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Dr. Alexander Stegemann und Dr. Eva-Maria Reichenbach haben beide schwere Schicksalsschläge erlitten. Alexander, der seine geliebte Frau verloren hat, lebt nun allein mit seinen Kindern in seinem großen, leeren Haus. Eva-Maria erging es ebenso tragisch: Ihr Verlobter kam kurz vor der Hochzeit bei einem Unfall ums Leben. Beide sind tieftraurig und versuchen, mit ihrem Verlust fertigzuwerden.
Doch als Alexander und Eva-Maria sich begegnen, merken sie schnell, dass sie eine tiefe Verbindung zueinander haben. Es scheint, als ob sie füreinander bestimmt sind. Doch nicht alle stehen diesem neuen Glück positiv gegenüber: Eva-Marias sechzehnjährige Tochter ist entschlossen, ihre Mutter nicht an einen anderen Mann zu verlieren. Sie ist bereit, alles zu tun, um die Hochzeit zu verhindern ...
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Seitenzahl: 154
Cover
Gefahr für eine Liebende
Vorschau
Impressum
Gefahr für eine Liebende
Arztroman um Not und Glück einer jungen Mutter
Von Ina Ritter
Dr. Alexander Stegemann und Dr. Eva-Maria Reichenbach haben beide schwere Schicksalsschläge erlitten. Alexander, der seine geliebte Frau verloren hat, lebt nun allein mit seinen Kindern in seinem großen, leeren Haus. Eva-Maria erging es ebenso tragisch: Ihr Verlobter kam kurz vor der Hochzeit bei einem Unfall ums Leben. Beide sind tieftraurig und versuchen, mit ihrem Verlust fertigzuwerden.
Doch als Alexander und Eva-Maria sich begegnen, merken sie schnell, dass sie eine tiefe Verbindung zueinander haben. Es scheint, als ob sie füreinander bestimmt sind. Doch nicht alle stehen diesem neuen Glück positiv gegenüber: Eva-Marias sechzehnjährige Tochter ist entschlossen, ihre Mutter nicht an einen anderen Mann zu verlieren. Sie ist bereit, alles zu tun, um die Hochzeit zu verhindern ...
»Du kommst heute ja sehr pünktlich«, stellte Hildegard Reichenbach fest.
»Ja«, erwiderte Eva-Maria, und ein mädchenhaftes Lächeln, das sie jung erscheinen ließ, glitt über ihr Gesicht. »Ich habe heute Abend nämlich noch etwas vor, Mutti. Was gibt es Neues? Was machen die Zwillinge?«
»Du hast noch etwas vor?«, fragte Frau Reichenbach misstrauisch. »Wieso?«
Eva-Maria schaute an ihr vorbei, die Stirn gerunzelt. Sie war eine erwachsene Frau mit halberwachsenen Kindern, und deshalb gefiel es ihr nicht, dass ihre Mutter, die ihr den Haushalt führte, sie noch immer behandelte wie ein kleines Mädchen.
»Ich habe wohl ein Recht, danach zu fragen«, fuhr Hildegard Reichenbach gekränkt fort. »Triffst du dich womöglich mit einem Mann?«
»Und wenn?«, gab Eva-Maria aufgebracht zurück.
»Nein. Nach deinen Erfahrungen mit Männern ...«
»Was heißt Männern?« Eva-Maria warf den Kopf in den Nacken. »Es war ein Mann, und es ist nicht seine Schuld, dass er so früh sterben musste.«
»Geh nicht auf mich los. Du hast es schwer genug gehabt durch diesen einen Mann, und ich dachte, du wärst inzwischen vernünftig genug. Kenne ich diesen Mann?«
»Ich möchte noch nicht darüber sprechen.«
»So.« Tief gekränkt hob Hildegard Reichenbach die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Wie du willst. Du bist ja sowieso immer viel klüger als ich.«
»Ach, Mutti. Ich weiß, du meinst es gut mit mir, aber lass mich doch mein eigenes Leben leben.«
»Tu ich das etwa nicht? Mache ich dir irgendwelche Vorschriften?«
Eva-Maria seufzte. »Nein«, behauptete sie wider ihr besseres Wissen. »Du, ich will jetzt baden und mich umziehen.«
»Und das Essen?«
»Ich bin zum Essen eingeladen. Ich weiß, ich hätte anrufen und Bescheid sagen müssen, aber es hat sich eben erst ergeben ... Tut mir leid, Mutti. Aber das ist doch keine Tragödie. Mach mir das übrig gebliebene Essen morgen Abend warm.«
»Du weißt bei mir gibt es nichts Aufgewärmtes. Dein Vater hätte mich zum Hause rausgejagt, hätte ich ihm aufgewärmtes Essen auf den Tisch gestellt.«
»Ich bin nicht mein Vater.«
»Und die Zwillinge wollen auch nichts Aufgewärmtes haben«, stellte Hildegard Reichenbach triumphierend fest.
»Weil du sie verwöhnt hast. Den Zwillingen gegenüber bist du zu nachsichtig, Mutti.«
»Mag sein«, räumte Hildegard ein und lächelte dabei. »Sie sollen eine schöne Jugend haben. Sie geht so schnell vorbei, und wenn erst der Ernst des Lebens beginnt ... Die schöne Zeit, die sie hier bei uns zu Hause verlebt haben, die kann ihnen niemand mehr nehmen.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Gudrun spielt Tennis, Sven ist bei einem Freund.«
»Haben sie ihre Schularbeiten gemacht?«
»Ja.«
»Auch den deutschen Hausaufsatz?«
Eva-Marias Mutter lächelte verkrampft. »Eigentlich ... sie haben ihn noch nicht ganz fertig ... aber sie brauchen ihn ja erst übermorgen abzugeben.«
»Immer auf den letzten Tag. Dabei haben sie mir versprochen, den Aufsatz heute fertig zu schreiben. Ich glaube, ich muss einmal ein energisches Wort mit ihnen reden. Sie lassen sich gehen, weichen Schwierigkeiten aus ...«
»Was schaust du mich so an?«, fragte Hildegard pikiert. »Ist es meine Schuld, dass sie keine Lust haben, den blöden Aufsatz zu schreiben?«
»Nein. Aber wenn sie es tun müssen, dann sollten sie es nicht bis zum letzten Tag aufschieben. Anstatt Tennis zu spielen, hätte Gudrun lieber an ihrem Aufsatz arbeiten sollen.«
»Bei dem schönen Wetter? Es ist viel gesünder, wenn sie sich in frischer Luft bewegt.«
»Und wenn sie wieder eine schlechte Note bekommt? Sie ist keine gute Schülerin, obwohl sie ja keineswegs dumm ist. Sie ist faul.«
»Du urteilst zu hart. Schau nicht immer auf die Uhr. Der Mann wird schon auf dich warten, falls du dich verspätest, und wenn nicht ...«
»Ich bin gern pünktlich, Mutter. Wir unterhalten uns ein anderes Mal weiter.«
»Wenn du gerade mal nichts Besseres zu tun hast ... In letzter Zeit bekomme ich dich ja kaum noch zu Gesicht.«
Das war eine arge Übertreibung, und deshalb verzichtete Eva-Maria auch darauf, ihrer Mutter zu widersprechen. Sie wusste, was sie ihrer Mutter verdankte, aber trotzdem war es manchmal schwer für sie, mit ihr zusammen zu leben. Ohne ihre Mutter hätte sie kaum das geschafft, was sie jetzt war, eine allseits geachtete Stationsärztin an der hiesigen Klinik. Ihre Zwillinge waren damals ein Klotz am Bein gewesen, so sehr sie Sven und Gudrun auch liebte. Ihre Mutter war zu ihr gezogen und hatte die Kinder versorgt. Und sehr verwöhnt.
Ihre Mutter schaute ihr nach, als sie leichtfüßig die Treppe hinaufging. Von hinten sieht Eva-Maria aus wie ein junges Mädchen, dachte sie voll mütterlichen Stolzes, und von vorn ... Na ja, wenn man genau hinschaute, sah man, dass sie kein Backfisch mehr war, aber niemand würde ihr die beiden Kinder zutrauen. Sie war immer ein braves Mädchen gewesen, ihre Eva-Maria, nur damals auf diesen Hallodri hereingefallen.
Hildegard Reichenbach konnte es Günther Larsen einfach nicht verzeihen, dass er gestorben war, bevor er Eva-Maria heiraten konnte. Sie hatten damals schon den Termin der Hochzeit festgemacht gehabt, als er mit seinem Motorrad verunglückt war. Aber warum musste er auch Motorrad fahren! Sie war immer dagegen gewesen.
Von oben hörte sie das Badewasser einlaufen. Sie hatten dieses alte gemütliche Haus vor acht Jahren gemeinsam gekauft. Es war ein großer Entschluss gewesen, aber sie hatten ihn bisher nie bereut. Endlich hatten sie Platz genug, und niemand beklagte sich über zu laute Kinder. Es war ein freistehendes Haus auf einem mittelgroßen Grundstück. Hildegard Reichenbachs Blick ging hinaus, und prompt legte sich ein Schatten über ihre Züge. Der Rasen musste unbedingt wieder einmal geschnitten werden. Eigentlich war das Svens Arbeit. Er hatte versprochen, es heute zu erledigen, aber ...
Vielleicht finde ich morgen Vormittag Zeit dafür, dachte sie. Sven hasste das Rasenmähen, und deshalb war seine Großmutter oft genug bereit, ihm diese lästige Arbeit abzunehmen. Er sollte seine Jugend unbeschwert genießen ...
Sie hob erstaunt den Kopf, als sie Eva-Maria singen hörte. Tatsächlich, sie saß in der Badewanne und sang. Unwillkürlich presste sie die Zähne tief in die Unterlippe. Eva-Maria hatte eine hübsche Stimme, aber trotzdem gefiel es ihrer Mutter gar nicht, dass Eva-Maria so fröhlich sang. Weil es mit einem Mann zusammenhing, mit einem fremden Mann. Mit einem Störenfried.
Sie brauchten keinen Mann, sie hatten alles um sich wohlzufühlen. Was ist nur in Eva-Maria gefahren?, fragte sich Hildegard beklommen. All die Jahre hatte sie sich brav gehalten, nichts mit Männern im Sinn gehabt, und nun auf einmal ...
Denkt sie denn gar nicht an die Kinder?, fragte sich Hildegard Reichenbach. Aber bestimmt hatte Eva-Maria nicht die Absicht, ihnen einen Stiefvater zuzumuten. Nein, das konnte sie den beiden doch nicht einfach antun. Und wofür auch? Sie waren jetzt selbstständig, fast erwachsen, sie brauchten keinen Mann mehr, der an ihnen herumerzog und etwas zu meckern hatte.
Als Eva-Maria eine halbe Stunde später herunterkam, entzückend anzuschauen in ihrem hellen Sommerkleid, stand ihre Mutter immer noch unten in der Diele und schaute ihr finster entgegen.
»Erzähl mir von diesem Mann«, verlangte sie. »Wie heißt er? Was ist er? Seit wann kennt ihr euch? Wo habt ihr euch kennengelernt? Wie stellt ihr euch alles Weitere vor?«
»Ach, Mutti ... Du, ich muss jetzt fort. Ich wünsch dir noch einen schönen Abend. Bleib nicht auf, vielleicht wird es etwas später. Und mach nicht solch ein böses Gesicht, bitte. Es ist nicht das, was du denkst ... Wir sind nur befreundet ...«
»Dann pass auf, dass es dabei bleibt. Männer wollen doch immer nur das Eine ...«
Eva-Maria musste über diese Bemerkung lachen.
»Alexander nicht. Wenn er nur das wollte, könnte er es leicht woanders finden.«
»Ach, so einer ist das. Und du ...«
»Hör jetzt auf. Du und deine Vorurteile! Grüß die Zwillinge von mir. Wenn sie bald kommen, sollen sie noch an ihrem Hausaufsatz arbeiten. Hätte ich doch nur etwas mehr Zeit für sie ...«
»Bist du mit mir nicht zufrieden? Kümmere ich mich nicht genug um deine Kinder?«
»Schon gut, schon gut«, wehrte Eva-Maria ab, aber dann lächelte sie schon wieder, als sie sich vorbeugte, um ihrer Mutter einen Kuss zu geben. Sie hatte die beste Mutter der Welt, das wusste sie, eine Frau, die alles für sie tat, sich aufopferte bis zur Selbstverleugnung.
Aber übertriebene Fürsorge kann manchmal lästig sein. Eva-Maria schämte sich, das zu denken, aber es war nun einmal eine Tatsache. Als sie allerdings die Tür ihres Autos aufschloss, lächelte sie schon wieder. Sie freute sich einfach darauf, Alexander wiederzusehen.
***
Alexander Stegemann stand auf, als Eva-Maria Reichenbach das Restaurant betreten hatte und sich suchend umschaute. Ein herzliches Lächeln lag auf seinem gebräunten, gutgeschnittenen Gesicht, als er auf sie zuging.
Er merkte, dass viele Gäste neugierig die Köpfe gedreht hatten, um ihn zu beobachten. Er arbeitete als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in dieser Kreisstadt, viele kannten ihn, auch wenn sie nicht gerade seine Patienten waren oder gewesen waren.
Eva-Maria erwiderte sein Lächeln spontan, als sie ihm die Hand bot.
»Wartest du schon lange?«
»Eine Viertelstunde. Du bist sehr pünktlich, aber ich war so ungeduldig, dass ich es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten habe.« Beim Sprechen hielt er ihre Rechte fest, während sein Blick bewundernd auf ihrem Gesicht ruhte. »Ich freue mich, dass du gekommen bist ...«
»Ich mich auch«, rang Eva-Maria sich ab. Es fiel ihr schwer, so etwas zu sagen, sie war von Natur aus scheu und zurückhaltend, als hätte sie immer Angst, verletzt zu werden.
»Unser Tisch ist dort hinten. Ich habe mir erlaubt, das Menü schon zu bestellen.«
»Wie nett von dir ...«
Eva-Maria fühlte sich befangen wie ein ganz junges Mädchen, als sie ihm gegenüber saß. Dabei war sie doch eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand, die bewiesen hatte, dass sie sich durchsetzen konnte. Und bisher war es keinem Mann gelungen, ihr Herz schneller klopfen zu lassen – bis sie Alexander Stegemann kennengelernt hatte.
Alexander legte seine Rechte einen Moment zärtlich auf ihre auf dem Tisch gefalteten Hände.
»Ich habe heute den Kindern von dir erzählt, Eva-Maria. Sie freuen sich darauf, dich kennenzulernen. Kommst du Sonntag zum Essen zu uns?«
Eva-Maria schaute ihn nachdenklich an. Das klang ja fast, als hätte Alexander ernste Absichten.
Der Mann erriet ihre Gedanken und nickte.
»Ja«, bestätigte er das, was Eva-Maria nicht ausgesprochen hatte.
Die junge Frau holte tief Luft. »Wann soll ich Sonntag kommen?«
»Wenn es dir recht ist um zwölf. Bei uns wird immer ganz pünktlich gegessen, um halb eins. Und wehe, einer von uns wagt es, sich zu verspäten. Wir stehen alle unter Helenes Pantoffel.«
Eva-Maria zog die Brauen fragend in die Höhe.
»Frau Meißner. Sie heißt Helene, und ich wüsste nicht, was wir ohne sie angefangen hätten, als meine Frau starb. Sie war damals Mädchen für alles, und jetzt ... sie kümmert sich um das Haus, um die Kinder, um mich ... Ich hoffe, du wirst dich mit ihr verstehen. Aber dessen bin ich eigentlich ganz sicher. Wer würde nicht gut mit dir auskommen?« Wieder legte er seine Rechte einen Moment auf ihre Hände. »Ich freue mich so, dass wir uns begegnet sind, Eva-Maria. Ich hatte nicht mehr zu hoffen gewagt, dass ...« Er brach ab, als der Kellner jetzt die Suppenteller vor sie hinstellte.
Dr. Stegemann wunderte sich über sich selbst. Nach dem Tod seiner Frau hatte er geglaubt, für ihn sei der schönste Teil seines Lebens zu Ende. Er hatte eine ungewöhnlich gute Ehe geführt, der Tod seiner Frau war ein Schlag gewesen, von dem er geglaubt hatte, sich nie wieder erholen zu können.
Das war vor drei Jahren gewesen. Und jetzt ... Sie hätte nichts dagegen, dachte Alexander, das Leben geht weiter, eine alte Binsenwahrheit, und ich bin schließlich kein Greis. Nicht einmal das, was man einen Mann in den besten Jahren nennt.
Seit Alexander Stegemann die charmante Ärztin Eva-Maria Reichenbach kennen und lieben gelernt hatte, fühlte er sich wieder jung, ein Mann mit Zukunft. Mit einer schönen Zukunft.
Das änderte nichts an seinen Gefühlen für Brigitte. Aber sie war nun einmal tot ...
Er wusste, dass Eva-Maria nie verheiratet gewesen war. Er wunderte sich, dass sie solange mit den Kindern allein gelebt hatte. Wie war das nur möglich? Eine Frau wie sie zog doch Männer an, also musste es allein an ihr gelegen haben, wenn sie nicht geheiratet hatte.
»Schmeckt ausgezeichnet«, lobte Eva-Maria die Suppe, aber das war reine Höflichkeit, denn in Wirklichkeit wusste sie kaum, was sie aß.
»Hast du deinen Zwillingen schon von mir erzählt?«, fragte der Mann, während sie auf den Fischgang warteten.
Er hatte ein ausgesprochen festliches Menü gewählt, dem großen Anlass angemessen. Bisher hatten sie sich nie zusammen in der Öffentlichkeit gezeigt, sich außerhalb der Stadt getroffen, ausgedehnte Wanderungen unternommen.
Aber jetzt sollten ruhig alle sehen, dass sie zusammengehörten.
»Die Zwillinge ... Nein, ich habe ihnen nichts von dir erzählt. Auch meiner Mutter nicht. Obwohl sie sehr neugierig ist.«
Etwas in ihrem Tonfall ließ Alexander stutzen.
»Fürchtest du, deine Familie würde mich ablehnen?«, fragte er erstaunt.
Die Ärztin zögerte mit der Antwort. Ein glattes Ja wäre beleidigend für ihn gewesen. Aber wahrscheinlich die Wahrheit. Und ein Nein, eine glatte Lüge, mochte sie auch nicht aussprechen.
»Ich weiß es nicht«, flüchtete sie sich ins Unverbindliche. »Die Zwillinge sehen in mir wahrscheinlich nur die Mutter, vielleicht sogar eine alte Frau.«
»Ausgeschlossen. Sie sind schließlich nicht blind. Du siehst sehr jung aus, Eva-Maria. Niemand würde dir zutrauen, dass du eine tüchtige Stationsärztin bist. Wüsste ich es nicht besser, ich würde dich für eine Studentin im Anfangssemester halten.«
»Die Kinder werden das anders sehen. Ich weiß nicht, wie sie reagieren werden.«
»Du hast Angst davor«, stellte Dr. Stegemann fest und lachte verhalten. »Sie werden sich an mich gewöhnen. Und dann kriegen sie ja gleich noch neue Geschwister, mit denen sie sich bestimmt verstehen werden ...«
Er hatte ihr noch keinen offiziellen Heiratsantrag gemacht, schien aber vorauszusetzen, dass Eva-Maria bereit war, ihr Leben mit seinem zu verbinden.
Und im Inneren hatte Eva-Maria auch keine Vorbehalte dagegen – nur ein bisschen Angst vor der Reaktion der Kinder. Aber im Grunde genommen kümmern die sich ja herzlich wenig um mich, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie gehen ihre eigenen Wege, haben ihre eigenen Interessen, leben in ihrer eigenen Welt. Und Alexander ist ein Mann, mit dem jeder auskommen kann, der guten Willens ist.
Es war also völlig unnötig, sich über die Zwillinge irgendwelche Sorgen zu machen, versuchte Eva-Maria ihre Unruhe zu beschwichtigen. Und ihre Mutter?
»Mach dir keine Gedanken um die Zukunft, es wird schon alles werden. Natürlich brauchen deine Leute Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass du ein Recht auf ein eigenes Leben hast. Bisher warst du nur Tochter und Mutter – und dass du jetzt Frau sein wirst, also das werden sie erst schlucken müssen. Aber sie sind ja alt genug, um das einzusehen, nehme ich an.«
»Ja ... natürlich ...« Eva-Maria war alles andere als ängstlich, aber wenn es um ihre Familie ging, sah das anders aus. Die gehörte zu ihr wie ein Stück von ihr selbst, und wenn die nun irgendwelche Schwierigkeiten machten?
Aber warum? Was konnte man gegen Alexander einzuwenden haben? Nichts sprach gegen, alles für ihn.
»Da kommt unser Fisch.« Lächelnd schaute der Mann sie an. »Genieße das Essen, Eva-Maria. Und mach dir keine Sorgen um Dinge, die sich ganz von selbst regeln werden.« Er war selbstsicher, alle möglichen Probleme meistern zu können. Auf jeden Fall war er guten Willens, Gudrun und Sven Vater zu sein. Und warum sollten die ihn ablehnen? In einigen Jahren würden sie sowieso das Haus verlassen, um irgendwo zu studieren ...
»Erzähl mir von deinen Kindern«, bat Eva-Maria.
»Das ist schwer für mich«, behauptete der Mann und schmunzelte. »Weißt du, ich bin ein sehr stolzer Vater und deshalb überhaupt nicht objektiv. Sie haben wahrscheinlich ihre Schwächen wie alle Kinder, bloß ich habe sie noch nicht entdeckt. Bilde dir dein eigenes Urteil, wenn du sie kennenlernst. Martin gibt sich gern ein bisschen ruppig, weißt du, weicher Kern in rauer Schale, so ein kleiner John Wayne, und Constanze ... aber ich will jetzt aufhören. Wollen wir nach dem Essen noch irgendwo hingehen und ein Glas Wein trinken? Ich finde, wir haben einen Grund zum Feiern. Ich hoffe, du findest das auch. Das ist heute ja so etwas Ähnliches wie unser Verlobungstag. Wann wollen wir heiraten?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Du hast mir überhaupt noch keinen Heiratsantrag gemacht.«
Alexander Stegemann schaute sie verblüfft an.
»Tatsächlich? Ja, stimmt, eigentlich hast du recht. Ich dachte eben, du wüsstest auch so Bescheid. Also dann werde ich es nachholen. Gnädige Frau, darf ich ganz ergebenst um Ihre Hand anhalten?«
Eva-Marias innere Spannung löste sich in einem etwas zu hellen Lachen.
»Jetzt muss ich mir Bedenkzeit ausbitten ... und meine Mutti fragen, was die dazu meint ...«
Entzückt schaute Alexander in ihr so unglaublich junggebliebenes Gesicht. Aber es war nicht ihr Äußeres, was ihn zu ihr zog. Auch sie würde einmal Falten haben, alt werden. Es war ihre Art, die er liebte, ihre Ruhe, ihre innere Fröhlichkeit, die sich nie laut äußerte, ach, er konnte es nicht in Worte fassen, was es war, worin sie sich für ihn von den anderen Frauen unterschied.
Nach Brigittes Tod hatte es für ihn keine Frauen mehr gegeben. Er hatte einfach nicht den Wunsch verspürt, irgend eine fremde Frau zu umarmen. Bis er Eva-Maria kennengelernt hatte.
Eine Stunde später saßen sie in einem Weinlokal nebeneinander. Sie sprachen nicht viel, sie verstanden sich auch ohne Worte. Und dann sagte Alexander etwas, was Eva-Maria sehr glücklich machte.
»Ginge es nach mir, dann würden wir schon morgen heiraten. Du fehlst mir so, wenn du nicht bei mir bist ...«
Unter dem Tisch fanden sich ihre Hände.
***
Als Hildegard am Morgen den Frühstückstisch deckte, sah man ihr an, wie sie sich fühlte. Eva-Maria stutzte, als sie in die Küche kam und einen Blick auf das übernächtigte Gesicht ihrer Mutter geworfen hatte. Und dann nahm sie ihre Mutter wortlos in den Arm.
»Entschuldige ... ich bin dumm, ich weiß ... ich will dir das Herz nicht schwer machen, Eva-Maria ... Sind die Kinder schon auf?«