Lore-Roman 51 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 51 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Näherin auf Schloss Falkenried
Nach bitterem Leid erfüllte sich ihre Liebe
Von Ina Ritter

Gräfin Nicola ist verzweifelt: Nun trägt sie zwar einen altehrwürdigen Namen, doch glücklich ist sie in ihrer Ehe nicht. Es ist eine Ehe ohne Liebe, ohne Vertrauen, ohne gegenseitige Achtung. Ja, sie verachtet den Mann, dem sie ihr Jawort gab, sieht Karsten Graf von Falkenried in ihr immer noch die kleine Näherin, die er Hals über Kopf um ihre Hand bat, weil seine Verlobte ihn am Vorabend der Hochzeit verließ.
Was Nicola dazu bewogen hat, seinen Antrag anzunehmen, weiß er nicht, er ahnt nichts von dem Opfer, das sie ihrer schwer kranken Mutter gebracht hat. Er darf die Wahrheit auch nie erfahren, schwört sich die junge Gräfin - und leidet still weiter. Denn da ist ein Gefühl in ihrem Herzen, das wächst und wächst. Und dem sie doch keinen Raum geben darf ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Näherin auf Schloss Falkenried

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: lisegagne / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7944-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Näherin auf Schloss Falkenried

Nach bitterem Leid erfüllte sichihre Liebe

Von Ina Ritter

Gräfin Nicola ist verzweifelt: Nun trägt sie zwar einen altehrwürdigen Namen, doch glücklich ist sie in ihrer Ehe nicht. Es ist eine Ehe ohne Liebe, ohne Vertrauen, ohne gegenseitige Achtung. Ja, sie verachtet den Mann, dem sie ihr Jawort gab, sieht Karsten Graf von Falkenried in ihr immer noch die kleine Näherin, die er Hals über Kopf um ihre Hand bat, weil seine Verlobte ihn am Vorabend der Hochzeit verließ.

Was Nicola dazu bewogen hat, seinen Antrag anzunehmen, weiß er nicht, er ahnt nichts von dem Opfer, das sie ihrer schwer kranken Mutter gebracht hat. Er darf die Wahrheit auch nie erfahren, schwört sich die junge Gräfin – und leidet still weiter. Denn da ist ein Gefühl in ihrem Herzen, das wächst und wächst. Und dem sie doch keinen Raum geben darf …

Es kam so, wie Nicola es vorausgesehen hatte: Delia blieb auf Schloss Falkenried wohnen, eine junge, sehr selbstbewusste Frau, die bald schon tat, als gehöre sie rechtens hierher.

Sie gab dem Personal Anweisungen, die eigentlich Nicola zustanden, machte sich überall beliebt und – ritt jeden Tag mit Karsten über die Felder, um die Arbeiten zu beaufsichtigen.

„Ich möchte alles wissen, was mit der Bewirtschaftung eines Gutes zusammenhängt“, erklärte sie lächelnd. „Ich finde alles wahnsinnig interessant.“

Und was mochte Karsten denken? Mehr als einmal stellte Nicola sich diese Frage, aber vom verschlossenen Gesicht ihres Mannes konnte sie beim besten Willen keine Antwort ablesen. Anscheinend unberührt von dem, was in ihr vor sich ging, behandelte er Delia in ihrer Gegenwart mit höflicher Zurückhaltung.

Aber wie mochte er sich geben, wenn sie beide draußen allein über die Felder ritten? So manches Mal fragte sich Nicola das, und ihre Verzweiflung nahm zu.

Fast unmerklich drängte Delia sie in den Hintergrund. Alles schien sich plötzlich nur noch um die Tochter des Grafen von Gröbinghoff zu drehen. Sie bewohnte das schönste Gastzimmer, und durch einen Zufall erfuhr Nicola sogar, dass Karsten ihre Kleiderrechnungen bezahlte.

Madame rief nämlich an und fragte, ob die letzte Sendung zur Zufriedenheit der Komtess ausgefallen sei. Für sie war Delia nach wie vor die Komtess, obwohl sie durch ihre Heirat einen bürgerlichen Namen trug.

„Die Rechnung schicke ich Ihnen in den nächsten Tagen.“

Delia hatte kein Geld, das wusste die junge Gräfin, und es gab nur einen, der diese Rechnung bezahlen konnte: ihr eigener Mann.

Fehlte ihm denn jeder Sinn für Anstand? Konnte er es verantworten, eine Frau unter seinem Dach wohnen zu lassen, mit der er einmal verlobt gewesen war?

Nicola war zu stolz, ihn zur Rede zu stellen, und von sich aus sagte Karsten kein einziges Wort. Seine Mutter reagierte wie er, sie tat so, als sei es ganz natürlich, dass die Komtess ihren Aufenthalt Woche um Woche verlängerte.

Auf die Nerven der jungen Gräfin nahm niemand Rücksicht, so schien es Nicola jedenfalls. Es war demütigend für sie, zu sehen, dass ihre Nachfolgerin schon jetzt, während ihre Ehe noch bestand, ihre Stelle eingenommen hatte.

Karsten hatte sich noch mehr von Nicola zurückgezogen, und eigentlich hätte die junge Frau ihm dafür dankbar sein müssen, war es doch genau das, was sie sich immer gewünscht hatte.

Aber sie konnte sich nicht darüber freuen. Die Demütigung plötzlich an zweiter Stelle zu stehen, brannte in ihrem Herzen.

Ihre Mutter machte sich immer größere Sorgen um sie.

„Mich willst du in ein Bad schicken, dabei hättest du eine Kur sehr viel nötiger“, sagte sie eines Tages, als ihre Tochter wie immer abgehetzt und bedrückt bei ihr erschien. „Steck dir keine Zigarette an, ich möchte nicht, dass du deine Nerven ganz ruinierst.“

Mit schüchternem Lächeln gehorchte Nicola. Ihre Mutter meinte es ja nur gut, und wie sollte sie ahnen, dass es gar nicht die Zigaretten waren, die sie so nervös und fahrig machten. Etwas anderes bedrückte sie noch mehr als Delias Anwesenheit auf Falkenried: Sie brauchte wieder Geld, um die Mutter ein zweites Mal in ein Herzbad schicken zu können.

Hatte sie denn überhaupt noch das Recht, Karsten um die benötigte Summe zu bitten? Ihre Tage an seiner Seite waren ja gezählt; alles, was sie verbrauchte, stand ja in Wirklichkeit schon ihrer Nachfolgerin zu, der schönen, hochmütigen Delia, die niemals versäumte, ihr klarzumachen, dass sie in ihren Augen nur die kleine Näherin war, die Ersatzfrau.

„Du fährst, Muttchen“, bestand Nicola auf ihren Willen. „Und wenn du zurückkommst und ganz gesund bist, dann … versuche ich, irgendetwas Neues anzufangen.“

„Das ist gut. Die Arbeit auf Falkenried ist einfach zu schwer für dich“, bestätigte die Mutter kopfnickend. „Ich möchte das Schloss gern einmal wiedersehen. Ließe es sich nicht einrichten, dass du mir einmal die Räume zeigst, in denen du arbeitest? Entschuldige die Neugierde einer alten Frau, aber ich möchte gern einmal wissen, wie du dort wohnst und lebst.“

„Ausgeschlossen!“, lehnte die junge Gräfin impulsiv ab. Eine tödliche Blässe überzog ihr schmal gewordenes Gesicht. „Karsten … ich meine, der Graf von Falkenried ist sehr streng. Du kennst ihn nicht, sonst würdest du wissen, dass er keine ungebetenen Gäste in seinem Schloss duldet.“

Verdutzt schaute Frau Helene auf ihre vor Erregung zitternde Tochter.

„Aber dir hat er doch erlaubt, auf Falkenried zu bleiben, und die Kundinnen, für die du arbeitest, bringen bestimmt mehr Unruhe in sein Haus als ich alte Frau. Außerdem braucht er mich ja gar nicht zu sehen. Sicherlich gibt es einen Hintereingang, den er nicht benutzt.“

Das, was Nicola heimlich schon lange befürchtet hatte, war nun eingetreten, ihre Mutter wollte Falkenried sehen. Dabei wusste sie ganz genau, dass Mutters Herz noch nicht kräftig genug war, um einen Schock zu ertragen. Vor dem prüfenden und nachdenklichen Blick der Mutter senkte sie die Augen.

„Kind, du verschweigst mir etwas.“ Frau Helene strich ihrer Tochter über das blonde Haar. „Sag mir die Wahrheit, du … du hast dich in den Grafen verliebt?“

„Nein!“, fuhr Nicola hoch, und ihre Reaktion kam so schnell und spontan, dass Frau Berner ihr glaubte.

Doch ihre Unruhe blieb, denn sie spürte, dass Nicola ein Geheimnis vor ihr hatte, irgendein wichtiges Geheimnis, das sie nicht erfahren sollte.

Es lag ihr nicht, sich in das Vertrauen ihrer Tochter zu drängen, aber schließlich fühlte sie sich für ihr einziges Kind verantwortlich.

„Kannst du nicht heute einmal über Nacht bleiben?“, fragte sie, als Nicola beim Einbruch der Dämmerung aufstand, um wieder zurückzufahren. „Ich möchte so gern noch ein bisschen mit dir zusammen sein, Niki.“

„Es geht wirklich nicht.“ Die junge Frau war den Tränen nahe, als sie sich überhastet verabschiedete und davonlief. Sie ahnte nicht, dass der Entschluss ihrer Mutter schon längst feststand.

Frau Helene hielt es für ihre Pflicht, sich selbst von den Zuständen auf Falkenried zu überzeugen.

Am nächsten Morgen schon fuhr sie mit dem Bus in das Dorf, in dessen Nähe das Gutshaus lag. Sie kannte den Weg, oft war sie ihn früher mit ihrem Mann gegangen, und Erinnerungen an schöne, längst versunkene Zeiten stiegen in ihr auf, als das weiße, schlossartige Gebäude vor ihr aufragte.

Es schien ihr fast, als sei die Zeit hier stehen geblieben. Schnurgerade zog sich die Kastanienallee zum Schloss hin, ein Gärtner schnitt den gepflegten Rasen, der Motor des Mähers ratterte hell, und mit seinem rundlichen, gebräunten Gesicht machte der Mann einen recht vergnügten Eindruck.

Zwei Reiter kamen auf sie zu. Sie ritten mitten in der Allee, hochgewachsene, rassige Gestalten. Sicherlich der Graf und seine Frau, dachte Nicolas Mutter. Einem plötzlichen Impuls gehorchend, trat sie hinter den borkigen Stamm einer Kastanie.

Der Hufschlag wurde durch den weichen Boden gedämpft, sie konnte deutlich die Stimmen der beiden Menschen hören, die sich unterhielten.

„Schick sie fort“, verlangte die Frau. Und die alte Frau wollte schon vortreten, um nicht ungewollt zur Lauscherin zu werden, als die Fortsetzung des Satzes sie bewegungslos verharren ließ.

„Eine kleine Näherin, was hält dich bei ihr?“

Sie sprechen von Nicola, schoss es Frau Helene durch den Kopf. Die Gräfin möchte sie fortschicken, ich habe es ja geahnt.

„Das kommt überhaupt nicht infrage“, gab die männliche Stimme kalt und fast hochfahrend zurück. „Wie oft soll ich dir das noch sagen, Delia?“

Der Hufschlag entfernte sich. Frau Helene wagte es, die Deckung des dicken Stammes zu verlassen. Die Gräfin gestikulierte beim Sprechen, sie redete heftig auf den Grafen ein, ihr schien viel daran zu liegen, dass Nicola sich einen anderen Arbeitsplatz suchte.

Das Herz der alten Frau wurde schwer, als sie weiterging. Das Schloss erschien ihr plötzlich nicht mehr so schön wie vorher, die Herbstluft nicht mehr so warm.

Bevor sie das Portal erreichen konnte, hörte sie zum zweiten Mal Hufschlag. Die junge Frau kam zurück, weit über den Kopf des Pferdes geneigt, das Gesicht wütend verzerrt. Ohne Frau Helene einen Blick zu gönnen, sprang Delia aus dem Sattel, warf ihrer Stute die Zügel über den Rücken und hastete die Freitreppe hinauf.

Die alte Dame schaute sich um, sie wartete auf den Grafen, sah ihn aber nicht. Vielleicht haben die beiden sich gestritten?, fragte sie sich. Vielleicht sogar Nicolas wegen. Sie fasste sich ein Herz und rief Delia an.

Die Angesprochene schnellte herum.

„Was wollen Sie?“, fragte sie scharf, und Helene dachte, dass sie kein guter Mensch sein könne. Ihre Augen waren kalt und unfreundlich, ihr Gesicht war schön und gepflegt, aber es war eine Schönheit ohne Wärme, ohne Herz.

„Ich bin Frau Berner, Nicolas Mutter. Sie wissen doch, sie arbeitet hier als Schneiderin auf Falkenried.“

„Was?“ Delia riss sich die Kappe vom Kopf, schüttelte ihr Haar und winkte Frau Helene herrisch zu. „Sie kommen wie gerufen, meine Liebe, folgen Sie mir.“

Die alte Frau musste sich eilen, um hinter ihr bleiben zu können, denn Delia lief fast.

***

„Setzen Sie sich.“ Delia wies befehlend auf einen hochlehnigen Stuhl. Ihre Stimme klang schroff. „Sie sind also die Mutter der Gräfin.“

Kein Wunder, dass Frau Helene sie anstarrte, als habe sie chinesisch gesprochen.

Delia krauste ungeduldig die Stirn. „Nicolas Mutter“, wurde sie deutlicher.

„Ja, die bin ich. Meine Tochter arbeitet hier auf Falkenried …“

„Arbeiten ist gut“, fiel Delia ihr höhnisch ins Wort. „Ich bewundere Ihren Sinn für Humor, meine liebe Frau.“

„Ich verstehe nicht … Sie arbeitet doch hier.“

„Sie ist mit dem Grafen von Falkenried verheiratet. Das mag zwar eine Arbeit sein, aber die Bezeichnung ist immerhin etwas ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie die ganze Ehe.“

Frau Helene rang keuchend nach Luft. Ohne Erbarmen schaute Delia in ihr bläulich verfärbtes Gesicht.

„Sie haben wohl Angst, dass Karsten sie wieder fortjagt?“ Sie stieß ein höhnisches Lachen aus. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Falkenried wird in angemessener Weise für seine Frau sorgen. Außerdem gebe ich Ihnen mein Wort, dass Nicola niemals Not zu leiden braucht. Ich werde ihn nämlich heiraten.“

In Frau Helenes Kopf schien ein Bienenschwarm zu summen. Gequält starrte sie in das höhnische Gesicht der jungen Frau, die sie für die rechtmäßige Gräfin von Falkenried hielt.

„Was ist mit meiner Tochter?“, brachte sie schließlich kaum hörbar hervor.

„Die kleine Nicola hat sich hier eingenistet. Tun Sie doch nicht, als wüssten Sie nichts davon! Ich finde es nur lächerlich, dass eine Näherin glaubt, ein ganzes Leben lang Gräfin von Falkenried bleiben zu können. Für Karsten war sie der Rettungsring, aber trägt man ein ganzes Leben lang einen Rettungsring mit sich herum, wenn man wieder festen Boden unter den Füßen hat? Man benutzt ihn nur solange, wie man ihn braucht.“

„Sie wollen sagen, dass Nicola verheiratet ist?“, entrang es sich Frau Helene. Sie hatte beide Hände gegen ihr wildklopfendes Herz gedrückt. „Das kann doch nicht sein.“

„Erzählen Sie mir nur, Sie hätten nichts von dieser ganzen Sache gewusst“, spottete Delia. „Natürlich hat Nicola geheiratet, als er Hals über Kopf eine Frau brauchte. Mädchen ihrer Art machen ja nicht viel, Federlesens, wenn sie Geld verdienen können. Aber nun bin ich wieder zurück, es wird Zeit, dass Ihre Tochter die Konsequenzen daraus zieht und freiwillig verschwindet. Sie fällt nämlich allmählich lästig.“

Schweißtropfen liefen über Frau Helenes faltiges Gesicht. Sie war noch nicht ganz imstande, die volle Wahrheit zu begreifen.

„Ich verstehe das Ganze nicht … Das kann doch nicht sein, dass Niki ohne mein Wissen geheiratet hat“, murmelte Frau Helene.

„Ich werde sie holen lassen.“ Delia drückte eine Klingel und gab dem eintretenden Mädchen den Auftrag, die Gräfin schnellstens herzubitten.

Die junge Frau ließ sich Zeit. Es empörte sie, dass Delia sich die Frechheit herausnahm, ihr Anordnungen geben zu wollen. Erst nach zehn Minuten öffnete sie die Tür zu Delias Gastzimmer und zuckte zurück.

Ihre Mutter saß auf einem Stuhl und schaute ihr entgegen.

„Stimmt es wirklich?“, fragte Frau Helene kaum hörbar.

„Ja. Ich bin mit dem Grafen von Falkenried verheiratet. Du solltest es nicht wissen, Muttchen, denn …“ Sie konnte nicht zu Ende sprechen. Mit einem Ächzen sank Frau Helene zur Seite.

Im letzten Moment gelang es ihr noch, den Körper der alten Frau aufzufangen.

Sehr behutsam bettete sie die Mutter auf den Diwan. Wie bleich war ihr Gesicht, wie erschöpft sah sie aus! Das Herz krampfte sich bei Nicola zusammen, je länger sie in die totenblassen Züge der Frau schaute, der sie ihr Leben verdankte.

„Scheint ein kleiner Schock für die alte Dame gewesen zu sein“, stellte Delia spottend fest. „Wohl ne freudige Überraschung, was?“

„Sie sind ein Scheusal! Wie konnten Sie meiner Mutter nur solch einen Schrecken einjagen! Sie ist schwer herzkrank!“

„Das habe ich mir schon gedacht“, erklärte Delia lässig. „Pech für die alte Dame. Aber einmal müssen wir ja alle sterben.“

Nicola war kaum fähig, die ganze Gemeinheit ihrer Worte zu begreifen. Die Frau, die Karsten einmal heiraten würde, besaß tatsächlich kein Herz.

„Rufen Sie einen Arzt, aber bitte etwas schnell“, befahl sie scharf.

Delia rührte sich nicht. „Bin ich Ihr Dienstmädchen?“, fragte sie gelassen. „Wenn Sie etwas wollen, rufen Sie ein Mädchen. Es wird sowieso Zeit, dass Sie sich ein wenig umstellen, meine Liebe. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, bald ohne Personal auszukommen. Wenn Karsten Sie erst fortgeschickt hat …“

Nicola strich zart über das blasse Gesicht der Mutter.

„Er hat mir nämlich gesagt, dass er nur auf einen günstigen Moment wartet“, fuhr Delia fort. „Irgendwie fühlt er sich Ihnen verpflichtet, kann man ja auch verstehen. Er weiß noch nicht, wie viel er Ihnen als Abfindung bieten muss. Aber machen Sie kein so erschrecktes Gesicht, er ist großzügig.“

Nicola lief einfach hinaus, ohne sie noch zu beachten. Sie brauchte schnellstens einen Arzt, das war wichtig, nicht die Zukunft, von der Delia sprach.

Erst später, als ihre Mutter aus der tiefen Ohnmacht erwacht war und matt und apathisch im weißbezogenen Bett eines Gastzimmers lag, erinnerte Nicola sich an alles.

Karsten wartete also nur auf eine Gelegenheit, sie loszuwerden, um diese Frau heiraten zu können. Weshalb sagte er es ihr nicht? Er war doch kein Feigling, er gehörte nicht zu den Menschen, die Hintertüren benutzen, das wenigstens musste sie ihm zugestehen.