Meine Weihnachtskrippe - Papst Franziskus - E-Book

Meine Weihnachtskrippe E-Book

Papst Franziskus

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Beschreibung

Die biblische Weihnachtsgeschichte birgt spirituelle Schätze, die unser Leben auch heute noch im Innersten betreffen und staunen lassen. Von der Heiligen Familie bis zu den Hirten und Engeln, vom Stall mit seinen Tieren bis hin zum Weihnachtsbaum hat alles eine tiefe Bedeutung. Papst Franziskus bringt sie uns nahe und erschließt das Geheimnis der Heiligen Nacht: Im Licht der Krippe wird uns Hoffnung, Mut und Kraft geschenkt. In der Begegnung mit den Personen und Orten erstrahlt die frohe Botschaft.

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Papst Franziskus

Meine Weihnachtskrippe

Das Geheimnis der Heiligen Nacht

Übersetzungen aus dem Italienischen

von Silvia Kritzenberger

Titel der Originalausgabe:

Il mio presepe. Vi racconto i personaggi del Natale

© Dicastero per la Comunicazione – Libreria Editrice Vaticana 2023

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibelzitate sind entnommen der

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift

© 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Weiß Werkstatt, München

Umschlagmotiv: Pope Francis celebrates Christmas mass at St. Peter's Basilica

in Vatican City on December 24, 2013 - © Stefano Spaziani

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

ISBN Print 978-3-451-39765-3

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83976-4

Inhalt

Vorwort

Die Krippe

Das Jesuskind

Maria

Josef

Betlehem

Der Stall

Die Engel

Die Hirten

Das Licht

Die Sternendeuter

Der Stern

Herodes

Die heilige Familie

Die Krippenfiguren

Der Weihnachtsbaum

Weihnachten

Vor der Krippe innehalten

Quellen

Vorwort

Ich hatte schon zweimal den Wunsch, Greccio zu besuchen.

Das erste Mal, weil ich den Ort sehen wollte, an dem der heilige Franz von Assisi die erste Krippe errichtet hat; etwas, das auch meine Kindheit geprägt hat: In meinem Elternhaus in Buenos Aires hat dieses Zeichen der Weihnacht nie gefehlt; es war sogar noch wichtiger als der Weihnachtsbaum.

Und dann bin ich mit Freuden ein zweites Mal an diesen Ort zurückgekehrt, der heute zur Provinz Rieti gehört, um dort das Apostolische Schreiben Admirabile signum über die Bedeutung und den Sinn der Weihnachtskrippe zu unterzeichnen.

Bei beiden Gelegenheiten spürte ich eine besondere Ergriffenheit, die von dieser Grotte ausging, in der ein mittelalterliches Fresko – vom Künstler gleichsam nebeneinandergestellt – die Nacht von Betlehem und die Nacht von Greccio zeigt.

Die Ergriffenheit über diesen Anblick weckt in mir den Wunsch, tiefer in das christliche Geheimnis einzutauchen, das sich gerne im unendlich Kleinen verbirgt.

Die Menschwerdung Jesu Christi ist das Herzstück der göttlichen Offenbarung. Auch wenn man leicht vergisst, dass ihre Entfaltung so unauffällig ist, dass sie fast unbemerkt bleibt.

Die Kleinheit ist nämlich der Weg, Gott zu begegnen.

In einer Grabschrift des Ignatius von Loyola steht zu lesen: »Non coerceri a maximo, sed contineri a minimo, divinum est«. Göttlich ist es, Ideale zu haben, die nicht durch irgendetwas Existierendes begrenzt werden, sondern in den kleinsten Dingen des Lebens enthalten sind und gelebt werden. Kurz gesagt: Man soll sich nicht vor den großen Dingen fürchten, sondern beim Vorangehen im Leben auf die kleinen Dinge achten.

Und das ist auch der Grund, warum das Festhalten am Geist der Krippe zu einem gesunden Eintauchen in die Gegenwart Gottes wird, die sich in den kleinen, manchmal banalen und sich wiederholenden Dingen des Alltags zeigt. Die vor uns liegende Aufgabe besteht darin, zu wissen, wie man dem widersteht, was verführerisch ist, aber auf krumme Pfade führt, und stattdessen die Wege Gottes zu erkennen und zu wählen. In dieser Hinsicht ist die Unterscheidung eine große Gabe, und man darf nie müde werden, sie im Gebet zu erbitten. In der Krippe sind die Hirten jene, die sich von Gott überraschen lassen, die Begegnung mit ihm voller Staunen erleben und ihn anbeten: In der Kleinheit erkennen sie das Antlitz Gottes. Menschlich gesehen neigen wir alle dazu, nach Größe zu streben. Aber es ist ein Geschenk, zu wissen, wie man sie wirklich findet: zu wissen, wie man die Größe in dieser Kleinheit findet, die Gott so sehr liebt.

Im Januar 2016 habe ich in der Oase des Jesuskindes, gleich über dem Heiligtum der Weihnachtskrippe, eine Jugendgruppe aus Rieti getroffen. Ich habe sie – und das gilt auch für uns alle heute – daran erinnert, dass es in der Weihnachtsnacht zwei Zeichen gibt, die uns helfen, Jesus zu erkennen. Das eine ist der Himmel voller Sterne. Da sind unendlich viele Sterne, aber einer sticht besonders hervor: der Stern, der die Heiligen Drei Könige dazu veranlasst hat, ihr Zuhause zu verlassen und eine Reise anzutreten, von der sie nicht wussten, wohin sie sie führen würde. Und das passiert auch in unserem Leben: In einem bestimmten Moment lädt uns ein besonderer »Stern« ein, eine Entscheidung, eine Wahl zu treffen; uns auf die Reise zu machen. Wir müssen Gott mit Nachdruck darum bitten, uns diesen Stern zu zeigen, der uns über unsere Gewohnheiten hinausgehen lässt. Denn dieser Stern wird uns dazu bringen, Jesus zu betrachten: das Kind, das in Betlehem geboren wurde und unser vollkommenes Glück will.

In dieser Nacht, die durch die Geburt des Erlösers heilig geworden ist, finden wir noch ein weiteres starkes Zeichen: die Kleinheit Gottes. Die Engel weisen die Hirten auf ein Kind hin, das in einer Krippe geboren wurde. Das ist kein Zeichen von Macht, Selbstbezogenheit oder Hochmut. Nein. Der ewige Gott entäußert sich und nimmt die Gestalt eines wehrlosen, sanftmütigen und einfachen menschlichen Wesens an. Gott hat sich erniedrigt, damit wir mit ihm gehen können und er an unserer Seite sein kann, nicht über uns stehend oder weit von uns entfernt.

Staunen und Verwunderung sind die beiden Gefühle, die jeden – Jung und Alt – vor der Krippe ergreifen, die wie ein lebendiges Evangelium ist, das aus den Seiten der Heiligen Schrift hervortritt. Es ist nicht wichtig, wie die Krippe gestaltet ist, sie kann immer gleich sein oder jedes Jahr anders. Wichtig ist, dass sie das Leben anspricht.

Der erste Biograph des heiligen Franziskus, Thomas von Celano, beschreibt die Weihnachtsnacht von 1223, deren 800. Jahrestag wir dieses Jahr begehen. Als Franziskus ankam, war schon alles vorbereitet: die Krippe mit Heu, Ochs und Esel. Der Anblick der Weihnachtsszene erfüllte die herbeigeeilten Menschen mit unsagbarer, nie zuvor gekannter Freude. Dann feierte der Priester über der Krippe feierlich die Eucharistie und machte so die Verbindung zwischen der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Eucharistie sichtbar. Bei dieser Gelegenheit kamen in Greccio keine Figuren zum Einsatz: Die Anwesenden selbst haben die Krippenszene dargestellt und erlebt.

Ich bin mir sicher, dass die erste Krippe, die schon vor 800 Jahren ein großes Werk der Evangelisierung vollbrachte, auch heute noch Anlass zu Staunen und Verwunderung geben kann. Was der heilige Franziskus mit der Einfachheit dieses Zeichens begann, hat noch heute Fortbestand als wahre Form der Schönheit unseres Glaubens.

Vatikanstadt, 27. September 2023

Franziskus

Die Krippe

»Es nahte aber der Tag der Freude, die Zeit des Jubels kam heran. Aus mehreren Niederlassungen wurden die Brüder gerufen. Männer und Frauen jener Gegend bereiteten, so gut sie konnten, freudigen Herzens Kerzen und Fackeln, um damit jene Nacht zu erleuchten, die mit funkelndem Sterne alle Tage und Jahre erhellt hat. Endlich kam Franziskus, fand alles vorbereitet, sah es und freute sich. Nun wird eine Krippe zurechtgemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzugeführt. Zu Ehren kommt da die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Betlehem.«

Thomas von Celano, Die Krippe von Greccio

Wer in der Krippe ist glücklich?

Wer in der Krippe ist glücklich? Das würde ich gerne euch, die Kinder, fragen, die ihr gern die kleinen Statuen betrachtet … und sie vielleicht auch gern ein wenig bewegt, verschiebt, und euren Vater ärgert, der sie mit so viel Sorgfalt aufgestellt hat!

Also, wer in der Krippenszene ist glücklich? Die Muttergottes und der heilige Josef sind voller Freude: Sie blicken auf das Jesuskind und sind glücklich, weil sie nach Tausenden von Sorgen dieses Geschenk Gottes mit großem Glauben und viel Liebe angenommen haben. Sie »sprudeln über« vor Heiligkeit und folglich vor Freude. Und ihr werdet mir sagen: Natürlich! Es sind die Muttergottes und der heilige Josef. Ja, aber wir dürfen nicht glauben, dass es leicht für sie war: Man wird nicht als Heiliger geboren, sondern man wird dazu, und das gilt auch für sie.

Dann sind die Hirten voller Freude. Auch die Hirten sind heilig, gewiss, denn sie haben auf die Verkündigung der Engel geantwortet, sind sofort zur Grotte gelaufen und haben das Zeichen des Kindes in der Krippe erkannt. Das war nicht selbstverständlich. In den Krippendarstellungen gibt es häufig einen kleinen, jungen Hirten, der verträumt und verzaubert auf die Grotte blickt: Dieser Hirte bringt die staunende Freude dessen zum Ausdruck, der das Geheimnis Jesu mit dem Herzen eines Kindes annimmt. Das ist ein Merkmal der Heiligkeit: die Fähigkeit des Staunens bewahren, staunen über die Gaben Gottes, seine »Überraschungen«, und das größte Geschenk, die immer neue Überraschung, ist Jesus. Die große Überraschung ist Gott!

Dann gibt es in den größeren Krippen mit vielen Personen die Berufe: Schuster, Wasserträger, Schmied, Bäcker … und was uns sonst noch so alles einfällt. Und alle sind glücklich. Warum? Weil sie wie »angesteckt« sind von der Freude des Ereignisses, an dem sie teilnehmen, das heißt der Geburt Jesu. So wird auch ihre Arbeit von der Gegenwart Jesu geheiligt, von seinem Kommen zu uns.

(…) Das also ist mein Wunsch: heilig sein, um glücklich zu sein. Aber nicht Heilige wie auf einem Heiligenbildchen, nein, nein. Normale Heilige. Heilige Männer und Frauen aus Fleisch und Blut, mit unserem Charakter, unseren Fehlern, auch unseren Sünden – bitten wir um Vergebung und gehen wir voran –, aber bereit, uns von der Gegenwart Jesu unter uns »anstecken« zu lassen, bereit, zu ihm zu laufen wie die Hirten, um dieses Ereignis zu sehen, dieses unglaubliche Zeichen, das Gott uns geschenkt hat. Was sagten die Engel? »Siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll« (Lk 2,10). Werden wir hingehen, um ihn zu sehen? Oder werden wir von anderen Dingen in Beschlag genommen sein?

Franz von Assisi, der Erfinder der Weihnachtskrippe

Das wunderbare Zeichen der Krippe, die dem christlichen Volk so sehr am Herzen liegt, weckt immer wieder neu Staunen und Verwunderung. Das Ereignis der Geburt Jesu darzustellen bedeutet, das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes mit Einfachheit und Freude zu verkünden. Die Krippe ist in der Tat wie ein lebendiges Evangelium, das aus den Seiten der Heiligen Schrift hervortritt. Wenn wir über die Weihnachtsszene nachdenken, sind wir eingeladen, uns geistlich auf den Weg zu machen, uns anziehen zu lassen von der Demut des Einen, der Mensch wurde, um jedem Menschen zu begegnen. Und wir entdecken, dass er uns so sehr liebt, dass er sich mit uns vereint, damit auch wir uns mit ihm vereinen können.

Mit diesem Schreiben möchte ich die schöne Tradition in unseren Familien stützen, in den Tagen vor Weihnachten eine Krippe aufzubauen, als auch den guten Brauch, sie am Arbeitsplatz, in Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen, auf öffentlichen Plätzen usw. aufzustellen. In wirklich kreativem Einfallsreichtum entstehen aus den unterschiedlichsten Materialien kleine Meisterwerke, die sehr schön anzusehen sind. Schon als Kind wächst man da hinein, wenn Vater und Mutter zusammen mit den Großeltern diesen freudigen Brauch weitervermitteln, der aus einer reichen Volksfrömmigkeit schöpft. Ich hoffe, dass dieses Brauchtum nie vergeht; im Gegenteil, ich hoffe, dass es dort, wo es nicht mehr gepflegt wird, wiederentdeckt und neu belebt werden kann.

Die Krippe geht in ihrem Ursprung vor allem auf einige in den Evangelien beschriebene Details der Geburt Jesu in Betlehem zurück. (…). Jesus wird in eine Futterkrippe gelegt (lateinisch praesepium), die der Weihnachtskrippe den Namen gibt.

(…) Aber kommen wir sogleich zum Ursprung der Krippe, wie wir sie kennen. Wir begeben uns im Geist nach Greccio im Rieti-Tal; der heilige Franziskus hielt sich dort auf, als er wohl von Rom kam, wo er am 29. November 1223 von Papst Honorius III. die Bestätigung seiner Ordensregel erhalten hatte. Nach seiner Reise ins Heilige Land erinnerten ihn die dortigen Höhlen auf besondere Weise an die Landschaft von Betlehem. Und es ist möglich, dass den Poverello von Assisi in Rom die Mosaiken der Basilika Santa Maria Maggiore mit der Darstellung der Geburt Jesu beeindruckt hatten, die sich in direkter Nähe zu dem Ort befinden, wo nach alter Überlieferung Teile der Krippe Jesu aufbewahrt werden.

Die Franziskus-Quellen berichten ausführlich, was in Greccio geschehen ist. Fünfzehn Tage vor Weihnachten rief Franziskus einen Einheimischen namens Johannes zu sich und bat ihn um seine Mithilfe bei der Verwirklichung eines Wunsches: »Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Betlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen« (Thomas von Celano, Erste Lebensbeschreibung, 84: Franziskus-Quellen (FQ), 250). Gleich nachdem er dieses Anliegen vernommen hatte, ging der treue Freund los, um am vorgesehenen Ort alles Notwendige entsprechend dem Wunsch des Heiligen vorzubereiten. Am 25. Dezember kamen viele Brüder aus verschiedenen Gegenden nach Greccio, und es kamen auch Männer und Frauen von den umliegenden Höfen mit Blumen und Fackeln, um diese heilige Nacht zu erleuchten. Als Franziskus ankam, war schon alles vorbereitet: die Krippe mit Heu, Ochs und Esel. Der Anblick der Weihnachtsszene erfüllte die herbeigeeilten Menschen mit unsagbarer, nie zuvor erlebter Freude. Dann feierte der Priester über der Krippe feierlich die Eucharistie und machte so die Verbindung zwischen der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Eucharistie sichtbar. Bei dieser Gelegenheit kamen in Greccio keine Figuren zum Einsatz: Die Anwesenden selbst stellten die Krippenszene dar und erlebten sie (vgl. ebd., 85: FQ, 250).

So entstand unsere Tradition, als alle um die Grotte versammelt waren, von Freude erfüllt und ohne Distanz zwischen dem stattfindenden Geschehen und denen, die zu Teilnehmern an diesem Geheimnis wurden.

Der erste Biograph des heiligen Franziskus, Thomas von Celano, erinnert daran, dass zu der einfachen und berührenden Szene in jener Nacht noch das Geschenk einer wunderbaren Vision hinzukam: Einer der Anwesenden sah das Jesuskind selbst in der Krippe liegen. An diesem Weihnachtsfest im Jahr 1223 kehrte ein jeder »in seliger Freude nach Hause zurück« (ebd., 86: FQ, 251).

Der heilige Franziskus hat mit der Schlichtheit dieses Zeichens ein großes Werk der Evangelisierung vollbracht. Seine Lehre ist in das Herz der Christen eingedrungen und bleibt bis in unsere Tage ein authentischer Weg, um die Schönheit unseres Glaubens auf schlichte Weise neu darzulegen. Im Übrigen bringt auch der Ort der ersten Krippendarstellung selbst diese Gefühle zum Ausdruck und ruft sie hervor. Greccio wird zu einem Zufluchtsort für die Seele, die sich auf dem Felsen verbirgt, um sich von der Stille umhüllen zu ­lassen.

(…) Das Aufbauen der Krippe in unseren Häusern hilft uns dabei, die Geschichte, die sich in Betlehem zugetragen hat, neu zu erleben. Natürlich bleiben die Evangelien immer die Quelle, die uns ermöglicht, mit diesem Ereignis vertraut zu werden und es zu betrachten. Und doch sind die Krippendarstellungen eine Hilfe, sich die Szenen vorzustellen; sie wecken unsere Zuneigung und laden uns ein, uns in die Heilsgeschichte einbezogen zu fühlen und dieses Ereignis mitzuerleben, das in den verschiedensten historischen und kulturellen Kontexten lebendig und aktuell ist.

Von ihren franziskanischen Ursprüngen her ist die Krippe in besonderer Weise eine Einladung, die Armut zu »fühlen« und zu »berühren«, die der Sohn Gottes bei seiner Menschwerdung für sich gewählt hat. Und so ist sie implizit ein Appell, ihm auf dem Weg der Demut, Armut und Entäußerung zu folgen, der von der Futterkrippe in Betlehem zum Kreuz führt. Sie ist ein Aufruf, ihm in den bedürftigsten Brüdern und Schwestern zu begegnen und in Barmherzigkeit zu dienen (vgl. Mt 25,31-46).

(…) Vor der Krippe kehrt man im Geist gern in die Kindheit zurück, als man ungeduldig den Zeitpunkt für den Krippenaufbau erwartete. Diese Erinnerungen machen uns immer wieder neu das große Geschenk bewusst, das uns durch die Weitergabe des Glaubens zuteilwurde. Zugleich erinnern sie uns an die freudige Pflicht, unsere Kinder und Enkelkinder auch an eben dieser Erfahrung teilhaben zu lassen. Es ist nicht wichtig, wie man die Krippe aufstellt; es kann immer gleich sein oder jedes Jahr anders – was zählt, ist, dass sie zu unserem Leben spricht. Wo und in welcher Form auch immer erzählt die Krippe von der Liebe Gottes, des Gottes, der ein Kind geworden ist, um uns zu sagen, wie nahe er einem jedem Menschen ist, egal in welcher Situation er sich befindet.

Die Krippe ist ein lebendiges Evangelium

In den Tagen vor Weihnachten können wir uns, während wir uns anschicken, Vorkehrungen für das Fest zu treffen, fragen: »Wie bereite ich mich auf die Geburt dessen vor, den wir feiern?«. Eine einfache, aber wirkungsvolle Weise, sich vorzubereiten, ist der Aufbau der Weihnachtskrippe.

(…) Denn die Krippe ist »wie ein lebendiges Evangelium« (Apostolisches Schreiben Admirabilesignum, 1). Sie bringt das Evangelium an die Orte, wo man lebt: in die Häuser, in die Schulen, an Arbeitsplätze und Treffpunkte, in Krankenhäuser und Pflegeheime, in Gefängnisse und an öffentliche Plätze. Und dort, wo wir leben, ruft sie uns etwas Wesentliches in Erinnerung: dass Gott nicht unsichtbar im Himmel geblieben, sondern auf die Erde gekommen ist, Mensch geworden, ein Kind geworden ist. Die Krippe aufbauen bedeutet, die Nähe Gottes zu feiern. Gott ist seinem Volk stets nahe gewesen, aber als er Mensch geworden und geboren ist, war er sehr nahe, äußerst nahe. Die Krippe aufbauen bedeutet, die Nähe Gottes zu feiern. Es bedeutet zu entdecken, dass Gott real, konkret, lebendig und greifbar ist. Gott ist kein ferner Herr und kein distanzierter Richter, sondern er ist demütige Liebe, die zu uns herabgekommen ist.

(…) Die Krippe ist ein Haus-Evangelium. Das Wort »Krippe« bedeutet wörtlich »Futterkrippe«, während die Stadt der Krippe, Betlehem, »Haus des Brotes« bedeutet. Futterkrippe und Haus des Brotes: Die Krippe, die wir zu Hause aufbauen, wo wir Speise und Zuneigung miteinander teilen, erinnert uns daran, dass Jesus die Nahrung ist, das Brot des Lebens (vgl. Joh 6,34). Er ist es, der unsere Liebe nährt. Er ist es, der unseren Familien die Kraft gibt, voranzugehen und einander zu vergeben.

Die Krippe bietet uns noch eine weitere Lehre für das Leben. In den zuweilen hektischen Rhythmen der heutigen Zeit ist sie eine Einladung zur Betrachtung. Sie ruft uns in Erinnerung, wie wichtig es ist, innezuhalten. Denn nur wenn wir uns sammeln können, können wir das annehmen, was im Leben zählt. Nur wenn wir den Lärm der Welt draußen lassen, öffnen wir uns, um Gott zu hören, der in der Stille spricht. (…) Die Krippe ist äußerst zeitgemäß, während täglich in der Welt viele Waffen und viele gewalttätige Bilder hergestellt werden, die in die Augen und ins Herz eindringen. Die Krippe dagegen ist ein kunstvoll gestaltetes Bild des Friedens. Darum ist sie ein lebendiges Evangelium.

(…) Ich wünsche euch daher, dass der Aufbau der Krippe die Gelegenheit sein möge, Jesus ins Leben einzuladen. Wenn wir zu Hause die Krippe aufbauen, dann ist es, als öffneten wir dir Tür, um zu sagen: »Jesus, komm herein!«. Es bedeutet, diese Nähe konkret zu machen, diese Einladung an Jesus, in unser Leben hineinzukommen. Denn wenn er unser Leben bewohnt, dann wird das Leben neu geboren. Und wenn das Leben neu geboren wird, dann ist es wirklich Weihnachten.

Das Jesuskind

»Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.«

Lk 2,1-7

Gott überrascht uns in einem Kind

Wenn wir zu Weihnachten die Figur des Jesuskindes hineinlegen, beginnt gleichsam das Herz der Krippe zu schlagen. Gott zeigt sich so, in einem Kind, um sich von uns in die Arme schließen zu lassen. In der Schwachheit und Zerbrechlichkeit verbirgt er seine alles erschaffende und verwandelnde Kraft. Es scheint unmöglich, doch so ist es: In Jesus war Gott ein Kind und in dieser Gestalt wollte er die Größe seiner Liebe offenbaren, die sich im Lächeln des Kindes zeigt und wenn es jedem seine Hände entgegengestreckt.

Die Geburt eines Kindes weckt Freude und Staunen, denn sie konfrontiert mit dem großen Geheimnis des Lebens. Wenn wir sehen, wie die Augen eines jungen Ehepaars beim Anblick ihres neugeborenen Kindes leuchten, verstehen wir das Empfinden von Maria und Josef, die beim Schauen auf das Jesuskind die Gegenwart Gottes in ihrem Leben wahrnahmen.

(…) Gottes Handlungsweise verwirrt gewissermaßen, denn es scheint unmöglich, dass er auf seine Herrlichkeit verzichtet, um ein Mensch zu werden wie wir. Welch eine Überraschung zu sehen, wie Gott unser Verhalten annimmt: Er schläft, trinkt die Milch der Mutter, weint und spielt wie alle Kinder! Gott ist wie immer verblüffend, er ist unberechenbar und übersteigt ständig unsere Kategorien. Die Krippe zeigt uns also Gott so, wie er in die Welt kam, und fordert uns damit heraus, über unser Leben nachzudenken, das hineingenommen ist in das Leben Gottes; sie lädt uns ein, seine Jünger zu werden, wenn wir zum tiefsten Sinn des Lebens vordringen wollen.

Die kleinen Dinge wiederentdecken

Das Evangelium (…) erzählt die Geburt Jesu, beginnend mit Kaiser Augustus, der im ganzen Reich eine Volkszählung durchführen lässt. Es zeigt den ersten Kaiser in seiner Größe. Doch gleich darauf führt es uns nach Betlehem, wo es nichts Großartiges zu sehen gibt: nur ein armes Kind, das in Windeln gewickelt und von Hirten umgeben ist. Und dort ist Gott, in der Kleinheit. Das ist die Botschaft: Gott kommt nicht hoch erhaben daher, sondern er begibt sich hinab in das Kleine. Die Kleinheit ist der Weg, den er gewählt hat, um zu uns zu gelangen, um unsere Herzen zu berühren, um uns zu retten und uns zu dem zurückzubringen, was zählt.

Brüder und Schwestern, wenn wir vor der Krippe verweilen, wollen wir auf das Zentrum blicken. Lasst uns jenseits der Lichter und der schönen Dekoration das Kind betrachten, in dessen Kleinheit Gott ganz da ist. Das bekennen wir: »Kind, du bist Gott, Gott-Kind«. Lasst uns über dieses Unvorstellbare in Staunen geraten. Derjenige, der das Universum umspannt, muss im Arm getragen werden. Er, der die Sonne gemacht hat, muss gewärmt werden. Der die Zärtlichkeit selbst ist, muss liebkost werden. Die unendliche Liebe hat ein kleines, schwach schlagendes Herz. Das ewige Wort ist ein Baby, unfähig zu sprechen. Das Brot des Lebens muss gefüttert werden. Der Schöpfer der Welt ist obdachlos. Heute ist alles umgekehrt: Gott kommt klein in die Welt. Seine Größe schenkt sich uns in der Kleinheit.

Fragen wir uns: Sind wir fähig, diese Art und Weise Gottes annehmen zu können? Das ist die Herausforderung von Weihnachten: Gott offenbart sich, aber die Menschen verstehen ihn nicht. Er macht sich in den Augen der Welt klein, und wir erstreben weiterhin Größe nach den Maßstäben der Welt, vielleicht sogar in seinem Namen. Gott steigt herab, und wir wollen auf das Podest klettern. Der Allerhöchste zeigt Demut, und wir wollen groß herauskommen. Gott sucht die Hirten, die Unsichtbaren; wir wollen gesehen werden, uns zeigen. Jesus wurde geboren, um zu dienen, und wir verbringen unsere Jahre damit, dem Erfolg nachzujagen. Gott sucht nicht Stärke und Macht, er wünscht Zärtlichkeit und innere Bescheidenheit.