanessa Carduie
Dieses Buch unterliegt dem deutschen Urheberrecht. Das Vervielfältigen oder Veröffentlichen dieses Buches oder Teilen davon, ohne Zustimmung der Autorin, ist untersagt.
Coverdesign: Yvonne Less - www.art4artists.com.auBildnachweise:
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Lektorat: Jeanette Lagall -https://www.lektorat-lagall.de/
Korrektorat: Sandra Grüter
1. Auflage (02.10.2019)
Vanessa Carduie
Bärwalder Str. 3
01127 Dresden
Für alle, die jeden Tag gegen Vorurteile kämpfen.
In einer perfekten Welt dürfte jede/r die Person lieben, für die ihr/sein Herz schlägt.
Lasst uns dafür sorgen, dass dieser Traum wahr wird.
Mit klopfendem Herzen schalte ich den Motor aus und hole noch einmal tief Luft. Ich komme mir vor, als würde ich vor den Henker treten, dabei bin ich eigentlich nur zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Doch dieser Abend wird alles andere als angenehm werden.
Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr ist nichts mehr, wie es früher war. Damals habe ich gewagt, mir einzugestehen, dass Frauen nicht das sind, was ich begehre, und damit die schöne Fassade zerstört, die meine Familie sich aufgebaut hatte. ‚Ein so stattlicher Wolf wie du wäre der ideale Partner für die hübsche Tochter des befreundeten Rudels. Was für süße Babys da entstehen könnten.‘ Bla, bla. Ich weiß nicht, wie oft ich mir diese Sätze schon hatte anhören müssen. Seit meiner Pubertät stand für meine Eltern fest, wie mein weiteres Leben aussehen würde. Als einziger Sohn eines Alphas war die Partnerwahl leider keine reine Herzensangelegenheit, sondern durchaus von strategischer Bedeutung. Sich durch eine Heirat mit einem anderen Rudel zu verbünden, ist nicht mehr so elementar wichtig wie früher, dennoch wird es noch heute genutzt, um die Macht des eigenen Rudels erweitern. Da ich aufgrund meines Aussehens einige Verehrerinnen hatte, gab es für meine Eltern nie Zweifel daran, dass ich mir bald eine nette Frau suchen und Kinder in die Welt setzen würde. Wahrscheinlich hätten sie mir meine Andersartigkeit verziehen, wenn ich meine Sehnsüchte weiterhin im Verborgenen gestillt hätte. Doch das konnte ich irgendwann nicht mehr. Ich war es leid, ständig mit neuen, angeblich wahnsinnig fruchtbaren Wölfinnen behelligt zu werden, mit denen ich mich bitte möglichst zügig vermählen und vermehren sollte. Ich kam immer gut mit Frauen aus, aber beim Sex stellte ich schnell fest, dass ich Männer bevorzuge. Das war keine rebellische Laune von mir, wie mein Vater gehofft hatte. Es ist Fakt und daran wird sich auch nichts ändern. Als ihnen das klar wurde, brach ihre heile Welt zusammen. Kurz nach meinem Coming-out verließ ich das Rudel. Ein harter Schritt für einen Werwolf, aber ich konnte ihre Ablehnung und Enttäuschung einfach nicht mehr ertragen. Darüber hinaus reichte es meinem Vater nicht, mich mit Verachtung zu strafen, er sorgte auch dafür, dass ich fortan von den anderen Rudelmitgliedern gemieden wurde.
Du hast ein neues Zuhause und ein wunderbares, verrücktes Rudel, das hinter dir steht, rufe ich mir in Erinnerung. Dieser Gedanke gibt mir Kraft, die bevorstehende Tortur zu ertragen. Trotz allem liebe ich meine Familie und meine Schwestern akzeptieren mich, wie ich bin. Doch das gute Verhältnis, das ich zu meinen Eltern hatte, ist Geschichte. Für meinen Vater bin ich eine Schande, eine Abnormität. Meine Mutter war anfangs geschockt und brauchte eine Weile, um den Fakt, dass ich schwul bin, zu verarbeiten, aber sie hat immer versucht, den Kontakt zu mir nie abreißen zu lassen. Wir verstehen uns gut, aber die Unbeschwertheit von früher fehlt. Meine Mutter will mich nicht verlieren und die Familie zusammenhalten. Das führt bis heute regelmäßig zu Streit zwischen meinen Eltern.
Ich atme noch einmal tief durch und steige dann aus dem Auto. Ich schaffe das und danach gehe ich Marco auf den Geist. Falls es ganz schlimm werden sollte, kann ich ihn sicherlich zu einer Runde im Trainingsraum überreden. Dabei kann ich meine Wut und meinen Frust herauslassen, ohne Angst haben zu müssen, jemanden ernsthaft zu verletzen. Das bringt mich zum Lächeln. Es hat definitiv Vorteile, mit einem Vampir befreundet zu sein.
Als ich vor der Tür meines Elternhauses stehe, straffe ich die Schultern und setze eine höfliche, aber unbeteiligte Miene auf. Dieser Besuch ist mehr Pflicht als Freude, von daher bleibe ich auf Distanz und versuche nicht anzuecken. Ich weiß jedoch, dass meine Mutter sich freut, wenn ich sie zu ihrem Geburtstag besuche. Das ist der einzige Grund, warum ich mir diesen familiären Spießrutenlauf antue. Ich verfluche das leichte Zittern meiner Hand, als ich den Klingelknopf betätige. Ruhig bleiben und lächeln. Schritte sind zu hören, dann wird die Tür aufgerissen.
„Martin, da bist du ja endlich!“, begrüßt meine Mutter mich mit einem Lächeln und scheucht mich ins Haus.
„Verzeih die Verspätung. Wir hatten noch eine wichtige Besprechung.“ Ich strecke ihr einen bunten Blumenstrauß entgegen. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“
„Danke!“ Strahlend nimmt sie ihn entgegen und umarmt mich. „Du bist immer so beschäftigt, Junge“, seufzt sie bedauernd.“
Ich genieße den kurzen Moment der Zuneigung und unterdrücke die Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Wir wissen beide, dass ich nur ihr zuliebe gekommen bin, und auch nur auf ihren Wunsch geduldet werde. Aussprechen möchten wir es allerdings nicht.
„Als stellvertretender Sicherheitschef habe ich nun einmal viel Verantwortung.“ Ich entledige mich meiner Jacke und Schuhe und genieße den kurzen Moment mit meiner Mutter.
„Bist du glücklich?“, fragt sie mich leise und schaut vorsichtig Richtung Wohnzimmer, wo der Rest der Familie versammelt ist. Ich spüre ihre Liebe zu mir, auch wenn sie einige meiner Entscheidungen nicht versteht. Es ist schließlich sehr ungewöhnlich, als Sicherheitsmann in einem Bordell für Frauen zu arbeiten und dann auch noch für einen Vampir. In der Regel mögen sich Blutsauger und Wölfe nicht. Mutter versucht es zumindest, mich zu verstehen und hat mich nicht einfach verstoßen wie Vater.
„Ja“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Ich könnte mir keinen besseren Job wünschen und das Umfeld im Literary Passion ist auch super.“
Meine Mutter schenkt mir ein trauriges Lächeln. „Das freut mich. Jetzt sollten wir aber besser zu den anderen gehen. Sie wollen dich sicherlich auch begrüßen.“
Da habe ich so meine Zweifel, denke ich und folge meiner Mutter ins Wohnzimmer. Stimmen und Kindergeschrei sind zu hören. Im Gegensatz zu mir waren meine Schwestern folgsam und haben Nachwuchs produziert. Der erste Sprössling rennt uns beinahe über den Haufen.
„Oma, Oma! Wer …“ Schlitternd kommt meine Nichte Annabell vor uns zum Stehen. Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf ihrem engelsgleichen Gesicht aus, als sie mich entdeckt. „Onkel Martin!“
Ich beuge mich zu ihr herunter und hebe die aufgeweckte Fünfjährige hoch, die mich sehr stark an meine ältere Schwester erinnert.
„Hallo Prinzessin, wie geht es dir?“, frage ich und küsse sie auf die Wange. Sie schlingt ihre Ärmchen um meinen Hals und kuschelt sich an mich. „Gut“, murmelt sie. „Hast du gesehen? Ich bin ganz doll gewachsen.“
„Ja, das bist du. Fast schon ein Schulkind“, antworte ich und frage mich, wie die Zeit nur so schnell vergehen konnte. Es ist verlockend, mich nur mit dem Mädchen zu beschäftigen, das anderen Menschen noch offen und ohne Vorurteile begegnet. Doch ich bin kein Feigling und wende mich den anderen zu.
„Guten Abend, allerseits.“
„Hi Brüderchen“, begrüßt meine jüngste Schwester Heike mich und kommt zu mir. Sie hat ihren kleinen Sohn auf dem Arm und drückt mich an sich, so gut es mit Kindern auf beiden Seiten geht. „Schön, dich zu sehen.“
„Hi Kleine, wie geht es dir und dem Räuber?“ Spielerisch stupse ich mit dem Finger gegen Emils Nase. Der Junge kichert und versucht meine Hand zu fangen.
„Uns geht es gut.“ Heike lacht und knuddelt ihren Sohn. „Wie du siehst, entwickelt der kleine Räuber sich prächtig und sorgt dementsprechend für Trubel.“
„Das glaube ich.“
Ich mache meine Runde und gebe Annabell bei meiner anderen Schwester Luise ab, die mit den restlichen Familienmitgliedern auf dem Sofa sitzt. Einzig mein Vater thront in seinem Sessel und beobachtet mich mit finster zusammengezogenen Augenbrauen. Ihn ignoriere ich, so gut ich kann.
„Hallo Big Mama“, sage ich neckend zu Luise. „Bist du dir sicher, dass du nicht doch Zwillinge erwartest?“
Sie lacht und streichelt liebevoll über ihren Kugelbauch. „Die Ärztin ist der Meinung, dass es nur eins ist. Aber wahrscheinlich wird es so ein Brocken wie du.“
„Solange er nicht in allen Belangen nach seinem Onkel schlägt, ist alles gut“, knurrt mein Vater feindselig und zerstört damit die angenehme Stimmung. Ich verstecke meinen Schmerz und drehe mich langsam zu ihm um.
„Hallo Pa“, sage ich so freundlich wie möglich und spare mir weitere Worte.
Mein Vater sieht trotz seiner sechzig Jahre noch fit aus und ist so störrisch wie eh und je. Seine dunklen Augen mustern mich wachsam - und voller Verachtung. Rein optisch bin ich der Vorzeigesohn, den er sich immer gewünscht hat. Mit meinen eins neunzig bin ich selbst für einen Werwolf groß und deutlich muskulöser als der Durchschnitt. Der Dreitagebart, die kurzen blonden Locken und meine blauen Augen machen mich zu einem durchaus ansehnlichen Mann. Doch durch meine Homosexualität bin ich für Bert Groß kein ‚richtiger Kerl‘, wie er mir nur zu gern unter die Nase reibt. In seinen Augen bin ich ein abartiger Versager, der sich zu allem Übel auch noch Umgang mit ‚elenden Blutsaugern‘ und anderem „Dämonengesindel“ hat.
„Martin. Du hast den Weg also doch noch gefunden.“ Er klingt, als ob er diesen Fakt bedauert.
„Erstaunlich aber wahr“, kommentiere ich nur und bleibe auf Abstand. Mein Vater war noch nie wirklich gut darin, seine Zuneigung auszudrücken, doch seit ich mich geoutet habe, vermeidet er Berührungen wie die Pest. Man konnte schließlich nie wissen, was ich alles anschleppe. Zudem hat er wahrscheinlich Angst, dass seine Männlichkeit infrage gestellt werden könnte, wenn er mir zu nahe kommt. Als knallharter Alpha der alten Schule ist es in den Augen meines Vaters schon ungewöhnliche Milde, dass ich sein Haus überhaupt betreten darf. Ich bin schließlich nicht nur homosexuell, sondern arbeite auch noch für einen Vampir in einem mehr als fragwürdigen Etablissement. Tatsächlich duldet er mich heute nur meiner Mutter zuliebe - die sich für mich eingesetzt hat - und hält sich bis jetzt mit Gemeinheiten zurück. Noch bemüht er sich, ihren Geburtstag nicht zu versauen, indem er Streit mit mir anfängt. Ich bin mir jedoch sicher, dass er das nicht durchhält. Dafür ist er zu streitsüchtig und egoistisch. Mein Vater liebt es, wegen Nichtigkeiten einen Streit von Zaun zu brechen.
Bevor er mir also Beleidigungen an den Kopf werfen kann, wende ich mich ab und begrüße meine beiden Schwäger mit einem Handschlag. Mit Henry, dem Mann meiner älteren Schwester, bin ich selbst nach acht Jahren noch nicht warm geworden. Er ähnelt meinem Vater in zu vielen Punkten. Bisher hält er sich zurück, was offene Gemeinheiten angeht, und tut freundlich. Allerdings habe ich mehr als einmal ein hinterhältiges Glitzern in seinen Augen oder ein spöttisches Lächeln gesehen, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Sein Umgangston mit den Damen missfällt mir ab und an ebenfalls, was ich ihn deutlich spüren lasse. Luise scheint jedoch mit ihm glücklich zu sein, wie auch immer sie es mit ihm aushält. Heikes Partner Georg hingegen ist ein netter Kerl, wenngleich ein bisschen tapsig, was ihn meiner Ansicht nach umso liebenswerter macht. Er mag mich, tut allerdings gut daran, sich aus dem Ärger herauszuhalten. Georg ist einfach nicht der Typ, der sich gern in Konflikte stürzt. Deswegen wird er oft genug von meinem Vater und Henry belächelt. ‚Sanftmütig‘ beschreibt ihn ganz gut. Damit ist er die perfekte Ergänzung zu meiner doch eher kämpferischen jüngeren Schwester. Beide Männer sind ansehnliche Werwölfe, trotzdem wirken sie neben mir schwächlich. Zumindest äußerlich schlage ich nach meinem Vater. Zum Glück bin ich in allen anderen Dingen mehr wie meine Mutter und damit in der Lage, halbwegs offen auf andere Leute zuzugehen.
Obwohl meine Schwestern und Mutter versuchen, ein lockeres Gespräch anzustoßen, gelingt es ihnen nicht, die feindselige Stimmung zu vertreiben, die mein Vater ausstrahlt. Es ist nur allzu deutlich, dass er liebend gern auf mir herumhacken würde. Als er den Mund aufmachen will, greift meine Mutter ein. „Bert, halte dich zurück! Heute ist mein Geburtstag. Da möchte ich keinen Streit.“ Mürrisch setzt er zu einer Erwiderung an, doch der mahnende Blick meiner Mutter hält ihn davon ab. Noch. Als jemand an meinem Hosenbein zupft, blicke ich erleichtert nach unten. Flucht widerspricht meinem Naturell, doch es ist die beste Lösung, wenn ich vermeiden will, dass es zu einem Streit oder gar zu Handgreiflichkeiten kommt. Es wäre nicht das erste Mal.
„Onkel Martin, spielst du mit mir?“ Annabell schaut mich mit ihren großen Augen an. Lächelnd hocke ich mich hin. „Klar, was möchtest du denn spielen?“
„Memory!“
Ich hebe sie hoch und wende mich an meine Mutter. „Ma, hast du noch das Memory-Spiel hier?“
„Natürlich. Es ist alles in deinem ehemaligem Zimmer, wie immer.“
„Komm, Prinzessin. Dann lass uns mal schauen, wer von uns beiden das bessere Gedächtnis hat.“
Ich steige die Treppen in den ersten Stock hoch und schäkere mit Annabell. Das verdrängt auch die unschönen Gefühle, die mich begleiten. Bis vor fünfzehn Jahren war das hier mein Zuhause. Mein ehemaliges Zimmer dient nun als Spielzimmer für die Enkelkinder. Meine beiden Schwestern nutzen ihre Räume noch, wenn sie hier sind. Nach meinem Coming-out wurden meine Habseligkeiten schnellstmöglich aus dem Haus verbannt. Meiner Mutter war es zu verdanken, dass ich damals eine kurze Gnadenfrist bekommen habe und nicht direkt von meinem Vater vor die Tür gesetzt wurde. Ein Glück, dass ich nur wenig Kram hatte, der schnell gepackt war. Heike hat es mir damals ermöglicht, in ihrem WG-Zimmer unterzukommen, bis ich etwas Eigenes hatte. Eigentlich verwunderlich, dass mein Vater mich noch nicht enterbt hat. Aber vielleicht weiß ich das auch einfach nicht. Ich vertreibe diese Gedanken. Seit ich im Literary Passion arbeite, habe ich keine finanziellen Sorgen mehr. Marco bezahlt seine Angestellten sehr gut, und da ich auf dem Gelände wohne, halten sich die Kosten in Grenzen. Selbst wenn ich gar nichts bekommen würde, würde ich dort arbeiten. Im Literary Passion akzeptieren mich die Leute, wie ich bin, und das ist viel mehr wert als Geld.
Während ich mit Annabell Memory spiele, fällt es leicht, die familiären Probleme zu vergessen. Das kleine Mädchen ist zuckersüß und total vernarrt in mich. Mit ihren blonden Zöpfen und den großen blauen Augen wirkt sie wie ein Engel, hat es jedoch faustdick hinter den Ohren. Sie liegt auf dem Bauch und wackelt mit den Beinen über ihrem Po hin und her.
„Du, Onkel Martin?“
„Ja, Prinzessin?“
„Hast du eigentlich auch eine Freundin?“
Ihre Frage lässt mich erstarren. Das Kind kann nicht wissen, dass es damit einen wunden Punkt trifft. „Nein, leider nicht.“
Annabell hört auf, mit den Füßen zu wippen und sieht mich verwundert an. „Will dich etwa keine? Also ich würde dich sofort heiraten.“
Ich schenke ihr ein trauriges Lächeln. „Das ist lieb von dir, aber deine Eltern wären sicherlich nicht begeistert. Ich bin auch ein bisschen zu alt für dich.“
„So alt bist du doch gar nicht“, widerspricht sie mir und zieht eine Schnute.
„Dreißig Jahre sind ein gewaltiger Unterschied, Prinzessin.“ Ich streichle über ihr Haar. „Du hast noch ganz viel Zeit, um deinen Prinzen zu finden.“
„Und du?“
„Ich bestimmt auch“, antworte ich so zuversichtlich wie möglich. Annabell ist noch sehr jung und jetzt ist definitiv nicht der richtige Moment, um ihr zu erklären, dass ich ebenfalls auf der Suche nach einem Prinzen bin. „Weißt du, manchmal ist es nicht so einfach mit der Liebe.“
„Das finde ich unfair“, murrt sie.
„Stimmt, aber so ist das Leben. Jetzt lass uns weiterspielen. Es wird sicherlich bald Abendbrot geben.“
Glücklicherweise lässt sie sich auf meine Ablenkung ein. Ihr Vater Henry wäre sicherlich alles andere als begeistert, wenn ich seine Tochter mit meiner ‚Homosexualität besudele‘.
Wenig später geht die Tür auf und Heike tritt ein. „Hallo ihr beiden. Zeit zum Essen.“
„Ich hab aber noch gar keinen Hunger“, brummelt Annabell und schenkt ihr den schönsten Hundeblick. „Kann ich nicht mit Onkel Martin hier oben bleiben und spielen?“
Meine Schwester widersteht ihrem Betteln. „Nein, das geht leider nicht. Nur weil du keinen Hunger hast, soll dein armer Onkel doch nicht verhungern, oder?“
Mürrisch steht das Kind auf und watschelt zur Tür. Ich erhebe mich ebenfalls. Nachdem ich die ganze Zeit auf dem Boden gehockt habe, muss ich mich erst einmal strecken.
Heike nutzt die Chance, um mit mir unter vier Augen zu sprechen. „Wie geht es dir wirklich, Brüderchen?“
„Ganz gut. Du weißt, dass diese Pflichtbesuche alles andere als angenehm für mich sind. Wenn es sich nicht um Mutters Geburtstag handeln würde, hätten mich keine zehn Pferde hierher gebracht.“ Ich zucke mit den Schultern. „Davon abgesehen kann ich mich eigentlich nicht beschweren. Meine Arbeit macht Spaß und ich fühle mich im Literary Passion wohl.“
„Du fehlst im Rudel“, sagt Heike leise. „Seit du gegangen bist, ist die Stimmung merkwürdig. Vater regiert mit strenger Hand, doch er wird von Jahr zu Jahr verbitterter. Henry unterstützt ihn auch noch bei seinem harten Kurs.“
Ich drehe ihr den Rücken zu. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mich darauf anspricht. „Du weißt so gut wie ich, dass ich nur zurückkehren könnte, wenn ich Vater ablösen würde oder mir eine Frau nähme. Am besten noch beides gleichzeitig. Doch das wird nicht geschehen. Solange er mich nicht zwingt, werde ich nicht gegen ihn kämpfen.“ Ernst sehe ich meine kleine Schwester an. „Ich habe meinen Platz gefunden. Obwohl mich der Verlust meines alten Rudels schmerzt, ist das kein Grund, mein wahres Wesen zu verleugnen und alles aufzugeben, was ich mir in den letzten fünfzehn Jahren aufgebaut habe.“
Sie kommt zu mir und umarmt mich. „Ich vermisse dich, großer Bruder.“
„Ich dich auch, Kleine. Aber du bist erwachsen und hast Mann und Kind.“ Ich drücke sie an mich. „Du weißt, dass ich immer für dich da bin, wenn du mich brauchst.“
„Und dafür bin ich sehr dankbar. Ich wünschte nur, ich könnte dir auch helfen. Gott weiß, ich habe oft genug versucht, Paps umzustimmen.“
„Wir wissen beide, dass er zu stur ist, um seine Einstellung zu ändern. Außerdem möchte ich nicht, dass du wegen mir Ärger bekommst. Du musst auch an Emil und Georg denken.“
„Ach, verdammt! Das ist so ungerecht.“
„Ist es, aber das Leben geht weiter. Alle, denen ich wichtig bin, halten auch so Kontakt zu mir. Der Rest kann mir gestohlen bleiben.“ Ich küsse ihre Stirn und löse mich von ihr. „Komm, die anderen warten auf uns. Wir sollten Pa keinen weiteren Grund geben unausstehlich zu sein.“
„Du hast recht. Aber ich sehe dich so selten, dass ich mir ein paar private Minuten mit dir verdient habe.“
Locker lege ich ihr einen Arm um die Schultern, während wir langsam die Treppe hinuntergehen. „Du könntest mich auch besuchen kommen. Die anderen beißen nicht, versprochen.“
„Vielleicht mache ich das tatsächlich mal. Emil ist groß genug und ich bin wirklich neugierig auf dieses spezielle Hotel, von dem du viel zu wenig erzählst.“
Ich lache. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Unsere Kundinnen können sich Host und Zimmer aus ihrem Lieblingsbuch aussuchen und sich verwöhnen lassen.“ Mit einem Augenzwinkern ergänze ich: „Solange du nur den Wellness-Bereich nutzen willst, dürfte es keine Probleme geben. Von den Hosts würde ich an deiner Stelle die Finger lassen oder willst du Georg eifersüchtig machen?“
Heike spielt die Nachdenkliche. „Mhm. Er ist sich schon sehr sicher, dass ich ihm zu Füßen liege …“
Das bringt mich zum Lachen. „Du liegst doch niemandem zu Füßen, wenn du nicht gerade ausgerutscht bist. Wenn er das noch nicht kapiert hat, solltest du dir das mit dem Spezialangebot vielleicht doch überlegen.“
Gut gelaunt erreichen wir das Esszimmer. Der verführerische Geruch von Mamas leckerem Braten liegt in der Luft, doch ich werde ihn wahrscheinlich nicht in Ruhe genießen können.
Der missbilligende Blick meines Vaters spricht Bände. Unpünktlichkeit konnte er noch nie leiden und ich kann es ihm ohnehin nicht recht machen. „Schlampt ihr in eurem Hotel auch immer so herum?“, keift er.
„Wegen ein paar Minuten Verspätung macht bei uns niemand ein Fass auf. Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Es kann nicht jeder einen Stock im Arsch haben“, gebe ich pampig zurück.
„Pff! Aufeinander verlassen, dass ich nicht lache! Ihr seid doch nichts weiter als ein Haufen Ausgestoßener und Sonderlinge.“
Wut durchströmt mich. Ich habe noch nie verstanden, warum mein Vater sich für etwas Besseres hält, nur weil er ein Alpha ist. Selbst diese Position hat er mehr geerbt als sich erkämpft. „Jeder dieser ‚Sonderlinge‘ ist mehr wert als dein Haufen verlogener Duckmäuser!“
Empört springt mein Vater vom Stuhl. „Bert! Martin!“, ruft meine Mutter uns zur Ordnung. „Setzt euch hin und tut wenigstens für ein paar Minuten, als könntet ihr euch wie normale Menschen benehmen.“
Knurrend nimmt mein Vater wieder Platz. „Charlotte …“
„Kein Wort!“, fährt sie ihm über den Mund. „Iss und sei ruhig.“
Das Essen verläuft größtenteils in angespanntem Schweigen. Zwar versuchen die Frauen immer wieder eine Unterhaltung zu beginnen, doch das ist nicht so einfach, wenn so viele Fettnäpfchen bereitstehen. So streitlustig wie mein Vater aufgelegt ist, nutzt er jede noch so kleine Vorlage, um mich zu beleidigen. Von daher beschränken wir uns auf ein bisschen Small Talk oder schweigen. Da Annabell unbedingt neben mir sitzen möchte, habe ich einen wunderbaren Puffer an meiner Seite und kann mich galant aus der allgemeinen Unterhaltung herausmogeln. So feindselig wie die Stimmung ist, wird es nachher noch knallen, wenn ich nicht bald verschwinde.
Als hätte mein Vater meine Gedanken gelesen, nutzt er die kurze Abwesenheit meiner Mutter, die gerade den Nachtisch holt. Er wirft sein Besteck schwungvoll von sich und schaut mich angewidert an. „Bäh! Mit so etwas wie dir an einem Tisch sitzen zu müssen, ist eine Zumutung! Deine reine Anwesenheit verdirbt das gute Essen.“
Innerlich kochend nehme ich mir noch etwas von dem Braten, obwohl mir der Hunger vergangen ist. Einfach nur, um meinen Vater zu ärgern. „Also, mir schmeckt es ausgezeichnet. Lässt in deinem fortgeschrittenen Alter etwa der Geschmackssinn nach?“ Das ist eine harmlose Antwort, doch vor den Kindern möchte ich nicht ausfällig werden. Allerdings bin ich wohl der Einzige, der das so sieht. Aufgebracht springt mein Vater von seinem Stuhl auf und kommt drohend auf mich zu.
„Du wagst es, dich über mich lustig zu machen?! Ein Perverser, der lieber Stricher in den Arsch fi …“
Weiter kommt er nicht. Blitzschnell habe ich mich erhoben und ihn am Kragen gepackt. „Im Gegensatz zu dir weiß ich, was Anstand ist“, knurre ich gefährlich. Mein Geduldsfaden droht zu reißen. „Offensichtlich ist dir entgangen, dass es heute nicht um dich geht und kleine Kinder anwesend sind. Schwelge von mir aus in deinem Hass, aber halte den Mund und höre auf, Mutters Geburtstag zu ruinieren.“
Zornig versucht mein Vater, sich von mir loszumachen, doch ich habe die Oberhand. „Nimm deine dreckigen Finger von mir!“
Ich denke jedoch nicht daran, seiner Forderung nachzukommen. Stattdessen verstärke ich meinen Griff um seinen Kragen und ziehe ihn nah an mein Gesicht heran. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Bewegung. „Bleib sitzen, du räudiger Köter! Du bist mir ohnehin nicht gewachsen“, schnauze ich Henry an, als der zur Rettung meines Vaters eilen will.
„Willst du dich wirklich mit mir messen, alter Mann? Ich bin schon lange kein schwächlicher Jüngling mehr, den du locker besiegen könntest.“
Bevor die Sache weiter eskalieren kann, mischt Heike sich ein. „Setzt euch verdammt nochmal hin! Es muss doch möglich sein, dass ihr für ein paar Stunden im selben Raum seid, ohne euch an die Gurgel zu gehen.“
Genau in diesem Moment kommt meine Mutter mit einem lecker duftenden Kuchen zurück. Vor Empörung knallt sie die Kuchenplatte auf den Tisch. „Bert, setz dich sofort hin und lass Martin in Ruhe! Das Letzte, was ich an meinem Geburtstag möchte, ist, dass sich mein Ehemann und mein Sohn prügeln.“
„Du hast recht. Tut mir leid, Ma“, antworte ich ihr und stoße meinen Vater von mir.
Notgedrungen zieht sich mein Vater unter einer Reihe gemurmelter Beleidigungen auf seinen Platz zurück. Betretenes Schweigen herrscht am Tisch, zumindest dort, von wo aus mir keine hasserfüllten Blicke zugeworfen werden. Selbst die Kinder wagen es nicht, einen Ton von sich zu geben.
Da ich den Geburtstag meiner Mutter nicht vollends ruinieren möchte, nutze ich die erstbeste Möglichkeit, um mich unauffällig zu verabschieden. Mehr als ein paar Stunden ertrage ich die Gegenwart meines Vaters einfach nicht, ohne ihm den Hals umdrehen zu wollen.
Als ich eine halbe Stunde später im Literary Passion ankomme, werde ich schon von Marco erwartet.
„Sofa oder Trainingsraum?“, fragt er nur.
„Keine Ahnung. Ich fühle mich gerade total ausgelaugt.“
Marco zieht mich einfach in seine Arme. „Du weißt, dass es hier viele Leute gibt, die dich so lieben, wie du bist?“
Ich genieße diesen Moment der Vertrautheit. Der schwarzhaarige Vampir ist sparsam mit derlei Gesten, von daher muss man mir meinen desolaten emotionalen Zustand wohl anmerken. „Ich danke dir.“
Er klopft mir aufmunternd auf die Schulter. „Gern. Magdalena ist übrigens auch noch wach, wenn du lieber jemanden mit einem sonnigeren Gemüt zum Reden haben willst.“
„Scherzkeks.“
„Geh rein und lass dir von ihr eine heiße Schokolade machen. Ich komme gleich nach.“
„Na gut. Bis gleich.“
Ich suche nach meinem Schlüssel und schließe die Haustür zu Marcos Unterkunft auf. An der Wohnungstür klingle ich, da ich Lena nicht überfallen will. Es ist ein großer Vertrauensbeweis, dass ich überhaupt in seine Wohnung darf. Marco ist in dieser Hinsicht eigen. Außer mir und Lena besitzt niemand einen Schlüssel, noch nicht einmal sein Zögling Adrian.
„Martin!“ Lena reißt die Tür auf und springt freudestrahlend in meine Arme. Ich halte sie fest und muss trotz meiner Niedergeschlagenheit lächeln. Die kleine schlanke Polizistin mit dem braunen Lockenkopf erinnert mich sehr an meine jüngste Schwester. Obwohl wir uns erst kurze Zeit kennen, liebe ich sie, als wären wir wirklich verwandt. Das beruht auf Gegenseitigkeit, wie Lena mir vor ein paar Wochen gestand. Sie weiß, was ich bin – ein Werwolf und schwul -, und akzeptiert es. Für sie als Mensch war der Beginn im Literary Passion nicht einfach. Dass sie beinahe von einem verrückten Vampir umgebracht worden wäre, hat die Eingewöhnung in unsere Welt nicht unbedingt vereinfacht.
„Na, Kleine, ich hoffe, ich störe dich nicht?“
Sie küsst meine Wange und tritt dann zurück. „Du störst nie, Martin. Komm rein. Was möchtest du trinken?“
„Marco hat Kakao angeordnet“, sage ich mit belegter Stimme. Nach der feindseligen Stimmung in meinem Elternhaus ist das Verhalten der beiden Balsam für meine Seele.
„Hey. Was ist los?“, fragt sie und schleift mich zum Sofa.
Dafür, dass sie ein Mensch ist, kann sie sich wunderbar durchsetzen. Sie drückt mich auf die Couch und hockt sich daneben. Aufmerksam mustert sie mich. „Deinen Kakao bekommst du gleich, jetzt sag mir erst einmal, wer dir wehgetan hat.“
„Das ist eine alte Geschichte“, sage ich nur. Es gab bisher keinen Grund, Magdalena von meinen familiären Problemen zu berichten.
Lena lässt nicht locker. „So alt kann sie nicht sein, wenn es dich derartig mitnimmt.“ Sie ergreift meine Hand. „Komm schon. Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst.“
Deprimiert lasse ich den Kopf hängen.
„Martin?“ Besorgt legt sie die Arme um mich. „Rede mit mir. Ich sehe doch, wie es dich innerlich zerreißt. Wen soll ich verhauen?“
Die Vorstellung, dass Lena als Mensch einen ausgewachsenen Werwolf verprügeln will, ist amüsant. Tatsächlich wäre sie dank Marcos Training eine ernstzunehmende Gegnerin, wie ich schon erfahren durfte. Ich lächle und seufze dann: „Danke, Kleines. Diesen Kampf muss ich alleine austragen.“
Unzufrieden sieht sie mich an. „Aber darüber sprechen solltest du. Sonst quetsche ich Marco aus, der weiß offensichtlich, was los ist.“
Eigentlich will ich Magdalena nicht mit meinen Problemen belasten, auf der anderen Seite hat sie recht. Ich muss mit jemandem darüber reden, sonst drehe ich noch durch oder igele mich irgendwann ein.
„Heute ist der Geburtstag meiner Mutter“, beginne ich.
„Es scheint ja ein rauschendes Fest gewesen zu sein, wenn ich mir deine Miene so ansehe.“
Ich schnaube. „So könnte man es ausdrücken. Seit ich mich geoutet habe, ist mein Verhältnis zu meinem Vater ….“ Ich suche nach der richtigen Formulierung. „... schwierig. Als ich nicht mehr der Vorzeigesohn war, musste ich sein Rudel verlassen, damit sein ‚guter Ruf‘ nicht ruiniert wird. Meine Mutter und meine Schwestern halten den Kontakt, aber ein Besuch bei der Familie gleicht immer einem Spießrutenlauf.“ Ich stocke. Selbst nach diesen fünfzehn Jahren schmerzt mich diese Tatsache, obwohl ich mich mittlerweile damit abgefunden haben sollte. „Offen zu meiner Homosexualität zu stehen, hat einfach alles verändert. Seitdem ist nichts mehr so, wie es vorher war.“
„Du meinst, seit du herausgefunden hast, dass du Marcos Hintern genauso sexy findest wie ich?“, versucht Lena es scherzhaft auszudrücken.
„Was ist mit meinem Hintern?“, erkundigt der Vampir sich.
Peinlich berührt weiche ich seinem fragenden Blick aus. In der Anfangszeit fand ich Marco tatsächlich anziehend. Der Vampir ist groß, schwarzhaarig und sieht trotz seiner fast vierhundert Jahre keinen Tag älter aus als dreißig. Selbst seinen goldbraunen Teint hat er behalten, obwohl er seit seiner Wandlung nicht mehr in der Sonne war. Aus meiner anfänglichen Schwärmerei für ihn entwickelte sich mit der Zeit ein familiäres Verhältnis. Dieser oftmals kühle und wortkarge Vampir war mir in den letzten zehn Jahren mehr Vater und Mentor als mein leiblicher.
„Gar nichts. Ich habe nur festgestellt, dass er recht ansehnlich ist“, beantwortet Lena seine Frage.
Marco zieht nur eine schwarze Augenbraue in die Höhe. „Bring Martin nicht in Verlegenheit. Er hat es schon schwer genug.“ Er beugt sich zu ihr herunter und gibt ihr einen Kuss. „Wenn du ihn verhören willst, solltest du ihm wenigstens etwas zu trinken anbieten, Schatz.“
Erschrocken hüpft Lena vom Sofa. „Oh, entschuldige, Martin. Ich mache dir sofort einen Kakao. Soll ich noch Eis mitbringen?“
„Wegen mir nicht“, sage ich mit einem schwachen Lächeln.
„Na gut. Kakao mit oder ohne Schuss?“
„Mit. Danke, Lena.“
Sie streicht mir über den Arm. „Für dich immer.“
Als sie in der Küche verschwunden ist, ergreift Marco das Wort. „Du musst dich vor keinem von uns rechtfertigen oder verstecken.“ Er lässt sich neben mir auf dem Sofa nieder. „Ich weiß, dass du zu Anfang ein bisschen verliebt in mich warst.“
Geschockt sehe ich ihn an. Mir war nicht klar, dass er das mitbekommen hatte.
„Ich bin ein Vampir, Martin. Natürlich bemerke ich, wenn sich jemand zu mir hingezogen fühlt“, erklärt er leise lachend. „Das war für mich jedoch nie ein Problem. Blutsauger sind in dieser Hinsicht ohnehin etwas anders. Nicht wenige von uns testen sich aus und haben Liebschaften mit beiden Geschlechtern.“
„Aber warum …“
„Ich nie etwas gesagt habe? Es war nicht wichtig für mich. Als du hier ankamst, sahst du ähnlich niedergeschlagen und verloren aus wie jetzt. Ich wollte nicht, dass du aus Angst vor Ablehnung gleich wieder abhaust.“ Er betrachtet mich ernst. „Du weißt, dass du mehr Familie für mich bist als alle anderen. Wenn du mich brauchst, dann bin ich für dich da.“
Mein Herz zieht sich schmerzhaft und freudig zugleich zusammen. In gewisser Weise hält Marco seine schützende Hand über alle im Literary Passion, egal ob Mensch oder übernatürliches Wesen. Kaum etwas bleibt ihm verborgen. Geheimnisse duldet er nur in gewissem Maße, was ich nach den jüngsten Ereignissen vollkommen verstehen kann. Erst vor Kurzem haben wir alle wegen eines dieser dunklen Geheimnisse bluten müssen.
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. Innerlich bin ich zerrissen, denn ich weiß sehr genau, dass ich hier geachtet und geliebt werde, trotzdem schmerzt mich die Zurückweisung meines Vaters noch immer. Egal wie viel Zeit vergeht, ich kann mich davon nicht lösen.
„Ach verdammt! Ich komme mir jedes Mal wie ein kleiner Junge vor.“
„Das ist normal. Familie ist immer eine heikle Angelegenheit. Bei euch Wölfen noch mehr als bei allen anderen. Mir geht es nur darum, dass du weißt, dass du hier immer willkommen bist, selbst wenn du doch irgendwann in dein altes Rudel zurückkehren solltest.“
Fassungslos lasse ich meine Hände fallen. „Warum sagst du das? Ich habe ihnen vor fünfzehn Jahren den Rücken gekehrt und nicht vor, zu Kreuze zu kriechen.“
„Du bist ein geborener Alpha, Martin. Ich hab dir den Posten nicht aus Nettigkeit gegeben, sondern weil du der perfekte Anführer bist. Wenn du mal genau hinsehen würdest, könntest du erkennen, dass du bereits ein eigenes Rudel anführst und alle zu dir aufschauen.“
„Du bist hier der unangefochtene Chef, nicht ich“, widerspreche ich.
Der Vampir lächelt milde. „Natürlich bin ich das, aber die Wölfe wenden sich bei Fragen und Problemen immer zuerst an dich. Dein Wort hat mehr Gewicht, als du ahnst, mein Lieber.“
„Chef im Wolfspelz, was?“, wirft Lena ein und stellt zwei dampfende Tassen mit Kakao auf dem Couchtisch ab.
„Du bist die gute Seele hier, Martin. Natürlich haben alle Respekt vor Marco, aber das Tagesgeschäft läuft über dich. Du bist quasi der Juniorchef und, soweit ich das mitbekommen habe, liegt das nicht nur daran, dass du die Nummer zwei in der Hierarchie bist.“
Kopfschüttelnd greife ich zu meinem Kakao. Natürlich weiß ich, dass mir die Wölfe folgen und auch der Rest Weisungen annimmt, nur dachte ich bisher, dass es wirklich nur beruflich begründet ist. „Ihr beide wollt mich mit allen Mitteln aufmuntern, was?“
Marco zieht Lena auf seinen Schoß. „Wir sagen nur die Wahrheit. Du hast bisher einfach die Augen davor verschlossen.“
Statt etwas zu erwidern, nehme ich einen großen Schluck von meinem Getränk. Magdalena war nicht knauserig mit dem Rum gewesen, sodass sich die Wärme schnell in meinem Magen ausbreitet. Habe ich das wirklich immer übersehen?
„Jetzt erzähl von heute Abend“, fordert Lena mich auf.
Ich gebe nach und berichte vom Familientreffen. Lena ist empört. „Warum verhalten sie sich so dämlich? Du bist doch immer noch derselbe, der du davor warst.“
Ihr Zuspruch wärmt mein Herz. „Ich weiß es nicht. Homosexualität ist bei Werwölfen ein viel heikleres Thema als bei Menschen. Unsere Männer müssen so männlich wie möglich sein und dürfen keine Schwäche zeigen. Vermehren sollen wir uns natürlich auch kräftig“, sage ich leicht verächtlich.
Lena verdreht die Augen und wirft die Hände in die Luft. „Was für ein Schwachsinn! Deine Schwestern bekommen doch schon genug Nachwuchs, außerdem gibt es heutzutage Mittel und Wege, um auch ohne Sex für Babys zu sorgen.“ Aufgebracht springt sie von Marcos Schoß und tigert vor dem Sofa hin und her. „Ich verstehe ohnehin nicht, was Eltern immer mit Enkeln wollen. Wenn jemand Kinder haben will, dann darf er das. Der Rest sollte gefälligst in Ruhe gelassen werden.“
Belustigt registriere ich, dass Marco jeder ihrer Bewegungen mit einem hungrigen Glitzern in den Augen verfolgt. Eigentlich müsste mich seine offensichtliche Verliebtheit amüsieren, schließlich passt sie oberflächlich betrachtet nicht zu dem sonst so kontrollierten Vampir, doch insgeheim bin ich sogar ein bisschen neidisch. Seit dem Angriff auf das Hotel wissen wir, dass beide wahre Gefährten sind. Die Vollstrecker – eine Art Vampirpolizei –, die in der Nacht des Überfalls hier waren, wussten zu berichten, dass diese besondere Verbindung zwischen zwei Liebenden seit Kurzem wieder auftritt. Ich kann mich vage an die alten Legenden erinnern. Darin heißt es, dass es Paare gibt, die über eine spezielle Gefährtenbindung lebenslang miteinander verbunden sind. Das klingt im ersten Moment komisch, doch angeblich ergänzen sie sich perfekt und sind einander bedingungslos treu. Genialen Sex gibt es obendrein. Bei den Wölfen ist der Glaube daran noch nicht ganz verschwunden, obwohl es seit Jahrzehnten unter uns keine derartigen Paare mehr gab. Umso verblüffender war es, als wir erfuhren, dass bis jetzt nur gemischte Paare mit diesem Bund gesegnet sind. Zumindest die, von denen wir bisher wissen. Die Vollstrecker sind noch dabei, die Hintergründe zu erforschen. Diese Entdeckung hat allerdings bereits jetzt dazu geführt, dass Vampire auch offiziell Partnerschaften mit anderen übernatürlichen Wesen und sogar Menschen eingehen dürfen. Sterblichen gegenüber sind sie zwar noch immer zur Geheimhaltung verpflichtet, dennoch vereinfacht diese neue Regel das Leben von Marco und Lena ungemein. Ich freue mich von ganzem Herzen für sie.
Insgeheim wünsche ich mir natürlich eine ebenso vertrauensvolle Beziehung, doch das ist nicht so einfach. Ob es so eine Bindung auch zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gibt, weiß ich nicht. Ich wäre mit einer ‚normalen‘ Paarbeziehung schon zufrieden. Aufgrund der vorherrschen Vorurteile unter den Wölfen habe ich mich bisher hauptsächlich unter den Menschen umgesehen. Vampire und andere Dämonen wären auch möglich, aber da hat es bisher nie gefunkt. Außerhalb des Hotels läuft man sich nur selten über den Weg. Bei den Menschen kann ich zwar meine sexuellen Vorlieben zugeben, muss dafür aber meine wölfische Seite unterdrücken. Keine optimale Lösung, zumal ich schon allein durch meine Statur vorsichtig sein muss. Menschen sind recht zerbrechlich. Als Werwolf bin ich nicht so stark wie Marco, aber einen Menschen könnte ich trotzdem wie eine Fliege zerquetschen.
„Erde an Martin.“ Lena wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“
Ich zucke zusammen und weiß nicht, was ich sagen soll. „Ähm.“
Marco lacht sich scheckig. „Ganz weit weg. Wie viel Rum hast du denn in den Kakao getan?“
Lena zieht die Stirn kraus. „Nicht genug, um einen Riesen wie Martin umzuhauen.“
„Du solltest dich wohl mal wieder auspowern, lieber Freund“, rät der Vampir mir. „Ihr Wölfe seid nicht für Enthaltsamkeit gemacht.“
Ich lasse meinen Kopf gegen die Sofalehne sinken und frage mich insgeheim, ob der Vampir Buch über meine Affairen führt. „Einfacher gesagt als getan. Im Gegensatz zu dir kann ich mir nicht einfach einen netten Typen aussuchen und flachlegen.“
„Ich könnte nachhelfen, wenn du magst? Zumindest bei den Menschen kann ich dir recht schnell ein passendes Betthäschen heraussuchen.“
Lenas Blick schwenkt zwischen uns hin und her. „Soweit ich weiß, gibt es durchaus Schwulenkneipen und mehr Flirt-Apps, als man braucht. Wo liegt also das Problem?“
„Martin ist ein bisschen schüchtern“, zieht Marco mich auf.
Gelassen zucke ich mit den Schultern. „Ich bin eben nicht so ein Draufgänger und ein bisschen altmodisch. Diese ewigen One-Night-Stands sind einfach nichts für mich und hinterlassen oft einen unangenehmen Nachgeschmack. Aber vielleicht werde ich meinen freien Tag morgen nutzen, um tatsächlich mal wieder auf die Piste zu gehen.“
„Tu das. Schaden wird es dir sicherlich nicht. So kurz vor Vollmond kommt das Tier bei euch durch.“
Lena knufft Marco gegen die Schulter. „Hör auf, ihn zu ärgern!“
Mich stört diese Bemerkung nicht. Schließlich hat er recht. „Bei Vollmond sind wir tatsächlich etwas umtriebiger“, erkläre ich Lena, für die vieles noch neu ist.
„Bitte erspart mir die Details. Wie deckt ihr eigentlich den Dienst ab, wenn sich die Wölfe zu Vollmond alle verwandeln?“, hakt sie nach.
Marco zieht sie an sich. „Im Normalbetrieb benötigen wir nicht mehr als fünf Leute, und die bekommen wir ohne Probleme zusammen.“
„Na dann ist ja gut. Stehe ich dann in zwei Tagen einem ganzen Rudel gegenüber, wenn ich nach Hause komme?“
„Wenn du Pech hast, könnte das irgendwann mal passieren“, scherze ich, dann werde ich ernst. „Normalerweise ziehen wir uns auf Marcos Waldgrundstück zurück. Da stören wir niemanden und die Menschen werden nicht unruhig.“
Wir plaudern noch ein bisschen und langsam vergesse ich meinen Ärger. Die beiden machen es mir leicht, mich wohlzufühlen und zu entspannen. Hier muss ich mich nicht verstecken. Am Ende geht es sogar so weit, dass mich Lena nach meinen Vorlieben ausfragt und überlegt, wer denn zu mir passen könnte.
Müde, aber glücklich verabschiede ich mich von Lena. Marco begleitet mich nach oben und nimmt seinen Dienst wieder auf. „Schlaf gut und mach dir nicht so viele Gedanken.“
„Ich danke dir. Bis morgen.“
„Bis morgen. Denk daran, dass du frei hast.“
„Geht klar.“
Ich wende mich ab und laufe zur einem der Nebengebäude. Ganz oben liegt mein kleines Reich. Über eine schmale Treppe gelange ich ins Obergeschoss. Ich bewundere Marco noch immer für seine vorausschauende Planung für das Hotelgelände und bin dankbar, dass ich hier mein neues Zuhause einrichten durfte. In der Wohnung angekommen, lasse ich den Schlüssel auf meinen kleinen Schuhschrank fallen und schleppe mich ins Bad. Ich erledige das Nötigste und krieche dann in mein Bett.
Eine innere Unruhe weckt mich. Morgen ist Vollmond, von daher hält mein Wolfsteil mich ein wenig auf Trab. Jeden Monat ist es das gleiche Spiel. Vor der Wandlung bekommen wir Werwölfe deutlich zu spüren, dass wir eine animalische Seite haben. In der ersten Vollmondnacht sind wir nicht nur aus Tradition als Wölfe in den Wäldern unterwegs. Die ausgedehnten Touren, die wir unternehmen, helfen, den Wolf in uns zu zügeln. In dieser Zeit sind wir sowohl als Menschen als auch in Wolfsform leichter gereizt, sexuell aufgeladen und reagieren ungewöhnlich aggressiv. So können aus eigentlich friedfertigen Zeitgenossen unter Umständen ungenießbare Raufbolde werden, besonders wenn es um Besitztümer und Partner geht. Sobald der Vollmond vorbei ist, nimmt dieses Verhalten langsam ab. Die Ausflüge sind bestens geeignet, um seine Sorgen zu vergessen. Mein Wolf interessiert sich nicht für die läppischen Probleme der Menschen. Ich freue mich schon darauf, auch wenn wir dafür immer einiges organisieren müssen, damit alle im Rudel versorgt sind. Ein Nebeneffekt der erzwungenen Wandlung zu Vollmond ist auch ein ausgeprägter Paarungstrieb. Diejenigen, die einen Partner haben, sind fein raus, der Rest schaut sich nach einem passenden Gegenstück im Rudel oder außerhalb um. Ungebundene Wölfe sind recht umtriebig, vor allem in jungen Jahren. Je älter man wird, desto besser kann man sich kontrollieren. Da es bei mir im Rudel kein passendes Gegenstück gibt, mit dem ich mich in den Laken wälzen könnte, wäre es ratsam, wenn ich dieses spezielle Bedürfnis vorher stillen könnte.
Nach einer Dusche und einem kleinen Frühstück mache ich mich auf den Weg. Ich muss einige Besorgungen erledigen: Einkaufen, zur Bank und ein paar neue Klamotten könnte ich ebenfalls gebrauchen. Gerade für Letzteres lohnt sich eine Fahrt in die nächstgrößere Stadt. Dresden ist nicht allzu weit entfernt, und dort finde ich mit etwas Glück alles, was ich benötige.
Stunden später nehme ich in einem der vielen Shoppingcenter einen kleinen Imbiss ein. Bisher verlief meine Tour recht erfolgreich. Was man kaufen kann, habe ich. Nur für mein anderes Problem ist noch keine Lösung in Sicht. Eher gelangweilt stöbere ich im Angebot der Flirt-App. Wie Lena schon richtig angemerkt hatte, ist das eine gute Möglichkeit, um einen passenden Sexualpartner zu finden. Doch heute ist einfach nichts für mich dabei. So sehr mein innerer Wolf mich gerade auch nerven mag, ich bleibe wählerisch. Schneller, anonymer Sex baut den Druck ab, aber das ist nicht das, was ich wirklich will. Guter Sex ist toll, doch diese flüchtigen Begegnungen sind auf Dauer unbefriedigend. Im Grunde meines Herzens bin ich eine treue Seele. Deswegen beschränke ich diese Sex-Dates auf ein Minimum.
Ich spüre die interessierten Blicke mehrerer Damen auf mir. Mit meinen eins neunzig Körpergröße und der Statur eines Bodybuilders falle ich natürlich auf. Männer betrachten mich eher mit Respekt und Neid. Lägen die Dinge anders, dann wäre ich sicherlich schon seit Jahren, wie von meinen Eltern gewünscht, unter der Haube. So aber ist alles etwas komplizierter. Trotzdem habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen Mann zu treffen, in den ich mich tatsächlich verlieben kann. Im Idealfall ist es dann auch noch jemand, dem ich nicht verheimlichen muss, dass ich mehr als ein Mensch bin.
Bei meiner Rückkehr ins Literary Passion fällt mir ein fremdes Auto auf. Ich fahre langsam daran vorbei und schließlich durch das Tor auf das Grundstück. Meinen Wagen parke ich in der Garage. Es ist sehr praktisch, dass Marco so einen großen Fuhrpark hat und fast alle Modelle auch den Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Als ich mit meinen Einkäufen ins Freie trete, weht mir ein interessanter Geruch entgegen. Sofort ist mein innerer Wolf in Alarmbereitschaft. Auf dem Gelände treibt sich ein fremder Werwolf herum. Wachsam sehe ich mich um. Auf den ersten Blick kann ich nichts entdecken. Doch dann höre ich eine bekannte Stimme.
„Hi Thomas, was machst du denn hier?“
„Ich wollte nur mal sehen, wie es dir geht, Lena“, gibt eine angenehm tiefe Stimme zurück.
Die Anspannung fällt von mir ab, denn bei dem Namen klingelt es in meinem Kopf. Offensichtlich handelt es sich um einen Kollegen von Magdalena und damit besteht von dieser Seite her keine Gefahr. Neugierig schlendere ich zu ihnen. Auf dem Weg fällt mir ein, wann ich den Wolf gesehen habe: Am Tag des Angriffs war er vor Ort und hat dazu beigetragen, dass Lena heute so unbeschwert in der Sonne stehen kann. Als ich um die Ecke biege, entdecke ich die beiden vor Marcos Haus. Der Fremde ist für einen Werwolf vergleichsweise schmal gebaut. Trotzdem hat er eine durchaus ansprechende Figur, die sicherlich vielen Damen gefällt. Kurze braune Haare kringeln sich an den Spitzen, was darauf hindeutet, dass er einen Lockenkopf hat. Ich lasse meinen Blick langsam über seinen Körper gleiten. Die Jeans sitzt knackig und recht tief auf seinen schmalen Hüften. Den oberen Teil bedeckt eine eng anliegende Wildlederjacke, die ihm echt gut steht. Ich rufe mich zur Ordnung und verberge mein Interesse, so gut es geht. Einmal habe ich den Fehler gemacht und einen Wolf angesprochen. Auf eine Blamage vor Lena kann ich gut verzichten. Äußerlich gelassen schlendere ich auf die beiden zu. Thomas ist der Erste, der mich bemerkt. Kurz schimmern seine Augen golden, was meine Neugier weckt. Normalerweise sollte er sich als erwachsener Wolf gut genug unter Kontrolle haben, um dieses verräterische Zeichen zu unterdrücken. Scheinbar macht ihm der nahende Vollmond zu schaffen. Leider verrät meine Nase mir nicht, ob er Interesse hat oder mich als Konkurrenten ansieht. Egal, was er von mir hält: Er befindet sich auf meinem Gebiet und ist mir vom Rang her definitiv unterlegen. Dementsprechend hat er sich auch zu verhalten. Lena folgt seinem Blick und dreht sich zu mir um.
„Hi Martin! Wie ich sehe, war deine Einkaufstour erfolgreich.“ Wir umarmen uns zur Begrüßung, was der fremde Wolf aufmerksam beobachtet.
„Ja, das kann man so sagen“, antworte ich und lasse meinen Arm locker auf ihren Schultern liegen. Lena gehört zu Marco und damit steht sie auch unter meinem Schutz. Genau das soll meine Geste deutlich machen.
„Hi. Thomas, richtig? Wir haben uns in der Nacht von Xavers Angriff getroffen“, wende ich mich an Lenas Kollegen.
Dieser nickt und vergräbt die Hände in den Hosentaschen. „Ja, genau. Wobei ich mich nur ungern an diesen verrückten Vampir erinnere.“
„Das geht allen hier so. Was führt Sie zu uns?“, hake ich nach.
Unsicher schaut er mich an, bevor er zu Boden guckt. „Ich wollte Lena besuchen. Außerdem war ich neugierig, wie weit Ihr mit den Aufräumarbeiten seid. Das letzte Mal, als ich hier war, glich das Gelände eher einem Schlachtfeld.“
„Das stimmt. Zum Glück konnten wir die Reparaturen zügig erledigen. Bis hier alles wieder beim Alten ist, wird es noch eine Weile dauern. Den Kundinnen ist zum Glück nichts aufgefallen, was wir den vielen helfenden Händen zu verdanken haben, die in dieser verhängnisvollen Nacht mit angepackt haben“, erkläre ich und lasse den Besucher nicht aus den Augen. Mein innerer Wolf wandert unruhig hin und her. So nervös wie Thomas ist, habe ich Zweifel, dass er nur hier ist, um nach dem Rechten zu sehen. Nur was könnte der wahre Grund sein?
„Gab es denn weitere Vorfälle oder habt ihr wirklich alle Abtrünnigen zur Strecke gebracht?“
Ich zucke mit den Schultern. „Die Vollstrecker waren gründlich. Bis jetzt fanden sich keine Hinweise, dass noch Handlanger von Xaver herumlaufen. Soweit wir wissen, gab es auch keine weiteren Morde, die in das Muster passen. Aber da sitzt ihr bei der Polizei ja an der Quelle.“
Thomas schaut mich kurz an und zieht den Kopf ein. Bilde ich mir das ein oder liegt wirklich eine leichte Röte auf seinen Wangen?
„Stimmt. Bei uns sind keine weiteren Meldungen eingegangen. Allerdings hat es Xaver vorher auch geschafft, unter unserem Radar zu bleiben“, gibt er zu und kratzt sich am Hinterkopf. Dann blickt er auf seine Uhr. „Oh. Ich muss los. Wir sehen uns morgen sicherlich auf der Arbeit, Lena. Tschüss. Macht euch einen schönen Tag!“
Schon ist er verschwunden. Stirnrunzelnd sieht Magdalena ihm hinterher, dann wendet sie sich mir zu. „Sag mal, hast du irgendwelche Signale ausgesendet, die nur Wölfe verstehen?“
Ich ziehe die Augenbrauen in die Höhe. „Warum fragst du?“
„Nur so. Bis du hinzukamst, war Thomas eigentlich so wie immer. Dann hat er sich irgendwie seltsam verhalten.“
„Seltsam?“
Magdalena verdreht die Augen. „Er ist nicht gerade der schüchterne Typ, wenn du verstehst, was ich meine. Mir kam es vor, als hätte er sich absichtlich kleiner gemacht. Und warum hast du mich eigentlich die ganze Zeit umarmt?“
„Nur als Sicherheitsmaßnahme. Unter Wölfen ist es üblich, dass man die Besitzrechte klärt.“
„Besitzrechte?“ Sie klingt alles andere als begeistert. „Fängst du jetzt genauso an wie Marco?“
Ich lache leise und nehme meinen Arm von ihrer Schulter. „Nein, das ist etwas anderes, obwohl es damit zusammenhängt. Bei den Wölfen gibt es eine feste Rangordnung. Man kann aufsteigen oder innerhalb des Rudels auch degradiert werden. Damit gehen bestimmte Verhaltensweisen einher.“
„Puh, das klingt kompliziert. Warum hast du mich jetzt als deins deklariert? Thomas hat noch nie versucht, mich anzumachen und du stehst doch nicht auf Frauen.“
„Du gehörst zur Familie und ich bin hier der ranghöchste Wolf. Wenn also jemand etwas von dir will, muss er erst einmal an mir vorbeikommen.“
Lena schaut mich ungläubig an. Dann schüttelt sie den Kopf. „Das ist schräg, aber irgendwie auch süß. Du hast ihn also eingeschüchtert, damit er gar nicht auf die Idee kommt, anzügliche Gedanken zu haben?“
„So könnte man es sagen. Ich hab dir doch gestern gesagt, dass wir so kurz vor Vollmond etwas empfindlicher reagieren. Da er als Besucher hier war, ist er gezwungen, sich mir zu unterwerfen, wenn er keinen Ärger bekommen möchte. Marco hätte übrigens dasselbe gemacht. Für einen Menschen erscheint das sicherlich merkwürdig, aber es ist Teil unseres Wesens. Dagegen können wir nicht viel machen.“
„Mhm. Das würde zumindest erklären, warum er sich dir gegenüber so anders verhält als beim letzten Mal. Als er dich damals wegen der mysteriösen Leiche befragt hat, wirkte er nicht eingeschüchtert auf mich.“ Nachdenklich zieht Lena die Augenbrauen zusammen. „Ich habe nie darüber nachgedacht, dass es für ihn komplizierter ist als für mich. Wenn er einen ranghöheren Wolf verhaften muss, dann steckt er in der Klemme.“
„In dieser Hinsicht hat sein Befehl höhere Priorität, jedoch kann es sein, dass es rudelintern deswegen möglicherweise Konflikte gibt“, erkläre ich.
„Oh je. Das ist mir zu kompliziert. Da bin ich wirklich froh, dass ich mich nicht mit derlei Fragen beschäftigen muss.“ Aufmerksam mustert sie mich. „Geht es dir heute wieder besser?“
Ich nicke. „Dank euch.“
„Das freut mich.“ Sie schenkt mir ein Lächeln und drückt mich kurz an sich. „Hast du Lust auf eine kleine Runde im Trainingsraum? Marco nervt mich schon seit Tagen, dass ich mein Training vernachlässigen würde.“
„Klar. Lass mich nur meine Einkäufe wegbringen. Ein Stündchen kann ich dich locker triezen, bevor wir uns versammeln und mit den Vorbereitungen für morgen beginnen.“
„Stimmt, euer Ausflug. Was müsst ihr dafür denn alles erledigen?“
„Essen kochen, Getränke holen, abklären, wer mit welchem Auto fährt und zu guter Letzt muss jeder Decken und Kissen einpacken, wenn er nicht auf dem blanken Holzfußboden schlafen will. Als Wolf geht das, aber als Mensch ist das unangenehm.“
„Bist du dann eigentlich die ganze Nacht als Wolf unterwegs?“, erkundigt Lena sich.
„Ja. Solange der Mond am Nachthimmel steht, sind wir in unserer Tierform gefangen. Aber es ist ein guter Ausgleich. Den Rest des Monats müssen wir diesen Teil in der Regel verstecken. Wobei wir hier auf dem Gelände auch mal als Wolf herumtollen können, ohne Panik bei den Menschen auszulösen. Das geht anderswo nicht.“
Ich erkläre Lena noch ein paar Dinge. Die junge Polizistin ist aufgeschlossen und will verstehen, welche Besonderheiten es bei den jeweiligen übernatürlichen Wesen gibt, mit denen sie zusammenlebt. Dann verabschiede ich mich kurz, um meine Taschen wegzubringen und mir Sportsachen anzuziehen.
Kurze Zeit später treffe ich mich mit Lena im Übungsraum. Sie hat ihre braunen Locken zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden und ist mit Top und Yogahose bekleidet. Ich kann verstehen, was Marco an ihr findet. Sie ist eine attraktive Frau und besitzt neben einem scharfen Verstand einen liebenswerten Charakter. Als sie mich sieht, muss sie kichern.
„Was ist denn?“
„Nichts. Ich musste nur daran denken, wie viele Frauen mich beneiden würden. Du bist eben ein richtiger Augenschmaus.“
Irritiert schaue ich an mir herunter. „Meinst du?“
„Auf jeden Fall! Diese unglaublich breiten Schultern, dazu die schmalen Hüften und unter dem Shirt versteckst du garantiert einen Waschbrettbauch.“ Sie lässt den Blick über mich wandern. „Muskulöse Arme, kein Stiernacken, dazu noch einen sexy Dreitagebart und diese dunkelblauen Augen.“ Lena seufzt theatralisch. „Und wie mich die Damenwelt beneiden würde …“
Ich fühle, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Von jemandem, der zur Familie gehört, so vorteilhaft beschrieben zu werden, ist schon merkwürdig.
Meine offensichtliche Verlegenheit bringt Lena zum Lachen. „Hat dir das etwa noch keiner gesagt?“ Sie kommt zu mir und küsst meine Wange. „Ich bin sehr glücklich mit Marco, aber das heißt nicht, dass ich blind bin. Du bist ein ansehnlicher Mann, der sich wirklich nicht verstecken muss.“
„Flirtest du etwa hinter meinem Rücken mit anderen Typen?“, ertönt Marcos Stimme plötzlich hinter mir. Automatisch zucke ich zurück.
„Klar, aber nur mit solchen Schnuckelchen wie Martin“, gibt Lena frech zurück.
Der Vampir zieht sie an sich. „So, so. Kein Wunder, dass du auf einmal erpicht auf das Training bist.“
„Martin gibt mir wenigstens eine reelle Chance, meine Fähigkeiten zu testen, und stampft mich nicht einfach in den Boden.“
Die beiden necken sich noch ein wenig. Obwohl Lena mir gerade klargemacht hat, dass sie mich attraktiv findet, werte ich das nicht als Anmache. Sie weiß, dass ich auf Männer stehe und außerdem fehlen die Signale, die ihr Körper in so einem Fall aussenden würde. Man muss sie nur mit Marco erleben und weiß, dass sie total verliebt in ihn ist. Sie können einfach nicht die Finger voneinander lassen. Ständig berühren sie einander, was ihnen sicherlich nicht einmal bewusst ist. Es sind kleine Gesten, die ihre Vertrautheit deutlich zeigen. Gerade streicht der Vampir ihr eine verirrte Strähne aus dem Gesicht, was dazu führt, dass Lena ihn anlächelt. Zwischen den beiden knistert es ständig und nicht selten scheucht einer von uns sie in Marco Wohnung, damit wir unsere Ruhe haben. Was durchaus lustig ist, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich Personen sind, die kontrolliert agieren und ihre Gefühle gern verstecken.
Ich spüre Sehnsucht nach einem Partner in mir aufsteigen und räuspere mich. „Also, wenn ihr mich nicht mehr braucht, kann ich auch gehen.“
Sie zucken auseinander. „Sorry.“
Marco tritt zurück und lehnt sich mit dem Rücken an die Wand. Selbst in Sportkleidung wirkt der Vampir elegant. Seine italienische Abstammung, eine gewisse Arroganz und seine ungewöhnlichen Geschäftsmodelle sind der Grund, warum Lena ihn auch gern als Mafioso bezeichnet. „Wärmt euch am besten erst einmal auf. Dann wiederholen wir die Übungen vom letzten Mal.“
Wir folgen seinen Anweisungen. Besonders für Magdalenas menschlichen Körper ist die richtige Vorbereitung von Bedeutung. Marco und ich könnten direkt mit den Übungen beginnen, aber bei uns heilen Zerrungen und ähnliches auch innerhalb kürzester Zeit. Nach dem Aufwärmen lege ich mir einen Tiefschutz an. Es gibt Schmerzen, auf die ich gut verzichten kann. Lena zieht sich ebenfalls Schutzkleidung über. Egal wie sehr ich darauf achte, ich bin nun einmal stärker als ein Mensch und könnte sie leicht verletzen. Dann treibt Marco uns durch diverse Übungseinheiten, die nicht nur Magdalena zum Schwitzen bringen. Ich bewundere sie für ihr Durchhaltevermögen. In den letzten Wochen hat sie ihre Leistungen deutlich gesteigert. Nach der Sache mit Xaver ist der Ansporn noch größer, Lena so gut wie möglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Wenn sie sich gegen mich wehren kann, sollten Menschen ihr keine größeren Probleme mehr bereiten.
Nach etwa einer Stunde ist die Tortur für Lena vorbei. Ihre Haut glänzt vor Schweiß und ihre Klamotten kleben ihr am Körper. Sie hockt auf der Matte und versucht wieder zu Atem zu kommen. Ich gehe zu ihr und streiche ihr über den Kopf. „Du wirst immer besser, Kleine.“
„Danke.“ Sie wirft einen leicht genervten Blick zu Marco. „Wenn das nur mein Foltermeister endlich auch anerkennen würde …“
Ungerührt zuckt dieser mit den Schultern. „Einer von uns muss schließlich einen kühlen Kopf bewahren.“ Dann schaut er mich an. „Lust auf einen richtigen Kampf?“
Empört schnappt Lena nach Luft. „Hey!“
Der Vampir zieht sie in seine Arme. „Entschuldige, Magdalena, das war nicht böse gemeint. Für einen Menschen hast du dich gut geschlagen, aber es ist etwas anderes, wenn übernatürliche Wesen ihre Kräfte messen. Wir spielen einfach in einer anderen Liga.“
Ich lasse die Schultern kreisen und denke über sein Angebot nach. Eigentlich muss ich mich gleich mit den anderen Rudelmitgliedern treffen, aber ein Trainingskampf mit Marco ist sehr reizvoll. Damit kann ich immerhin einen Teil meiner überschüssigen Energie abbauen.
„Na gut, aber nur eine kurze Runde.“
„Geht klar.“ Marco zieht sein Shirt aus und ich tue es ihm gleich. Das hat nichts mit Eitelkeit zu tun, sondern eher mit Ressourcenschonen. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Kleider hinterher wegwerfen konnte.
„Lena, geh bitte an das andere Ende des Raumes oder duschen. Das hier wird etwas heftiger und ich will nicht, dass du verletzt wirst“, erläutert Marco.
Sie nickt und macht es sich auf einer Bank in der Nähe der Tür bequem. Vorfreude steigt in mir auf. Ich weiß einen guten Kampf zu schätzen. Bisher ist es mir noch nie gelungen, Marco aufs Kreuz zu legen. Der alte Vampir ist verdammt gerissen und unheimlich stark.
Wir stellen uns gegenüber auf.
„Fertig?“, fragt Marco mit einem Lächeln.
„Jupp.“