Mit dem VW-Bus in die Kupferschlucht - Engelbert Manfred Müller - E-Book

Mit dem VW-Bus in die Kupferschlucht E-Book

Engelbert Manfred Müller

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Beschreibung

In den 90er Jahren verbrachte der Autor mit seiner Frau vier Jahre in Mexiko. Er unterrichtete dort an der Deutschen Schule in Guadalajara. Während dieser Zeit erlebten sie auf teilweise recht abenteuerlichen Reisen die vielfältigen Landschaften, die Kultur und die Menschen dieses Landes. Am eindrucksvollsten waren die Erlebnisse immer dort, wo die archäologischen Stätten eingebettet waren in die lebendigen indianischen Kulturen und ihre noch heute gesprochenen Sprachen. Literarischen Niederschlag fand diese Zeit schon in dem Erzählband So nah und so fremd.

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Zum Text:

In den 90er Jahren verbrachte der Autor mit seiner Frau vier Jahre in Mexiko. Er unterrichtete dort an der Deutschen Schule in Guadalajara.

Während dieser Zeit erlebten sie auf – teilweise recht abenteuerlichen – Reisen die vielfältigen Landschaften, die Kultur und die Menschen dieses Landes.

Am eindrucksvollsten waren die Erlebnisse immer dort, wo die archäologischen Stätten eingebettet waren in die lebendigen indianischen Kulturen und ihre noch heute gesprochenen Sprachen.

Literarischen Niederschlag fand diese Zeit schon in dem Erzählband „So nah und so fremd.“

Zum Autor:

Engelbert Manfred Müller wuchs in Köln auf, lebte und lehrte viele Jahre in Leverkusen und Köln und in Chile und Mexiko. Heute lebt er in Bergisch Gladbach und ist Mitglied der Autorenvereinigung „Wort und Kunst“

Inhalt

Mit dem VW-Bus in die Kupferschlucht

Die Osterreise nach Michoacán

Die Reise nach Chiapas

Mangroven und die Heimat der Azteken

Die Reise nach Veracruz

Mit dem VW-Bus in die Kupferschlucht

Wir hatten von den Tarahumara- Indianern gehört, die als ausdauernde Läufer gelten, und die sich angeblich Drogenräuschen durch den Peyote-Kaktus hingeben. Sie werden auch Rarámuri genannt und leben im Gebiet der Kupferschlucht in Mexikos Nordwesten. Deshalb machten wir uns in den Osterferien 1993 auf eine Reise zu ihrem Osterfest in Norogachi auf.

Gleich nördlich von Guadalajara, nachdem wir die Schlucht des Rio Grande de Santiago durchquert hatten, begann die große Einsamkeit des mexikanischen Nordwestens. Endgültig auf jeden Fall nördlich des Staates Zacatecas. Das bedeutete für unseren VW-Bus, dass er hier immer einen Standplatz in der Weite der Landschaft fand, für uns gleichzeitig ein Gefühl von grenzenloser Freiheit und einer leichten Beklemmung. Würden wir wirklich verschont bleiben von unangenehmen Überraschungen? Manchmal musste wir ein Gatter aufmachen, um ins Gelände zu gelangen. Da kein Mensch zu sehen war, konnten wir auch niemanden fragen.

Die letzte Station vor der Sierra Tarahumara war das Städtchen Parral.

Es liegt schon im Staate Chihuahua und ist bekannt durch den Tod des Revolutionärs Pancho Villa, der hier 1923 einem Attentat zum Opfer fiel. Es wird angenommen, dass es von der mexikanischen Regierung in Auftrag gegeben wurde, eigentlich tragisch, da Pancho Villa diese durch seine Kämpfe erst ermöglicht hatte.

Die Sierra Tarahumara ist ein Teil der Sierra Madre Occidental und liegt auf einer Höhe von 1500 bis 2400 m im Südwesten des mexikanischen Bundesstaats Chihuahua. Es ist der größte Bundesstaat Mexikos mit fast 250 000 km2und damit so groß wie die alte Bundesrepublik. Unser erstes Ziel war die Barranca Sinforosa, ein Teil des Schluchtensystems der sogenannten Kupferschluchten.

Auf dem Weg dorthin begegneten uns tatsächlich schon die ersten Tarahumara-Indianer. Hier war auch unser erster Standplatz in der Sierra, zwischen Bäumen und Opuntien-Kakteen. Als wir am Morgen hier frühstückten, stand er plötzlich mit seinem tiefbraunen Gesicht vor uns. Er trug nicht die Tracht der Tarahumara, wie wir sie später kennenlernen würden. Wir fragten ihn nach der Jesuitenmission, die hier in der Nähe sein sollte. Er gab uns bereitwillig Auskunft.

Bald hatten wir sie gefunden. Die Franziskaner- und Jesuitenmissionen dienten den spanischen Kolonisatoren zur Befriedung der indigenen Bevölkerung, Als die spanischen Eroberer in Batopilas Silberminen entdeckten, wurden die Tarahumara zur Arbeit in den Minen gezwungen und flüchteten daraufhin in die versteckten Täler der Barrancas. Daraufhin ereigneten sich die schlimmsten Kämpfe und blutigsten Aufstände der mexikanischen Geschichte auf ihrem Land. Ab 1607 versuchten die Franziskaner und Jesuiten, die Tarahumara zu bekehren. Einer der ersten Jesuiten dort versuchte, sie mit Gewalt zu missionieren, worauf sie sich bewaffnet zur Wehr setzten. Man sagt von ihnen, dass sie wahrscheinlich die einzige Gruppe von Indígenas sind, die nie unterworfen wurde. Die Integration ins spanische Kolonialreich schließt allerdings nicht aus, dass die Missionare auch positive Entwicklungen bei den Indios anstießen. In dieser Missionskirche fiel uns ein irgendwie eigener, dekorativer Stil auf und die rohe Holzkanzel.

Unser nächstes Ziel war die Barranca Sinforosa. Sie ist mit 1800 m Tiefe die zweittiefste Kupferschlucht und damit so tief wie der Grand Canyon in den USA. Das ganze System ist insgesamt viermal so groß wie der Grand Canyon. Der Name Kupferschlucht leitet sich vom kupferfarbenen Schluchtengestein ab. Eine Eisenbahnlinie führt über 360 km von der Küste bei Los Mochis nach hier oben, bis Creel. Wir aber zogen es vor, ganz alleine in unserem VW-Bus dorthin zu reisen. Auf dieser Karte sieht man ganz gut die verschiedenen Schluchten des Systems, ganz unten die Sinforosa-Schlucht, dann folgt die Batopilas-Schlucht. Oben rechts liegt der Ort Norogachi, wo wir die Feier der Karwoche sehen wollten.

Das letzte Wegstück zur Sinforosa war eine pure Ansammlung von rotem Staub. Den Effekt sieht man auf unserem Nummernschild. Fahrzeuge wie unser Auto sahen wir auf diesem Weg keins. Wenn wir uns recht erinnern, mussten wir vor der Einfahrt auch irgendwo ein Gatter öffnen. Und dann standen sie auf einmal vor uns.

Und dann standen sie auf einmal vor uns. Ich war so fasziniert, dass ich aussteigen musste und sie fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen dürfe. Ich sprach natürlich Spanisch. Ob sie mich verstanden, weiß ich nicht. Auf jeden Fall blieben sie stehen, bis ich das Foto geschossen hatte. Nie werde ich den Anblick dieses Paars vergessen. Er mit seinem weißen Kopfband über dem tiefbraunen Gesicht mit den glatt herunterhängenden pechschwarzen Haaren, über der bunten Weste eine fremdartig wirkende graublaue Jacke. Darunter ein fast knielanges hosenartiges weißes Kleidungsstück, Beine und Füße nackt. (Lendenhose nennt man wohl dieses Kleidungsstück, wie ich gerade bei Wikipedia gelernt habe.) Dazu trug er flache Sandalen, im Gegensatz zu seiner barfuß gehenden Frau.

Sie ging tatsächlich barfuß trotz des steinigen Bodens. Ihre Kleidung war wesentlich farbiger als die ihres Mannes. Die lockere Bluse mit Ärmelbündeln war rot mit großen weißen Punkten. Der weite Rock mit einem Muster aus blauen und gelben Blumen ließ bloß ihre Füße frei. Ihr Kopfband fiel weiß und rot gemustert herunter. Beide hatten außerdem noch einen hellen Schal um den Hals geschlungen. Der Mann stützte seine rechte Hand auf einen Stock, seine Frau trug in der rechten Hand einen Plastikkanister, vielleicht mit Trinkwasser. Irgendwie wirkten sie schon herausgeputzt. Und selbstbewusst sowieso. Wer weiß, wie weit her sie gekommen waren, und wie weit sie noch gehen wollten. Zu einem Fest bei Verwandten vielleicht? Wir sollten es nie erfahren. Leider lernten wir alle Tarahumaras auf dieser Reise nicht persönlich kennen. Ob es auf Grund der Sprache überhaupt möglich gewesen wäre? Ihre Sprache, Tarahumara oder Rarámuri, gilt als eine utoaztekische Sprache, eine Sprachgruppe, die in Nord- und Mittelamerika weit verbreitet ist.

Wir fanden einen Standplatz direkt am Rande der grandiosen Schlucht- und waren völlig alleine.

Ein endloser Weg unserer Augen bis zum schmalen sich schlängelnden grünen Talboden, von steilen Kämmen gekrönte Schrunden, Absätze mit fast lauschigen Plateaus von goldenen und olivfarbenen Baumgruppen, ein ununterbrochenes Schauspiel für unsere unersättlichen Augen. In der darauffolgenden Vollmondnacht warfen wir ab und zu einen Blick auf die silberne Scheibe und horchten auf den Gesang der Zikaden und die atemlose Stille der großartigen Landschaft.

Der nächste Standplatz bestach durch den betörenden Honigduft des blühenden Lorbeers. Ringsum aber noch allerlei andere Blüten, die wir nicht kannten. Und vor uns eine weitere Aussicht auf eine Schlucht.

Auch die nächste Schlucht, die von Batopilas, erreichten wir über holprige Schotter- und Erdstraßen. Hier führte die nicht ungefährliche Serpentinenstraße aber letztlich bis zum Talboden.

Und da stand plötzlich wieder einer vor uns, ein Tarahumara.