Maria Montessori spricht zu Eltern - Maria Montessori - E-Book

Maria Montessori spricht zu Eltern E-Book

Maria Montessori

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Beschreibung

Maria Montessori war sich der Rolle der Eltern sehr bewusst. Dieses Buch besteht aus 11 bisher unveröffentlichten Vorträgen Maria Montessoris, in denen sie den Eltern eine einführende Erklärung ihrer Vision von Bildung gibt und ihnen erklärt, wie sie ihre eigene Rolle bei der Entwicklung ihres Kindes besser verstehen können. Die Beiträge haben eine Leichtigkeit im Ausdruck, die in Montessoris Werken normalerweise nicht zu finden ist.

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Seitenzahl: 83

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Maria Montessori spricht zu Eltern

Elf Beiträge von Maria Montessori über eine veränderte Sicht auf das Kind

Mit einem Vorwort von Paula Polk Lillard

Die Übersetzerin, Ulrike Hammer, ist Schulleiterin sowie Mitbegründerin an der Montessori-Grundschule Rotenburg (Wümme). Sie absolvierte ihre Montessori-­Ausbildungen (3–6 Jahre in München, 6–12 Jahre in Washington, DC) bei der Association Montessori Internationale (AMI) und ist Gründungsmitglied sowie Vorsitzende der Ehemaligenvereinigung „Deutschsprachige AMI Pädagogen e. V.“ (DAMIP). Sie verfasst und übersetzt Artikel zur Montessori-Pädagogik und ist Lehrbeauftragte an der Universität Hamburg.

© der deutschen Ausgabe Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.de

© 2017 Montessori-Pierson Publishing Company

Das AMI-Logo ist eine eingetragene Marke der

Association Montessori Internationale.

Inhalt und Übersetzung dieser Ausgabe wurden von der Association Montessori

Internationale (AMI) zugelassen.

Umschlagabbildung: © franckreporter

Covergestaltung: Uwe Stohrer, Freiburg

Layout und Satz: Claudia Wild, Konstanz

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

Alle Farbfotografien © Forest Bluff School, Lake Bluff, Illinois, USA

Alle anderen © Erbengemeinschaft Maria MontessoriISBN Print 978-3-451-38370-0

Inhalt

VorwortPaula Polk Lillard

Eine Umgebung für das Kind

Die neue Methode in der Erziehung

Eltern können zu liebevoll sein

Kinder würden lieber arbeiten als zu spielen

Lassen Sie Ihr Kind sein Geheimnis bewahren

Wenn Ihr Kind es besser weiß

Die neue Bewegungserziehung

Entwicklungsverzögerte Kinder sind nicht hoffnungslos

Das Wachstum der Persönlichkeit bei Kindern

Ihr Kind hat seine eigene Arbeit

Ihr Kind lernt von seiner Umgebung

NachwortUlrike Hammer

Eine kurze Biografie von Maria MontessoriCarolina Montessori

Literaturhinweise

Vorwort

Maria Montessori schrieb die in diesem kleinen Band gesammelten Artikel mit einfachen, jedoch tief greifenden Worten. Sie sollten eine Aufforderung an Eltern sein, die Ergebnisse einer neuen Hinwendung zu Kindern für sich selbst zu entdecken. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, als Maria Montessori ihre Arbeit mit Kindern in Rom begonnen hatte, nahm das Interesse an ihren pädagogischen Ideen und Praktiken explosionsartig zu. Als die Texte dieses Heftes in den frühen 1930er-Jahren geschrieben wurden, hatten sich Montessori-Kinderhäuser und Montessori-­Schulen bereits in ganz Europa, Teilen Asiens, Nordamerikas und Südamerikas und sogar in Australien verbreitet.

Maria Montessoris pädagogische Entdeckungen über Kinder und ihre Fähigkeit, sich selbst aufzubauen, waren so radikal, dass Missverständnisse über die in ihrem Namen etablierten Schulen reichlich vorhanden waren. Bis heute haben Eltern regelmäßig die irrtümliche Vorstellung, dass Montessori-Kinderhäuser und Montessori-Schulen Orte sind, an denen Kinder sich selbst überlassen sind – frei zu tun, was sie wollen, unfähig, Selbstkontrolle und Disziplin zu entwickeln.

In den frühen 1960er-Jahren lebte ich in Cincinnati, Ohio, und war ein ebensolches Elternteil. An der Hochschule hatte ich Lehramt studiert und unterrichtete danach eine zweite Klasse an einer öffentlichen Grundschule. Zu diesem Zeitpunkt war ich Mutter von vier Kindern, die alle jünger als sieben Jahre waren. Ermutigt von einer begeisterten Freundin, las ich ein Buch über Maria Montessori, ihre Ideen und ihre Praktiken – diese Biografie war von E. M. Standing, dem englischen Kollegen meiner Freundin, verfasst worden.1 Ich erinnere mich deutlich daran, dass ich letztlich zu dem Schluss kam: „Kinder sind aber nicht so!“ Dann ereignete sich ein glücklicher Zufall. Der Leiter des Kindergartens, den meine beiden älteren Kinder besuchten, ein Mann, den ich sehr schätzte, fragte mich, ob ich Assistentin in einer Montessori-Gruppe werden wolle, die er gerade einzurichten begann. Im ersten Jahr sollte sie für 16 Kinder im Alter von drei und vier Jahren sein und im zweiten Jahr auf eine volle Gruppe von 25 Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren anwachsen. Die Erzieherin hatte vor dem Zweiten Weltkrieg eine Montessori-Ausbildung in Frankreich erhalten. Zuletzt hatte sie als Vorschullehrerin in den Vereinigten Staaten gearbeitet. Und im kommenden Sommer sollte sie in Oklahoma City einen Auffrischungskurs in Montessori-Pädagogik absolvieren, der von der Association Montessori Internationale (AMI) mit Hauptsitz in Amsterdam in den Niederlanden gegeben werden würde. Ich lernte sie kennen und war von ihrer Erfahrung und Ausbildung beeindruckt. Und so nahm ich das Angebot des Leiters an.

Meine anfängliche Skepsis gegenüber Montessoris pädagogischem Ansatz veränderte sich nach und nach, während ich die Verwandlung der Kinder von Herbst bis Frühjahr in dieser neuen Montessori-Gruppe beobachten konnte, in Ehrfurcht. Diese unkonzentrierten Kinder, die anscheinend nicht wussten, wie sie sich ohne permanente Hilfe und Anleitung von Erwachsenen sinnvoll beschäftigen konnten, wurden zunehmend unabhängig, konzentriert und sicher in der Wahl ihrer Arbeit. Mich beeindruckte am meisten, dass sie jetzt entspannt und zufrieden wirkten. Sie waren nun freundlich zueinander. Es war eine wahre Freude, mit ihnen zusammen zu sein. Ich half ihnen, wenn es notwendig war. Aber größtenteils konnte ich jedes Kind einfach beobachten und studieren und mir Notizen machen, um diese später mit der Erzieherin zu teilen und zu besprechen.

„Warum wurden Montessoris Ideen und Praktiken im letzten halben Jahrhundert missverstanden?“

Für mich stellte sich dann eine Frage: „Warum wurden Montessoris Ideen und Praktiken im letzten halben Jahrhundert so missverstanden? Warum wurde ihr Name in meinen Hochschulseminaren nicht einmal erwähnt?“ Montessori beantwortet diese Fragen in diesem kleinen Band in ihren eigenen Worten so: „Ich spreche von Revolution!“ Dreißig Jahre Arbeit mit Kindern „haben mir beigebracht, mich gegen die fehlgeleiteten, veralteten Ideen aufzulehnen, an die viele Eltern immer noch aufrichtig glauben“. Montessori hatte beispielsweise festgestellt, dass Kinder gerne arbeiten – dass sie hart daran arbeiten, ihre eigene Unabhängigkeit sowie ihr Verständnis für ihre Welt aufzubauen. Sie lieben Ordnung in ihrer Umgebung. Wenn sie Gegenstände zum Anfassen und Entdecken bekommen, sortieren sie diese mithilfe ihrer Sinne nach Größe und Form. Außerdem bringen Kinder diese Materialien an ihren vorgesehenen Platz zurück, damit sie sie wiederfinden können. Sie bleiben bereitwillig bei dieser Art von „Arbeit“, die dem Erwachsenen fast wie ein Spiel erscheint. Als Konsequenz entwickeln sie eine Art Ausdauer und damit in Montessoris Worten „den Anfang der Willenskraft“. Der Schlüssel zu all dieser positiven Selbstbildung des Kindes ist die Schaffung der richtigen Umgebung. Kinder können sich nicht aus dem Nichts aufbauen. Es war Montessoris Genialität, detailliert auszuarbeiten, woraus diese förderliche Umgebung genau bestehen sollte. Sie tat dies während ihres langen und produktiven Lebens, indem sie Kinder jeglichen Hintergrundes überall auf der Welt beobachtete und studierte.

Als Erwachsene sind wir ein wesentlicher Teil der Umgebung des Kindes. Montessori schreckt uns auf den ersten Seiten dieses Büchleins auf, indem sie uns erklärt, dass zuerst wir uns ändern müssten, wenn wir unseren Kindern richtig helfen wollen. Sie stellt fest, dass wir uns daran gewöhnt haben zu denken, dass wir es sind, die das Kind von außen formen, anstatt zu erkennen, dass es tatsächlich die Kinder sind, die sich selbst formen müssen. Es geht grundsätzlich darum, die Kinder und ihre angeborenen Kräfte zum Selbstaufbau zu respektieren. Wenn wir lernen, diese Kräfte in Kindern zu beobachten und zu erkennen, sehen wir nach und nach die vielen Arten unbeabsichtigter Hindernisse, die wir für ihre volle Entwicklung hin zu einem reifen Kind im Alter von zwölf Jahren und einem reifen jungen Erwachsenen im Alter von achtzehn Jahren schaffen. Wenn wir uns korrigieren, schreibt Montessori, zeigt das Kind „einen anderen Charakter: die starken Eigenschaften eines geistigen Wesens“. Es sind die ausgedehnte Arbeit und Konzen­tration, die von den Kindern frei gewählt werden und damit ihre inneren Interessen widerspiegeln, die diese Wandlung der Persönlichkeit und des Verhaltens hervorbringen. Um dem Kind zu konzentrierter Arbeit zu verhelfen, muss sich der Erwachsene stets der Umgebung des Kindes bewusst sein und sicherstellen, dass diese eine Hilfe und kein Hindernis für eine gute Wahl der Aktivitäten ist. Einige Kinder, die in der richtigen Umgebung frei arbeiten, brauchen wenig Hilfe vom Erwachsenen, andere brauchen mehr Aufmerksamkeit. Alle Kinder sind einzigartig. Das richtige Gleichgewicht der Anleitung zwischen Helfen und Behindern ist nur durch Beobachtung und Erfahrung zu erlernen. Eines ist jedoch eindeutig. Montessori sagte klar: „Denken Sie auch nicht nur für einen Augenblick, dass ich behaupte, dass ein Kind immer seinen Willen durchsetzen sollte.“

Es sind mehr als einhundert Jahre vergangen, seit Montessori zum ersten Mal ihre Revolution von pädagogischem Denken und Handeln verkündet hat. Aber ihre Ideen repräsentieren immer noch eine entgegengesetzte Darstellung zur historischen Sichtweise über die menschliche Entwicklung – eine Sichtweise, die die tatsächliche Aufgabe der ersten vierundzwanzig Jahre des menschlichen Lebens so falsch eingeschätzt hat. Diese Aufgabe ist die Selbstbildung jedes einzigartigen individuellen Wesens zu einem reifen Erwachsenen, bereit, die Verantwortung der erwachsenen Gesellschaft zu übernehmen. Montessori beschreibt diesen reifen Erwachsenen von vierundzwanzig Jahren als einen Menschen, der seiner Zeit, seinem Ort und seiner Kultur angepasst ist, und „in der Lage ist, frei einem disziplinierten Willen und einem Urteil nachzugehen, ohne Vorurteile und ohne Angst“.2 Trotz neuer Erkenntnisse in den Neurowissenschaften und aller biologischen, pädagogischen und psychologischen Forschungsergebnisse, die die Realität der menschlichen Selbstbildung darlegen, versuchen Erwachsene zu Hause und in Schulen weltweit noch immer, Kinder und junge Erwachsene von außen zu formen, indem sie Belohnungen und Bestrafungen anwenden, um sie dazu zu zwingen, still zu sitzen und zuzuhören, anstatt die menschliche Energie in ihnen freizusetzen, die Welt für sich selbst zu erforschen und zu entdecken.3