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Um Himmels willen, ich habe einen Freund, schlimmer noch, eine Familie. Endlich sind Claire und Carter ein Paar - den gemeinsamen Sohn inklusive. Doch das Familienleben entwickelt sich zum Extremsport. Zwischen Aufräummarathon (ein Vierjähriger kriegt wirklich alles kaputt!) und Wachkoma (Carter schnarcht wie ein erkältetes Nilpferd) entdeckt Claire: Nach dem Happyend wird's erst richtig wild ...
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Die AutorinTara Sivec ist Bestsellerautorin, Ehefrau, Mutter, Chauffeur, Fußballtrainerin, Babysitter, Köchin, Sarkasmusexpertin - und der lustigste Mensch, den sie selbst je getroffen hat. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Ohio und freut sich bereits auf den Tag, an dem alle drei erwachsen sind und endlich ausziehen. Nach vierzehn Jahren als Maklerin beschloss Tara, einen Stift in die Hand zu nehmen und lieber damit zu schreiben, als sich vor Langeweile ein Auge auszustechen. Sie ist die Autorin der sensationellen E-Book-Bestseller-Serie Chocolate Lovers.
Das Buch
Um Himmels willen, ich habe einen Freund, schlimmer noch, eine Familie. Endlich sind Claire und Carter ein Paar - den gemeinsamen Sohn inklusive. Doch das Familienleben entwickelt sich zum Extremsport. Zwischen Aufräummarathon (ein Vierjähriger kriegt wirklich alles kaputt!) und Wachkoma (Carter schnarcht wie ein erkältetes Nilpferd) entdeckt Claire: Nach dem Happyend wird's erst richtig wild ...
Tara Sivec
Maybe, Baby!
Roman
Aus dem Amerikanischen von Viktoria Weiss
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Neuausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Dezember 2016 (1) © für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015 © November 2012 by Tara Sivec Titel der amerikanischen Originalausgabe: Futures and Frostings (2012) Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © Delia D Blackburn Photography Übersetzung: Viktoria Weiss ISBN 978-3-95818-142-7 Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
Für meinen Ehemann.
Danke, dass du immer alles liest,
was ich schreibe, und mir nicht die Hölle heiß machst, wenn ich hinterher wissen will, ob es scheiße ist oder nicht.
Du hast auch noch nie gesagt, dass du das, was ich dich zwinge zu lesen, scheiße findest. Dafür danke ich dir! Und auch dafür, dass du mir deine ehrliche Meinung zu Hefepilzinfektionen sagst, statt sofort das große Kotzen zu kriegen.
Für Buffy – meine Schwester
von einem anderen Mister und meine absolute Seelenverwandte. »Du Schlampe – wolltest du wirklich Buffy sagen?« Eines Tages leben wir im selben Bundesstaat, und das wird so großartig sein, dass die Welt aus allen Nähten platzt. Echt.
Für meine Familie.
Ihr seid alle vollkommen durchgeknallt, aber ich würde es gar nicht anders haben wollen.
Ich danke euch für Tee Time, Deckenventilatorbaseball und »Riechst du das?«.
Ohne euch wäre mein Leben stinklangweilig.
Ich habe einen Traum.
In diesem Traum liege ich im Bett unter der Decke, nur wenige Zentimeter von Carters Körper entfernt. Ich blicke auf seine liegende Gestalt neben mir, wobei der grünblaue Lichtschein des Weckers auf dem Nachttisch gerade ausreicht, um zu erkennen, wie sich sein Brustkorb sanft hebt und senkt. Die Decke ist ihm bis zur Hüfte runtergerutscht, während er friedlich schlummert, einen Arm über die Augen und den anderen über seinen straffen nackten Bauch gelegt. Vorsichtig rutsche ich an ihn heran, um ihn nicht zu wecken, bis ich so dicht neben ihm liege, dass ich die Hitze seines Körpers von Kopf bis Fuß spüre. Ich ziehe meine Arme unter der Bettdecke hervor und berühre seine weiche, muskulöse Brust, lasse die Finger sanft weiter nach oben wandern, bis ich seinen Hals erreiche und dann … dann erwürge ich den Scheißkerl.
Na gut, das ist kein richtig echter Traum. Eher so was wie eine Wunschvorstellung. Etwas, das ich mir ausmale, wenn im Laden nicht viel los ist, wenn ich im Supermarkt an der Kasse Schlange stehe oder in so ziemlich jeder Minute jedes verdammten Tages, in der ich wach bin, allerdings vor lauter Schlafmangel schlechte Laune habe und pausenlos vor mich hin gähne. Aber natürlich würde ich diese Phantasie niemals in die Tat umsetzen. Schließlich liebe ich Carter. Wirklich. Nur bin ich mir manchmal nicht ganz sicher, ob ich meinen Schlaf nicht noch mehr liebe.
Vor ein paar Monaten wusste ich nicht mal, dass es Carter überhaupt gibt. Okay, ich wusste, dass es ihn gibt – irgendwo dort draußen, am Ende des Regenbogens, in einem weit entfernten Land, wo er sein eigenes Leben lebt. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass er je auch nur einen Gedanken an mich, seinen One-Night-Stand vom College, verschwenden würde. Doch wie sich herausstellen sollte, hatte ich mich in beiden Fällen getäuscht. Das weit entfernte Land entpuppte sich als nur ein paar Meilen von meinem Wohnort entfernt, und was den Gedanken betraf, den er meiner Meinung nach nie an mich verschwendet hatte? Nun, da musste ich erstaunt feststellen, dass Carter sich – um ein Groschenromanklischee zu verwenden – jahrelang nach mir verzehrt und auf der ganzen Welt nach jener einen Frau gesucht hatte, die ihm durch die Lappen gegangen war.
Damit bin übrigens ich gemeint, falls Sie nicht aufgepasst haben.
Da sitze ich nun also, fünfundzwanzig Jahre alt, mit meinem Sohn Gavin (dem wunderbaren Abschiedsgeschenk, das mir als Anerkennung für meine bekloppte Entjungferungsaktion zuteilwurde, oh ja!), als plötzlich der Typ, dem ich nach einem lustigen Trinkspiel auf einer Verbindungsparty spontan jene bereits erwähnte Jungfräulichkeit geopfert habe, bei mir auftaucht, um mein Herz im Sturm zu erobern und den Sohn einzufordern, von dem er gar nicht wusste, dass er überhaupt existiert. Im echten Leben gibt’s so was eigentlich gar nicht. Solche Dinge passieren sonst nur in Büchern oder John-Hughes-Filmen.
Ich gebe zu, Carter stand noch nie mit einem Radio überm Kopf vor meinem Fenster, und er kam auch noch nie die Straße entlanggerannt, um mich stürmisch an sich zu ziehen, vor aller Augen abzuknutschen und mir ein Paar Diamantohrringe zu überreichen, die er kurz vorher noch irgendeiner anderen Schnalle geschenkt hatte. Unsere Geschichte hält sich nicht unbedingt ans Drehbuch eines Achtziger Jahrefilms. Stattdessen hatten wir Panikattacken, Ausraster, betrunkenes Gelaber, unangemessene Flüche, Missverständnisse, Streit, vulgäre Drohungen und Sex mit Schokoüberzug an einem öffentlichen Ort, der um Moskitosack-Haaresbreite im Fernsehen ausgestrahlt worden wäre. Während alledem haben Carter und ich es trotzdem geschafft, unsere Probleme mit der Geschwindigkeit und Treffsicherheit einer dreißigminütigen Sitcom zu bewältigen. Ein John-Hughes-Drehbuch ist es zwar immer noch nicht, aber verdammt nah dran. Die Hoffnung auf einen Kuss mitten auf der Straße und die Diamantohrringe jedenfalls habe ich noch nicht aufgegeben.
Inmitten dieses ganzen Chaos bin ich auch noch vollauf damit beschäftigt, meinen Traum eines eigenen Candy- und Cookie-Shops zu verwirklichen. Schon klar, oder? Warum nicht gleich noch was auf den wachsenden Haufen der tausend Dinge werfen, um die ich mich kümmern muss. Nicht ohne Grund hängt an meinem Kühlschrank ein Magnet mit dem Spruch: »Schlafen kannst du, wenn du tot bist.«
Meine beste Freundin Liz und ich haben immer davon geredet, dass wir eines Tages beide unser eigenes Geschäft aufmachen würden. Und während ich mit dem Thema alleinerziehende Mutter beschäftigt war und meine Pläne auf eine gaaanz lange Bank schob, machte Liz ihren Collegeabschluss und erarbeitete sich damit einen ordentlichen Vorsprung in Sachen Traumerfüllung. Was ich allerdings nicht wusste, war, dass sie ganz nebenbei dafür gesorgt hatte, dass meine Träume nicht genauso flöten gingen wie die Fähigkeit, mir beim Niesen nicht in die Hose zu pinkeln.
Meine Unabhängigkeit war mir schon immer heilig, deshalb musste ich mich erst mal dran gewöhnen, dass mir jemand meinen Traum hübsch mit Schleifchen verpackt auf dem Silbertablett präsentierte. Liz hatte nämlich vor Jahren von ihrem Großvater ein ordentliches Sümmchen geerbt, und für sie kam nichts anderes in Frage, als dieses Geld in eine Immobilie zu investieren, in der wir nebeneinander unsere Läden aufmachen konnten. Ich hatte ein paar Tage gebraucht, um den Kopf aus dem Sand zu ziehen und zu kapieren, dass sie nicht aus Mitleid handelte. Sondern weil sie mich unheimlich gernhat und die Erfüllung ihres Traums ihr nicht annähernd so viel bedeutet hätte, wenn meiner nicht gleichzeitig auch Wirklichkeit wurde.
Um es also zusammenzufassen: Ich bin FIX UND FERTIG. Was uns wieder zu meiner Würgephantasie zurückbringt. An das Zusammenleben mit einem anderen Menschen muss man sich erst nach und nach gewöhnen. Bisher gibt es nur ganz wenige nervige Eigenschaften, die Carter und ich aneinander entdeckt haben, und nach Überwindung dieser Hindernisse läuft es immer noch gut. Ich liebe Carter mehr, als ich es je für möglich gehalten hätte, und wie sich herausgestellt hat, könnte sich eine Frau keinen besseren Vater für ihren Sohn wünschen. Aber ich schwöre bei Gott, dem allmächtigen Vater, dem Heiligen Geist und seinem alten Jugendfreund Biff, wenn dieser Mistkerl nicht aufhört, mich jeden Morgen, jeden verdammten Morgen, um vier Uhr achtundfünfzig mit seinem Kreissägenschnarchen zu wecken, dann mach ich Kleinholz à la David Kung Fu Carradine aus ihm.
Oh ja, Grashüpfer, du sollst im Schlaf ersticken.
Obwohl: Wenn ich mich recht entsinne, hat sich David Carradine bei irgendeiner seltsamen Sexgeschichte selbst stranguliert, oder? Ich glaube nicht, dass ich Carter dazu überreden kann, sich die eigene Gurgel umzudrehen, egal wie nackig ich mich mache.
Ich hab schon alles versucht, um meinen Nachtschlaf zu retten: Ihn sanft geschubst, damit er sich umdreht, weil laut Google bereits eine einfache Lageveränderung dem Schnarchen ein Ende bereitet.
Falsch. Und ja, natürlich stimmt alles, was bei Google steht! Woher sonst wüsste ich, dass der älteste noch lebende Goldfisch der Welt einundvierzig ist und Fred heißt? Oder dass die Google-Seite, wenn man ins Suchfenster das englische Wort »tilt« eingibt, ein Stück nach rechts kippt? Das sind schließlich Fakten, Leute!
Mein Dad hat mir empfohlen, eine Schachtel Nasenpflaster für Carter zu kaufen, die er sich dann jeden Abend vor dem Schlafengehen über den Riechkolben kleben soll.
Ohne Erfolg. Beim Aufwachen am nächsten Morgen hatte ich Nasenpflaster an Stellen kleben, an denen Nasenpflaster definitiv nichts zu suchen haben.
Der Spaß hört auf, wenn man sich mit Pinzette, Spiegel und einer Taschenlampe bewaffnet im Badezimmer einschließen muss.
Vor lauter Frust zappele ich mit den Beinen und trommele mit den Handflächen auf die Matratze, während ich lautlos schreiend die verdammten Drecksschnarcher verfluche, die keinerlei Rücksicht auf Leute nehmen, die einfach nur ganz friedlich schlafen wollen. Ich hab ihm die Bettdecke geklaut, ihm sein eigenes Kopfkissen unter der Birne weggezogen, um die Ohren gehauen und ihm gleichzeitig die Nase zugehalten.
He, seien Sie nicht so streng mit mir! Ich bin hier schließlich die durch Schlafmangel Geschädigte.
Außerdem habe ich ihm die Nase auch nur so lange zugehalten, bis er anfing, sich an seiner eigenen Spucke zu verschlucken. Sobald er wieder sprechen konnte, hat er mir erzählt, er habe geträumt, er würde ersticken, und während er im Traum mit dem Tod kämpfte, sei ihm plötzlich klargeworden, dass er vor dem Einschlafen vergessen hatte, mir zu sagen, dass er mich liebt. Klar hatte ich da ein megaschlechtes Gewissen. Und ja, ich hab’s wiedergutgemacht, indem ich morgens um fünf mit ihm Sex hatte, und nein, ich hab ihm nie gestanden, dass in Wirklichkeit ich es war, die versucht hatte, ihn im Schlaf abzumurksen.
Manchmal braucht eine Beziehung auch ihre Geheimnisse.
Carter findet meine Gereiztheit wegen seiner Schnarcherei süß. Schon klar. Ihm bluten ja nicht mitten in der Nacht die Ohren, und er wünscht seinem Bettnachbarn auch keinen Erstickungstod im Schlaf. Oh nein, er spaziert genüsslich in seinem Schlummerland herum und wundert sich, weshalb sich in den Soundtrack des schönen Sextraums auf einmal das rasselnde Geräusch von Messern mischt, die gewetzt werden.
Letzte Nacht brachte ihn ein wohl platzierter Tritt, äh, ich meine natürlich ein sanfter Schubs gegen den Oberschenkel endlich zum Verstummen, denn er drehte sich um. Einfach göttlich. Diese wunderbare, friedliche Stille, die das Schlafzimmer erfüllte, brachte mich vor Freude beinahe zum Weinen. Kaum war ich jedoch eingenickt und tollte fröhlich in meiner eigenen Traumwelt herum, rüttelte Carter mich wach und wollte wissen, ob ich etwas gesagt hätte. Denn angeblich hatte er zwar bis gerade eben tief und fest geschlafen, hätte aber schwören können, dass ich ihn gefragt hatte, ob der grüne Wackelpudding nach hinten in den Kofferraum zu den Schnappschildkröten gepackt werden sollte.
Öffentliche Durchsage an alle Männer: Wenn ihr seht, dass eure bessere Hälfte im Tiefschlaf liegt und auf eure erste geflüsterte Frage keine Reaktion erfolgt, dann wundert euch nicht, wenn wir anfangen, mit immer schneller drehendem Kopf grünes Zeug zu speien, sobald ihr uns wachrüttelt, um uns eure bescheuerte Frage fünfzig Dezibel lauter noch mal zu stellen.
Nun liege ich also um fünf Uhr morgens wieder hellwach da, zeige der Liebe meines Lebens im Dunkeln den Stinkefinger und frage mich, ob ich ihm nicht doch dieses alberne Kinngurtteil bestellen soll, das ich letzte Woche auf dem Home-Shopping-Kanal gesehen habe. Während ich so an die Decke starre und darüber nachdenke, weshalb eine Anti-Schnarch-Vorrichtung aussehen muss wie ein Sackhalter fürs Gesicht, fällt mir auf einmal noch etwas ein, das ich vor kurzem auf Google gelesen und noch nicht ausprobiert habe (Fred, der einundvierzigjährige Goldfisch – ES GIBT IHN WIRKLICH, verdammt!). In dem Artikel stand nämlich, dass der Schrei eines beliebigen kurzen einsilbigen Wortes in das Bewusstsein des Schnarchers gerade tief genug eindringt, um sein Schnarchen zu beenden, ihn aber dabei nicht aufweckt.
Ich drehe den Kopf zur Seite, um Carters Profil zu betrachten. Ihn so friedlich schlummern zu sehen, während ich im Reich der Schlaflosen gefangen bin, nur weil seine Nasenscheidewand einen Knick hat, macht mich echt rasend. Da ich meine Wut nicht an seiner Nasenscheidewand auslassen kann, ohne dass dabei Blut fließt, kann ich genauso gut diesen letzten Trick ausprobieren. Vor allem da ich Carter, falls ich ihm diesen Kinn-Hoden-Anti-Schnarch-Gurt kaufe, ab jetzt sowieso Sackgesicht nennen muss. Was er vermutlich gar nicht lustig finden wird.
Ich hole also tief Luft und stoße mein einsilbiges Wort aus: »F-U-U-U-U-U-C-K!«
Sofort fährt Carter schreiend in die Höhe, rudert mit Armen und Beinen und robbt hektisch übers Bett, bis er über den Rand zu Boden poltert.
»Verdammte Scheiße! Was zum Teufel war das?«, knurrt er von unten.
»Ich glaube, hinten im Kofferraum bei den Schildkröten liegt grüner Wackelpudding«, erkläre ich, bevor ich mich auf die Seite drehe und mich genüsslich unter die Decke kuschele.
»Das halte ich für keine gute Idee, Claire.«
Ich schneide eine Grimasse in Richtung meines Vaters, während ich etwas schwungvoller als nötig ein Blech mit frischen Butterkaramellriegeln in die Auslage unter dem Verkaufstresen schiebe. Ein paar der Karamellen hüpfen durch meine heftige Bewegung vom Blech, und als ich hineingreife, um sie wieder an ihren Platz zu bugsieren, muss ich mich zwingen, nicht noch eine zu essen. Obwohl ich so gerne Süßigkeiten herstelle, esse ich normalerweise nicht viele davon, denn ich stehe mehr auf salzige Snacks. Keine Ahnung, was in letzter Zeit mit mir los ist. Wenn ich weiterhin dauernd von meiner Ware nasche, wächst mir bald eine dritte Arschbacke, um Platz für das ganze Fett zu schaffen.
»Ich bin wirklich der Meinung, dass du dir das nicht gründlich genug überlegt hast«, fährt mein Dad an den Tresen gelehnt fort und verschränkt die Arme vor der Brust.
Ich nehme alles zurück. Ich weiß genau, weshalb ich mich mit Schokolade und Keksen vollstopfe.
Schnell schnappe ich mir den nächstbesten Butterkaramellriegel und schiebe ihn am Stück in den Mund. Einen Moment lang lasse ich mir das Aroma von braunem Zucker, Vanille und Karamellstückchen auf der Zunge zergehen, damit die zuckrige Süße Gelegenheit hat, einen Teil meines Stresses zu betäuben. Da ich das knapp ein Meter neunzig große Problem, das momentan bei mir im Laden steht, kaum rausschmeißen kann, ohne mir dabei einen Leistenbruch zu heben, bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Ich schlucke also die Karamellriegel hinunter und versuche, mir dabei nicht vorzustellen, wie ihm sofort winzige Arme und Beine wachsen, mit deren Hilfe er in Richtung meines Hinterteils spurtet und auf dem Weg dorthin Butterflöckchen auf meinen Hüften hinterlässt. Dann hole ich tief Luft und wende mich wieder meinem Vater zu.
»Dad, Carter und ich wohnen jetzt schon seit zwei Monaten zusammen. Findest du nicht, dass du mit deinem Vortrag ein bisschen spät dran bist?«
Mein Dad hat kein einziges Wort über unser Wohnarrangement verloren, seit wir am großen Eröffnungstag von Sexy Snacks verkündet haben, dass wir zusammenziehen werden.
Er hatte bloß gegrunzt, Carter böse angefunkelt und war dann abgezogen. Für mich war das gleichbedeutend mit Zustimmung.
Das ist inzwischen zwei Monate her, und ich bereue es immer noch nicht, womit er vielleicht gerechnet hatte. Und plötzlich hat er eine Meinung dazu.
»Wie heißt es so schön: ›Wozu die Bar kaufen, wenn man das Bier umsonst bekommt?‹«
Ich will gerade nach einem Geschirrtuch greifen, um die Theke abzuwischen, doch nun halte ich mitten in der Bewegung inne.
»Dad, wer bitte schön sagt denn so was?«
»Alle sagen das.« Er stemmt die Hände in die Hüften.
Ich verdrehe die Augen, während ich Krümel vom Deckel der Auslage wische.
»Echt? Wer denn genau?«, will ich wissen, als die Türglocke ertönt und eine Kundin den Laden betritt.
»Die Leute«, erklärt er mit Nachdruck.
Seufzend drehe ich ihm den Rücken zu, um lächelnd die Dame zu begrüßen, die am anderen Ende der Auslage das Sortiment mit weißer Schokolade studiert. Nachdem ich mich versichert habe, dass sie keine Fragen hat, werfe ich meinem Vater wieder einen genervten Blick zu.
»Dad, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, nicht mehr in den Fünfzigern. Überall ziehen Paare zusammen, bevor sie sich irgendwie fest gebunden haben. Wir brauchen einfach ein bisschen Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen und das Familienleben zu üben, ohne uns zu zerfleischen. Das ist echt keine große Sache.«
Mein Dad schnaubt verärgert.
»Also wirklich, Claire, wann hab ich dir je einen Grund gegeben, mich für altmodisch zu halten? Ich will einfach nicht, dass dieser Rowdy glaubt, er kann Gavin und dich einfach in sein Haus holen, ohne es irgendwie offiziell zu machen. Wenn er dich heiraten würde, müsste ich wenigstens keine Angst haben, dass du demnächst heulend bei mir vor der Tür stehst und dein altes Zimmer zurückhaben willst.«
Wie viele Butterkaramellriegel kann ich mir wohl auf einmal in den Mund stopfen?
»Hast du Carter gerade allen Ernstes einen Rowdy genannt? Warum setzen wir uns nicht gemütlich hin und unterhalten uns in Ruhe über diesen kleinen Hooligan und die Tatsache, dass du überhaupt gar nicht altmodisch bist?« Mein Tonfall trieft vor Sarkasmus.
»Ich hätte dich an diesen Wanderzirkus verkaufen sollen, als du vier warst. Dann könnte ich jetzt draußen am See sitzen und angeln, anstatt diese Unterhaltung mit dir zu führen«, grummelt er.
Mein Dad war schon zweimal verheiratet, bevor er meine Mom ehelichte. Den Namen seiner ersten Frau, Linda, hatte er sich auf den Arm tätowieren lassen. Als ich noch klein war, habe ich mal versucht, während er schlief, mit einem Filzstift Linda in Rachel zu verwandeln, den Namen meiner Mutter. Leider ist er aufgewacht, ehe ich fertig war. Es hat drei Tage gedauert, bis sich Rinda vollends abwaschen ließ. Als ich Carter die Geschichte erzählte, summte er sofort den alten Beach-Boys-Song und versuchte, meinen Vater mit »Help me, Rinda!« auch mal scherzhaft darauf anzusprechen. Der wiederum hielt Carter für einen totalen Spinner und fand es überhaupt nicht lustig. Könnte mit ein Grund sein, weshalb er unser Zusammenwohnen nicht so hundertprozentig prickelnd findet. Dabei ist er selbst das beste Beispiel dafür, weshalb ich’s mit dem Heiraten nicht überstürzen will. Mein Dad hatte insgesamt drei Versuche hinter sich und meine Mom auch schon zwei, als sie beschloss, dass die Ehe nichts für sie war, und sie sich mit Sack und Pack eine Wohnung in der Stadt suchte. Da war ich zwölf Jahre alt.
In meinem Leben gibt es keine leuchtenden Beispiele von »Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende«.
Also, was ich sagen will, ist Folgendes: Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen im Leben, gute und schlechte. Aus allen lernen wir etwas darüber, wer wir sind, und so weiter und so fort. Egal wie mein Vater das findet, ich muss für mich herausfinden, ob Carters Geschnarche und seine Unfähigkeit, eine neue Rolle Klopapier auf den Halter zu stecken, K.-o.-Kriterien sind, bevor wir irgendwas Offizielles tun, aus dem wir dann nicht mehr rauskommen.
Bisher klappt das Leben ohne Trauschein, abgesehen von den nervigen schlechten Angewohnheiten, eigentlich ganz gut. Gavin hat sich ziemlich schnell umgewöhnt, und ich habe Carter noch nicht im Schlaf erwürgt. Also alles bestens.
Irgendwann kann mein Dad meinem Gesichtsausdruck wohl entnehmen, dass die Unterhaltung für mich beendet ist, und lässt seine Bier/Sex/Was-auch-immer-Analogie auf sich beruhen. Stattdessen schnappt er sich die Zeitung, die er beim Reinkommen auf dem Tresen abgelegt hat, klemmt sie sich unter den Arm und geht zu einem der kleinen Tische hinüber, um seinen Kaffee zu trinken. Obwohl er mir ein bisschen die Laune verdorben hat, muss ich beim Anblick der vier runden schwarzen Bistrotische vor dem Panoramafenster vorne im Laden automatisch lächeln. Sie wurden erst vergangene Woche geliefert, und jemanden dort sitzen zu sehen – sei es auch nur mein Vater – erfüllt mich mit freudigem Kribbeln. Das ist mein Laden, und das sind meine Tische, und nichts kann das Hochgefühl trüben, das diese Tatsache in mir auslöst.
Die Türglocke ertönt erneut, als meine Freundin Jenny mit wütender Miene hereingestürmt kommt. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass ich mal mit jemandem wie Jenny befreundet sein würde. Sie ist schön wie ein Laufstegmodel, und was aus ihrem Mund kommt, ergibt selten einen Sinn, doch sie hat sich in den Monaten, seit wir uns begegnet sind, als gute Freundin entpuppt und würde, ohne zu zögern, jedem sofort helfen, egal, worum man sie bittet. Zur großen Überraschung aller ist es Jenny gelungen, sich Carters besten Freund Drew zu angeln und um den kleinen Finger zu wickeln. Drew ist der größte Womanizer, den man sich nur vorstellen kann, aber irgendwie schafft es Jenny, ihn zu zähmen. Ein bisschen zumindest.
»He, was ist denn los?«, erkundige ich mich und umrunde den Tresen, um Jenny auf halbem Weg entgegenzukommen. Beim Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es erst elf Uhr morgens ist. »Warum bist du nicht in der Arbeit?«
Jenny ist seit ihrem ersten Collegejahr bei derselben Computerdesign-Firma angestellt.
Sie hat dort als Praktikantin angefangen und sich schnell hochgearbeitet. Inzwischen ist sie eine der talentiertesten Graphikdesignerinnen im Team. Als ich meinen Laden eröffnete, hatte sie mir aus der Patsche geholfen, indem sie in ihrer Freizeit sämtliche Flyer, Broschüren und Visitenkarten entwarf und sich weigerte, Geld dafür zu nehmen. Das war einer der Hauptgründe, weshalb ich beschlossen hatte, sie zu mögen.
Jeder, der mir geleistete Dienste nicht in Rechnung stellt, gehört für mich zu den Guten.
Meine Frage nach der Arbeit entlockt Jenny ein manisches Lachen. »Das ist eine gute Frage, Claire. Und die Antwort darauf lautet, man hat mich gefeuert.« Dann bricht sie in Tränen aus, wirft mir die Arme um den Hals und vergräbt das Gesicht an meiner Schulter.
Ach du Schande, nein.
Etwas linkisch tätschele ich ihr den Rücken. Was nicht so einfach ist, da sie mich immer noch im Schraubstockgriff hat. Mit der anderen Hand angele ich mein Handy aus der Hosentasche und schicke Liz nebenan eine schnelle »Oh Gott, hilf mir«-SMS.
Jenny weint, schnieft und jammert währenddessen weiter. Nachdem ich unauffällig einige ihrer Haare ausgespuckt habe und sie den Kopf noch tiefer bei mir zwischen Hals und Schulter vergräbt, werfe ich einen besorgten Blick auf mein Handy. Wie lange muss ich wohl noch so tun, als würde ich gerne Menschen bei emotionalen Zusammenbrüchen trösten, bevor Liz ihren Hintern hier rüberbewegt und mich rettet? Wahrscheinlich wäre es nicht gerade freundschaftlich, jetzt einen Anfall zu kriegen, weil sich möglicherweise gerade eine ganze Lache Rotz auf meinem T-Shirt sammelt, der nicht von mir stammt. Das Handy vibriert in meiner Hand, was mich hektisch über Jennys Schulter hinweg auf die Nachricht spähen lässt.
Hab gerade Kundschaft. Du wirst deinen MANN stehen müssen und sie selber trösten. Benimm dich endlich wie eine normale Frau, verdammt noch mal, und nimm sie in den Arm.
Kuss, Liz.
Zähneknirschend wird mir klar, dass ich in den Abgründen der Trostspenderhölle wohl ganz alleine bin.
»Ist ja gut, ist ja gut«, sage ich und tätschele wieder Jennys Rücken. Ich glaube manchmal wirklich, dass ich eigentlich als Junge hätte auf die Welt kommen sollen. Zumindest kenne ich nicht viele Frauen, die zur Schau gestellte Gefühle so anwidern wie mich. Wenn ich ein heulendes Weib sehe, suche ich normalerweise sofort das Weite. Andere würden Jenny vermutlich fest in den Arm nehmen und ihr versichern, dass bestimmt alles wieder gut wird, aber zu denen gehöre ich nicht – denn das wäre vermutlich gelogen. Höchstwahrscheinlich wird es mies, ganz egal, ob ich sie jetzt an mich drücke oder nicht, also ist es doch für alle Beteiligten das Beste, wenn ich einen Schritt zur Seite trete und jemand anderem das Anfassen überlasse. Ich persönlich fühle mich wesentlich wohler, wenn ich mich allein in meinem Kummer suhlen oder mich im stillen Kämmerlein aufregen kann, bis mein Kopf explodiert. Das ist für mich natürlich. Andere umarmen, anheulen und anrotzen nicht.
»Hast du nicht gerade erst eine Gehaltserhöhung bekommen? Warum um alles in der Welt sollten sie dich rausschmeißen?«, erkundige ich mich, während ich versuche, mich aus Jennys Umklammerung zu lösen und unauffällig zurückzuweichen.
Schau nicht auf den Rotz an deiner Schulter, schau nicht auf den Rotz an deiner Schulter. Ich weiß, du spürst ihn dort, aber, um Gottes willen, SIEH IHN DIR NICHT AN!
Jenny lässt mich endlich los und wischt sich mit den Handrücken die Tränenspuren vom Gesicht. Wenn sie das mit dem Rotz doch nur auch gemacht hätte, statt meine Schulter als Taschentuch zu benutzen.
»Keine Ahnung, weshalb sie mich gefeuert haben. Sie haben mir irgendeine Story vom Pony von wegen positiver Einstellung erzählt«, berichtet sie schmollend.
»Du meinst vom Pferd?«, frage ich verwirrt zurück.
»Claire, reiß dich zusammen! Ich bin gefeuert worden! Das ist jetzt nicht der richtige Augenblick, um über Gäule zu reden«, keift sie.
Ich hole tief Luft, um die Ruhe zu bewahren, und versenke die Hände in den Hosentaschen, damit ich Jenny nicht versehentlich erwürge.
»Okay, dann haben sie dich also gefeuert, weil ihnen deine Einstellung nicht gefallen hat?«, hake ich nach.
Jenny sieht mich zweifelnd an. »Krass, oder? Ich hab ihnen gesagt, dass ich der positivste Mensch in diesem bescheuerten Saftladen bin.«
»Wortwörtlich?«
»Jetzt kritisier mich doch nicht andauernd. Hörst du mir überhaupt zu? Hast du getrunken?«
Beim letzten Satz senkt sie die Stimme zu einem deutlich hörbaren Flüstern, mit Blick auf die Kundin, die vorhin hereingekommen ist. Ich kneife mich in die Nasenwurzel und unterdrücke den Impuls, mit dem Fuß aufzustampfen und einen Tobsuchtsanfall zu bekommen wie Gavin, wenn ich ihm erkläre, dass er PlayStation-Verbot hat.
»Was soll ich bloß ohne Job machen?«, heult sie und läuft dabei auf und ab. »Drew und ich haben demnächst unser Dreimonatiges. Ich wollte ihm was ganz Besonderes schenken, und jetzt werde ich mir das nicht mehr leisten können.«
Ich packe sie am Ellenbogen, um sie am Herumtigern zu hindern, und ziehe sie zu mir hinter die Theke. Da bemerke ich, dass die Kundin endlich ihre Wahl getroffen hat.
»Ich bin sicher, Drew wird das verstehen«, beruhige ich Jenny, während ich das von der Dame gewünschte Pfund Salzbrezeln mit weißem Schokoüberzug in eine Schachtel fülle.
»Nein, wird er nicht. Er wird total enttäuscht sein. Ich hab ihm nämlich schon erzählt, was ich ihm kaufen will, und er hat sich so auf seine Gummimuschi gefreut«, verkündet sie niedergeschlagen.
Vor Schreck lasse ich die kleine Bonbonschippe aus Metall fallen. Jenny seufzt theatralisch.
Während ich die Schaufel aufhebe, ins Waschbecken pfeffere und mir eine neue schnappe, jagen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf, die dort nichts zu suchen haben, während ich Kunden bediene. Zuerst denke ich an Miezekatzen aus Plastik, bis mir klar wird, dass Jenny natürlich von etwas ganz anderem spricht.
Jenny bemerkt wohl mein entsetztes Gesicht beim verzweifelten Versuch, das Bild schwabbeliger Silikonvaginas vor meinem geistigen Auge zu vertreiben.
»Hast du denn das neue Teil nicht gesehen, das Liz letzte Woche für den Laden reinbekommen hat? Damit kannst du einen Abdruck von deiner Muschi machen. Damit dein Kerl dann … du weißt schon …«
Jenny benutzt die uralte Zeichensprache, indem sie mit Zeigefinger und Daumen der einen Hand einen Kreis bildet und mit dem Zeigefinger der anderen rein- und rausfährt.
»Igittttt, wie bitte? Das ist ja widerlich«, flüstere ich und gebe ihr einen Klaps auf die Hände, damit sie mit dieser Sexgeste aufhört, während ich der Kundin ihre Süßigkeiten reiche.
»Das ist überhaupt nicht widerlich«, widerspricht Jenny, »sondern total romantisch. Drew wünscht sich so sehr eine Kopie von meinem …«, nach einem Blick auf die Kundin senkt sie die Stimme, »… Liebestunnel, damit er mit mir zusammen sein kann, auch wenn wir getrennt sind.«
Ich trete einen Schritt zur Seite, um die Ware in die Kasse einzutippen, und versuche krampfhaft, mir dabei nicht vorzustellen, wie Drew irgend so ein kleines wabbeliges vaginaähnliches Gummiteil in der Hand hält und mit Babystimme säuselt: »Ooohhh, meine süße kleine Jenny-Plastikmuschi! Ich hab dich ganz doll lieb!«
»Wäre es nicht einfacher, ihm eine Aufblaspuppe zu besorgen und ihr ein Foto von dir übers Gesicht zu kleben?«, erkundige ich mich, während ich beobachte, wie die Kundin den Laden verlässt. Hoffentlich hat sie nicht so viel von unserer Unterhaltung mitgehört, dass sie mein Geschäft nie wieder betritt.
Jenny betrachtet mich mit mitleidigem Kopfschütteln. »Du hast echt überhaupt keinen Sinn für Romantik.«
Ich schnaube entrüstet und mache mich daran, eine Schachtel mit Schokoerdbeeren für eine Bestellung vorzubereiten, die nach der Mittagspause abgeholt wird. Und ob ich romantisch bin!
Erst heute Morgen habe ich Carter eine Portion seiner Lieblingspralinen neben das Kopfkissen gestellt, als er noch schlief. Die mit dem weißen Schokoüberzug und einer Füllung aus zerstoßenen Kartoffelchips und Salzbrezeln, mit Karamellsauce beträufelt. Mein Plan war, ihn milde zu stimmen, bevor er die Nachricht entdeckte, die neben der Schachtel lag, in der ich ankündigte, dass ich ihm im Schlaf Sekundenkleber auf den Pimmel schmiere, wenn er noch ein Mal die Klobrille oben lässt und mein Hintern deswegen morgens um sechs ein unfreiwilliges Bad nimmt. Ich hatte sogar mit einigen Küsschen unterschrieben.
Wenn das nicht romantisch ist!
Zum Schluss verziere ich die Schachtel mit meinem Markenzeichen, einer rosafarbenen Schleife, und einem Aufkleber mit Namen und Adresse meines Ladens. Als ich sie beiseitestelle und mich nach Jenny umdrehe, sehe ich, dass sie dabei ist, ein ganzes Blech voll Nutter-Butter-Cookies mit Schokoüberzug in sich reinzustopfen. Mit dem Rezept hatte ich morgens herumexperimentiert.
»Jenny, leg sofort den Keks weg und tritt langsam zur Seite!«, befehle ich in meinem besten Polizistentonfall. »Ich wollte dich ohnehin fragen, ob du mir vielleicht bei ein paar Dingen helfen könntest, aber ich wusste ja, dass du viel Arbeit hast«, erkläre ich und nehme ihr rasch das Backblech weg, ehe sie sich selbst oder anderen mit ihrer Erwerbslosigkeitsgier Schaden zufügen kann.
»Arbeit!«, wimmert Jenny, und ihre Unterlippe fängt an zu zittern. Sie grapscht mit beiden Händen nach dem halbleeren Blech.
»Mensch, jetzt lass mich doch mal ausreden!«, schimpfe ich und gebe ihr einen Klaps auf die Finger.
Seufzend lässt sie schließlich los. Nicht ohne jedoch zuvor einen halbzerkauten Keks mittendrein zu spucken und mir dann zu erklären: »Die sind echt lecker, aber irgendwie ist mir jetzt ein bisschen übel.« Sie fasst sich an den Bauch.
Schnell bringe ich das Blech aus ihrer Reich- und meiner Sichtweite, damit mir nicht auch gleich ein bisschen übel wird.
»Wie ich schon sagte, es gibt da eine Reihe von Dingen, die du hier für mich übernehmen könntest. Ich brauche eine Website, die dann auch gepflegt werden muss, dazu die Werbung und alles, was mit Marketing für den Laden zu tun hat und wovon ich nicht den blassesten Schimmer habe. Erst neulich habe ich einen Anruf von einer Redakteurin bekommen, die ein Interview für die Zeitschrift machen will, und ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich weiß, das ist nicht dein Traumjob, und ich kann dir vermutlich auch nicht annähernd so viel zahlen, wie du gewohnt bist, aber würdest du als Zwischenlösung, bis du was anderes findest, für mich arbeiten wollen?«
Der spitze Schrei, den Jenny ausstößt, durchbricht die Schallmauer und lässt kleine Hunde im ganzen Land panisch aufheulen. Sie schlingt die Arme um meinen Hals und hüpft begeistert auf und ab. Was mir sofort wieder unangenehm ist. Warum müssen die Leute ihre Gefühle immer so zur Schau stellen?!
»Vielen, vielen Dank, Claire! Ich versprech dir, ich werde dich nicht enttäuschen. Ich werde einen dermaßen guten Job machen, dass du mich nicht windelweich prügeln willst!«
Mein Blick fällt auf meinen Dad, der hinter Jenny aufgetaucht ist und aussieht, als würde er in diesem Moment lieber den ausgespuckten Nutter-Butter-Keks mit Schokoüberzug essen, als unfreiwilliger Zeuge unserer Unterhaltung zu werden.
»Ich wollte nur … ich muss mal eben … mein Hund hat Hunger«, murmelt er. Dann dreht er sich um und verschwindet.
Jenny lässt mich los und sieht ihm nach, wie er rasch den Laden verlässt. »Hat dein Vater einen Hund?«
Ich schüttele den Kopf und stoße einen tiefen Seufzer aus. »Nee.«
»Hey, Carter, als ich dich gestern Nacht im Vollsuff angerufen habe, hab ich da zufällig erwähnt, wo ich meinen Schlüssel hingelegt habe?«, will Drew von mir wissen, als ich ins Wohnzimmer komme.
Er wühlt gerade zwischen den Sofapolstern herum und stößt dabei in den Ecken und Ritzen fluchend auf Kleingeld, McDonald’s-Happy-Meal-Spielzeug und andere Kostbarkeiten. Ich schnappe mir meine Baseballkappe von einem der Beistelltische und setze sie auf, bevor ich mich wieder zu ihm umdrehe.
Obwohl Drew und ich seit Monaten nicht mehr zusammenwohnen, weil ja Claire bei mir eingezogen ist, landet er immer noch ab und zu komatös auf meiner Couch.
»Wie bist du überhaupt gestern Abend heimgekommen, wenn du deine Schlüssel nicht mehr hattest? Und du weißt hoffentlich, dass das Wort ›heim‹ hier eigentlich nicht angebracht ist. Sosehr ich deine Gesellschaft auch zu schätzen weiß und den Anblick genieße, wie du morgens um vier betrunken hier herumstolperst, weil Jenny die Tür nicht aufmacht, da sie dich für einen Axtmörder hält – du wohnst nicht hier. Auch wenn du das vielleicht glaubst, denn ich lasse dich ja immer wieder rein.«
Ein Handy kommt aus den Tiefen des Sofas geflogen, als Drew auf der Suche nach seinem Schlüsselbund weiter Richtung China gräbt. Ich hebe es auf und stecke es mir hinten in die Hosentasche. Jetzt weiß ich auch wieder, weshalb ich Drew immer wieder Asyl biete. Er hat keine Hemmungen, seine Hand in die Abgründe eines Sofas zu stecken. Ich wusste genau, wo ich mein Handy verloren hatte, aber ich hatte Angst, mich auf die Suche danach zu machen. In den Tiefen dieser Polster hausen nämlich gruselige Dinge. Zumindest wenn man mit einem Kind zusammenwohnt, wie ich schnell herausgefunden habe.
»Wahrscheinlich hab ich mir ein Taxi genommen, oder ich bin gelaufen. Keine Ahnung. Ab dem Moment, wo ich beim Pissen Produktaufkleber auf meinem Schwanz entdeckt hab, ist meine Erinnerung ein bisschen verschwommen«, berichtet er. Er erhebt sich vom Sofa und dreht sich zu mir um. Auf seinem zerknitterten, fleckigen T-Shirt steht: »Frag mich nach meinem riesigen Penis.« Einer der Ärmel ist abgerissen, was beweist, was für einen heftigen Abend er hatte.
Ich mache mir nicht die Mühe, ihm zu verklickern, dass sein Schlüsselbund momentan wohl kaum in meinen Sofaritzen überwintert, wenn er ihn bereits beim Verlassen des Clubs, oder wo auch immer er am vergangenen Abend gelandet war, bereits vermisst hat. Ich hab den Kopf voll mit anderen Dingen. Also lasse ich Drew stehen und gehe in die Küche, wo über einer Stuhllehne mein Mantel hängt. Ich greife in die Innentasche, hole das kleine schwarze Samtkästchen heraus und klappe den Deckel auf, um zum zehntausendsten Mal hineinzuschauen, seit ich es letzte Woche abgeholt habe.
Beim Anblick des in weißen Satin gebetteten eineinhalbkarätigen Platin-Diamantrings fängt mein Herz vor Aufregung an zu klopfen. Und um ehrlich zu sein, wird mir gleichzeitig auch schlecht. Nur ein kleines bisschen. Ich starre auf das kostbare Stückchen Edelmetall, das mich acht Tage und sechs Besuche beim Juwelier gekostet hat, um es auszusuchen. Beim Hauptdiamanten handelt es sich um einen rechteckigen Princess Cut, der von zwölf runden Diamanten mit drei viertel Karat eingerahmt wird. Dazu kommen entlang des Goldbandes noch Linien aus runden Diamanten. Der Ring ist elegant und zeitlos schön.
Ja, ich weiß, ich klinge wie eine wandelnde Juwelierwerbung. Wahrscheinlich summen die Männer dieser Welt jetzt einen Trauermarsch und schreien innerlich »MAN DOWN!«, aber ich habe schon das Gefühl, dass eine kleine Siegesgeste mit erhobener Faust angebracht wäre. Jetzt kann Claire nämlich ihren Freundinnen gegenüber ganz lässig erwähnen: »Den Ring hat er übrigens beim Juwelier Jared gekauft.«
Falls sie ja sagt. Was sie natürlich tun wird, haha! Ich bin überhaupt nicht nervös. Mir wird überhaupt nicht flau im Magen und schwitzig um die Eier beim Gedanken, ihr einen Antrag zu machen, und der Möglichkeit, dass sie mich auslachen und mir verkünden könnte, ich wäre total übergeschnappt. Wer heiratet schon nach ein paar Monaten Beziehung? Wer hat schon einen One-Night-Stand auf dem College und erfährt vier Jahre später, dass ein Kind draus geworden ist? Wer schleicht in den Jahren dazwischen immer wieder in Drogerien und Parfümerien herum, um an den neuen Body-Lotion-Produkten mit Schokogeruch zu schnüffeln, und wer flippt schier aus, wenn in der Arbeit ein Kollege von seinem süßen kleinen Babytöchterchen erzählt, das seine Frau gerade bekommen hat?
Meine Wenigkeit. Wobei ich echt auch nicht blicke, wo das herkommt.
Tatsache ist, ich hab mir jahrelang gewünscht, diese Frau wiederzusehen, mit der ich eine einzige Nacht verbracht hatte, um herauszufinden, ob sie wirklich echt ist. Ich habe gehofft, sie wiederzutreffen und herauszubekommen, ob sie mich immer noch zum Lachen bringt und mich allein durch eine Handbewegung oder dem Duft ihrer Haut geil machen kann.
Ich hatte versucht, die Leere mit einer Frau zu stopfen, in deren Mund mehr Eier passten als in ein Osternest, aber als ich sie dabei erwischt habe, wie sie mit dem Nachbarn Einlochen gespielt hat, wurden mir zwei Dinge klar: Erstens, ich hätte nie versuchen sollen, die Erinnerung an meine Traumfrau mit einer anderen auszulöschen. (Mit »einer anderen« meine ich eine Schlampe.) Und zweitens, unser Nachbar hatte einen Elefantitis-Hoden, den er dringend mal irgendeinem Arzt zeigen sollte. Ja, ich meine wirklich Hoden im Singular. Der Typ hatte bloß ein Ei, und das war so groß wie eine Kokosnuss.
Ohne Witz. Googeln Sie mal ein Bild von einer Kokosnuss. Ich warte solange. Denn nur dann können Sie nachvollziehen, was ich da zwanzig Sekunden lang baumeln sah, bis ich mich aus meiner Schockstarre gelöst hatte und die beiden aufs Unflätigste beschimpfte.
Auch wenn all das mir echt Alpträume beschert hatte, so war mir dabei klargeworden, dass ich alles dafür tun würde, meine Traumfrau nie wieder zu verlieren, falls ich sie jemals finden sollte.
Wir mögen vielleicht alles verkehrt herum gemacht haben, aber ich würde trotzdem nichts daran ändern wollen. Nichts auf der Welt bedeutet mir so viel wie Claire und Gavin, und das will ich amtlich machen. Sie soll wissen, dass mich nichts von ihnen trennen kann und dass ich es mir auch übermorgen nicht anders überlegen werde. Also versuche ich, nicht nervös zu sein, und betrachte lächelnd die kleine Samtschachtel, in der meine Zukunft und ein ordentlicher Brocken meines Sparbuchs stecken. Als Drew die Küche betritt, klappe ich schnell den Deckel zu. Mein Kumpel lässt seinen Schlüsselbund an der Spitze des Zeigefingers baumeln und hält ihn dabei so weit weg von sich wie nur möglich.
»Dann willst du das also echt durchziehen, was? Du willst tatsächlich eine ehrbare Frau aus Claire machen?«, erkundigt er sich, während er Wasser ins Spülbecken laufen lässt, etwa eine halbe Flasche Flüssigseife dazukippt und seinen Schlüsselbund in den aufsteigenden Seifenblasenberg wirft. Dann dreht er den Hahn zu und lehnt sich gegen die Küchenzeile. Auf meinen fragenden Blick Richtung Spülbecken zuckt er nur mit den Schultern.
»Hab das Ding im Toilettenspülkasten gefunden. Da geh ich lieber auf Nummer sicher.«
In diesem Moment kommt Gavin in die Küche gestürmt und will von mir auf den Arm genommen werden, bevor ich Gelegenheit habe, Drew zu fragen, weshalb er schon zum zweiten Mal innerhalb eines Monats seine Schlüssel in meinem Klo verloren hat.
»Warum spült Onkel Drew Geschirr?«, will Gavin wissen, die Arme um meinen Hals geschlungen.
»Ich spüle kein Geschirr. Ich spüle meine Schlüssel«, erklärt dieser mit dem Rücken zu uns, während er auf der Suche danach im Wasser herumplanscht. Schließlich wirft er sie auf die Abtropffläche, um gleich darauf Gavin und mich mit Seifenschaum zu bespritzen.
»Man wäscht doch keine Schlüssel. Das ist bescheuert«, erwidert Gavin ernst.
»Äh, wie bitte? Natürlich wäscht man Schlüssel. Vor allem, wenn deine Kacke an ihnen klebt, weil sie in deinem Klo lagen.« Drew schüttelt den restlichen Schaum vom Schlüsselanhänger.
»Ich kacke nicht auf Schlüssel! Du kackst auf Schlüssel!«, brüllt Gavin. »Gleich steck ich deinen Kopf in die Kloschüssel!«
Vermutlich hätte ich mich längst einmischen sollen, aber manchmal sind solche Unterhaltungen das Highlight meines Tages. Vorsichtig löse ich Gavins Arme und setze ihn auf den Boden.
»Also, das reicht jetzt. Gavin, geh in dein Zimmer und hol deine Baseballkappe. Wir müssen gleich Mommy abholen und zum Spiel fahren.«
Gavin sprintet los, nicht aber ohne vorher Drew noch einen bösen Blick zuzuwerfen.
»Junge, Junge, dieser Bengel hat echt Aggressionsprobleme. Hoffentlich behältst du den auch nachts im Auge«, murmelt Drew mit Blick auf den davonspurtenden Gavin. Er wendet sich wieder mir zu und verschränkt die Arme vor der Brust. »Dann hast du dich also für meinen Vorschlag mit dem Antrag beim Baseballspiel entschieden. Sehr schön. Freut mich.«
»So ungern ich es auch zugebe, aber das war echt eine klasse Idee. Ein Kollege von mir hat einen ganzen Stapel Freikarten für das Spiel der Cleveland Indians heute bekommen, weil seine Tochter für den Stadionmanager arbeitet. Angeblich ist es nicht mehr erlaubt, einfach nur dafür zu bezahlen, den Heiratsantrag auf der großen Videoleinwand zu übertragen. Er hat mir die Durchwahl seiner Tochter gegeben, und die wiederum hat mir von diesem Heiratsantragspaket erzählt, das sie im Angebot haben. Für dreihundert Dollar bin ich nun stolzer Besitzer eines Cleveland-Indians-Heiratsantragspakets«, erkläre ich zufrieden.
»Werden diese dreihundert Dollar dafür sorgen, dass die Jungs dieses Jahr vielleicht auch mal ein Spiel gewinnen?«
Ich schüttele den Kopf. »Vermutlich nicht. Aber wir dürfen dafür nach meinem Antrag in die VIP-Lounge umziehen, bekommen ein Hochglanzfoto vom Heiratsantrag, wie er auf der Anzeigetafel zu sehen war, ein Dutzend rote Rosen und einen Gutschein für ein Abendessen im Terrace Club Restaurant, damit wir gleich im Anschluss feiern können«, erkläre ich lächelnd und schnappe mir meine toilettenkeimfreien Schlüssel nebst Geldbeutel von der Küchenanrichte.
»Falls sie ja sagt, meinst du. Sonst wird das wohl das deprimierendste Foto, das je bei dir an der Wand hing, und ein echt unangenehmes Abendessen«, gibt Drew kopfschüttelnd zu bedenken.
»Schön zu wissen, dass du so viel Vertrauen in mich hast.«
Und prompt ist die Nervosität wieder da. Aber davon werde ich mich nicht unterkriegen lassen. Seit Wochen zermartere ich mir das Hirn auf der Suche nach einer einmaligen, besonderen Art, Claire einen Heiratsantrag zu machen, und als sie neulich zufällig erwähnte, dass sie mit Gavin noch nie bei einem Spiel der Cleveland Indians war, wusste ich, das ist die perfekte Gelegenheit. Tausende von Leuten werden Zeuge sein, und unser Sohn ist auch mit dabei. Was könnte schöner sein? Und mal ehrlich, welche Frau wäre da nicht hin und weg?
Während des sechsten Innings fängt die Sache an, in die Hose zu gehen. Abgesehen vom nervösen Magen, unter dem ich dank Drew während der ersten fünf Innings leide, haben wir bis zu diesem Punkt eine Menge Spaß. Gavin ist vom Stadion total begeistert, und die Cleveland Indians führen mit sieben Punkten. Während mein Knie unkontrolliert auf und ab wippt und ich mich zwinge, mir nicht noch einen Hotdog zu kaufen, bloß um etwas zu tun zu haben – bei acht Stadion-Hotdogs muss Schluss sein –, versuche ich, nicht darüber nachzudenken, dass ich bei Claires Vater nicht um ihre Hand angehalten habe. Das macht man doch eigentlich selbst heutzutage noch so, oder? Würde George sauer auf mich sein, weil ich keine förmliche Unterredung mit ihm hatte, um die bevorstehende Hochzeit mit ihm zu besprechen, und ob er damit einverstanden ist oder nicht? Beim Wort »Unterredung« taucht vor meinem inneren Auge ein Bild von George mit Dreiteiler und Fedora auf, wie er mich über einen halbvollen Teller Linguine hinweg anstarrt, bevor er sich entschuldigt, um auf die Toilette zu gehen, wo er die hinterm Spülkasten versteckte Knarre holt, um mir eine Kugel in den Kopf zu jagen.
»Lass die Waffe! Nimm die Cannoli!«
Einige Leute in der Reihe vor uns drehen sich mit fragenden Blicken zu mir um. Ich zucke nur mit den Schultern. Sie würden es mir nicht verübeln, wenn sie wüssten, dass mein zukünftiger Schwiegervater ein Mafioso ist, der mir den Tod wünscht, da ich mich nicht an das offizielle Prozedere gehalten habe, um seine einzige Tochter zu heiraten.
Claire ist währenddessen viel zu sehr damit beschäftigt, Gavin klarzumachen, dass eine dritte Portion Zuckerwatte ihm keine Superkräfte verleihen wird, ganz egal, was die im Fernsehen sagen. Daher bemerkt sie nichts von meiner kleinen Panikattacke. Nicht, dass ich mit ihr darüber reden würde. Das hier soll schließlich eine Überraschung werden – eine riesige, alles verändernde Überraschung, die über Glück oder Unglück unserer Zukunft entscheidet. Oder über meine Kniescheiben, falls George beschließen sollte, dass er mich wirklich hasst.
Ich fahre also mit dem manischen Fußgewippe fort, während Jose Cabrera zur Anzeigetafel geht und ich in Gedanken die Worte wiederhole, die ich zu Claire sagen will.
Ich hätte nie gedacht, dass ich dich jemals finden würde … du bist mein Ein und Alles und mein Lebensinhalt … jeder Moment, den ich mit dir verbringe, ist wie –
Claires Gelächter unterbricht meine Konzentration. Sie zeigt in Richtung des Außenfelds und kichert dabei amüsiert, wie auch noch einige andere Leute um sie herum.
»Mein Gott, jetzt schau dir das an!«, ruft sie.
Als mein Blick ihrem Finger folgt, fährt es mir dermaßen in den Magen, dass die acht so eben verspeisten Hotdogs drohen, mich auf höchst unvorteilhafte Art und Weise wieder zu verlassen, was nicht annähernd so witzig wäre wie tanzende Fleischstücke, die den Oscar-Mayer-Würstchensong singen.