Meer Zeit für die Liebe - Nele Blohm - E-Book
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Nele Blohm

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Beschreibung

Nora Hansen verkauft in ihrer kleinen Werkstatt auf Sylt selbstgebundene Kränze und Sträuße und bietet in ihren Workshops Dekoratives aus Trockenblumen an. Außerdem hat Nora ein Geheimnis, das sie seit zehn Jahren hütet. Niemand darf erfahren, was damals passiert ist. Schon gar nicht Max, die Liebe ihres Lebens. Doch als Jonte plötzlich zurück auf der Nordseeinsel ist, gerät ihr Herz aus dem Takt und die Bilder von einst schieben sich vor ihr geistiges Auge. Hin- und hergerissen muss Nora vor der malerischen Traumkulisse Sylts zwischen ihrem Herzen und ihrem Verstand entscheiden. Wird es ihr gelingen?

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Nele Blohm

 

Meer Zeit für die Liebe

 

 

 

 

Über das Buch:

Nora Hansen verkauft in ihrer kleinen Werkstatt auf Sylt selbst gebundene Kränze und Sträuße und bietet in ihren Workshops Dekoratives aus Trockenblumen an. Außerdem hat Nora ein Geheimnis, das sie seit zwölf Jahren hütet. Niemand darf erfahren, was damals passiert ist. Schon gar nicht Max, die Liebe ihres Lebens. Doch als Jonte plötzlich zurück auf der Nordseeinsel ist, gerät ihr Herz aus dem Takt, und die Bilder von einst schieben sich vor ihr geistiges Auge. Hin- und hergerissen muss Nora vor der malerischen Traumkulisse Sylts zwischen ihrem Herzen und ihrem Verstand entscheiden. Wird es ihr gelingen?

 

 

Über die Autorin:

Hinter Nele Blohm steht die erfolgreiche Bestsellerautorin und Selfpublisherin Mila Summers. Sie wurde 1984 in Würzburg geboren. Als Kulturwissenschaftlerin arbeitete sie lange für eine Onlinedruckerei, bevor sie in der Elternzeit zum Schreiben fand, dem sie sich nun ganz widmet. Sie liebt das Meer und Liebesgeschichten mit Happy End, die uns an wunderschöne Orte entführen. Mit Mann, Kindern und ihrem übermütigen Jack Russell Lizzy lebt sie in ihrer Heimatstadt.

 

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Bisher von der Autorin erschienen:

Wie das Leuchten von Bernstein

Dein Flüstern im Meereswind

Weihnachten auf Hiddensee

Die Liebe will Meer

Alles auf Sommer

Weihnachtszauber auf Föhr

Weihnachtsglanz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NELE

BLOHM

 

 

Meer Zeit für die Liebe

 

Roman

 

 

 

 

Deutsche Erstauflage März 2024

Copyright © Nele Blohm

Lektorat: Textwerkstatt Anne Paulsen

Korrektorat: SW Korrekturen

Covergestaltung: Nadine Kapp

Covermotiv: Shutterstock ©Kamrulhkhkhk, ©Daria Ustiugova

Impressum: D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

 

 

Kapitel 1

 

 

»Hast du die Trockenblumenkränze für die Weidmanns schon fertig? Käthe hat gerade zum vierten Mal angerufen, weil sie nicht mehr wusste, ob sie drei oder vier Kränze bestellt hat. Oh, und Silvia Petersen hat vorhin nachgefragt, ob noch ein Platz in deinem Workshop am Samstag frei ist.« Oma Enna zupfte den Kragen ihres Mantels zurecht. »Sie würde gerne selbst mal einen Kranz binden, weiß aber nicht, ob sie das schaffen wird. Du weißt ja, ihr Hund bleibt nicht gern allein, mitnehmen kann sie ihn schwerlich. Das hab ich ihr schon klargemacht.« Nun kramte sie in ihren Manteltaschen und zog einen Schlüssel daraus hervor. »Und vergiss bloß nicht, die Bestellungen bis vierzehn Uhr zur Post zu bringen. Dina schließt überpünktlich, du kennst sie. Ich muss jetzt leider zum Zahnarzt nach Westerland. Ich hoffe, bis zum frühen Nachmittag zurück zu sein. Aber versprechen kann ich nichts. Vielleicht bummle ich auch ein bisschen am Strand entlang, solange die Insel noch uns gehört. Ab spätestens Mai geht es hier wieder zu wie im Taubenschlag.«

Oma Enna wartete meine Antworten gar nicht erst ab, sondern schnappte sich ihren Weidenkorb, ohne den sie für gewöhnlich nicht das Haus verließ, und war schon im nächsten Moment durch die Tür meiner kleinen Werkstatt verschwunden.

Lächelnd blickte ich ihr nach, wie sie mit diesem festen Schritt den schmalen Weg von meiner Werkstatt zum Holzgatter lief, es schwungvoll aufmachte und eilig hindurchschlüpfte. Für eine fast Achtzigjährige war sie noch außergewöhnlich fit. Wenn es das Wetter und die Gezeiten zuließ, schwamm sie von März bis Oktober, wann immer ihr danach war, in der Nordsee und fuhr überall mit dem Rad hin. Sogar bei Schnee und Regen.

Auch jetzt schwang sie sich auf ihr Hollandrad, legte ihr Handgepäck in den Korb und radelte so schnell los, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her.

Kopfschüttelnd machte ich mich daran, die bestellten Trockenblumensträuße und -kränze anzufertigen, ehe ich meine Liste mit den Bestellungen durchgehen und mich auf den Workshop am Samstag vorbereiten wollte.

Es war schon immer ein Traum von mir, mich als Floristin selbstständig zu machen. Nach meiner Lehre in Westerland war ich in das alte Kapitänshaus meiner Familie zurückgekehrt und hatte mir die angrenzende Werkstatt meines verstorbenen Großvaters für meine Bedürfnisse umgebaut.

Anfangs hatte ich noch zeitweise in Westerland in der Friedrichstraße in Fenjas Blumenladen gearbeitet und nebenher mein eigenes kleines Geschäft aufgebaut. Heute arbeitete ich nur in meinem Blumenmeer, band Kränze für Festlichkeiten wie Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen, verkaufte Trockenblumensträuße – mal gemischt mit frischen Blumen, mal ohne –, bot Workshops an und erfand mich immer wieder neu.

Gerade das machte den Reiz meiner Arbeit aus. Kein Tag war wie der andere. Und jede Herausforderung konnte ich so angehen, wie ich es für richtig hielt. Es gab niemanden, der mir hineinredete oder etwas besser wusste.

Oma Enna hatte meine Buchhaltung übernommen und spielte zudem sehr gerne meine Sekretärin. Zwar tat sie bei letzterer Beschäftigung stets so, als wäre sie ihr furchtbar lästig, rannte aber dennoch immer als Erste ans Telefon, das sowohl im Kapitänshaus als auch bei mir in der Werkstatt klingelte, um abzunehmen.

Die meisten dieser Gespräche waren für mich. Ich hatte Oma Enna schon oft vorgeschlagen, mir einen eigenen Anschluss legen zu lassen. Doch Oma Enna wollte davon nichts hören. Sie war der Meinung, dass ich die Kosten besser sparen sollte. So viele Anrufe kämen ohnehin nicht.

Grinsend nahm ich einen Metallring, an dem ich einen Trockenblumenkranz für die Tür begonnen hatte, und griff mir ein paar Hortensien, um sie einzuarbeiten, als meine Tür an diesem Vormittag bereits zum zweiten Mal aufging.

Max. Mein Verlobter.

»Guten Morgen, mein Schatz. Wie schön, dich zu sehen. Musst du nicht schon längst in der Schule sein?«

Max kam zu mir, nahm mich ganz fest in den Arm und küsste mich auf den Mund.

»Die ersten beiden Stunden habe ich frei«, erklärte er, nachdem er mich wieder losgelassen hatte.

»Und das sagst du mir erst jetzt? Wir hätten in die Kleine Teestube gehen und gemeinsam frühstücken können. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht.«

Max seufzte.

»Das wäre wirklich mal wieder schön. Allerdings muss ich momentan so viel für die Schule organisieren und Arbeiten korrigieren, dass ich erst mal meinen Schreibtisch ein wenig freischaufeln muss, damit mich das schlechte Gewissen in Ruhe lässt und ich entspannt frühstücken kann.«

Ein verführerisches Lächeln zauberte sich auf seine Lippen.

Max und ich waren schon seit der Schulzeit ein Paar. Über zwölf Jahre. Eine echt lange Zeit. Im Sommer wollten wir endlich heiraten und zusammenziehen. Da Max nur zwei Häuser weiter wohnte und Keitum ein winziges Nest war, erschien es uns nie notwendig, eine gemeinsame Wohnung zu suchen. Nachdem Max’ Großeltern im letzten Jahr in ein Pflegeheim gezogen waren, hatten sie ihm ihr Haus vermacht. Es musste zwar einiges renoviert werden, aber wenn alles so klappte, wie Max und ich uns das vorstellten, dann könnten wir schon in wenigen Wochen einziehen. Noch vor der Hochzeit.

»Ich muss außerdem mal am Haus vorbei. Die Fliesen, die wir für die Küche bestellt haben, kommen voraussichtlich erst in zwei Wochen. Es gab wohl Lieferschwierigkeiten. Ich will mit Hannes besprechen, was er bis dahin schon erledigen kann. Bei den Badfliesen waren wir uns doch einig, oder?«

»Ja, mir gefallen die grauen Fliesen mit den weißen überlappenden Kreisen sehr gut. Zudem passt es vom Stil her ganz wunderbar zum Haus, da es in den Fünfzigerjahren gebaut wurde. Gute Idee, dass du Hannes erst das Bad fliesen lässt. Aber was ist mit der Küche? Sollte die nicht schon in zehn Tagen kommen und eingebaut werden?«

So langsam, aber sicher verlor ich bei unseren Bauplänen den Überblick. Zum Glück hatte Max immer den Durchblick. Im Gegensatz zu mir war er ausgesprochen gut organisiert, beständig und verlässlich.

»Das kriegen wir schon hin«, munterte er mich auf, ehe er mir einen weiteren schnellen Kuss gab und sich auf den Weg zur Tür machte.

Doch noch ehe er sich von mir verabschieden oder die Hand auf die Klinke legen konnte, hielt er in der Bewegung inne und wandte sich erneut zu mir um.

»Hast du noch etwas vergessen?«, fragte ich lächelnd, weil Max, so organisiert er auch meist war, oft mehrmals am Tag seine Schlüssel verlegte.

Ein Widerspruch in sich. Aber Max lebte ihn.

»Ja, ich habe tatsächlich vergessen, dir etwas zu erzählen. Jonte kommt in den nächsten Tagen zurück.«

»Jonte?«, fragte ich ungläubig.

Max nickte.

»Seine Mutter hat es meiner Mutter in Jessens Landbäckerei erzählt. Offenbar hat er keine Lust mehr, ständig durch die Welt zu reisen. Er kommt zurück nach Sylt und will wohl dauerhaft hierbleiben. Sind das nicht tolle Nachrichten?«

Max grinste freudig.

»J-ja, d-das sind s-sie wirklich«, stotterte ich ein wenig hilflos.

»Geht es dir nicht gut? Du bist plötzlich ganz blass um die Nase. Soll ich dir einen Tee machen?«

Max sah mich besorgt an, und ich hoffte, dass er mir meine innere Unruhe nicht ansah.

»Nein, nein. Alles bestens. Ich bin nur sehr überrascht, dass Jonte wiederkommt. Er war so lange fort, das ist alles«, versuchte ich mich zu erklären, während Max mich zu meinem Sessel am Kamin führte.

»Es sind jetzt fast zwölf Jahre. Verrückt, wie die Zeit vergeht. Ich freu mich sehr, dass er wiederkommt. Schließlich ist er mein bester Freund. In den letzten Jahren hatten wir nur sporadisch Kontakt. Endlich können wir abends einen trinken gehen oder uns treffen und zocken. Wie früher.«

Max verlor sich gedanklich in alten Zeiten, während ich alles tat, um nicht an früher zu denken.

Alles.

»Ich freu mich sehr für dich«, beeilte ich mich dennoch zu sagen, um mir nicht anmerken zu lassen, was Max’ Worte in mir anrichteten.

»Wir werden sicher eine gute Zeit miteinander haben. Vielleicht kann er uns beim Haus helfen. Soweit ich weiß, hat er vor seinem Medizinstudium drei Semester Architektur studiert. Gut möglich, dass er noch die ein oder andere Anregung für den Wintergarten hat, den wir bauen wollen. Kann ja nie schaden, noch ein prüfendes Auge über unseren Anbau schauen zu lassen.«

Max zwinkerte mir vielsagend zu.

»Sicher. Das ist eine tolle Idee«, bestätigte ich ihn, während ich die Erinnerungen, die bei Jontes Namen in mir aufflackerten, zu verdrängen versuchte.

»Oh, so spät schon.«

Max’ Blick streifte seine Armbanduhr.

»Ich muss jetzt leider los. Geht es dir echt gut? Muss ich mir keine Sorgen um dich machen?«, fragte er, nach wie vor nicht ganz überzeugt.

»Geh ruhig! Bei mir ist alles bestens. Ich werde mir eine Tasse Tee kochen und eine Kleinigkeit frühstücken. Dafür blieb bisher noch keine Zeit. Das ist sicher nur mein niedriger Blutzuckerspiegel, der mich da ärgert. Weiter nichts.«

Max lächelte wissend.

»Dann sehen wir uns heute Abend. Ich bin gespannt, was Oma Enna kochen wird.«

Max liebte das Essen meiner Großmutter und war, seit wir zusammen waren, mindestens dreimal die Woche zum Abendessen da. Er gehörte schon lange zu unserer Familie, war ein fester Bestandteil.

Jonte.

Bilder zuckten vor meinem geistigen Auge auf. Bilder aus einer längst vergangenen Zeit. Dennoch konnte ich sie gestochen scharf sehen. Sie behagten mir nicht. Sie behagten mir ganz und gar nicht.

Nach all den Jahren. Warum musste er ausgerechnet jetzt zurückkommen? Jetzt, wo Max und ich endlich vor den Traualtar treten und heiraten wollten?

Aber Jonte Nielsen war schon immer ein Mysterium gewesen.

Kapitel 2

 

 

»Hast du’s schon gehört?«

Ida, meine beste Freundin, schneite gegen Mittag zu mir ins Blumenmeer herein und wirkte dabei so aufgeregt wie lange nicht mehr.

»Hallo, Ida. Was meinst du?« Auch wenn ich mir ziemlich sicher war, worauf sie anspielen wollte, gab ich mich unwissend.

»Jonte kommt zurück. Ist das nicht verrückt? Mein Bruder, der Weltenbummler, will auf Sylt sesshaft werden. Das ist so unwahrscheinlich wie die Vorstellung, Pinguine könnten fliegen.«

»Pinguine?«

»Na, du weißt schon, was ich meine. Es ist einfach sehr, sehr unwahrscheinlich, dass Jonte länger als für ein paar Monate bleibt. Mama ist trotzdem ganz aus dem Häuschen. Seit seinem Anruf schrubbt sie sein altes Kinderzimmer. Sogar die alten Poster an der Wand hat sie entstaubt. Kannst du dir das vorstellen?«

»Sie freut sich eben, dass er wiederkommt. Es ist schon eine ganze Weile her, seit er der Insel den Rücken gekehrt hat.«

Ida nickte.

»Da sagst du was. Aber bei Jonte stand es schon früh fest, dass er weggehen würde. Die Insel war ihm bereits zu klein, als er noch nicht mal wusste, wie groß sie wirklich ist.«

Ida lachte.

»Hat er denn schon gesagt, wie lange er bleiben will?«

Obwohl Max mir schon gesagt hatte, dass Jontes Aufenthalt von Dauer sein würde, hegte ich den winzigen Hoffnungsschimmer, es könnte sich um eine Fehlinformation handeln und Jonte schneller wieder verschwunden sein, als ich Pinguin sagen konnte.

»Angeblich will er dauerhaft bleiben. Was ich mir bei meinem Bruder nur schwerlich vorstellen kann. Er wird sicher bald merken, dass Sylt noch immer so klein ist wie damals, als er es verließ, und dann wieder verschwinden. Besonders beständig ist er nicht. Seine letzte Beziehung ging nach drei Jahren in die Brüche, weil seine Freundin es gewagt hat, über die nächsten Schritte ihrer Beziehung zu sprechen. Sie hätte gerne geheiratet und Kinder mit ihm bekommen. Aber für Jonte war das der Startschuss fürs Ende. Du kennst ihn. Er ist ein Freigeist.«

»Dann wird er also allein nach Sylt zurückkehren?«

Die Vorstellung behagte mir nicht. Sie behagte mir ganz und gar nicht.

»Sieht ganz danach aus. Könnte sonst auch ein wenig eng in seinem alten Kinderzimmer werden.«

Ida lachte abermals.

»Hast du Zeit für einen Kaffee oder musst du gleich wieder in den Laden?«

Ida hatte sich wie ich ihren großen Kindheitstraum verwirklicht, indem sie vor wenigen Jahren ihren kleinen Laden Nähkomplizin hier in Keitum eröffnet hatte. Dort verkaufte sie verschiedene Stoffe, Garne und Selbstgeschneidertes, vorzugsweise für Babys und Kinder.

Ihr Geschäft lag nur wenige Gehminuten von meinem entfernt. Da wir bereits seit dem Kindergarten miteinander befreundet waren, wussten wir beide von unseren Ideen und freuten uns umso mehr für die jeweils andere, als sich ihr Traum erfüllte.

Nicht selten reisten Ida und ich gemeinsam zu Designmärkten in Norddeutschland und Dänemark. Wir waren ein gutes Team und hatten immer wieder neue Einfälle. Jede von uns hatte ein Regal in ihrem Laden, in dem sie die kreativen Ergüsse der anderen zum Kauf anbot. Win-win für uns beide.

»Nein, ein Kaffee ist drin. Hast du noch von den leckeren Zimtschnecken, die Oma Enna gestern gebacken hat?«

Suchend blickte sich Ida um. Für Zimtschnecken war die sonst so friedfertige Ida in der Lage zu töten. Ohne Witz. Ich hatte mich in der Schulzeit schon mal mit ihr um die letzte Zimtschnecke meiner Oma geprügelt. Und sie war als Gewinnerin vom Feld gezogen. Mit Zimtschnecke.

Bei der Erinnerung musste ich in mich hineinlachen. Ida und ich waren bereits durch dick und dünn gegangen. Wir waren immer füreinander da. Und doch wusste sie nicht alles von mir.

»Oma Enna hat extra mehr gebacken, damit wir dich die ganze Woche durchfüttern können.«

Nun lachten wir beide.

»Sie kennt mich einfach zu gut.«

Wenige Augenblicke später saßen wir mit Zimtschnecken und Kaffee an der kleinen Theke, auf der auch meine alte Registrierkasse stand. Mein Großvater hatte sie in seinem Krämerladen benutzt. Es erschien mir eine schöne Idee, ihn auf diese Weise zu einem Teil meines Ladens werden zu lassen. So hatte ich immer das Gefühl, er wäre noch bei mir.

»Mein Workshop am Samstag ist ausgebucht. Damit hätte ich zu dieser Jahreszeit gar nicht gerechnet. Ich meine, Ostern ist vorbei und Weihnachten noch lange hin. Für gewöhnlich sind die Kurse im April nicht so gefragt wie vor Festlichkeiten.«

»Ja, das kann ich gut nachempfinden. Allerdings kommen bald die ersten Hochzeiten. Und ein paar Jubiläen wird es in diesem Jahr geben. Die alte Krause wird hundert. Kannst du dir das vorstellen? Wahnsinn, was sie alles auf der Insel mitbekommen haben muss. Man behauptet, sie hätte sie nie verlassen. Was ich mir, ehrlich gesagt, nicht so richtig vorstellen kann. Nie runter von Sylt? Das ist schwerlich vorstellbar, oder?«

Bei Idas Worten musste ich darüber nachdenken, dass ich auch nie wirklich weg war. Nicht, weil ich nicht konnte, sondern weil ich nicht wollte. In meiner Heimat fühlte ich mich wohl, ich hatte meine Familie, meinen Verlobten und meine Freunde hier. Was sollte ich woanders?

»Die letzten Jahre hat sie kaum ihr Haus verlassen, weil sie auf Hilfe angewiesen war. Dann ist die Insel auf einmal riesig.«

Ida nickte.

»Auch wieder wahr. Sag mal, Mama hat sich vorgenommen, für Jonte eine Überraschungsparty zu schmeißen, wenn er am Sonntag ankommt.«

»Sonntag schon?«, fragte ich entsetzt.

Ida nickte abermals.

»Ja, er hat es offenbar sehr eilig, in die alte Heimat zurückzukehren. Keine Ahnung, wer ihm auf den Fersen ist. Aber so schlimm, dass er nach Hause kommen musste, war es noch nie. Ich bin gespannt, was er erzählen wird, wenn er wieder da ist. An sein Handy geht er so gut wie nie und auf Nachrichten antwortet er nur sporadisch. Und wenn, dann auch nur das Nötigste.«

Ida rollte genervt mit den Augen.

»Auf jeden Fall will Mama eine Party für ihn organisieren und ich soll alle einladen. Max und du, ihr kommt doch, oder?«

»S-sicher«, erwiderte ich, schon wieder stotternd.

Die Vorstellung, Jonte so schnell viel näher zu sein, als ich es eigentlich vorgehabt hatte, verunsicherte mich.

»Ich weiß ja, dass ihr beiden nie die größten Fans voneinander wart. Ich meine, mein großer Bruder hat keine Gelegenheit ausgelassen, um dich zu ärgern. Besonders schlimm fand ich, dass er dir das Pupskissen untergelegt hat. Und das bei deiner Konfirmation. Man hat noch Tage später darüber gesprochen.«

Daran musste Ida mich nicht erinnern. Ich konnte mir das Ereignis ganz prima selbst ins Gedächtnis rufen. Dazu brauchte ich niemanden. Denn dieses Erlebnis war so schrecklich gewesen, dass ich glaubte, nie wieder vor die Tür gehen zu können, geschweige denn zur Schule.

Oma Enna hatte mir damals gut zugeredet und mir versichert, dass es schon bald ein anderes Gesprächsthema geben würde, über das sich alle das Maul zerreißen würden. Und sie hatte recht behalten. Ein paar Tage nach dem Fiasko auf meiner Konfirmation hatte Frauke Knudsen ihren Mann für einen anderen verlassen. Das Spektakulärste an der Sache war, dass der Neue knapp zwanzig Jahre jünger war als sie und damit ihr Sohn hätte sein können. Zudem war Frau Knudsen die ehemalige Sportlehrerin seiner Klasse gewesen.

»Erinnere mich bloß nicht daran. Das war oberpeinlich. Ich hatte schon überlegt, die Insel zu verlassen und meine Schule aufm Festland fertig zu machen.«

»Echt jetzt? Du hättest mich hier einfach allein zurückgelassen? Das ist hoffentlich ein Scherz.«

Ida wirkte eingeschnappt. Und das nach all den Jahren.

»Oma Enna hat mir gut zugeredet und mir Mut gemacht. Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre.«

»Sie ist die Beste! Und das sage ich nicht nur, weil ich für ihre Zimtschnecken sterben würde.«

Nun lachten wir beide.

»Aber noch mal zu Jontes großer Willkommensparty. Ich hoffe wirklich, dass ein paar Leute kommen werden, sonst wird das eine ziemlich trostlose Veranstaltung. Denn wie ich meinen Bruder kenne, hat er sich in den vergangenen Jahren nicht allzu oft bei seinen alten Freunden und Schulkollegen gemeldet. Viele sind auch weggezogen. Ich bin gespannt, wer überhaupt kommen wird. Am Ende hat Mama für hundert Gäste gekocht und eingekauft und es kommen fünf. Inklusive der Familie.«

»Max und ich kommen ganz sicher. Mach dir keine Sorgen! Und du weißt doch, wie es ist, wenn es irgendwo was umsonst gibt. Bestimmt kommen mehr, als du glaubst. Bis Sonntag sind es ja auch noch ein paar Tage.« Ich bemühte mich, meine Freundin aufzumuntern.

»Du hast vollkommen recht, Nora. Außerdem sollte ich mir keine Gedanken um die Party für meinen Bruder machen. Allerdings will ich nicht, dass Mama sich so viel Arbeit macht. Ich werde mal mit ihr reden und ihr meine Hilfe anbieten. Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass Jonte das verdient hätte. Ich meine, wie oft war der Kerl in den vergangenen zwölf Jahren hier? Aber auf dem Ohr ist Mama taub. Immer wenn ich davon anfange, meint sie, wir sollten froh sein, dass er wiederkommen will. Das wäre alles, was zählt. Ob ich als Mutter später auch mal so sein werde? Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber dafür bräuchte ich erst mal einen Mann.«

Was Männer anbelangte, hatte Ida in der Vergangenheit kein besonders glückliches Händchen bewiesen. Entweder waren die Beziehungen nach wenigen Monaten wieder in die Brüche gegangen oder sie war hintergangen worden. Dabei nicht selten von Touristen, die ihr den Himmel auf Erden vorgaukelten und am Ende mit Frau und Kindern nach Hause ins bequeme Eigenheim zurückgereist waren.

»Der Richtige wird ganz sicher noch kommen, Ida. Oma Enna sagt immer, dass es für jeden Topf einen Deckel gibt. Und irgendwie muss ich ihr recht geben. Hast du schon mal einen Topf ohne Deckel gekauft?«

Ida machte eine abwehrende Handbewegung.

»Lass mich bloß mit Töpfen und Deckeln in Ruhe.« Ida verdrehte die Augen. »Mama ist auch der Überzeugung, dass der Richtige schon noch aufkreuzen wird. Ich bin mir da allerdings nicht so sicher. Und wenn ich ehrlich bin, fehlt es mir gerade an nichts. Ganz im Gegenteil. Wenn ich einen Mann an meiner Seite hätte, müsste ich mich ganz schön einschränken, was die vielen Designmärkte anbelangt, auf denen ich meine Sachen verkaufe. Der würde das sicher nicht so gut finden, wenn ich jedes zweite Wochenende unterwegs wäre.«

»Ich bin auch oft weg und Max kommt prima damit klar«, widersprach ich ihr.

»Max ist Max. Er ist ein Heiliger. Den Typen bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Du kannst froh sein, ihn zu haben. Solche Männer wie Max werden gar nicht mehr geboren.«

Kopfschüttelnd sah ich meine Freundin an.

»Er hat auch ein paar Macken …«

»Ach ja? Nenn mir nur eine«, forderte sie mich postwendend auf.

»Er vergisst ständig, wo er seine Schlüssel liegen gelassen hat.«

Ida gab einen prustenden Laut von sich.

»Wenn das alles ist, nehme ich ihn dir mit Kusshand ab.«

Kaum dass sie ihre Worte geäußert hatte, ruderte meine Freundin eilig zurück.

»Ich würde dir Max natürlich nie wegnehmen. Ich hoffe, du weißt das. Ihr beiden seid ein absolutes Traumpaar. Und das schon so unfassbar lange. Ich beneide euch, wirklich.«

»Bei uns ist auch nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Stell dir vor, manchmal streiten wir uns sogar und sind nicht einer Meinung.«

Das kam zwar nur sehr selten vor, aber das brauchte ich ja nicht so zu betonen. Schließlich wollte ich Ida nicht das Gefühl geben, unsere Beziehung wäre perfekt. Auch wenn sie das in vielerlei Hinsicht sicher war.

Mehr als das. Max war mein Seelenverwandter. Ganz oft sagte er die Dinge, die mir zuvor durch den Kopf gegangen waren, fast so, als könnte er meine Gedanken lesen.

Max und ich waren jetzt schon so lange ein ausgesprochen gut eingespieltes Team. Wir wussten um die Ticks des jeweils anderen und konnten sehr gut damit umgehen. Unsere Beziehung war gewachsen. Und das würde sie noch weiter tun. Schließlich stand unsere Hochzeit kurz bevor. Dann würden wir eine Familie gründen, Kinder bekommen und im Winter im gemütlichen Wintergarten sitzen.

»Das gibt es sicher überall. Kommt in den besten Familien vor. Ach, übrigens, wie laufen denn die Planungen für die Hochzeit? Soll ich dir als deine Trauzeugin noch irgendwo zur Hand gehen? Du weißt, ich stehe jederzeit parat. Schließlich heiratet die beste Freundin nur einmal.«

»Es ist schon sehr viel gemacht. Und der Rest erledigt sich auch noch. Ich habe für die Wochen vor der Hochzeit weniger Aufträge angenommen, damit ich die Tischgedecke, Kränze und Blümchen für die Kirche alle selbst vorbereiten kann und genügend Zeit dafür habe. Ich freue mich schon sehr darauf.«

»Wenn du möchtest, gehe ich dir gerne zur Hand.«

»Das ist lieb von dir, Ida, danke. Darauf komme ich ganz bestimmt zurück.«

Nicht nur wegen ihrer Hilfe, sondern auch wegen der Aussicht, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.

Durch unsere Selbstständigkeit war es manchmal gar nicht leicht, sich abends gemütlich zusammenzusetzen und einfach nur zu quatschen. Oftmals waren Pläne zu schmieden, Vorbereitungen für Workshops und Märkte zu organisieren oder die lästige Buchhaltung zu machen.

»Na sicher doch. Ich bringe uns einen guten Wein mit und wir drehen die Musik voll auf. Das wird ein Spaß. Ganz im Gegensatz zu der Party am Sonntag. Ich meine, Sonntag – am Montag müssen doch die meisten wieder arbeiten.«

Kopfschüttelnd saß Ida da, während ich nach den richtigen Worten suchte, um meine Freundin aufzubauen.

»Na ja, auch schon egal. Ich muss jetzt wieder in meinen Laden. Meine Mittagspause ist um. Und ich muss noch so viel für den nächsten Designmarkt vorbereiten. Der ist bereits in vierzehn Tagen in Hannover. Und ich habe bisher kaum etwas dafür genäht. Echt schade übrigens, dass du nicht mitkommst. Aber ich verstehe natürlich, dass du im Moment nicht auf allen Hochzeiten tanzen kannst.«

Ida zwinkerte mir vielsagend zu, ehe sie ihren Teller und die Tasse abwusch und verräumte und ich den Gedanken daran verdrängte, Jonte womöglich schon sehr bald viel näher zu sein, als mir lieb war.

Kapitel 3

 

 

»Ich habe so schreckliche Kopfschmerzen, Schatz. Macht es dir etwas aus, wenn du allein zu Jontes Überraschungsparty gehst?«

Es fiel mir nicht besonders leicht, Max diese Lüge aufzutischen. Aber noch viel schwerer würde es werden, Jonte nach all der Zeit gegenüberzustehen und dabei das Gefühl zu haben, es wäre kein Tag vergangen.

»Armer Schatz! Hast du schon eine Tablette genommen? Komm, ich massiere dich! Das hilft doch sonst immer.«

Max ließ sich von meinen Worten nicht beirren. Bereits im nächsten Moment hatte er mich auf seine Couch gesetzt und das duftende Massageöl aus dem Bad geholt. Nicht, ohne sich den Kopf am Balken zu stoßen.

»Aua!«

Max’ Eltern hatten ihrem Sohn vor mehr als zwanzig Jahren den Dachboden ausgebaut, damit der Junge ein eigenes Bad und ein geräumiges Wohnzimmer neben seinem Schlafzimmer hatte. Eine Küche gab es hier nicht, da seine Mutter ähnlich leidenschaftlich kochte wie Oma Enna. Nur nicht mit ganz so viel Erfolg.

So brannte das Essen schon das ein oder andere Mal an oder war auch so ungenießbar. Ein Grund mehr, warum Max so oft bei uns zu Abend aß.

»Geht’s? Tut’s sehr weh, Schatz?«, fragte ich ihn mit zunehmend schlechterem Gewissen, als er zurück im Wohnzimmer war.

Schließlich hatte er sich den Kopf nur gestoßen, weil er mir helfen wollte, meine imaginären Kopfschmerzen loszuwerden.

»Alles gut. Jetzt sehen wir erst mal zu, dass wir dich wieder hinkriegen. Ich will nicht allein auf die Party. Irgendwie käme mir das falsch vor. Am Ende geht Jonte davon aus, dass wir gar kein Paar mehr sind. Stell dir das mal vor!«

Max lachte, während er sich in meinem Rücken an meinen Schultern und an meinem Nacken zu schaffen machte.

Zum Glück konnte er mir dabei nicht ins Gesicht sehen. Der Ausdruck darin musste mehr als entsetzt gewesen sein. Dummerweise hatte ich keinen Spiegel zur Hand. Oder sollte ich eher glücklicherweise sagen?

»Es geht mir bestimmt schnell besser«, behauptete ich und bereute es bereits, eine Lüge vorgeschoben zu haben, um Jonte nicht begegnen zu müssen.

Schließlich würde er nun dauerhaft hier in Keitum leben. Es war unvermeidbar, dass wir uns bald über den Weg liefen.

»Ein bisschen Zeit bleibt uns noch, wir kriegen dich schon wieder hin. Das wäre doch gelacht. Wirst sehen.«

Noch während ich etwas erwidern wollte, klopfte es an der Tür.

Barbara, Max’ Mutter, wagte es nicht, einfach so hineinzuplatzen, wenn ich da war. Seit sie Max und mich vor einer halben Ewigkeit in flagranti überrascht hatte, war sie zu diesem Schritt übergegangen. Max und ich waren sehr froh darüber. Auch wenn mich ihr Anklopfen jedes Mal an die peinliche Szene von damals erinnerte.

»Ah, ihr beiden macht euch für die Party fertig. Ganz Keitum ist in hellem Aufruhr. Jonte ist schon auf dem Weg. Margot hat eben angerufen und darum gebeten, dass ihr früher rüberkommt. Sie hat Angst, ganz allein dazustehen, wenn ihr Sohnemann nach all der Zeit wieder nach Hause kommt. Kommt ihr gleich mit oder geht ihr allein rüber? Rüdiger und ich wollen Margot eine moralische Stütze sein. Sie hat so viel durchgemacht mit den beiden Kindern.«

Sie hatte recht, das Leben hatte der Familie schon oft übel mitgespielt, nicht erst, seit Ansgar, ihr Mann, vor so vielen Jahren aufs Meer rausgefahren und nie wieder zurückgekommen war. Bei Margot klang es zwar immer so, als wäre Ansgar in einem Sturm ums Leben gekommen.

---ENDE DER LESEPROBE---