Meet Me At Midnight - Lea Busch - E-Book
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Meet Me At Midnight E-Book

Lea Busch

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Beschreibung

Der Winter in London kann wirklich schön sein - wenn da nicht der Mord wäre, den Detective Arlo Parsons untersuchen muss. Als wenige Tage später ein zweites Opfer gefunden wird, wird Arlo ein Partner zur Seite gestellt - auf den er gerne verzichtet hätte. Clint Bennet wird kurzfristig mitgeteilt, dass er versetzt wird. Als er die andere Wache betritt, würde er am liebsten auf der Stelle umdrehen. Ausgerechnet mit Arlo soll er diese Morde aufklären? Mit dem Kerl, den er seit der Academy schon nicht leiden kann? Das kann nicht gut ausgehen.

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Für Jessy

Playlist

Massacre, The New American Dream

Palaye Royale

Dead Boys

Sam Fender

fresh bruises

Bring Me The Horizon

Nightmares

Palaye Royale

Cold Wars

Giant Rooks

Madness

Sleeping With Sirens

Doom Days

Bastille

Night Changes

One Direction

Will We Talk?

Sam Fender

Drugs & Candy

All Time Low

Inhaltsverzeichnis

Playlist

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Epilog

1. Kapitel

Normalerweise schneit es in England nicht. Zumindest nicht schon Ende November. Es sind nicht viele Flocken und von einer geschlossenen Schneedecke ist East London noch sehr weit entfernt, aber es reicht, damit Arlo überrascht raus-schaut, als er sich morgens seinen Kaffee kocht. Die Fenster sind ein wenig beschlagen und auf den Autoscheiben hat sich eine dünne Eisschicht gebildet. So kalt sollte es eigentlich noch gar nicht werden. Hoffentlich muss er heute nicht allzu oft raus. Normalerweise ist Papierkram nicht sein Ding, aber heute? Heute klingt das doch ganz gut. Er trinkt die Tasse aus und stellt sie weg. In zehn Minuten muss er los. Heute dauert es garantiert länger. Sobald auch nur der Hauch von Winter in London ankommt, vergessen die meisten Menschen seltsamerweise, wie man Auto fährt. Er zupft sein Hemd zurecht und richtet seine Haare. Er trägt die Uniform schon seit einem halben Jahr nicht mehr. Ab und zu fühlt es immer noch komisch an. Dass er Detective wird, war so nicht geplant, aber als er das Angebot bekam, hat er nicht lange gezögert und seine Polizeiuniform eingetauscht. Heute wird ein guter Tag, sagt er sich und verlässt seine kleine, gemütliche Wohnung.

„Du brauchst dich gar nicht erst hinzusetzen.“

„Das ist ja eine nette Begrüßung“, antwortet er seinem Kollegen Quentin. „Ich hole kurz mein Zeug.“ Er hat die Waffe nicht zuhause. Nur seine Marke trägt er auch schon morgens bei sich. Zu seiner Ausrüstung gehört unter anderem ein Paar Handschellen, sein Diensthandy, ein kleiner Notiz-block mit Stift und der Schlüssel zu seinem Dienstwagen. Theoretisch wollte die Wache schon länger auf Tablets umsteigen, damit die Infos direkt mit allen geteilt werden können, die sich im Dienst befinden, aber bisher hat das nicht geklappt. Wenige Minuten später kommt Arlo wieder zu dem Streifenpolizisten nach draußen. Quentin hat ihn vor einigen Jahren ausgebildet und ist schon damals Leiter des Ausbildungsprogramms gewesen. Er hätte mit Sicherheit Detective werden können, aber er liebt seinen Job. Und er macht ihn verdammt gut.

„Wo ist Imogen?“, fragt er Quentin, als dieser sich zu Arlo in den Wagen setzt. „Es gab einen Familiennotfall. Sie ist heute Morgen nach Frankreich zu ihrer Mutter geflogen“, erklärt er ihm. Imogen ist Arlos Partnerin. Sie ist bereits seit zwanzig Jahren Detective und eine wahnsinnig intelligente Frau. Ihr Instinkt liegt fast immer richtig. Arlo hätte sich niemand besseren als Partnerin wünschen können.

„Sie hat vorhin kurz angerufen und meinte, ich soll dir Bescheid sagen. Ich glaube, sie sitzt schon im Flieger“, erzählt er weiter und klappt den Laptop auf, den sie grundsätzlich im Wagen dabei haben.

„Wohin?“, fragt Arlo, als er den Motor startet.

„Mile End Park. Die Streife ist schon vor Ort“, antwortet Quentin. „Es wurde vor einer Stunde eine Leiche gefunden.“

Arlo nickt und fährt los. Er kennt diesen Teil der Stadt inzwischen sehr gut. Er ist lange Streife gefahren und irgendwann hat man jede Straße gesehen. Er mag die Wache und seine Kollegen, aber diese Ecke der Stadt ist nicht die schönste. Woanders würde er trotzdem nicht hinwollen. Kaum zehn Minuten später kommen sie an. Ein junger Streifenpolizist wartet schon auf die beiden. Er ist blass um die Nase. „Miller“, begrüßt Quentin seinen Rookie. „Geht es dir gut?“

„Es ist alles in Ordnung, Sir“, antwortet er, obwohl ihm auf der Stirn geschrieben steht, dass es ganz und gar nicht so ist.

„Es ist das erste Mal, dass du eine Leiche siehst, oder?“, fragt Arlo ihn. Er nickt leicht. „In Filmen oder Serien sieht es nicht so… schlimm aus.“

„Es ist vielmehr der Geruch“, antwortet Arlo. „Wie lange liegt die Leiche dort schon?“

„Ich glaube, noch nicht so lange“, erwidert Miller. „Die Rechtsmedizin ist noch nicht da, aber jemand meinte, dass es kaum mehr als 24 Stunden sein können.“

„So kalt wie es ist, dürfte es noch nicht allzu schlimm sein“, wirft Quentin an. „Bring uns hin.“ Der Rookie nickt und führt sie zu dem Fundort. Der Park ist bereits weitläufig abgesperrt und die Spurensicherung arbeitet sich vom Tatort von innen nach außen. Routiniert sieht Arlo sich seine Umgebung an. Der Schnee, der am Boden fast sofort schmilzt, hat jegliche Fußabdrücke vernichtet. Miller bringt sie zu dem kleinen Teich des Parks. Schon von weitem sieht Arlo, dass die Leiche am Ufer liegt. Als er näher kommt, erkennt er, dass die Beine noch im Wasser sind. Wasser ist nie gut, wenn es um einen Tatort geht.

„Guten Morgen“, begrüßt er die Kollegen des Streifendienstes und macht sich ein erstes Bild über den Tatort. Fotos werden bereits gemacht. „Wissen wir, wer der Mann ist?“, möchte er wissen und versteht in diesem Moment erst, dass er die Ermittlung leiten wird. Scheiße, normalerweise macht Imogen das. Egal, er kann das. Er weiß, was er tut.

„Josh Fisher, 25 Jahre alt“, wird ihm geantwortet. „Er ist Student. Sein Portemonnaie wurde nicht angefasst, das Geld ist auch noch da. Schätzungsweise liegt er seit gestern Abend hier, aber das wissen wir erst garantiert, wenn der Gerichtsmediziner hier ist. Er wurde hier von einem älteren Herrn gefunden, der heute Morgen zur Arbeit durch den Park gegangen ist. Überwachungskameras gibt es hier nicht und normalerweise wird der Park von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens abgeschlossen.“

„Die Aussage wurde schon aufgenommen?“, fragt er weiter und betrachtet den Mann. Im ersten Moment ist es jedes Mal schwierig, eine Leiche zu sehen, aber er hat gelernt, sich schnell auf seine Arbeit zu konzentrieren. Es klingt abgestumpft, aber anders würden die Ermittlungen sehr viel länger dauern.

„Ja. Er hat nichts gesehen und sofort die Polizei gerufen. Er hat den Mann versucht anzusprechen, aber nicht bewegt. Er hat allerdings am Hals den Puls gesucht, während er mit der Zentrale gesprochen hat. Seine Fingerabdrücke sind bereits genommen und der Spurensicherung weitergegeben worden.“

Arlo nickt verstehend. Der Mann liegt auf dem Bauch. Es sieht aus, als wäre er hingefallen und liegengeblieben. Dieses Szenario ist durchaus möglich. Wenn man blöd fällt und einen Stein erwischt, könnte es sein, dass man das Bewusstsein verliert. Kombiniert mit dem Wetter, könnte er erfroren sein.

„Guten Morgen Mister Parsons“, wird er angesprochen. „Dr. Walker, guten Morgen“, antwortet Arlo dem Mediziner. Er kennt ihn bereits von einigen anderen Fällen. Dr. Walker tritt auf die Leiche zu. Währenddessen spricht Arlo mit einer Polizistin. „Sorgen Sie bitte dafür, dass die Medien so wenig wie möglich hiervon erfahren. Ist die Familie schon informiert worden?“

„Zwei Kollegen sind bereits auf dem Weg dorthin. Die Eltern werden auf die Wache geholt. Geschwister hat er keine.“

„Alles klar, danke.“ Er geht wieder zu Dr. Walker, der neben der Leiche kniet. Diese ist inzwischen auf den Rücken gedreht worden. Arlos Magen zieht sich zusammen. Der ganze Oberkörper ist voll Blut. Verdammt.

„Er ist zwischen zwei und vier Uhr nachts gestorben. Sehr lange ist es noch nicht her.“ Dr. Walker öffnet die Jacke und das Hemd. Die Wunden sind tief und quer über den Oberkörper verteilt. Einen Moment lang sieht Dr. Walker darüber, bevor er anfängt zu sprechen. „Die Wunden sind vor dem Tod entstanden. Ich würde sagen es war ein normales Küchenmesser, aber das kann ich erst genau sagen, wenn ich ihn auf dem Tisch hatte.“

Es sind viele Schnitte in jegliche Richtungen. Sie sind tief und Arlo will sich gar nicht vorstellen, welche Schmerzen der Mann gehabt haben muss. Am prominentesten ist eine Einstichstelle. Während alle anderen Wunden Schnitte sind, ist diese Wunde vergleichsweise klein.

„Das wird die Todesursache sein“, erkennt Dr. Walker. „Es ist ein Stich direkt ins Herz. Wenn das Messer lang genug war, hat ihn der Stich selbst getötet, ansonsten ist er wahrscheinlich verblutet, wenn kein Gift genutzt wurde. Bisher deutet darauf aber nichts hin. Ertrunken ist er nicht.“ Er sieht sich die Wunden genauer an. „Der Täter hatte Kraft, es sind viele Wunden und der Mann hat sich gewehrt. Die Nägel sind alle abgebrochen und hier ist etwas unter den Nägeln. Wenn wir Glück haben, ist es DNA des Täters, das kann ich noch nicht genau sagen. Außerdem sind hier Fesselspuren an den Handgelenken und Quer über die Brust. Er wurde gefoltert.“

Dr. Walker steht wieder auf. „Der Kerl hat gelitten und der Täter hat das definitiv mit Absicht getan. Ein Unfall oder Notwehr war das nicht.“

„Verdammt“, flucht Arlo.

„Ich werde den Bericht so bald wie möglich schicken. Sobald die Spurensicherung fertig ist, nehme ich ihn mit.“

„Es tut mir sehr leid, Mister Fisher.“ Der Mann vor ihm ist fix und fertig. Wie Arlo erfahren hat, ist Misses Fisher vor einigen Jahren schon gestorben und sonst hat der Student keine Familie mehr. Sein Vater ist der Letzte, der übrig ist.

„Er hat nie etwas getan. Er war ein guter Junge. Wer tut so etwas?“, will Mister Fisher wissen.

„Wir wissen es nicht. Wir geben alle unser Bestes, damit wir das herausfinden.“ Versprechen kann und darf man nicht geben. Das hier ist das Beste, was Arlo sagen kann.

„Kann ich ihn sehen? Ich muss zu meinem Jungen“, bittet Mister Fisher ihn.

„Ich werde Sie zu ihm bringen, sobald es geht. Aktuell müssen die Spuren gesichert werden und je länger wir warten, desto schwieriger wird es“, erklärt er ihm. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwierig es für Sie ist, aber ich muss Ihnen leider trotzdem einige Fragen stellen.“

Mister Fisher nickt und Arlo fängt an. Es sind die üblichen Fragen am Anfang einer Ermittlung. Er muss sich zunächst ein Bild von Joshs Leben machen. Mister Fisher versucht zu helfen, aber es ist schwierig. Er hat seinen einzigen Sohn verloren. Arlo würde ihm am liebsten nun doch versprechen, dass er die Person, die das getan hat, finden wird, aber er darf nicht.

Nachmittags tritt er ins Freie und atmet tief durch. Er hat inzwischen mit zwei von Joshs Freunden gesprochen.

„Detective Parsons?“

Er dreht sich um. Miller steht vor ihm und reicht ihm einen Kaffee. „Danke.“ Er trinkt einen Schluck und merkt, wie ihm wärmer wird. Vielleicht hätte er sich eine Jacke mitnehmen sollen.

„Darf ich Sie etwas fragen?“

„Natürlich.“ Arlo hat sich schon gedacht, dass der Rookie nicht nur zufällig hier draußen ist und ihm einen Kaffee gebracht hat.

„Wie gehen Sie damit um? So etwas zu sehen, meine ich. Da war so viel Blut und die Augen waren noch geöffnet und so leer und…“ Er presst die Lippen zusammen. Arlo weiß genau, was gerade in Miller vorgeht. „Du bekommst diese Bilder nicht aus dem Kopf, richtig?“

„Sie kennen das?“

„Jeder hier, der schon einmal eine Leiche gesehen hat, kennt das. Das ist etwas anderes als in einem Krankenhaus, wenn man einen Angehörigen verloren hat“, erklärt er ihm. „Josh lag genauso am Boden, wie er zurückgelassen wurde. Er wurde nicht gewaschen, in frische Kleidung gesteckt und ihm wurden die Augen nicht geschlossen. Und der Geruch macht den Anblick so real, dass es normal ist, dass du an nichts anderes mehr denken kannst.“

„Geht das wieder weg?“

„Ja“, antwortet Arlo ihm. „Es wird aber ein paar Tage dauern. Ich hoffe, wir bekommen den Täter oder die Täterin. Dadurch wird es unter anderem besser.“

„Und was hilft noch?“, möchte Miller wissen.

„Wenn man das Opfer kennenlernt. Josh war ein Student mit Freunden und Hobbies. Du siehst ihn aktuell nur als toten Körper, aber durch die Ermittlungen beschäftigt man sich mit ihm. Er wird menschlich. Das hilft.“

„Ich weiß nicht, ob ich weiter an diesem Fall arbeiten werde“, gibt Miller zu bedenken. „Ich bin nur ein Rookie der Streife und kein Detective.“

„Die Streifenpolizei macht den Löwenanteil der Polizeiarbeit aus, vergiss das nicht. Es ist ein wichtiger Job. Wenn du möchtest, kann ich Quentin bitten, dass du Hilfsaufgaben übernimmst, wenn es nötig ist.“

„So, wie heute?“

„Ja, genau. Ob du dafür eingesetzt wirst, entscheidet am Ende aber er.“

„Vielen Dank, Detective Parsons. Ich denke, das würde mir helfen.“

„Du kannst damit beginnen, bei der Universität anzurufen. Sie müssen Bescheid wissen, dass Josh Fisher nicht mehr kommen wird. Kümmere dich darum, dass das diskret behandelt wird. Umso weniger Presse, desto besser. Noch weiß ich nicht, ob der Täter vor Aufmerksamkeit flüchtet.“

„Tun das nicht alle?“

Arlo schüttelt den Kopf. „Nein, es gibt durchaus Personen, die gerade wegen der Aufmerksamkeit Verbrechen begehen. Bei diesen kann die Presse dienlich sein, aber sie im Zweifelsfall auch dazu anstiften, noch mehr Verbrechen zu begehen. Es ist ein Drahtseilakt.“ Das kennt er allerdings nur aus der Theorie. Die wenigsten Morde gehören zu einer Serie. Wenn es überhaupt Mord war und kein Totschlag.

Einen Tag später steht er mit Quentin im Zimmer des Studenten. Er hat in einem kleinen Zimmer einer zweier WG gelebt. Der Mitbewohner, Franklin Levinston war die ganze Woche nicht da und ist heute Morgen nach London zurückgekehrt.

„Wir waren nicht befreundet, aber wir sind miteinander ausgekommen. Josh war freundlich und respektvoll. Er wollte seine Ruhe, genau wie ich. Ich glaube, er war kurz vor seinem Abschluss.“

„Das ist richtig“, antwortet Quentin ihm. „Wie war er sonst so? Weißt du, was er in seiner Freizeit gemacht hat?“

„Gelernt. Und ich glaube, er war in einem Schachverein, aber ich bin mir nicht sicher. Zwischendurch ist er abends ausgegangen, aber ich weiß nicht mit wem. Ich reise, soviel es geht. Ich studiere Archäologie und konnte dieses Semester einige Ausgrabungsstätten besuchen, deswegen weiß ich nicht, was er die letzten Monate so getrieben hat. Sie können sich in seinem Zimmer und auch der Küche und dem Bad umschauen, wenn Sie möchten.“

„Danke.“ Arlo geht zu Joshs Zimmer, während Quentin bei Mister Levinston in der Küche bleibt. Das Zimmer, das er betritt, ist spärlich eingerichtet. Der Vater meinte schon zu ihnen, dass er am Wochenende häufig bei ihm ist. Es wundert Arlo also nicht, dass hier nur wenige persönliche Gegenstände zu finden sind. Am Fenster steht ein Schreibtisch, auf der gegenüberliegenden Seite ein Bett und ein schmaler Kleiderschrank. Auf dem Boden liegt eine Jogginghose und hinter der Tür stehen einige Bücher. Auch ein Schachbrett liegt dort. Den Laptop packt er ein und nimmt ihn mit. Auf der Wache soll die IT-Abteilung sich ansehen, wer Josh war. Er macht einige Fotos und schickt sie direkt ans Revier. An der Pinnwand hängen ein paar Bilder. Karteikarten liegen auf dem Tisch. Es ist nicht dreckig, nur ein bisschen unordentlich. Es sieht aus, wie ein normales, zweckgebundenes Studentenzimmer.

Zu sagen, eine Spur verläuft im Sand, ist erst möglich, wenn man eine Spur hat. Seine Freunde trauern um ihn und für die Tatzeit hat fast jeder von ihnen ein Alibi. Nur zwei waren allein und sagen, sie hätten geschlafen. Die anderen Alibis werden gerade überprüft. Und sie alle sagen, sie hätten Josh schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Das letzte Mal vor fünf Tagen, als sie gemeinsam ein Bier trinken waren. Es ist zu glatt. Nichts deutet auf einen Streit oder eine Auseinandersetzung hin. Sie finden niemanden, der Stress mit Josh hatte. Er hatte nicht viele Freunde und die Kommilitonen, mit denen sie sprechen, sagen fast alle, er war ein ruhiger, aber netter Kerl. Er hat keine Streitereien angefangen und gute Leistungen in der Uni abgeliefert. Er hatte einen Job in einem Supermarkt und war bei fast jeder Vorlesung. Er war ein Vorzeigestudent. Nur der Tod seiner Mutter hat ihn kurzzeitig aus der Bahn geworfen. Er musste ein Semester wiederholen, als seine Noten rapide abgestiegen sind, aber er hat sich wieder gefangen. Sowohl sein Vater als auch seine Freunde sagen, dass die Zeit nicht leicht für ihn war, aber er es überstanden hat. Er fing damals mit dem Schach an und besuchte bis zu seinem Tod einmal die Woche den Schach-Club der Uni.

„Verdammt“, flucht Arlo und sieht auf die Pinnwand vor ihm. Ob Imogen wohl schon eine Idee hätte? Er hat sich ein Bild davon gemacht, wer Josh war, aber er kommt nicht weiter. Der Autopsiebericht ist wahrscheinlich morgen fertig. Bisher weiß er allerdings schon, dass der Stich ins Herz tatsächlich tödlich war und dass Josh im Sitzen gestorben ist. Er war angebunden und alle Schnitte wurden mit einem scharfen, langen Küchenmesser gemacht. Das Seil war ein Juteseil, das bekommt man in jedem Baumarkt. Und unter den Nägeln waren Spuren von Holz, aber keine DNA. Nichts, was auf den Täter hindeuten könnte. Auch am Tatort wurde wenig Brauchbares gefunden. Die Fußspuren waren so verwischt, dass sich nur sagen ließ, dass die Schuhe zwischen Größe 39 und 46 waren. Das grenzt es so gut wie gar nicht ein. Josh war außerdem schon tot, als er dort abgelegt wurde. Dr. Walker vermutet, dass er eigentlich in den See geworfen werden sollte, aber es aus irgendeinem Grund nicht geklappt hat. Beweise gibt es dafür nicht.

„Du solltest für heute Schluss machen.“ Quentin ist zu Arlo an den Tisch getreten. „Heute löst du den Fall nicht mehr.“

„Er war nur drei Jahre jünger als ich.“

„Ich weiß. Wir werden herausfinden, wer das war“, versichert sein Kollege ihm. Arlo nickt und atmet tief durch. Dann schließt er seine Waffe weg und fährt nach Hause.

2. Kapitel

Von Schnee ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Man würde nicht ahnen, dass vor knapp einer Woche noch kleine Flocken vom Himmel gefallen sind. Arlos Gesicht zieren tiefe Augenringe, als er aufsteht. Es ist kurz vor sechs und er war bis fast zehn Uhr auf der Wache. Er würde gerne noch eine Weile weiterschlafen, aber er kann nicht. Seine Gedanken sind zu laut. Er hievt sich aus dem Bett und stellt die Kaffeemaschine an. Noch bevor das Wasser durchgelaufen ist, klingelt sein Handy.

„Guten Morgen“, sagt er, ohne draufzuschauen. Es muss jemand von der Wache sein, sonst hätte das Handy nicht laut geklingelt. Er hat es so eingestellt, als er Detective geworden ist.

„Der Morgen ist nicht gut“, antwortet Quentin ihm.

„Scheiße.“

„Ich hole dich mit einem Streifenwagen ab. Deine Ausrüstung bringt Miller mit. Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir“, gibt er Arlo Bescheid und legt auf. Eine Viertelstunde, na super. Er stoppt die Kaffeemaschine und anstatt auf einen Milchkaffee zu warten, drückt er auf den Knopf, die ihm einen doppelten Espresso zubereitet. Eilig zieht er sich an, kippt das bittere Getränk herunter und nimmt sich eine Banane. Für ein anderes Frühstück ist keine Zeit mehr.

Quentin hupt einmal, als er vor dem Haus steht. In diesem Moment zieht Arlo sich gerade die Schuhe an. Der Aufzug funktioniert schon ewig nicht mehr, also muss er die drei Etagen hinunter laufen.

„Weißt du schon Genaueres?“