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"Endlich frei, endlich frei, endlich ganz frei!" Elias ist noch keine 20 Jahre alt, als ihm alles zu viel wird. Das Leben in der modernen Zivilisation überfordert ihn und macht ihn krank. Als er es kaum mehr aushält, trifft er eine alles verändernde Entscheidung: er beschließt, sich auf eine einsame Almhütte im Märzengrund zurückzuziehen, in ein abgelegenes Tal in den Zillertaler Alpen. Losgelöst von allen Zwängen verbringt er die nächsten 40 Jahre seines Lebens fernab von der Zivilisation und im Einklang mit der Natur. Hoch oben in den Bergen, umgeben nur von Bäumen und Tieren, findet er seinen Frieden und sein Glück. Doch irgendwann kommt der Tag, an dem Elias seine Alm verlassen muss, um in die Welt zurückkehren, der er vor so vielen Jahren den Rücken gekehrt hat. Die wahre Geschichte eines Mannes, der sich von der Welt lossagte Das neueste Stück von Österreichs beliebtestem Dramatiker ist dem Leben eines Mannes gewidmet, der sich in der immer moderner werdenden Welt nicht zurechtfinden konnte. Seinen Frieden fand er stattdessen in der Einsamkeit und in der Natur. Felix Mitterer gelingt mit "Märzengrund" das Porträt von einem, der seinen eigenen Weg gegangen ist
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Seitenzahl: 78
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Felix Mitterer
Märzengrund
Theaterstück
Elias
Elias als Kind
Elias als Jugendlicher
Schwester
Schwester als Kind
Schwester als Jugendliche
Mutter
Vater
Jäger Hubert
Dörfler 1, auch Primar, Polizist, Arzt, Heimleiter
Dörfler 2, auch Almhirte Sepp, Bürgermeister, Rettungsmann
Dörflerin 1, auch Salige
Dörflerin 2, auch Krankenschwester und Pflegeschwester im Altersheim
(Oder auch andere Aufteilung oder – wenn möglich – alle Rollen mit eigenen Darstellern besetzt.)
Videoprojektionen von Natur und andere Aufnahmen.
Kein Bühnenbild im herkömmlichen Sinne. Ein paar Stühle (Holz für den Hof, Plastik für die Psychiatrie) und eine Holzbank für die Alm, ein Krankenbett, Sträucher für das Zimmer von Elias im Altersheim.
Musik zwischen den Szenen und auch manchmal darüber.
Mit Ausnahme der Hauptfigur sind die Personen und die Handlung dieses Stückes frei erfunden.
Musik und Geräusche (und Video) über dem Folgenden.
Elias: Dann is es dunkel worden und die ersten Donner warn zu hörn. Der Himmel kohlschwarz und schwefelgelb. Und ich hab mich greckt und bin gwachsen, wie die Farne im Wald bin ich gwachsen. Die Blitze sind kreuz und quer übern Himmel zuckt. Immer näher is es kommen, immer näher, der Abstand zwischen Blitz und Donner immer kürzer. Und ich bin grennt, ich bin grennt, hinein ins Gewitter. Dort krieg ich Schutz, unter den Gewitterwolken krieg ich Schutz! Hab den Kasten hinter mir lassen, hab das Zimmer hinter mir lassen, und den Gemeinschaftsraum, und das Altersheim; hinaus bin ich bei der Tür, und hinein in den Märzengrund. Und der Bussard is über mir gflogen, und Reh und Fuchs sind neben mir glaufen und die Schlang hat sich um meinen Hals gringelt, und ich bin Bussard gwesen, und Reh und Fuchs und Schlang. Links und rechts, vor und hinter uns haben die Blitz eingschlagen, und gleichzeitig hats getuscht und gekracht, als ob die Welt unterging. Und ich hab gschrien vor Freud, gschrien hab ich vor Freud! – Moid! Moid! Der Elias mit den Gämsenaugen kommt! Wart auf mich, ich bin gleich da! – Und der Regen hat mich wachsen lassen, immer mehr wachsen; über die Bäum hinaus bin ich gwachsen, ich, der Wilde vom Märzengrund! Und dann war ich oben im Gebirg, in den Felsen! Endlich frei, endlich frei, endlich ganz frei!
Elias als Kind liest seiner jüngeren Schwester vor.
Elias Als Kind:(liest aus Buch) Die Mutter führte Hänsel und Gretel noch tiefer in den Wald. Dort wurde wieder ein großes Feuer angemacht, und die Mutter sagte: „Bleibt nur da sitzen, ihr Kinder, und ruht euch aus. Vater und ich gehen dort ein Stück in den Wald und hacken Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir wieder und holen euch ab.“ Als es Mittag war, teilte Gretel ihr Brot mit Hänsel, der sein Stück auf den Weg gestreut hatte. Dann schliefen sie ein. Als sie endlich erwachten, war es finstere Nacht. Vater und Mutter waren nicht zurückgekommen. Gretel fing an zu weinen und –
Schwester Als Kind: Des is aber kein schönes Märchen. Die finden ja nimmer heim.
Elias Als Kind: Freilich finden sie heim.
Schwester Als Kind: Geh, hör auf, das weiß ich jetzt schon, dass die Vögel die Brotbröckeln aufgfressen haben! Die finden nie mehr heim! Des is eine Gemeinheit von der Mutter!
Elias Als Kind: Wenn sie selber nimmer genug zum Essen haben, die Eltern! Der Vater wollts eh nicht.
Schwester Als Kind: Aber nachgeben hat er doch!
Elias Als Kind: Geht ja eh gut aus! Alle Märchen gehn gut aus!
Schwester Als Kind: Nein, ich mag das nicht! Erzähl mir eine andere Gschicht!
Elias: Zuerst wird die da fertig erzählt, fix noch einmal! (Liest nicht mehr, sondern erzählt) Hänsel und Gretel sind immer tiefer in den Wald hinein, und dann haben sie sich dort eine Hütten baut und haben mit den Tieren des Waldes glücklich zusammen glebt. Und wenns nicht gstorben sind, lebns noch heut.
Schwester Als Kind: Also, ich bleib lieber daheim!
Elias Als Kind: Ich gangert gern in den Wald. Is es viel lustiger wie daheim. Oder auf eine Insel. Der Robinson Crusoe war 28 Jahr auf einer Insel.
Schwester Als Kind: Dann erzähl mir halt von dem Robinson.
Mutter kommt mit einem schweren Rucksack herein.
Mutter: Grüß euch, Kinder.
Schwester Als Kind: Bist aber lang ausgwesen, Mammi.
Mutter:(nimmt den Rucksack ab) Schau, was ich dir mitbracht hab, Elias.
Elias schnürt den Rucksack auf, greift hinein, holt Bücher hervor, wühlt darin.
Elias Als Kind: Bücher! Lauter Bücher! Alles Bücher! Nils Holgersson! Huckleberry Finn! Tarzan – pahh!
Schwester Als Kind: Musst mir alle vorlesen, Elias!
Elias Als Kind: Ja, woher hastn die? Werden ja furchtbar viel kostet haben.
Mutter: Aber nein! Des is aus an Nachlass. Von einer Lehrerin in Innsbruck. Da war so eine Anzeige in der Zeitung.
Elias Als Kind: Bist du extrig nach Innsbruck gfahren?
Mutter: Ja, freilich. Drum komm ich ja so spät.
Elias Als Kind: Dankschön, Mutter.
Schwester Als Kind: Alle vorlesen!
Mutter:(zum Publikum) Mein Gott, hat der Elias viel glesen als Kind, direkt einigfressen hat er’s! In der Volksschul der beste. Der Lehrer war direkt vernarrt in den Buben. Und nie grauft. Und daheim am Hof fleißig mitgholfen, und im Sommer auf der Alm. Ganz ein normales Kind.
Vater: Die Mutter hat recht. Ganz ein normales Kind.
Mutter: Und auch nicht verschroben.
Vater: Ja, ich weiß, mir is manchmal vorkommen, der Bub wird verschroben von dem vielen Lesen. Nein, überhaupt nicht. Hellwach war er und interessiert an allem. Als Kind schon Uhren repariert, und das alte Radio, und meinen Traktor auch.
Mutter:(lächelt) Dein Heiligtum! Der größte Traktor im Dorf. Sind ja auch die größten Bauern. Da lassen wir uns nicht lumpen.
Vater: Einmal is ganz hinten im Märzengrund ein Flugzeug abgstürzt, der Pilot war tot. Da is der Elias hinein, sieben Jahr is er gwesen, und hat die Instrumente ausbaut und das ganze Zeug. Jeden Sommer hat er dann ein anderes Teil daherbracht, hat’s untersucht, repariert und Experimente gmacht. Ganz ein normaler Bub. Ich hab so viel Freud mit ihm ghabt, dass ich ihm ein Moped kauft hab, wie er 16 war.
Mutter: Ich hab das ja übertrieben gfunden – so viel Geld. War er freilich dauernd unterwegs, der Bub, hat die Freund aufhocken lassen; bis nach Wörgl hinaus, bis zum Achensee ist er gfahrn mit dem Moped.
Vater: Ein junger Mensch halt. (Flüstert zum Publikum) Heimlich is er mit seine Freund nach Stumm hinein, zum Tipotsch, ins Kino gschlichen, ohne zu zahlen. „Wehe, wenn sie losgelassen“. Habn glaubt, des is was Fackisches. War aber mitn Peter Alexander.
Mutter: Dann die landwirtschaftlichen Fachschulen, sollt ja den Hof übernehmen ... Alles gut gangen. Kematen, St. Johann, dann mit achtzehn Rotholz. Wieder der Klassenbeste. Den Führerschein gmacht, der Vater hat ihm an Puch 500 kauft, war auch wieder übertrieben. Was des Benzin kost.
Vater: Na geh, der Bub is eh so sparsam gwesen.
Mutter: So hab ich ihn mir schon zügelt. Sparsamkeit ist eine Tugend. Sonst kommst zu nix.
Vater:(flüstert) Heimlich ins Wirtshaus hab ich müssen. Für ein Glasl Wein und a Paarl Frankfurter. Und die Wurstsemmel gleich im Laden gessen, sonst hätt mich die Mamm gschimpft.
Elias Als Jugendlicher: Mammi, ich bräucht Geld fürn Benzin.
Mutter: Wo aus schon wieder?
Elias Als Jugendlicher: Zum See, zum Achensee.
Mutter: Was tustn alleweil am Achensee?
Elias Als Jugendlicher: Mit die Freund halt.
Mutter: Eine Gsellin hast.
Elias Als Jugendlicher: Wir tanzen ja nur.
Mutter: Ich mag das nicht. Hab mich schon erkundigt über die. Die Moid mit die Gämsenaugen, heißt man sie. Z’jung bist.
Vater: Jetzt gib ihm halt was, Mammi.
Sie greift seufzend in die Schürzentasche, gibt Elias 20 Schilling.
Elias Als Jugendlicher:(schaut enttäuscht auf den Schein) Dankschön. (Geht weg)
Dörfler 1: Mein Bruder, der Siggi, hat ihm nach der Gsellin gschaut, in Maurach, weil er selber war ja viel zu scheuch. Dabei a sauberer Bursch, der Elias, die Madeln habn ihm nachgschaut.
Dörfler 2: Wir habn damals die Tankstell ghabt, in Kaltenbach, und da hat er tankt, um 20 Schilling, dass er aussi kommen is und wieder eina. Kommt er wieder einmal daher, mit sein’ Puch, sagt er:
Elias Als Jugendlicher: Weißt was, die Gsellin lass ich jetzt.
Dörfler 2: Warum denn?
Elias Als Jugendlicher: Die möcht, dass ich zweimal die Woch aussi fahr.
Dörfler 1: Ja, und? So a Fesche findst nimmer. Zu der tät ich jeden Tag fahren, wenn sie mit mir gangert.
Elias Als Jugendlicher: Die Mamm gibt mir ja das Geld nicht, fürn Benzin.
Dörflerin 1: Kommt sei Mutter in unsern Laden, schaut auf die großen Gurkengläser und sagt:
Mutter: Mei, könnts ihr mir nicht das Essigwasser aufghalten, von die Gläser?
Dörflerin 1: Das Essigwasser? Das ist ja schon grau oben.
Mutter: Macht ja nix, das tu ich weg.
Dörflerin 1: Ja, für was denn? Was tustn damit?
Mutter: Das geb ich dem Elias. Der hat oft soviel Durst. Aufm Feld, weißt eh, da kommst ins Schwitzen.
Dörflerin 1: Gibt die dem Elias das alte Gurkenwasser!
Dörfler 1: Wunderts dich? Zum Essen habn die doch alle nur trockenes Mehlmus kriegt. Mehlmus und Mehlmus. Das ist ihnen bei den Ohren aussigstaubt. Da glaub ich schon, dass er gern das Essigwasser gsoffen hat.