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Als kleines Mädchen darf Mimosa ihre wenig ältere Schwester bei Amy Carmichael in Dohnavur einmal kurz besuchen. Was sie in dieser einen Stunde bei den Christen gehört und gesehen hat, lässt sie nicht mehr los. Sie weigert sich, indische Götter zu verehren und wird dafür von der eigenen Familie gequält. Anders als ihre Schwester (Arulai) bekommt Mimosa nicht das Vorrecht der Gemeinschaft mit Christen. Sie wird mit einem Hindu verheiratet und führt ein Leben voll harter Arbeit und Entbehrungen. Doch in allem wird sie durch Gottes Gnade hindurchgetragen und bleibt ihrem Entschluss treu. Obwohl sie so gut wie nichts aus der Bibel weiß, folgt sie dennoch gehorsam ihrem treuen Herrn, der sie nicht loslässt.
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AmyCarmichael
Mimosa
Todesangst und Lebenssaat
Übersetzt von Erika Wuttke (um 1930),
sprachlich bearbeitet von Heinrich Töws (2022).
Impressum:
© 2024 Christlicher Missions-Verlag e.V., Elverdisser Str. 29, Bielefeld
ISBN: 978-3-86701-712-1
Inhalt
Vorwort
1. Mimosa
2. Ich gehe zum Allerhöchsten
3. Die junge Frau
4. Ihr Allerheiligstes
5. Todesangst und Lebenssaat
6. Nimm dich meines Vögelchens an
7. Haarabschneiden und Talisman
8. Die Kränkung
9. Das Glückskind und der Ochse, der in den Himmel ging
10. Shivas Zeichen
11. Das Unglückskind, der Fünfte
12. Doppelte Genesung
13. Soll ich irre werden an Dir?
14. Arulais Gebetslast
15. Mache dich auf
16. Der goldene Faden
17. Liebe findet den Weg
Vorwort
In Mimosa spiegelt sich die wunderbare Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus wider. Ein einziger Blick auf ihn – und sie war Sein für immer, obwohl sie nicht einmal Seinen Namen kannte.
Als Mimosa mit ihren Kindern zu uns kam, litten wir unter dem Druck von Enttäuschungen. Niedergeschlagenheit drohte uns zu überwältigen. Doch was diese schlichte Frau uns da erzählte, richtete unseren Blick wieder auf. Ihre außergewöhnliche Lebensgeschichte sprach zu uns mit klarer Stimme: „Fürchtet euch nicht! Wo eure Hände nicht hinkommen und wo eure Liebe nicht helfen kann, da reichen Seine Hände hin und da kann Seine Liebe helfen. Was fürchtet ihr noch?“
Mimosas Geschichte macht uns klar, dass weite Entfernungen, hohe Mauern und verschlossene Türen nichts gegen die Liebe ausrichten können, nichts! Und sie stärkt unsere Hoffnung, indem sie uns einschärft: „Der Same ist nicht unser armseliges Wort. Der Same ist das Wort Gottes.“
Amy Carmichael,Dohnavur (Südindien), 1928
1. Mimosa
Mitten im leuchtenden Sonnenschein stand die kleine Mimosa, die Augen voll Tränen. Ihr feines Äußeres, der seidene rotgelbe Sari und die Juwelen, die auf ihrer braunen Haut wie auf dem allerweichsten Samt glänzten, ließen erkennen, dass sie einer wohlhabenden Familie und einer angesehenen Kaste angehörte. Vor dem dunklen Hintergrund des dichtbelaubten Mangobaumes erschien uns ihre zierliche Gestalt wie das Bild eines bunten Vogels der tropischen Wälder. Ihre großen Kinderaugen blickten weich, dunkel und tief. Wir sahen der Kleinen wehmütig nach, als ihr Vater sie nun bei der Hand nahm und mit ihr dem Ausgang des Missionsgeländes zuschritt. Noch einmal wandte sich Mimosa um und versuchte durch die Tränen hindurch einen freundlichen Abschied zu lächeln.
Das war das erste Mal, dass wir sie gesehen hatten, und das einzige bis zur erneuten Begegnung nach vielen langen Jahren. Ihr Vater war ein vornehmer Hindu. Er hatte die kleine Zehnjährige mitgenommen, um seine ältere Tochter Arulai zu besuchen, die sich auf der Missionsstation befand. Aber nichts konnte ihn dazu veranlassen, auch die Jüngere bei uns zu lassen. „Genug an einer Schmach!“, erwiderte er auf unsere und des Kindes Bitten.
Auch nach Arulai hatte er den Arm schon ausgestreckt, um sie mit fortzuziehen. Diesen Versuch machte er jedes Mal, wenn er sie besuchen kam. Aber der ausgestreckte Arm fiel jedes Mal wie gelähmt nieder, und so ließ der Mann sein Kind noch für eine Weile da. „Was ist das nur?“, äußerte er sich einmal: „Es ist, als falle mir eine Macht in den Arm.“ – „Gottes Macht ist es!“, antworteten wir. „Er hat dieses Kind für sich erkoren!“
Arulai hatte in der Missionsschule nicht nur den täglichen Reis genossen. Eine andere, geistliche Speise wurde das himmlische Manna ihrer Seele. Und was konnte der Vater dagegen ausrichten, dass die Seele seines Kindes der Religion seiner Väter geraubt worden war? Aber nun hieß es: „Genug an einer Schmach!“
Die kleine Mimosa hatte nur eine Stunde bei uns verweilen dürfen. Wir hatten die Gelegenheit benutzt, um ihr von dem zu erzählen, der gesagt hat: „Lasst die Kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich.“ Sie hörte uns mit großer Aufmerksamkeit zu, aber sollte sie etwas behalten haben? Das wäre wohl zu viel verlangt gewesen…
Im Frauengemach von Mimosas Elternhaus herrschte große Aufregung. – „Was ist mit dem Kind geschehen?“ – „Bezaubert ist es.“ – „Bezaubert, bezaubert!“ – „Es hat vom Zaubertrank der Weißen getrunken.“ Weibliche Stimmen schwirrten durcheinander. Die Erregung stieg immer mehr. Ja, was war nur los mit der Kleinen? Schon mehrere Tage hatte sie sich geweigert, die Stirn mit heiliger Asche zu bestreichen, wie alle Mitglieder ihrer Kaste es zur Verehrung des Gottes Shiva jeden Morgen taten. Der Widerspruch des Kindes wurde eine Zeit lang ertragen. Ihr Vater hatte mehr Geduld mit ihr als die Mutter. Eines Tages, als er gerade abwesend war, brach ihr Zorn aus…
Die Büchse mit heiliger Asche hing von der Decke herab. Diese heilige Asche ist nichts weiter als verbrannte Kuhmilch, denn diese ist dem gläubigen Hindu hochheilig (wie jeder Bestandteil der Kuh). Einmal im Monat holt der Vater die heilige Asche vom Tempel. Jeden Morgen bestreichen sich Vater und Söhne ihre Stirn, Oberarme und offene Brust. Mutter und Töchter bestreichen sich nur die Stirn. Sich ohne dieses Abzeichen sehen zu lassen gilt als eine Schande.
Mimosa, du Unglückskind, was für ein Wetter zieht sich über dir zusammen!
Mutter, Tanten und Schwestern vereinten sich in dem Bemühen, die standhafte Weigerung der Kleinen zu brechen. „Komm her, du ungezogenes Ding!“, rief die Mutter endlich. Das Kind kam, aber es schwieg. Mimosa hatte ja bereits versucht, sich zu erklären, was sollte sie noch sagen? Man verstand sie ja doch nicht.
Etwas war mit Mimosa an jenem Nachmittag geschehen, als sie von dem lebendigen Gott hörte. Sie hörte von einem Gott der Liebe, der alles gemacht hat – auch sie. Sie hörte von dem Gott, den wir Vater nennen, der die Menschen liebhat. Er hat auch Mimosa lieb, und das hatte sie erfasst. Mehr noch: sie spürte, wie dieser ewig Liebende sich ihres Herzens bemächtigte, und sie wandte Ihm die Liebe ihres Herzens zu.
An diesem Nachmittag war gar keine Rede von dem Aufstreichen der heiligen Asche gewesen, und doch schreckte Mimosa davor zurück, als sie nach Hause kam, und am nächsten Morgen die Büchse mit dem heiligen Inhalt hervorgeholt wurde. Sie fühlte in ihrem Herzen, dass sie davon keinen Gebrauch mehr machen durfte, denn damit würde sie sich Shiva hingeben. Doch Shiva war nicht mehr ihr Gott. Sie hatte einen Gott. Einen Gott der Liebe.
Mimosa wurde mit Nachdruck gefragt, ob sie nachgeben wolle. Empört riefen die Frauen: „Wird der ungebogene Zweig von zehn Jahren sich noch biegen lassen mit fünfzig?“ – „Wird der ungeschlagene Ochse sich unters Joch beugen?“ Endlich entschied die Mutter: „Wenn der Stock tanzt, dann tanzt auch der Affe.“ Und der Stock tanzte…
So vergingen Jahre. Mimosa widerstand trotz vieler Angriffe und Strafen. Nicht wie eine kleine Heilige, nein, sehr unheilige Gefühle tobten zuweilen in der jungen Brust. Die wiederholten grausamen Strafen machten sie bitter. Und dann kam die Frage in ihrem Herzen auf, wo ihr Gott denn bliebe. Wenn Er allmächtig war und sie liebte, warum hielt er nicht die Hand der Mutter davon ab, sie mit dem Stock zu schlagen? Hatte die Liebe, die Besitz von ihrer Seele genommen hatte, sie wieder vergessen? Gab es keine Antwort für das kleine Herz?
Doch Liebe vergisst nie. In den Leidenskelch träufelte sie Tropfen des Trostes. Eine stille Zuversicht, dass sie dennoch geliebt sei, zog in Klein-Mimosas Seele ein. Sie wusste, obwohl niemand es ihr sagte, dass der Gott, den sie nicht vergaß, auch sie nicht vergessen hatte. Ganz allein wurde sie getröstet, ohne eine Spur menschlicher Anteilnahme. Allmählich lernte sie, die schwere Zucht in Geduld anzunehmen.
Nach den strengen Gesetzen der Kaste war für das heranwachsende Mädchen die Zeit des Einsperrens gekommen. Sie wurde nun in engster Haft der inneren Gemächer gefangen gehalten.