MEIN FREUND THEODOR W. ADORNO - Heinz Duthel - E-Book

MEIN FREUND THEODOR W. ADORNO E-Book

Heinz Duthel

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Das Institut für Sozialforschung es war die erste Forschungsstelle für Marxismus und Geschichte der Arbeiterbewegung an einer deutschen Universität, gestiftet von Felix, weil dessen Vater Millionen als Händler gemacht hatte. 1924 war das Institut eröffnet worden. 1930 wurde Max Horkheimer, bis dahin Lehrbeauftragter für die Geschichte der neueren Philosophie, einigermaßen überraschend zum Leiter berufen. Er hatte bis dahin nichts Spektakuläres publiziert, doch er hatte eine Vision Er wollte die marxistische Theorie aus ihrer dogmatischen Versteinerung erlösen. Sie öffnen für die neuen Wissenschaften, für die Soziologie, die Psychologie und sie als kritische Theorie der Gesellschaft erneuern, die immer im Auge behält. Wem das eigentlich nützt, dass die Welt ist, wie sie ist und wem es schadet. Das war gewissermaßen ein theoretisches Projekt, das großen Reiz hatte und was der Horkheimer sehr emphatisch zu vertreten vermochte. Wir sind eigentlich die, auf die dieser Fortschritt in dieser Theorie angewiesen ist. Wenn wir es schaffen als einem verschworenen Kreis, dann macht es keiner. Wir haben da eine Sendung, auch dieses Sendungsbewusstsein, das sehr gut vermitteln. Und das war für Adorno zusammen mit diesem Reiz eines exklusiven Kreises unwiderstehlich, in gewisser Weise. Das Institut faszinierte neben Adorno auch andere Intellektuelle, die alle dem jüdischen Bürgertum entstammten. Friedrich Pollock, Mitarbeiter des Instituts, von Anfang an der Literatur, Soziologe Leo Löwenthal und Erich Fromm, der Psychoanalytiker. Schließlich stieße Herbert Marcuse, später einer der Väter der studentischen Protestbewegung, und der Kulturkritiker Walter Benjamin hinzu Aus proletarischen Verhältnissen kam keiner.

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Seitenzahl: 79

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Heinz Duthel mein Freund Theodor W. Adorno

Zur Dialektik der Aufklärung, das wissen wir inzwischen, gehört eben auch, dass sie als einseitige, bloß rationale ihr Gegenteil bewirken kann, nämlich die Kälte der Verdrängung.

Theodor W. Adorno

Dass Politiker ihn bei Gedenktagen zitieren, hätte ihm gefallen. Und dass es deutsche Politiker sind, hätte ihn wohl nicht gestört.

Dabei hatte dieses Land den kritischen Philosophen in die Emigration gezwungen wie die übrigen Mitglieder des Frankfurter Instituts für Sozialforschung.

Es gab Zeiten, da galt dieses kleine Haus als Kaderschmiede für Berufs, Revolutionäre oder als der Ort, an dem gründlich wie sonst nirgends darüber nachgedacht wurde, warum die Menschen nicht aus dem Kreislauf von Gewalt und Unterdrückung herausfinden.

Für Adorno war das Institut ein Ort zum Denken und vielleicht auch noch mehr eine Schutzhülle. Sein Elfenbeinturm, in dem er sich geborgen fühlte, vielleicht sogar glücklich.

Auch wenn er über persönliche Dinge öffentlich kaum sprach und höchstens einmal seine Liebe zum Tango verriet. Das aber war schon eine fast sentimentale Abschweifung für einen, der die Welt, in der er lebte, für eine nichtmenschlichen hielt. Doch als die Studenten in den sechziger Jahren gegen diese Welt protestierten, schließlich auch gegen ihn rebellierten, sein Institut besetzten, da rief er die Polizei.

Dabei hatten die Studenten bei ihm studiert, hatten seine Bücher gelesen, hatten darin das gemeinsame Ziel gefunden die Erziehung der Menschen zur Mündigkeit.

Unter einem mündigen Menschen verstehe ich allerdings zugleich auch einen Menschen, der sein Schicksal in der Realität real bestimmen kann. Und das bedeutet eine Gestaltung, eine Einrichtung der Realität, so dass in ihr mündige Menschen leben können.

Das alte Frankfurt war eine erstaunlich schöne Stadt, über die Adorno ebenso erstaunlich nie eine Zeile geschrieben hat. über die verwinkelte Altstadt noch über die Gründerzeit Paläste des Großbürgertums, die allerdings auch nicht seine Welt waren. Sein Vater, der Weinhändler Oscar Wiesengrund, war jüdischer Herkunft und abenteuerlustig genug, die ehemalige kaiserliche Hof Opernsängerin Maria Callas Adorno zu heiraten.

Die Familie lebte zunächst in der Innenstadt in der Uferstraße. Schöne Aussicht. Die Mutter ließ das Kind katholisch taufen. Später gab Adorno als Konfession auch evangelisch an. Es war nicht wichtig. Die Familie zog schließlich in ein kleines Reihenhaus im Frankfurter Vorort Oberrad. Seine musikalische Begabung führte Adorno zeitlebens auf seine Mutter zurück. Später, in der Emigration, wird er ihren Namen annehmen. Dass Vater Wiesengrund für seine intellektuelle Entwicklung ebenso wichtig war, ist kaum bekannt.

Unendlich viele Leute haben im Hause seines Vaters verkehrt.

Er hat ja alle die Intellektuellen hier kennengelernt, hat der Herr im Hause seines Vaters kennengelernt, und das war nicht nur die Mutter mit der Musik, die Mutter und die Tante mit der Musik, die die Leute angezogen haben.

Es war auch der Vater, der in der Lage war, lange ähnliches in seinem Hause zu etablieren. Dem hat man mit höchster Hochachtung gesprochen. Doch.

Eigentlich hatte der Vater zwei Frauen geheiratet, denn mit der Sängerin Maria Adorno kam auch deren Schwester Agathe in die Familie. Meine zweite Mutter nannte der junge Adorno sie. Einmal im Jahr reisten die beiden Frauen mit dem Kind in Urlaub nach Mosbach im Odenwald ins Hotel Post.

Der Vater hatte das Haus mit Wein beliefert, und aus der Geschäftsbeziehung war irgendwann Freundschaft geworden zwischen ihm und der Hoteliers. Familie.

Mehrere Wochen blieben die Wiesengrund jedes Jahr in Mosbach Adorno, den alle Teddy riefen, spielte mit der Hotel Besitzerin vierhändig auf dem Klavier. Der Vater allerdings hatte nie Zeit für Urlaub, wie sich Karl Spöri, Freund des jungen Adorno, erinnert.

Das waren zwei Welten. Der Vater war Kaufmann, war Geschäftsmann und. Musik, Musik, Musik. Wir haben ihn angehimmelt, wie er auf dem Klavier gespielt hat.

Es war das Zimmer Nummer 3, in dem die Familie Adorno jedes Jahr wohnte zur Sommerfrische. Wie das damals hieß. Bis heute ist das Zimmer unverändert geblieben. Sieht man vom Telefon ab. Es ist ein schlichtes Zimmer. Aber draußen vor dem Fenster offenbarte sich Idylle. Die beiden Mütter Adornos konnten sich daran offenbar nicht satt sehen.

Maubach.

Wenn es einen Ort gab, den Adorno mit Glück verband, dann war es für ihn das Urbild aller Städtchen. Die Schritte der Menschen auf dem Kopfsteinpflaster. Er wird sich als Emigrant in Paris daran erinnern.

In New York, so schreibt er, habe mehr Ähnlichkeit mit Paris als Paris mit New York. Auch das Aufblitzen der Neon Reklame konnte ihn später in New York nicht mehr erschrecken. Das kannte er so gut hat mein Städtchen mich behütet auf das ihm gänzlich entgegengesetzte Vorbereiteter.

Keinen Augenblick habe ich in der Emigration die Hoffnung auf Zukunft aufgegeben. Ich wollte einfach dorthin zurück, wo ich meine Kindheit hatte, spürt noch das, was man im Leben realisiert. Wenig anderes ist als der Versuch, die Kindheit einzuholen.

Kinderzeit bedeutet für ihn sehr viel. Das sind auch bei Walter Benjamins Berliner Kindheit grundsätzliche, prägende Eindrücke. Wenn Sie so wollen glückliche Eindrücke, keine Sekunde, dass die Gesellschaft es mit den Menschen nicht gut meint. Und es gibt kein richtiges Leben im falschen. Das ist eine Feststellung, und gleichzeitig bringt er eigentlich eine Menge Urvertrauen in die Kinderzeit mit sich.

Davon lebte und lebte in dem Bewusstsein, dass deutsche Kunst und deutsche Philosophie das bedeutendste sind, was es auf Erden gibt. Bedeutender noch als Religion, die in seinem Elternhaus keine Rolle zu spielen schien oder keine Rolle spielen musste.

Denn im geschäftstüchtigen Frankfurt zählte das Geld, nicht die Religion. Als er das Gymnasium Sachsenhausen besuchte, freundete sich der junge Adorno mit dem späteren Journalisten Siegfried Kracauer an. Gemeinsam lasen sie in dieser Lektüre, musste ihn gepackt haben, was sogar seine Begeisterung für die Musik übertraf.

1921 begann Adorno sein Studium an der Frankfurter Universität, damals die jüngste und eine der angesehensten in ganz Deutschland. Wie er einmal sein Geld verdienen wollte? Das wusste er damals wohl selbst nicht, und auch seine Umgebung war sich da unsicher.

Allzu viel, so notierte Kracauer, stamme bei Adorno aus dem Intellekt, aus den Tiefen der Natur. Er schrieb sich ein für Soziologie, Psychologie, Musikwissenschaft sowie für Philosophie beim neuen Kantianer Hans Kornelius. Damals ein berühmter Mann, dessen produktivste Zeit aber auch schon etliche Jahre zurück lag.

Es waren zwei Dinge auf der einen Seite, eine Art von geistigem Ausdrucks Bedürfnis, das doch von früh auf in der Philosophie bei mir ein adäquates Medium gefunden hat. Dann aber auch das Bedürfnis, dass das bei mir ursprünglich und sehr früh vorhandene Gefühl nicht der Fassade glauben ging, zu bescheiden, was die Oberfläche der Erfahrung einem vorgaukelt, sondern dahinter zu kommen, was eigentlich dahintersteckt.

Das war natürlich etwas viel verlangt für den Lehrbetrieb an einer deutschen Universität. Wissenschaft, das bedeutete Messen, benennen, verallgemeinern. Der Alltag der Menschen kam hier nicht vor, so wenig wie die Frage, wie sich die Menschen fühlen, wenn die Wissenschaft auf sie blickt.

Den akademischen Betrieb hat er als sehr langweilig erlebt, sagt Cornelius. Obwohl er sich auch für Kunstinteressierte und relativ vielseitig war, als Professor nicht unbedingt hinreißend und andere Kollegen wohl auch nicht. Stattdessen hatte Adorno ja früh diese hochinteressanten Kontakte zu Leuten außerhalb des akademischen Betriebs bzw. solchen, die aus verschiedenen Gründen nicht kamen oder nicht rein wollten.

1924 hatte da seine Dissertation fertig, und im Vorfeld hatte er daran, arbeitet auch in Kronberg und schildert dann, dass er den Horkheimer und den Pollock besucht habe, in ihrer Villa Holzweg. Und dass diese beiden doch Marxisten seien Kommunisten und man sich gegenseitig sehr viel zugestanden habe. Da merkt man das richtig, wie eine spannende Verschwörung empfand, dass man so gegen den Rest der Welt stand und sich diese Denkerin Kahlheiten leistete.

Max Horkheimer war der Sohn eines vermögenden jüdischen Textilfabrikanten aus Zuffenhausen. Sein Vater wollte ihn zum Nachfolger machen. Aber er führte lieber zusammen mit seinem Jugendfreund Friedrich Pollock das Leben eines intellektuellen Außenseiters. Schwer zu sagen, was zuerst da war die Rebellion gegen den Vater oder die Rebellion gegen die Gesellschaft. Der junge Adorno hatte solche Probleme nicht. Sein Vater hatte zwar weniger Geld, aber er half, wo er konnte.

Man kann aber auch sagen, dass der Vater so viel Druck ausübt, wie es in bürgerlichen Familien üblich ist. Und deswegen musste Adorno nie stottern, während Horkheimer und psychoanalytische Behandlung braucht, damit er Vorlesungen halten kann. Man kann sich nicht vorstellen, dass Adorno die Sekretärin seines Vaters geheiratet hätte, also quasi wie ein Ödipus. Opposition reitet ja gar nicht nötig gewesen.

Max Horkheimer raubte seinem Vater nicht nur die private Sekretärin. Er akzeptierte auch dessen Weltanschauung, nicht die des erfolgreichen jüdischen Unternehmers, der an den Fortschritt und an die Aufklärung glaubte. Aus marxistischer Perspektive war der Vater ein Ausbeuter, und noch Jahrzehnte später kann Horkheimer seine Hinwendung zur Marxschen Theorie nur über den Vater plausibel machen.

Nach dem Ersten Weltkrieg war ich sehr unruhig in meinem Wesen, denn mein Vater, bei dem ich ja zunächst einmal im Geschäft war, hatte mich immer gelehrt, dass die Menschheit fortschreitend Kriege mehr und mehr überholt seien, das in Wirklichkeit keine Kriege mehr sein sollten. Dann war der Krieg 1914 bis 18, und die Hoffnung hatte sich als ein unmöglicher Optimismus gezeigt. Da sagte ich mir Ja, da stimmt etwas an diesem Optimismus nicht.

Adorno aber zögerte noch, sich den jungen Marxisten anzuschließen.

Er reiste im März 1925 nach Wien.