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Näherin auf Schloss Falkenried
Der Heiratsantrag des Grafen wurde ihr zum Schicksal
Von Ina Ritter
Die kleine Näherin Nicola kann ihr Glück kaum fassen, als sie den Auftrag erhält, auf dem Schloss des Grafen Falkenried ein Nähzimmer einzurichten und das Brautkleid der zukünftigen Gräfin zu entwerfen. Schnell merkt Nicola, dass der schöne Schein dieser prunkvollen Welt trügt, denn die attraktive Komtess Delia interessiert sich ganz offensichtlich nicht für ihr Brautkleid - und auch nicht für ihren Bräutigam Karsten von Falkenried.
Vierundzwanzig Stunden vor der Trauung ist Delia plötzlich verschwunden. Für Graf Karsten bricht eine Welt zusammen, muss er doch spätestens morgen verheiratet sein, sonst verliert er den Anspruch auf das Schloss seiner Ahnen. In seiner Verzweiflung macht er der bezaubernden Näherin Nicola ein Angebot, das den beiden jungen Menschen zum Schicksal wird ...
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Seitenzahl: 119
Cover
Impressum
Näherin auf Schloss Falkenried
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: lisegagne / iStockphoto
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7888-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Näherin auf Schloss Falkenried
Der Heiratsantrag des Grafen wurde ihr zum Schicksal
Von Ina Ritter
Die kleine Näherin Nicola kann ihr Glück kaum fassen, als sie den Auftrag erhält, auf dem Schloss des Grafen Falkenried ein Nähzimmer einzurichten und das Brautkleid der zukünftigen Gräfin zu entwerfen. Schnell merkt Nicola, dass der schöne Schein dieser prunkvollen Welt trügt, denn die attraktive Komtess Delia interessiert sich ganz offensichtlich nicht für ihr Brautkleid – und auch nicht für ihren Bräutigam Karsten von Falkenried.
Vierundzwanzig Stunden vor der Trauung ist Delia plötzlich verschwunden. Für Graf Karsten bricht eine Welt zusammen, muss er doch spätestens morgen verheiratet sein, sonst verliert er den Anspruch auf das Schloss seiner Ahnen. In seiner Verzweiflung macht er der bezaubernden Näherin Nicola ein Angebot, das den beiden jungen Menschen zum Schicksal wird …
Als die Inhaberin des vornehmen Modesalons den Nähsaal betrat, senkten sich die Köpfe der Mädchen tiefer über die Maschinen. Alle fürchteten den Blick der Gestrengen, die nicht die geringste Nachlässigkeit duldete.
„Fräulein Berner! Bitte kommen Sie in mein Büro.“
Madame, wie sie sich nennen ließ, achtete nicht mehr auf die anderen Mädchen, die eifrig weiterarbeiteten, sie drehte sich um und ging.
„Was hast du nur ausgefressen?“, fragte das neben Nicola Berner sitzende Mädchen. „Lass dir nichts gefallen, du hast es nicht nötig, vor der Alten zu kuschen. Du bist ihre beste Kraft, das weiß sie ganz genau, wenn sie sich auch lieber die Zunge abbeißen würde, als es jemals zuzugeben.“
Nicola dankte der Kollegin mit schwachem Lächeln für die aufmunternden Worte. Ihr Herz schlug schneller, als sie Minuten später an die geschlossene Bürotür klopfte. Auf ein scharfes „Herein“ trat sie in das Allerheiligste des Modesalons.
Madame saß hinter dem imposanten Schreibtisch und schaute ihr entgegen. Keine Miene ihres Gesichts zuckte. Sie versuchte krampfhaft, zwanzig Jahre jünger auszusehen, als sie war, und heimlich machten die Näherinnen sich über ihre Bemühungen lustig, ihr wahres Alter zu vertuschen.
„Setzen Sie sich.“ Madames knochiger Zeigefinger wies auf den hochlehnigen Stuhl. Die bequemen Sessel waren nur für die Besucher da. Das Personal brauchte nicht bequem zu sitzen.
Was mag sie nur von mir wollen?, fragte sich Nicola beklommen. Und da kam sie schon, die Erklärung:
„Graf von Falkenried hat bei uns die Aussteuer für seine Braut bestellt, die Komtess von Gröbinghoff. Der Herr Graf ist sehr anspruchsvoll. Von seiner Zufriedenheit hängt es ab, ob die Herrschaften auf den großen Gütern der Umgebung in Zukunft bei uns arbeiten lassen oder es weiterhin vorziehen, in die Großstadt zu fahren. Sie, Fräulein Berner, werden nach Schloss Falkenried fahren, bei der Komtess von Gröbinghoff Maß nehmen und ihr ein Brautkleid skizzieren und anfertigen. Ich erwarte, dass Sie Ihr Bestes tun.“
„Ich?“ Nicola war so erstaunt, dass sie unwillkürlich den Kopf schüttelte.
„Ich habe mich wohl klar genug ausgedrückt!“, erwiderte Madame. „Selbstverständlich werden Sie noch weitere Kleider für die Komtess von Gröbinghoff anfertigen. Sehen Sie mich nicht so erstaunt an, reißen Sie sich gefälligst zusammen!“
„Jawohl, Madame.“ Nicola neigte den Kopf. „Es war nur die Überraschung.“
„In unserem Beruf hat man nicht überrascht zu sein, man ist stets auf alles vorbereitet, mein Kind. Der Herr Graf wird morgen Früh seinen Wagen schicken und Sie abholen lassen. Ich hoffe und erwarte, dass Sie für unseren Salon Ehre einlegen, denn sonst …“
Mit einer vagen Handbewegung schloss sie die Drohung. Mitleid lag dieser Frau völlig fern. Sie hatte sich mühsam hocharbeiten müssen und war hart geworden.
„Sie können wieder in den Nähsaal zurückgehen“, entließ sie Nicola gnädig.
Erst draußen auf dem Flur legte sich ein Lächeln über Nicolas Gesicht. Sie wusste, dass Madame sie heute unerhört ausgezeichnet hatte, wenn auch kein Wort des Lobes gefallen war.
Ihre Freundin Christel Neumann, die an der Maschine neben ihr arbeitete, schaute ihr gespannt entgegen.
„Aufgefressen hat Madame dich offensichtlich nicht“, stellte sie fest. „Wir hatten schon alle Angst um dich. Du siehst ziemlich unbeschädigt aus. Hat sie dich nicht mit ihrem falschen Gebiss wenigstes ein bisschen angeknabbert? Was wollte sie?“
„Es handelt sich um einen Auftrag. Ich soll ein Brautkleid nähen.“
„Und weshalb solch eine Geheimnistuerei?“, fragte Christel und warf den Kopf mit dem kurzgeschnittenen lackschwarzen Haar in den Nacken. „Raus mit der Sprache, Niki, du verbirgst uns etwas. Wer will heiraten? Schieß schon los, wir brennen alle vor Neugierde.“
„Graf von Falkenried.“
„Der Falkenried?“ Christel schlug mit der flachen Hand auf die Maschine. „Und der lässt bei Madame arbeiten? Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder. Hast du den guten Mann schon einmal gesehen, Niki?“
„Nein.“
„Dann hast du etwas versäumt. In den könnte ich mich glatt verlieben. Weißt du, so ein Riese, stets gut gelaunt – bei seiner Brieftasche kein Wunder – und auch sonst sehr, sehr nett. Wen will er denn beglücken?“
„Eine Komtess von Gröbinghoff.“
„Kenne ich nicht, kann nicht von hier sein.“ Christel interessierte sich brennend für die Familienangelegenheiten der vornehmen Gutsbesitzer in der Gegend. Sie war über alles bestens orientiert. „Ist sie hübsch?“
„Weiß ich nicht. Es geht mich auch nichts an.“ Nicola zuckte die Schultern und setzte sich auf den Schemel hinter der Maschine.
„Ich weiß, du bist über Klatsch und Tratsch erhaben“, schmunzelte Christel, „aber ich bitte dich, nimm Rücksicht auf uns arme Sterbliche. Wir sind leider nicht so wie du. Mensch, ich wünschte, Madame hätte mich rufen lassen. Ich würde dieser Tante ein Brautkleid hinzaubern, in dem sie sich selbst nicht wiedererkennt.“
„Bei deinen schiefen Nähten wäre das allerdings leicht möglich“, stichelte eine ältere Näherin. Christel war sehr beliebt, aber Madame hatte leider oft Anlass, sie ihrer Flüchtigkeit wegen zu tadeln.
„Und wie viel springt für dich dabei heraus?“ Christel machte mit Daumen und Zeigefinger die typische Bewegung des Geldzählens. „Madame wird sich bei diesem Auftrag gesundstoßen. Du machst die ganze Arbeit, und sie schickt die Rechnung. Hör auf den Rat einer alten erfahrenen Frau, lass dich von der alten Schachtel nicht ausnutzen.“
Nicola konnte nicht antworten, denn die Chefin trat ein, und ihre Anwesenheit beendete jedes Privatgespräch.
Erst am Abend richtete Christel Neumann wieder das Wort an sie. Sie standen im Waschraum nebeneinander.
„Kannst du keine Gehilfin anfordern?“, fragte Christel und zwinkerte Nicola vertraulich zu. „Für dich allein ist es doch zu viel, das weiß ich jetzt schon. Und wer wäre geeigneter, dir zur Hand zu gehen, als das liebe Fräulein Neumann?“
„Es kommt darauf an, was ich alles anfertigen soll.“
„Puh, du bist korrekt. So eine Kraft wie dich findet man sonst nur im Film. Kommst du noch mit ins Kino, oder …“
„Ich muss nach Hause. Du weißt, dass es meiner Mutter nicht gut geht. Sie müsste unbedingt in ein Herzbad fahren, der Arzt sagt es immer wieder. Aber wir haben das Geld nicht.“
„Wenn du so weitermachst, wirst du es auch nie bekommen. Bitte Madame um einen anständigen Vorschuss, sie wird ihn rausrücken, darauf kannst du Gift nehmen.“
„Noch nicht fertig, meine Damen?“, erkundigte sich die Frau, von der Christel gerade sprach, spitz hinter ihrem Rücken. „Ich wünschte, Sie würden bei der Arbeit so sorgfältig sein wie beim Haarekämmen, Fräulein Neumann.“
„Ja, Madame“, gab die Getadelte demütig zurück.
Alte Ziege, dachte sie. Sie war darauf angewiesen, ihren Posten zu behalten, deshalb drückte sie sich eilig an der hageren Gestalt der Chefin vorbei, ohne ihre ketzerischen Gedanken laut werden zu lassen.
„Sie sollten nichts auf das geben, was Fräulein Neumann sagt“, äußerte Madame zu Nicola. „An Ihrer Stelle würde ich den Umgang mit ihr meiden. Guten Abend, Fräulein Berner.“
Auch Nicola war in Gnaden entlassen. Draußen auf der Straße schlug sie den Mantelkragen fröstelnd hoch und ging eilig zu Fuß nach Hause.
***
Nicola ging auf Zehenspitzen über den Flur der kleinen Wohnung, die sie mit ihrer Mutter zusammen bewohnte. Sie wusste, dass die alte Dame keinen lauten Schritt ertrug, sie war überaus lärmempfindlich geworden.
Behutsam öffnete Nicola die Tür zum Wohnzimmer. Die Gardinen waren halb zugezogen. Im Raum herrschte das Dämmerlicht, das Frau Helene bevorzugte.
„Bist du es?“, fragte eine leise Stimme.
„Ja, Mutter. Wie geht es dir heute?“
„Wie immer.“ Frau Helene sprach leise. Sie richtete sich auf und schaute ihrer Tochter entgegen. „Du siehst aus, als hättest du etwas Schönes erlebt. Erzähl, Kind.“
„Bleib doch liegen.“ Nicola drückte sie wieder auf die Couch zurück und zog sich einen Sessel heran. „Soll ich nicht zuerst Abendbrot machen?“, fragte sie liebevoll. „Du wirst Hunger haben, Mutter.“
„Danke, nein. Wenn es dir nichts ausmacht, erzähle lieber, was du erlebt hast.“
„War der Arzt heute da?“ Mit einer Handbewegung schob Nicola ihre Frage beiseite. „Was hat er gesagt, Mutter?“
Frau Helene verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln.
„Du kennst ihn ja, er sagt immer dasselbe.“
„Er hat dir wieder zu einer Kur geraten?“
„Ja. Nur vergessen, hinzuzufügen, wie wir sie zahlen sollen. Gute Ratschläge sind billig. Wenn wir wenigstens auf dem Lande wohnen könnten, in frischer Luft und Ruhe … Frau Meiers Kinder haben heute wieder den ganzen Tag getobt. Sie sind wie eine Horde Wilder.“
Wie zur Bestätigung ihrer Worte hörte Nicola das Schreien und Kreischen von oben durch die Decke dringen. Es war ein Kreuz mit diesen Wohnungen hier, alle viel zu hellhörig gebaut. Außerdem kamen der Verkehrslärm und die ständigen Erschütterungen durch die schweren Lastwagen, die auf der Straße vorbeifuhren, noch hinzu.
„Ich werde ihr einmal kräftig Bescheid sagen.“ Nicola wollte sich erheben, aber die Mutter hielt sie zurück.
„Lass nur, du kannst es auch nicht ändern. Jetzt musst du mir erzählen, weshalb du so strahlst.“
„Du kennst mich sehr gut. Ja, ich habe tatsächlich einen besonders schönen Auftrag bekommen. Ich soll für die Braut des Grafen von Falkenried die Aussteuer entwerfen und nähen. Allerdings“, fügte sie stirnrunzelnd hinzu, „das bedeutet, ich muss den größten Teil des Tages im Schloss verbringen. Man holt mich morgen mit dem Auto ab. Hoffentlich bringt man mich auch wieder zurück.“
Genau wie Christel staunte auch Frau Helene über das unerwartete Glück ihrer Tochter.
„Ich wünschte, ich könnte mitkommen“, sagte sie leise. „Es muss dort herrlich ruhig sein. Ich kenne das Schloss von früher. Als Vater noch lebte, sind wir gern gewandert. Es liegt wunderschön, ein Herrensitz, wie man ihn nur selten zu sehen bekommt. Der Graf muss ungeheuer reich sein.“
„Leider haben wir nichts davon. Weshalb ist die Welt nur so verkehrt eingerichtet Muttchen? Einige haben so viel, andere kaum das Notwendigste.“
„Wir wollen uns nicht beklagen. Es könnte uns schlechter gehen, Niki. Und nun mach das Abendbrot, du bist jung, du wirst Hunger haben. Es ist schrecklich, dass ich dir nicht wenigstens diese Arbeit abnehmen kann. Aber der Arzt hat mir jede Tätigkeit strengstens verboten. Am liebsten würde er mich in Watte packen, glaube ich.“
„Er meint es eben auch gut mit dir. Ach, hätten wir doch etwas mehr Geld, oder wenigstens Sachen, die wir verkaufen können. Der Arzt verspricht sich viel von einer Kur im Herzbad. Hier kann man ja einfach nicht gesund werden, es ist ja wie im Irrenhaus!“
„Reg dich nicht auf, es wird schon gehen. Es gibt Schlimmeres“, meinte Frau Helene.
„Hast du schon Vorstellungen, wie das Kleid aussehen soll?“, fragte sie nach dem Abendbrot. Sie selbst hatte kaum etwas zu sich genommen, sie aß eigentlich nur, um ihre Tochter nicht noch mehr zu beunruhigen.
„Nein, eigentlich noch nicht. Ich kenne die Komtess von Gröbinghoff ja nicht einmal. Ich weiß nur, wie mein Brautkleid einmal aussehen wird, falls ich tatsächlich einen Mann finden sollte. Aber es hat noch Zeit, bis ich anfangen muss, das zu nähen.“
„Ich wünschte, du würdest bald heiraten. Ich verstehe gar nicht, dass du keine Herrenbekanntschaften hast.“
„Ich werde schon jemanden finden“, meinte Nicola leichthin. „Schließlich bin ich noch keine alte Jungfer, und es wird auch noch ein bisschen dauern, bevor ich das werde.“
„Du bestimmt nicht“, erwiderte Frau Helene und lächelte fein. „Ich weiß, dass du eines Tages das große Glück finden wirst, und vielleicht ist es besser, dass du darauf wartest und ihm nicht nachjagst. Wie soll dein Brautkleid aussehen?“
Sie stützte sich auf den rechten Ellenbogen, als Nicola ihr ausführlich beschrieb, wie sie es sich vorstellte. Eine kleine, flüchtig hingeworfene Skizze veranschaulichte ihre Idee.
„Wirklich hübsch. Du hast Talent, Niki. Schade, dass wir kein Geld haben, du müsstest dich eigentlich selbstständig machen.“
„Du sprichst genau wie Christel. Du hättest nur mal hören sollen, wie sie versucht hat, mich heute aufzuhetzen! Und wie klein sie wurde, als Madame dazukam.“ Sie lachte herzlich und unbeschwert, und ihre Mutter stimmte ein.
Sie verlebten einen netten, gemütlichen Abend. Sie ahnten beide nicht, dass das Schicksal an ihre Tür geklopft hatte …
***
„Du könntest dich wirklich bemühen, ein etwas froheres Gesicht zu machen“, stellte Gräfin Cäcilie fest. „Was soll Delia von dir denken, wenn du mit solch einer Leichenbittermiene herumläufst. Schließlich willst du heiraten.“
„Ich muss heiraten, meinst du wohl“, verbesserte Karsten von Falkenried ironisch. „Die liebe Delia macht sich sowieso keine Illusionen. Die Mühe, den liebeskranken Bräutigam zu spielen, kann ich mir sparen.“
Die alte Gräfin trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. Sie missbilligte die Haltung ihres Sohnes, obwohl es genau stimmte, was Karsten gesagt hatte. Die Familiengesetze verlangten eine Heirat bis zum dreißigsten Lebensjahr, und in vierzehn Tagen würde Karsten seinen dreißigsten Geburtstag feiern. Einen Tag nach seiner Hochzeit.
„Ihr jungen Menschen seid mir manchmal unbegreiflich. Delia ist doch sehr hübsch, weshalb hast du dich nicht in sie verliebt?“
Ihre etwas naive Frage ließ Karsten lächeln.
„Ich mag sie wirklich recht gern“, beteuerte er. „Aber muss man denn immer gleich von Liebe reden? Liebe ist ein wenig altmodisch geworden.“
Diesmal war es Gräfin Cäcilie, die erschrocken den Kopf schüttelte.
„Du versündigst dich, Junge“, mahnte sie ernst. „Spotte nicht über die Liebe, eines Tages wirst du sie kennenlernen.“
„Hoffentlich nicht, es wäre ja auf jeden Fall zu spät. Delia und ich wissen genau, wie wir zueinander stehen und was wir voneinander zu halten haben. Ist das nicht eine gesunde Basis für eine Ehe?“
„Ich weiß nicht“, murmelte seine Mutter. „Mir will die Sachlichkeit nicht gefallen, mit der du deine Hochzeit vorbereitest.“