Lore-Roman 160 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 160 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Die Eltern des jungen Dr. Martin Stahlhut machen große Augen, als ihr Sohn ihnen die extravagante Dorothee Hildesheimer vorstellt. So haben sie sich ihre zukünftige Schwiegertochter nicht vorgestellt, so elegant, so vornehm und so herablassend.
Eigentlich waren die Stahlhuts sicher, dass ihr Martin einmal die Imke heiraten würde, das reizende Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem Martin schon als Junge befreundet gewesen war. Aber die liebenswerte Imke hat schon lange vorher erkannt, dass sie für Martin nie mehr als eine kleine Schwester sein wird. Bleibt ihr wirklich nur der Traum, von dem Mann ihres Herzens geliebt zu werden?


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Inhalt

Cover

Der Traum, von dir geliebt zu werden

Vorschau

Impressum

Der Traum, von dir geliebt zu werden

Ein Arzt trifft seine Jugendliebe wieder

Von Ina Ritter

Die Eltern des jungen Dr. Martin Stahlhut machen große Augen, als ihr Sohn ihnen die extravagante Dorothee Hildesheimer vorstellt. So haben sie sich ihre zukünftige Schwiegertochter nicht vorgestellt, so elegant, so vornehm und so herablassend.

Eigentlich waren die Stahlhuts sicher, dass ihr Martin einmal die Imke heiraten würde, das reizende Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem Martin schon als Junge befreundet gewesen war. Aber die liebenswerte Imke hat schon lange vorher erkannt, dass sie für Martin nie mehr als eine kleine Schwester sein wird. Bleibt ihr wirklich nur der Traum, von dem Mann ihres Herzens geliebt zu werden?

»Hier bin ich!«, rief Dorothee Hildesheimer ihrem Verlobten zu und winkte heftig.

Dr. Stahlhut blieb stehen, schaute sich suchend um, und dann glitt ein Lächeln über sein tiefgebräuntes, schmales Gesicht. Er konnte noch nicht zu ihr hineilen, musste erst noch den Zoll des Flughafens passieren, aber man sah ihm an, wie ungeduldig er war, das schöne junge Mädchen in die Arme zu schließen.

Ein paar ältere Frauen lächelten verständnisvoll, während die Männer, die Dorothees Winken beobachtet hatten, eher etwas ähnliches wie Neid verspürten auf den Glückspilz, den solch eine bezaubernde Frau erwartete.

Es dauerte noch fünf Minuten, bis Martin Stahlhut Dorothee endlich in die Arme schließen konnte.

»Gut siehst du aus«, sagten beide zur gleichen Zeit, und darüber mussten sie lachen. »Wirklich, Martin, ich glaube fast, du hast drüben mehr in der Sonne gelegen, als wirklich gearbeitet. Gesteh schon, wie oft hast du mich betrogen?«

»Bei tausend habe ich aufgehört zu zählen«, gab Martin schmunzelnd zurück. Er war mehr als einen halben Kopf größer als Dorothee, ein schlanker, athletisch gebauter Mann, der aussah, als könne man sich in jeder Situation auf ihn verlassen.

»Deine Maschine hatte fast eine halbe Stunde Verspätung«, stellte Dorothee vorwurfsvoll fest.

»Das wäre nicht passiert, hätte sie gewusst, dass auch du warten musst«, erwiderte Martin mit gespieltem Ernst. »Sonst kommst du doch immer wenigstens eine halbe Stunde zu spät zu allen Verabredungen.«

»Willst du mir gleich in der ersten Minute unseres Wiedersehens Vorhaltungen machen?«, fragte Dorothee und hob scherzhaft drohend den Zeigefinger.

Martin fing ihn ein und führte ihn an die Lippen.

»Du hast mir gefehlt«, gestand er schlicht.

»Du mir auch. Ich finde es gar nicht nett, dass du mich so lange allein gelassen hast. Eigentlich allerhand, was du mir da geboten hast. Von einem anderen hätte ich mir das nicht gefallen lassen. Ein halbes Jahr warst du fort ...«

»Es musste sein«, behauptete der junge Arzt leichthin.

»Nein, es musste gar nicht sein. Der Herr Doktor wollte es nur, und was der Herr Doktor will, wird auch getan. Ich bin ja bloß eine kleine, dumme, höchst unwichtige Frau, auf die der große Herr Doktor keine Rücksicht zu nehmen braucht.«

»Wie trefflich du das zu formulieren verstehst«, zog Martin sie auf. »Ich glaube fast, du bist in den letzten Monaten noch schöner geworden. Das Warten ist dir bekommen.«

»Warst du eigentlich nie in Sorge um mich?«, fragte Dorothee gespannt.

»Nein. Ich weiß ja, wie gesund du bist. Schließlich warst du einmal meine Patientin. Ich weiß alles von dir.«

»Du bist schließlich nicht der einzige Mann auf dieser Welt, Martin. Es hätte doch sein können, dass ich mich mit einem anderen getröstet hätte.«

»Du nicht. Das würde nicht zu dir passen. Du bist eine Frau, auf die man sich verlassen kann.«

»Wärest du dessen nur nicht so verdammt sicher«, meinte Dorothee aufgebracht. »Das klingt eigentlich schrecklich eingebildet, was du da so von dir gibst.«

»Nur weil ich Vertrauen zu dir habe und das auch sage?«, fragte Martin lächelnd.

»Nein, dass du glaubst, ich würde einfach nicht nach einem anderen schauen, weil ich dich habe.«

»Wäre es dir lieber, wenn ich pausenlos den Othello spielte?«, erkundigte sich Martin. »Mein Gepäck wird gleich kommen ...« Er schob seinen Arm unter den des Mädchens und schlenderte mit ihr zu dem Rollband, auf dem jetzt die ersten Koffer auftauchten.

»Ein bisschen Eifersucht würde dir ganz gut zu Gesicht stehen. Schließlich bin ich nicht die erste Beste«, behauptete Dorothee.

»Dafür aber die Allerbeste«, gab Martin vergnügt zurück. »Heute Abend müssen wir feiern. Wir gehen groß aus, einverstanden?«

»Ja. Und du erzählst mir dann, wie die amerikanischen Mädchen sind.«

»Das kann ich auch hier schon tun. Genau wie die deutschen. Sie küssen wie deutschen, und auch sonst ... ich konnte keine anatomischen Abweichungen feststellen.«

»Pass nur auf, dass ich dich nicht eines Tages umbringe«, fauchte Dorothee. »Du warst mir doch bestimmt nicht treu. Kein Mann ist einer Frau ein ganzes halbes Jahr treu.«

»O doch, ein ganzes Jahr und noch viel mehr, die Liebe nahm kein Ende mehr«, sang Martin ziemlich falsch. »Ich bin zwar kein treuer Husar, aber ein treuer Doktor. Wer dich hat, schaut nicht nach anderen, Liebling.«

»Das hast du schön gesagt, so etwas solltest du dir häufiger einmal einfallen lassen. Ich habe immer gedacht, ich würde als alte Frau mal deine Liebesbriefe zum tausendsten Mal lesen können.«

»Ich habe dir wenigstens zweimal die Woche geschrieben.«

»Aber keine richtigen Liebesbriefe.«

Martin schmunzelte. »Man kann Gefühle nicht niederschreiben. So etwas liegt mir nicht. Ich finde es albern.«

»Ich gar nicht. Ich hätte mich sehr gefreut, hättest du mir einmal versichert, dass du mich liebst.«

»Das hole ich jetzt alles nach. Ich liebe dich, ich habe dich vermisst, ich bin glücklich, wieder bei dir zu sein ... Sonst noch etwas, oder genügt das?«

»Hätte ich einen Dolch bei mir ...«

»Dabei habe ich jedes Wort todernst gemeint«, versicherte Martin. »Da kommen auch schon meine Koffer. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Wenn mir die Arbeit drüben auch unendlich viel Spaß gemacht hat. Von denen können wir hier noch manches lernen. In der Klinik herrscht ein anderer Geist als bei uns. Die Ärzte fühlen sich als Team, da gibt es keinen allmächtigen und allwissenden Chefarzt und devote Untergebene. Sie reden sich alle mit Vornamen an. Auch der Chef. Und die Autorität leidet nicht im Geringsten darunter.«

»Du kannst das Professor Langen ja auch mal vorschlagen. Er wird begeistert sein«, stichelte Dorothee. »Das halbe Jahr an der Mayo-Klinik war dir wichtiger als ich.«

»So etwas kann man nicht miteinander vergleichen. Als Ärzte sind wir verpflichtet, immer unser Wissen zu erweitern. Wir dürfen uns nie mit dem zufriedengeben, was wir gelernt haben. Wir sind es unseren Patienten schuldig ...«

»Amen«, fiel ihm Dorothee ins Wort. »Ich kenne dein Glaubensbekenntnis, du brauchst es nicht zu wiederholen. Nur dass andere Ärzte nicht so denken wie du und trotzdem leben. Wie sie das wohl schaffen? Wahrscheinlich vegetieren sie nur so dahin und verstellen sich, damit man es nicht merkt.«

»Die Kollegen, die sich nicht für ihre Fortbildung interessieren, sind für mich keine Vorbilder, liebe Dorothee.«

»Wenn du noch einmal wieder ›liebe‹ Dorothee zu mir sagst ...« Das Mädchen funkelte ihn diesmal wirklich aufgebracht an. »Ich weiß, du hast einen klugen Kopf, und ich bin nur dumm, aber so dumm, wie du zu glauben scheinst, bin ich nun auch wieder nicht. In mancher Beziehung bin ich sogar klüger als du, Herr Doktor. Ich weiß nämlich, worauf es im Leben ankommt. Du trägst unsichtbare Scheuklappen, die dein Gesichtsfeld enorm einengen. Du siehst nur deinen Beruf, aber die Welt ist sehr viel größer.«

»Dafür habe ich dich ja. Ich weiß, du bist viel lebenstüchtiger als ich ... Deshalb ergänzen wir uns ja auch so gut.«

»Ohne Spott: Du brauchst wirklich eine Frau wie mich, eine, die ein bisschen auf dich aufpasst. Du brächtest es nie zu etwas.«

»Als Bettler sterben.«

»Nein, als kleiner Stationsarzt. Weil du damit vollkommen zufrieden wärst. Dabei hast du das Zeug zu einem Chef. Es gibt jetzt schon junge Chefärzte. Im Fernsehen sieht man sie manchmal. Professor Dr. med. Sowieso, Chefarzt von Irgendwas. Und sie sind nicht älter als du. Oder wenigstens nur ein paar Jahre«, setzte sie mit einiger Überwindung hinzu. »Vater möchte auch, dass du Professor wirst. Eine Professur ist heute nicht mehr das, was sie früher einmal war, aber immerhin, sie hebt das Ansehen.«

»Ich habe keine Zeit für Forschungen. Wenn man seine Station gut versorgt, dann ist man völlig ausgelastet. Außerdem wird Forschungsarbeit hauptsächlich an Universitätskliniken betrieben.«

»Dann bewirb dich an einer Universitätsklinik. Oder meinst du, die kommen zu dir?«

»Da sind wir erst zehn Minuten zusammen, und schon streiten wir uns wieder«, stellte Martin fest.

»Ich streite nicht. Ich will nur, dass du das aus dir herausholst, was in dir steckt. Vater meint auch, dass eine Professur dir enorm nützen wird, wenn wir erst einmal unsere eigene Praxis beziehungsweise Klinik eröffnen. Ja, du hast richtig gehört, Klinik. Vater ist nicht abgeneigt, etwas Kapital in dich zu investieren. Natürlich nur, wenn du ihm beweist, dass er sein Geld gut anlegt. Mein Auto steht da hinten. Sind deine Koffer sehr schwer?«

»Es hält sich in Grenzen. Du und dein Ehrgeiz ...«

Martin liebte Dorothee Hildesheimer, und trotzdem konnte er sie in mancher Beziehung nicht ganz ernst nehmen. Sie hatte höchst absonderliche Vorstellungen von seinem Beruf, fand er. Man wurde Arzt, um Geld zu verdienen, fand Dorothee. Auf den Gedanken, dass jemand Arzt geworden war, um anderen Menschen zu helfen, kam sie nicht. Und wenn er es ihr sagte, wollte sie es nicht glauben.

»Du hast ja schon wieder ein neues Auto ...«, stellte er fest.

»Ja. Vati hat es mir zum Geburtstag geschenkt. Das andere war auch schon zwei Jahre alt. Wie gefällt es dir?«

»Sieht sehr schick aus«, gab Martin zu.

»Ist auch schick. Hat über vierzigtausend Mark gekostet.«

»Mein Gott ... wie lange ich dafür arbeiten müsste ...« Und es gibt Menschen, die so etwas ihren Töchtern sozusagen mit der linken Hand schenken, dachte er. »Du bist ja direkt eine gute Partie mit solch einer Mitgift«, meinte er mit freundlichem Spott.

»Ich glaube fast, du weißt überhaupt nicht, was für eine gute Partie ich bin«, meinte Dorothee. »Also dir traue ich das tatsächlich zu. Dass du mich aus lauter Liebe heiraten willst.«

»Aus lauter Liebe«, bestätigte Martin vergnügt. Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss. »Einen anderen Heiratsgrund könnte ich mir eigentlich nicht denken.«

»Geld?«

»Geld ist kein Heiratsgrund.«

»Für dich nicht. Dich müsste man im Museum ausstellen, Martin. Ich glaube, du bist so ziemlich der einzige Mensch auf der Welt, dem Geld völlig gleichgültig ist. Es gibt manche, die es behaupten, aber die lügen. Du dagegen ...«

»Ich habe keine großen Bedürfnisse«, sagte Martin leichthin.

»Und das macht dich so verdammt stark und sicher. Geld bringt dich in Abhängigkeit. Dieser Mann in der Tonne, der alte Grieche ...«

»Diogenes.«

»Mir fiel der Name eben nicht ein. Ja, der war reich, weil er nichts besitzen wollte. Fast könnte ich dich um deine Einstellung beneiden. Aber ich bin nun einmal völlig anders.«

»Du musst zum Beispiel ein Auto fahren, nach dem die Leute sich umschauen.«

»Ja.« Sie saßen jetzt nebeneinander im Wagen, und Dorothee lehnte sich an ihn. »Du hast mir gefehlt ...«

***

»Würde es dir etwas ausmachen ...?«, begann Martin, als die Türme und Hochhäuser der Stadt in der Ferne zu sehen waren.

»Ja«, fiel ihm die Frau an seiner Seite ins Wort.

»Du weißt ja gar nicht, was ich sagen wollte.«

»O doch! Du wolltest fragen, ob es mir etwas ausmacht, in deiner Klinik vorbeizufahren. Und darauf habe ich dir bereits meine Antwort gegeben. Die Klinik steht, der Betrieb läuft auch ohne dich, die Patienten sterben oder werden gesund wie immer ... Dass du jetzt an deine Klinik denken kannst!«

Martin machte ein schuldbewusstes Gesicht.

»Ich wollte nur mal hören, was sich so inzwischen alles getan hat. Wenn du natürlich absolut nicht willst, dann ...«

»Ich will absolut nicht, das hast du richtig erkannt und trefflich ausgedrückt«, erklärte Dorothee heftig. Sie war eifersüchtig auf seinen Beruf, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht zugegeben hätte. Alle Männer waren verrückt nach ihr, überall, wo sie auftauchte, stand sie im Mittelpunkt, nur ausgerechnet Martin dachte nicht daran, sie so zu vergöttern, wie sie es gewohnt war und, wie sie glaubte, ein Recht darauf zu haben. Dafür hasste sie ihn manchmal direkt, und zugleich war es vielleicht auch gerade diese Haltung, die sie an ihm widerstrebend bewunderte. Er war kein Mann, der sich von ihr auf der Nase herumtanzen ließ, so sehr er sie auch liebte. Und daran zweifelte sie nicht.

»Dass ich ausgerechnet an dich geraten musste«, seufzte sie, während sie waghalsig ein anderes Auto überholte.

»Du hast sicherlich schon ein Programm gemacht«, meinte er.

»Ja. Wir fahren zu uns, essen dort zu Abend, und dann lädst du mich zu einer Flasche Champagner ein. Dass du nicht einmal eine eigene Wohnung hast!«, stieß sie wütend hervor. »Lebst immer noch in einem Zimmer in der Klinik.«

»Eine Wohnung macht Arbeit, und ... ich brauche ja auch keine.«

»So, brauchst du nicht. Und wenn du mal mit mir zusammen sein willst, dann müssen wir in ein Hotel gehen. Finde ich wunderbar. Und du sagst, du brauchtest keine Wohnung!«

»Manchmal natürlich schon ... aber die Nachteile überwiegen, Dorothee. Ich habe keine Zeit und auch keine Lust, etwas sauberzumachen oder aufzuräumen.«

»Du bist eben absolut bedürfnislos«, stellte Dorothee trocken fest.

»Ich muss mich noch umziehen, wenn wir heute Abend ausgehen wollen.«

»Ja ... Aber am Tage darf ich ja mit hinauf. Dagegen hat selbst eure scharfäugige Oberschwester nichts einzuwenden.«

»Nun ja ... gern sieht sie es nicht, aber ...«

»Sie glaubt, Liebe sei nur etwas für die Nacht«, meinte Dorothee ironisch. »Ich möchte wetten, die hat noch nie etwas mit einem Mann gehabt. Höchstens ein Blinder würde sich an die heranwagen. Ob die sich jeden Tag rasiert?«

»Lass unsere Oberschwester in Ruhe, in ihrer Art ist sie ein Juwel. Der Laden läuft unter ihrer Leitung wie geschmiert.«

»Ich ärgere mich auch nur, weil sie uns nicht erlaubt, mal bei dir zusammen zu sein. Dabei ist dein Bett breit genug ...« Sie lachte, als sie sein Gesicht sah. »Wie leicht du zu schockieren bist. Ein anständiges Mädchen sagt so etwas nicht. Ich bin aber kein anständiges Mädchen. Ich bin eine moderne Frau, die weiß, was sie will.«

»Und die sich das, was sie will, zu besorgen versteht«, ergänzte Martin.

»Ich glaube, deine Eltern sind richtige Spießer«, überlegte Dorothee laut. »Sonst wärest du nicht so geworden, wie du jetzt bist. Brave Leute, die bei den Nachbarn nicht auffallen wollen, die nur tun, was sich gehört ...«

Es ärgerte Martin, dass Dorothee in gewisser Weise recht hatte. In seinen Augen war es allerdings nichts, worüber sie so abfällig sprechen durfte.

»Denn sie sind das Salz der Erde«, zitierte seine künftige Frau. »Wann wirst du mich ihnen einmal vorstellen?«

»Sobald wie möglich.«

»Hast Angst davor, du Armer«, lachte Dorothee. »Das kann ich dir nachfühlen. Was werden sie zu dieser unmöglichen Person sagen? Ich weiß es. Sie werden entsetzt sein, Martin. Sind sie auch so anspruchslos wie du? Sonst könnte meine Mitgift sie ja mit mir versöhnen.«

»Sie sind bedürfnislos. Glückliche Menschen, Dorothee, wenn du dir darunter etwas vorstellen kannst. Ich habe zum Beispiel niemals gehört, dass sie sich jemals gestritten haben.«

»Unvorstellbar. Meine Eltern verstehen sich auch gut, aber trotzdem haben sie Meinungsverschiedenheiten, die sie äußern. Wer schluckt bei deinen Eltern alles runter?«

»Niemand. Da gibt es nichts zum Runterschlucken. Sie verstehen sich, nehmen aufeinander Rücksicht ...«

»Das hört sich alles schrecklich an. Ich meine dieses Rücksichtnehmen ...«

»Du wirst es auch noch lernen. Anders kann man keine Ehe führen, eigentlich überhaupt nicht leben. Man muss aufeinander Rücksicht nehmen.«

»Das klingt wie aus dem Lesebuch für die erste Klasse«, äußerte Dorothee amüsiert. »Und du glaubst es tatsächlich. Dabei bist du kein kleiner Junge mehr ... Haben sie dich denn noch nie enttäuscht?«

»Gelegentlich schon, das bleibt nicht aus. Du musst gleich rechts abbiegen.«

»Das habe ich nicht vergessen. Dann führt dein erster Weg dich also doch in die Klinik. Du hast mal wieder gewonnen, Herr Doktor, aber der Teufel soll dich holen, wenn du auf deine Station gehst, anstatt dich so schnell wie möglich in deinem Zimmer umzuziehen. Ich warte unten, und du weißt, ich warte nicht gern. Auch nicht auf dich.«

Dabei habe ich ein halbes Jahr auf ihn gewartet, weil er mich dazu gezwungen hat, dachte sie. Und er nimmt das für ganz selbstverständlich hin. »Ich gebe dir eine Viertelstunde.«

»Fünfundzwanzig Minuten. Ich muss duschen, mich rasieren, die Koffer auspacken ...«

»Das könnte ich machen, aber ich möchte wetten, deine bärtige Oberschwester streicht in der Gegend herum. Sie hat eine Witterung wie ein hungriger Wolf, glaube ich. Sie würde uns sofort ertappen, wenn ich mit raufginge. Und womöglich brächte sie es fertig, an deine Zimmertür zu klopfen, wenn wir gerade intensiv miteinander beschäftigt sind. Und ich fürchte, das bliebe nicht aus, käme ich mit. Du hast mir wirklich sehr gefehlt.«

»Du mir auch. Also bis gleich dann.«

Dorothee hatte den Wagen auf den Parkplatz gefahren, Martin Stahlhut stieg aus und öffnete den Kofferraum, um sein Gepäck herauszunehmen. Von dem Lächeln, das dabei auf seinem Gesicht lag, wusste er nichts.

Zu Hause, er war wieder zu Hause. Dabei konnte man nicht behaupten, das aus roten Klinkern erbaute Gebäude böte einen schönen Anblick. Es stammte noch aus der Gründerzeit, war innen allerdings im Laufe der Jahrzehnte ein paarmal umgebaut und renoviert worden. Nur außen hatte man nichts verändert.

In Amerika war alles modern gewesen, neu. Und trotzdem, Martins Herz hing an dieser Klinik, in der er seit einem Jahr als Stationsarzt arbeitete. Hier war seine wahre Heimat.

***

»Können Sie es sich eigentlich erlauben, ein halbes Jahr Ihres Lebens zu verschwenden?«, fragte Konsul Hildesheimer seinen künftigen Schwiegersohn. Er lächelte dabei ironisch, denn die Antwort war für jeden vernünftigen Menschen klar. »Nehmen sich einfach unbezahlten Urlaub und fahren auf Ihre Kosten ein halbes Jahr nach Amerika.«

»Es war gut angewendete Zeit, Herr Konsul«, widersprach Martin mit gelassener Festigkeit. Einerseits imponierte ihm Dorothees Vater, ein Mann, der es durch seine Tüchtigkeit und Zähigkeit zu großem Reichtum gebracht hatte. Er bewohnte eine riesige Villa in einer sehr teuren Gegend, und selbstverständlich fuhr er immer die größten und neuesten Modelle einer Nobelmarke. Er legte Wert darauf zu zeigen, wer er war.

Von Statur war er eher klein und trotzdem eine imponierende Erscheinung. Wir werden uns nie richtig verstehen, dachte Martin wieder einmal. Für Hildesheimer gab es nur ein Ziel im Leben: Geld zu verdienen. Und er maß einen Menschen allein an der Fähigkeit, ein Vermögen anzuhäufen oder aber es nicht zu können.

Und deshalb, das war die logische Folgerung, würde Martin Stahlhut in den Augen des Konsuls – er vertrat einen unbedeutenden afrikanischen Staat, den die meisten nicht einmal dem Namen nach kannten – ein Versager bleiben.

Dorothee runzelte bei diesem Gespräch leicht die Stirn.

»Für Martins Fortkommen ist seine Zeit an der Mayo-Klinik sicherlich von Nutzen«, warf sie ein.

»Eine Klinik wie andere auch«, äußerte Ralph Hildesheimer wegwerfend.

»Sie irren sich«, widersprach Martin.

»Ach. Ist sie größer?«, erkundigte sich der Konsul ironisch. »Ich kenne nur gutgeführte und schlechtgeführte Krankenhäuser, und Häuser, die sich durch ihre Größe unterscheiden.«