6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €
Viva Italia! Rasante Episoden aus der Welt südlich der Alpen Viva Italia! Rasante Episoden aus der Welt südlich der Alpen Seine chaotische italienische Familie ist den Lesern durch sein erfolgreiches Buch ›Laura, Leo, Luca und ich ‹ bereits ans Herz gewachsen. Diesmal steht Schwiegermutter Minnie im Zentrum des Geschehens. Über ihren Fernseher hat sie einen AC-Mailand-Schal drapiert, die Strandkabine verteidigt sie notfalls mit körperlicher Gewalt und mit ihren abendlichen Pasta-Exzessen sorgt sie dafür, dass die gesamte Familie an der Schwelle zum Übergewicht steht. Ein Lesebuch voller Witz und Ironie.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 146
Stefan Maiwald
Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
Neue Abenteuer aus Italien
Deutscher Taschenbuch Verlag
Originalausgabe
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
© 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.
eBook ISBN 978-3-423-40155-5 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-21115-4
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher sowie Themen, die Sie interessieren, finden Sie auf unserer Website
www.dtv.de
Vorwort
Die Personen
Die Heldin dieses Buches
Lillis Erfolg oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 1
Beatrices Spitznamen
Zwei Trüffelschweine
Das Tor des Jahres
Magic Minnie
Frühjahrsputz
Minnie kommt, und die Chinesen zittern
Halbfinale Deutschland – Italien 2006
Die eingebildete Kranke
Italien, wie man es haben will
My Personal Shopper
Do you speak, äh, Dingsbums?
15 Verhaltensregeln für Restaurants, Trattorien und Pizzerien in Italien (erstellt mit kompetenter Hilfe von Minnie, Pepe und Laura)
Bauernmatt
»Wenn du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen«
Der Abstieg eines Statussymbols
Auf großem Fang
9 Dinge, die mich an Italien nerven
Der Büchsenmacher
Großer Bruder, große Familie
Kein Halten mehr
10 Sätze, die man auf Italienisch können sollte (die aber in keinem Lehrbuch stehen)
Drei Charaktere: (1) Der Glückspilz
Drei Charaktere: (2) Der Unaussprechliche
Drei Charaktere: (3) Der Seher
Der große Satz
Mein Klingelton
Die ewige Suche
Der Maibel® oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 2
Abenteuer im Grödnertal, Teil 3
Abenteuer im Grödnertal, Teil 4
Abenteuer im Grödnertal, Teil 5
Jenseits der Stille
Warum ich nicht mehr die Grünen wähle
Einmal Zahnarzt, hin und zurück
10 Fehler, die man in Italien nicht machen sollte
Mein Eine-Art-Schwager spricht mir Mut zu
Das Festival
Shopping in München
Zirkuskinder
Der einsame Papi
Lillis Werk
Nicht ohne meinen Vater
Das Kreuz
10 Gründe, warum Sie einmal nach Grado kommen sollten
Und falls Sie wirklich kommen wollen
Danke für Ihr Interesse. Viele Menschen haben mein Buch ›Laura, Leo, Luca und ich‹ gekauft, das im Januar 2007 erschien. Das bedeutet vielerlei. Erstens: Meine italienische Familie stellt mich Fremden jetzt nicht mehr als »der Typ aus Deutschland« vor, sondern als »der Typ aus Deutschland, der Bücher schreibt«. Zweitens: Vom Honorar konnte ich meine Frau und meine Töchter zum Urlaub in ein Wellnesshotel in Kärnten einladen, wo meine Frau sich massieren ließ und ich den Tag damit verbrachte, lauwarmes Heilwasser zu trinken und gegen ein Bergmassiv zu starren. Drittens: In meiner Heimatstadt Braunschweig bin ich richtig bekannt geworden. Alte Schulfreunde meldeten sich bei mir, und meine Familie hat ein Album mit Zeitungsausschnitten angelegt, und da ich früher immer rumgetönt hatte, mal Schriftsteller werden zu wollen, bin ich ganz froh, dass es mir beinahe gelungen ist. Wer die Messlatte hoch legt, riskiert eben, als Großmaul durchs Leben zu gehen, und da meine Rivalen aus der damaligen Zeit Chirurgen, Bürgermeister und Staatsanwälte geworden sind, war ich es mir einfach schuldig, mal was Vernünftiges auf die Beine zu stellen. Viertens: Manche denken, ich wäre jetzt Millionär. Sehr komisch, wirklich. Fünftens: Den Band gibt es auch als Hörbuch zu kaufen, und auf dem Cover der CDs ist ein Foto von Laura, Leo und Luca. Den echten. Damit man sich die Gesichter mal anschauen kann. Sechstens: Auf die Frage: »Ist denn Ihr Buch autobiografisch?« habe ich etwa dreihundert Mal die Antwort »110Prozent« gegeben, und ich meine es auch so. Bis auf die Nummer unserer Strandkabine, da habe ich im ersten Band geschummelt: Sie lautet nicht 84a, sondern 74a. Siebtens: Es gibt ein neues Buch. Wieder autobiografisch. Hier ist es. Viel Spaß!
Man muss ›Laura, Leo, Luca und ich‹ nicht gelesen haben, um dieses Buch zu verstehen, aber der Verlag und ich hätten es natürlich ganz gern, dass Sie es dennoch kaufen. Falls Sie mit dem Personal und dem ganzen Drumherum noch nicht vertraut sind, dann lassen Sie sich kurz erzählen, dass ich weitgehend in Italien lebe, weil ich eine Italienerin geheiratet habe. Wir haben inzwischen zwei Töchter. Mehr müssen Sie eigentlich nicht wissen.
Laura
meine Frau
Leo
mein älterer Schwager
Luca
mein jüngerer Schwager
Minnie
meine Schwiegermutter, von der recht oft die Rede sein wird
Pepe
mein Schwiegervater
Lilli (eigentlich Elisabetta)
meine Tochter, zum Zeitpunkt des Niederschreibens 5Jahre alt
Trilli (eigentlich Beatrice)
meine Tochter, zum Zeitpunkt des Niederschreibens 2Jahre alt. Trilli ist nur ein Arbeitstitel, wir sind immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Diminutiv.
Claudia
Leos Frau
Marta
Lauras Cousine
Paolo
der Mann von Lauras Cousine. Eine Art Schwager, oder gibt es für dieses Verwandtschaftsverhältnis ein eigenes Wort?
Nini
Martas Mutter1
Mario
Ninis Mann, der sehr gut deutsch spricht. Auf Familienfeiern habe ich nun keine Ausreden mehr.
Marina
unser Babysitter
Miriam
unser Babysitter, wenn Marina keine Zeit hat.
Lietta
unser Babysitter, wenn weder Marina noch Miriam können. Lietta ist unser Ass im Ärmel.
Stefano
ein Cousin um zwei Ecken, der aber zu Weihnachten immer sehr schöne Geschenke bringt.
Uta
meine Mutter, von der in diesem Buch nicht die Rede sein wird, die aber sicher etwas dagegen hätte, in dieser ganzen Verwandtschaftsblase so gar nicht erwähnt zu werden.
Jochen
mein Vater, der ebenfalls keine weitere Rolle spielt, obwohl er in meiner italienischen Familie hoch angesehen ist, bringt er doch zu jedem Weihnachtsfest geräucherten Wildlachs mit, der in Italien viel hermacht.
Anna
Lauras Freundin und Mutter zweier kleiner Söhne namens Lollo und Mattia. Anna und Laura haben die beiden bereits mit meinen Töchtern verlobt. Ich wurde nicht gefragt.
In diesem Buch gibt es eine Menge Geschichten über mich und meine italienische Familie. In vielen dieser Geschichten taucht meine Schwiegermutter Minnie auf, außer dann, wenn wir in die Berge fahren, denn Minnie verträgt die Höhenluft nicht. Minnie ist nicht ihr richtiger Name, sie heißt Mirella, aber so ruft sie nur mein Schwiegervater, wenn er stinksauer ist. Und das ist er selten, denn es ist einfach nicht opportun, auf Minnie stinksauer zu sein.
Sie wissen: Im mediterranen Kulturkreis hat die Familie Gewicht, und wenn einen die moderne Arbeitswelt nicht auseinandergerissen hat, dann wohnt man auch noch mehr oder weniger auf einem Fleck. Dass die Hälfte der unverheirateten 35-Jährigen bei ihren Eltern wohnt, ist kein Klischee, sondern statistisch untermauert. Bei meiner italienischen Familie verhält es sich so, dass Minnie und Pepe 180Meter von uns entfernt wohnen und mein Schwager Leo mit seiner Frau Claudia 450Meter. Da wir uns auf einer Insel befinden, kann man sich ohnehin nicht so leicht ausweichen. Aber Sie verstehen, was ich meine. Nur Luca lebt ungebührliche 150Kilometer entfernt in Padua (dabei ist er genau 35Jahre alt und unverheiratet), aber er ist ja auch ein erfolgreicher Architekt, und es würde komisch wirken, wenn der Bürgermeister von Grossetto ihn anrufen will, um ihm den Auftrag für ein neues Rathaus zu erteilen, und am Apparat wäre Minnie, die sagt: »Luca kommt gleich, aber er muss erst noch sein Zimmer aufräumen.«
Minnie jedenfalls ist diejenige, die die Familie beisammenhält. Sie ist der Fixstern unseres Universums, aber sie tut auch was dafür. Zunächst einmal kocht sie jeden Abend für uns. Sie kümmert sich um unsere Kinder und meine Garderobe (später mehr dazu). Sie erinnert den Rest der Familie an Geburtstage und Jubiläen und hält uns auf dem Laufenden, was auf der Insel passiert. Das kann sie gut, weil sie sich jeden Samstag von Alida frisieren lässt. Bei Alida trifft sich halb Grado (nämlich die gesamte weibliche Bevölkerung), und man tauscht sich aus. Auf einer Insel mit 9 000Einwohnern gibt es immer genug zu erzählen, denn jeder kennt jeden, aber nicht genau. Außerdem kommen zwischen Ostern und Oktober genügend Touristen, die für Gesprächsstoff sorgen. Mal versenkt ein Österreicher seinen Range Rover im Hafenbecken, mal türmt ein Deutscher nach zwei Wochen aus dem ersten Hotel am Platze, ohne die Rechnung zu bezahlen (aber immerhin hat er die Bademäntel dagelassen).
Minnie ist unser CNN, unser Restaurant, unsere Backstube, unser Aushilfskindergarten und unsere Änderungsschneiderei. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie man ohne eine Schwiegermutter mit Würde leben kann. Zumindest hätte ich keine Muße, Bücher wie dieses zu schreiben, denn ich wäre zu sehr damit beschäftigt, neben meinem 9-Stunden-Schreibtag Hemden zu bügeln, hungrige Mäuler zu stopfen und Geburtstage zu vergessen. Außerdem würde ich dauernd auf meinen ausgefransten Hosensaum treten, aufs Gesicht fallen und mir die Schürfwunden im Krankenhaus desinfizieren lassen müssen. Tipp am Rande: Italienische Krankenhäuser bringen’s nicht. Verletzen Sie sich lieber daheim.
Sehen Sie, dieses Buch wird nicht ins Italienische übersetzt. Ich könnte auch schreiben, dass meine Schwiegermutter ein entsetzlicher Drachen sei, und es würde mir nicht schaden (es sei denn, meine Schwiegermutter kramt ein Wörterbuch hervor und schlägt unter »entsetzlich« und »Drachen« nach). Nördlich der Alpen ist die Schwiegermutter übel beleumundet; uns Mitteleuropäern ist das ganze Konzept »Großfamilie« irgendwie suspekt. Ich habe es selten erlebt, dass man in Deutschland mit drei bis vier Generationen an einem Tisch sitzt, ohne dass es bald zu hässlichen Streitereien kommt, die sich im besten Fall um Politik drehen. Italiener sind in dieser Hinsicht das am wenigsten neurotische Volk, das ich kenne. Die Familien funktionieren, selbst in der Pubertät scheint es erheblich weniger Probleme zu geben, aber bei meinen Töchtern habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit, um das zu verifizieren. Ich werde berichten.
Wenn ich jetzt mal in die Verhaltensforschung abschwenken darf: Es ist erwiesen, dass die Mütter von Müttern sich viel mehr um die Enkel kümmern als die Mütter von Vätern. Das lässt sich in allen Völkern beobachten. Gut, meine Mutter wohnt 1 200Kilometer weit weg, da ist es schwierig, morgens die Kleinen in der Krippe abzuliefern. Der Hintergrund für diese aufopferungsvolle Einmischung der mütterlichen Linie scheint zu sein, dass die Mutter der Mutter sich sicher sein kann, dass es ihre Gene sind, die sie da auf dem Arm trägt, während die Mutter des Vaters ja nie so genau weiß, ob sie da nicht ein Kuckucksei in den Schlaf singt. Wie gesagt, streng verhaltenspsychologisch gesprochen. Laura ist natürlich über jeden Verdacht erhaben. Zudem sagt man, die Kinder sähen mir ähnlich.
Also: Wer ist Minnie? Das Wichtigste vorweg: Ihr Herz schlägt für den AC Mailand. Das ist nicht nur so dahingesagt. Wenn Milan verliert, dann hat sie drei Tage lang schlechte Laune. Wenn Milan gewinnt, zerquetscht sie meine jüngste Tochter. Ansonsten ist sie aber recht cool, auch wenn die Kinder schreien, was ich bemerkenswert finde, da ich ja schon an mir selbst merke, dass ich mit zunehmendem Alter etwas ungeduldiger werde. Sie feilscht wie ein Weltmeister, sie kennt alles und jeden, sie weiß immer eine Lösung. Sie wollte auch mal Journalistin werden, aber als innerhalb von 25Monaten drei Kinder zur Welt kamen, war ihre Bestimmung klar. Sie weiß alles über ›Sturm der Liebe‹, eine deutsche Soap Opera rund um ein bayerisches Hotel namens Fürstenhof, die in Italien als ›Tempesta d’amore‹ so erfolgreich ist, dass sie um 20Uhr ausgestrahlt wird.
Manchmal ist sie ein klein wenig zu besorgt, zum Beispiel als mein japanischer Freund Kenji mich in Grado besuchte. Kenji ist ein 37-jähriger Journalist und für einen Japaner doch überraschend groß (gut 190Zentimeter). Er hat den schwarzen Gürtel in Karate und lebt in Tokio, wo er täglich anderthalb Stunden mit der U-Bahn in seine Redaktion fährt. Eines Tages wollten wir zusammen an den Strand gehen, doch am vereinbarten Treffpunkt erschien Kenji nicht. Minnie war außer sich vor Sorge. Mein Hinweis, dass man sich um jemand, der sich in einem 12-Millionen-Menschen-Moloch zurechtfindet, auf einer 9 000-Einwohner-Insel nicht viele Gedanken machen müsse, fand kein Gehör. Mein zweiter Hinweis, dass jemand, der in seiner Freizeit mit bloßen Händen Bretter und Ziegelsteine entzweihaut, auch in der Lage sei, sich aus eventuellen misslichen Situationen zu befreien, konnte Minnie ebenfalls nicht beruhigen, und sie war drauf und dran, zur Polizei zu gehen. Irgendwann tauchte Kenji dann auf. Er war im Wasser gewesen, hatte ausgiebig mit der Schwimmlehrerin meiner Kinder geflirtet und danach für uns alle Eis am Stiel gekauft.
Aber meistens hat sie die Ruhe weg. Ihr Erfolgsgeheimnis: Wenn es um das Wohlergehen ihrer Liebsten geht, hat sie keine Skrupel. Wenn ihr irgendwas nicht passt, ruft sie tatsächlich den Bürgermeister an, während ich daneben sitze und sie mit Gesten zu beschwichtigen versuche. Doch am Ende setzt sie sich durch. Man kann ihr nichts abschlagen. Und ihre Papardelle mit Lachs – also, die sind wirklich großartig.
Wenige Wochen nach Erscheinen meines ersten Buches ›Laura, Leo, Luca und ich‹ flüchtete ich mit der Familie für ein paar Wochen in die verschneiten Berge, um den Interviewanfragen, Autogrammjägern und Groupies zu entkommen. So einen Satz wollte ich immer schon einmal schreiben, wenngleich er natürlich erstunken und erlogen ist. Nur meine Tanten riefen ein paar Mal bei mir an, weil sie hier und da mein Bild in der Zeitung gesehen oder meinen Namen in einem Magazin gelesen hatten. Erstes Fazit: Gar nicht so einfach, in der heutigen Zeit richtig berühmt zu werden. Da muss schon das Gesicht ein paar Mal in ›Explosiv‹, ›Blitz‹ und ›Bild‹ auftauchen. Und zwar am selben Tag.
Wahr ist, dass wir uns einen Winterurlaub gönnten. Wir fuhren ins Grödnertal, eine Art Südtirol-Konzentrat: drei kleine Orte, einer davon mit dem schönen Namen Wolkenstein und einer Million Übernachtungen pro Jahr. Vom Papier her nicht gerade das Richtige für mich, der ich mich auf Skiern nicht besonders heimisch fühle. Lassen Sie es mich mal so formulieren: Würde ich mich in den Wellen der Adria so bewegen wie auf der Skipiste, müsste ich Schwimmflügel tragen. Doch hier kommt ein Geheimtipp, damit dieses Buch auch einen echten Nutzwert hat und nicht nur der schnöden Unterhaltung dient: Machen Sie zehn Tage vor Karneval Ihren Winterurlaub. Das ist zumindest in Südtirol die leerste Woche der Saison. Familien mit schulpflichtigen Kindern sind verhindert und stoßen erst wieder in der Faschingszeit dazu, und die settimana bianca, die die italienischen Lehranstalten ihren Schülern gestatten, um sich auf Snowboards über den Haufen zu fahren, findet in der Regel Ende Januar statt und ist also auch schon meist eine Sache der Vergangenheit.
Das Grödnertal oder Val Gardena, das im Wesentlichen aus Sankt Ulrich, Santa Christina und Wolkenstein besteht, gefällt grundsätzlich allen Italienern gut und vor allem den Italienerinnen, denn das Tal hat eine lange Holzschnitztradition. Jeder dritte Laden offeriert Gekreuzigte, Madonnen, Heilige, Rehkitze, mannshohe Eichhörnchen, die an Eicheln knabbern, und ähnliche Handarbeiten, über die ich es längst aufgegeben habe, mit Laura zu streiten. Ich muss nun einmal damit leben, dass unsere Wohnung über die Ehejahre hinweg von diesem Zeug allmählich in Besitz genommen wird. In düsteren Träumen sehe ich, wie ein hölzernes Rieseneichhörnchen kichernd an meinem Schreibtisch sitzt, während ich vergeblich von außen an die Tür klopfe.
Jedenfalls quartierten wir uns im »Monte Pana« ein, einem sehr empfehlenswerten Hotel etwas oberhalb des Tals und direkt an der Skipiste. Klar, dass Laura über Freunde von Freunden den Besitzer kennt und mit ihm einen Spezialpreis vereinbarte, der so weit unterhalb des offiziellen Listenpreises lag, dass ich mich bis heute frage, wie hoch wohl die Gewinnspannen im Hotelgewerbe so sein mögen. Lilli steckten wir in einen Skikurs, und ich gönnte mir eine Stunde mit einem Skilehrer namens Marco Runggaldier– Sportfans werden verstehen, dass ich elektrisiert war, als ich den Namen hörte2 . Nun ja, Marco bescheinigte mir höflich ein gewisses Talent, doch ich war stark abgelenkt vom Schluchzen meiner Tochter, die sich im Skikurs ganz und gar nicht wohlzufühlen schien und dem ganzen Tal ihr Leid mitteilte. Du meine Güte, das arme Geschöpf. Ich litt ebenfalls, doch Laura befahl mir, standhaft zu bleiben. Im Laufe der Zeit fuhr ich immer wieder möglichst nah an die Kinderskischule heran, und dann sah mich Lilli, und sie schluchzte nur noch lauter, und meine Frau schimpfte mich folgerichtig aus. Es waren harte vier Tage für Lilli, doch am Ende gab es das Abschlussrennen aller Skischüler. Es ist immer wieder ein erhebender Anblick: Diese Knirpse mit ihren überdimensionierten Helmen, die wie Marsmenschen aussehen und ohne Furcht in unnachahmlich tiefer Hocke über die Pisten brettern. Aber was sollte Lilli schon ausrichten? Gerade einmal vier Jahre alt und in einer Skischule voller sechsjähriger Rabauken, denen ja fast schon ein Oberlippenbart spross?
So an die fünfzig Kinder waren am Start, es gab viel Trubel und einen launigen Moderator und Rundumbeschallung und einen Zeitnehmer mit Stoppuhr, den ich mit aufmunterndem Kopfnicken auf meine Seite zu ziehen gedachte. Lilli kam als eine der Letzten dran und schwebte in einem eleganten Schneepflug zu Tal. Ein paar Eltern hatten sich direkt auf der Ziellinie versammelt, um ihre Sprösslinge (= die Konkurrenz) in Empfang zu nehmen; Lilli bremste folgerichtig ein paar Meter zuvor ab, und der Zeitnehmer ließ die Stoppuhr gnadenlos weiterlaufen. Gute zehn Sekunden dürfte sie dort verloren haben, aber egal: Sie war im Tal, unverletzt und in meinen Armen.