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Wenn Donald Trump hinter dem Rücken von Hillary Clinton Grimassen schneidet, wenn der Chef jeden wohlformulierten Einwand mit einem Dreiwortsatz kontert oder die Kollegin mit großer Geste den Konferenztisch dominiert – dann sind das klare Machtbotschaften. Nie geht es im Gespräch nur um Argumente, manche Menschen verzichten sogar ganz auf sie. Doch dagegen kann man sich wappnen. Der renommierte Coach und Bestsellerautor Peter Modler analysiert Situationen in Politik und Unternehmenswelt, in denen die Machtspieler die Oberhand haben. Am Ende formuliert er zehn konkrete Widerstandsregeln. Schlagen Sie die Ignoranten mit ihren eigenen Waffen: Es ist alles eine Frage der Technik!
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Seitenzahl: 170
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Peter Modler
MIT IGNORANTEN SPRECHEN
Wer nur argumentiert, verliert
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Wenn Donald Trump hinter dem Rücken von Hillary Clinton Grimassen schneidet, wenn der Chef jeden wohlformulierten Einwand mit einem Dreiwortsatz kontert oder die Kollegin mit großer Geste den Konferenztisch dominiert – dann sind das klare Machtbotschaften. Nie geht es im Gespräch nur um Argumente, manche Menschen verzichten sogar ganz auf sie. Doch dagegen kann man sich wappnen. Der renommierte Coach und Bestsellerautor Peter Modler analysiert Situationen in Politik und Unternehmenswelt, in denen die Machtspieler die Oberhand haben. Am Ende formuliert er zehn konkrete Widerstandsregeln. Schlagen Sie die Ignoranten mit ihren eigenen Waffen: Es ist alles eine Frage der Technik!
Vita
Peter Modler betreibt seit 1998 in Freiburg i. Br. eine eigene Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Firmensanierungen und Coaching. Über 2000 Führungskräfte haben an seinen Workshops und Trainings teilgenommen. Bekannt geworden ist er als Erfinder des »Arroganz-Trainings® für führende Frauen«. Zuletzt erschien von ihm »Die freundliche Feindin« (2017).
Vorwort — Oder: Der Schiffbruch der Argumente
Ignoranten – von Unschuld und Absicht
Schluss mit Lähmung
Kapitel 1Die Absicht der Kulisse — Oder: Wie Bühnenbilder Politik machen
Räumliche Zeichensprache
Die zwei Systeme
Eskalation
Kapitel 2Die Ohnmacht der Argumente — Oder: Wenn Niveau nichts nützt
High Talk auf tönernen Füßen
Intellektueller Hochmut
Die Napoleon-Taktik
Kapitel 3Geöffnete Räume — Oder: Wie man spricht, ohne zu reden
Der sexistische Kandidat
Alles nur Worte
Territoriale Aggression
Eigentore und Köder
Selbstfesselung
Kapitel 4Das verweigerte Training — Oder: Wenn Faktenwissen zum Untergang führt
Die Musterschülerin
Verpasste Chancen
Keine Kunst ohne Training
Der Ärger des Dalai Lama
Kapitel 5Die ausgeblendete Alternative — Oder: Warum der richtige Move entscheidet
Fester Griff ums Mikrofon
Die unzähligen Trumps
Deutsche Exempel
Tools of Resistance
Kapitel 6Die Gesetze der Rampe — Oder: Wie man Weichen stellt
Bühnenverhalten
Shampoo-Prinzessin
Eher Generalin als Sekretärin
Kapitel 7Die Zumutung und der Switch — Oder: Warum Japanisch nicht böse ist
Frühwarnsysteme
Der Switch als Herausforderung
Kapitel 8Die Nebelmaschine — Oder: Wie man Lufthoheit unterbindet
Rosa Zettel
Fernseher verkaufen
Kapitel 9Der Geruch von Benzin — Oder: Wie man einen Standard verteidigt
Brennbares Material ignorieren
Showdown im Landtag
Das peinliche Glöckchen
Der blinde Fleck
Kapitel 10Das Patt als Erfolg — Oder: Wer zuständig ist für Ergebnisse
Zuständig für Lösungen
Peinliche Pausen
Patt ohne Zögern
Kapitel 11Die Teflon-Formeln — Oder: Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht?
Das Gegenteil von originell
Das Formel-Biotop
Der Formel-Killer
Kapitel 12Die Normalität der Lüge — Oder: Wenn man dem Ochsenins Horn kneift
Lüge als Haltung
Ambivalenz von Pathos
Kapitel 13Mit Ignoranten sprechen — Oder: Zehn goldene Regeln
Lernen vom Gegner
Literatur/Medien
Literatur
Videos/Filme
Weitere Bücher von Peter Modler
Oder: Der Schiffbruch der Argumente
In Paris unterwegs sein und sich verlaufen: ganz leicht. Aber der Zug fährt nun mal am Bahnhof ab, den muss ich finden, und darum frage ich Passanten nach dem Weg zum Gare de l’Est und bekomme die Antwort: »Je l’ignore« – Ich weiß es nicht.
Eine ganz und gar unschuldige Aussage. Da kennt halt jemand ein Faktum nicht, tut auch gar nicht so, als ob er es kennen würde, und schickt mich dann auch nicht, etwa aus falscher Höflichkeit, in eine Sackgasse. Nein, er gibt sein Nicht-Wissen offen zu, und ich kann, ohne schlechte Gefühle, einfach jemand anderen fragen. Je l’ignore. Diese Sorte Ignoranz hat keinerlei bewertenden Unterton – im Französischen.
Im Deutschen ist das schon ganz anders. Da gibt es bei diesem Wort Ausschläge in zwei Richtungen: Ignoranz ist das Nichtwissen aus purer Unkenntnis, womöglich auch noch mit einem gewissen Stolz auf genau diese Beschränktheit (»Ich war noch nie im Nachbardorf und will auch gar nicht hin«). Gemäß dem doppelten Fluch der Inkompetenz aus der Lernforschung: Dass jemand etwas nicht weiß, ist der erste Fluch. Aber dass sie oder er nicht mal weiß, dass sie/er es nicht weiß, ist der zweite.
Unter dem Dach der Ignoranz wohnt im Deutschen aber auch das absichtlich inszenierte Nicht-Wissen: Wer etwas »ignoriert«, macht das nämlich ganz bewusst. Eigentlich weiß sie oder er es besser oder nimmt durchaus ein Faktum wahr – entscheidet sich aber ganz reflektiert, das auszublenden. Aus Ohnmacht oder mit gemeiner Intention. Von Unschuld kann hier keine Rede sein.
Ich leite das Meeting. Dann kommt wieder einmal ein nerviger Einwand von Sven. Aber ich ignoriere das und mache weiter, als hätte es die Äußerung nie gegeben. Geht ziemlich oft durch. Sowieso, wenn ich der Chef bin.
Oder ich ignoriere Sven ganz bewusst nicht, weil es zu meinem Ethos gehört, dass alle im Raum zu ihrem Recht kommen sollen, und womöglich fängt nun ein Hin und Her über irgendeinen Randaspekt des Themas an, bis die Besprechung so ausufert, dass am Ende alle genervt sind, dass ich Sven nicht übergangen habe. Jaja, alles nicht so einfach mit diesem Ignorieren.
Vom Verb zum Substantiv gewinnt das Urteil über den Vorgang des Ignorierens, jedenfalls im Deutschen, sogar noch an Abfälligkeit: Der ist eben ein Ignorant! Die ist eine Ignorantin! Pure Ignoranz! Zumindest unter Intellektuellen wird es dann zu etwas aus dem Kontext der Schimpfwörter.
Aber – was, wenn nun genau hier der Schlüssel liegt zur Lösung vieler unangenehmer Erfahrungen? Wenn genau die so schlecht beleumundete Ignoranz mehr Freiheiten verschafft und mehr Handlungsspielraum? Wenn es, gerade für Intellektuelle und vor allem in den großen öffentlichen Auseinandersetzungen, einen enormen Gewinn bedeutet, sich Ignoranz zu eigen zu machen, statt sie reflexartig zu ignorieren? Wenn die Taktiken der Ignoranten zu einem Werkzeug in den Händen der Differenzierer werden könnten, zu einer Zeit, wo die Populisten große Feste feiern?
Ein Werkzeug, das offensichtlich dringend gebraucht würde. Denn leider läuft es bislang oft ganz anders ab. Wer gegenüber Simplifizierern fortwährend auf Argumente setzt, erleidet regelmäßig Schiffbruch.
Das gestehen sich Intellektuelle in der Regel aber nicht ein. Sie reden sich ihre Niederlagen schön und trösten sich lieber mit warmen Solidaritätsbekundungen unter ihresgleichen. Man postet irgendwas Empörtes und bekommt auch prompt seine folgenlosen Likes, schreibt seinen 500-Zeichen-Kommentar und beklagt politischen Sittenverfall. Gerade Leute mit einem akademischen Hintergrund muten sich die Kränkung nicht zu, dass ihre durchdifferenzierten Argumentationsketten in vielen existenziellen Auseinandersetzungen zu gar nichts führen. Statt sich mal hinzusetzen und sich schonungslos darüber Rechenschaft zu geben, warum man kommunikativ so brutal untergegangen ist.
Hinzu kommt offensichtlich auch eine gewisse Anziehungskraft, ja fast so etwas wie Neid. Denn man erlebt immer wieder, wie diese Null-Argumentierer Erfolg haben, wie sie tatsächlich bekommen, was sie wollen, wie sie das Klima bestimmen. Während die ausdifferenzierenden Kräfte immer wieder das Nachsehen haben. Wie machen das diese Ignoranten? Das würde man doch auch irgendwie gern wissen.
Genau das schauen wir uns in diesem Buch an. Wir begeben uns auf die Spur der Ignoranten im öffentlichen Leben wie im Unternehmen. Oder, etwas analytischer ausgedrückt: Wir betrachten die kommunikativen Werkzeuge konfrontativer Auseinandersetzungen im öffentlichen und firmeninternen Kontext. Es versteht sich von selbst, dass diese – so ist das nun einmal mit Werkzeugen – so oder so angewandt werden können. Wofür die Werkzeuge an sich noch gar nichts können.
Denn jeder Spaten oder jeder Schraubenzieher hat zwar einen vorherbestimmten Verwendungszweck, kann jedoch auch für gänzlich andere Absichten eingesetzt werden. Aber nur, weil jemand diese Werkzeuge zweckentfremdet oder unangenehm nutzt, kann man sie doch nicht grundsätzlich infrage stellen oder gar ablehnen.
Es lohnt sich, auch bei kommunikativen Werkzeugen in jedem Fall genauer hinzuschauen. Wenn Hillary Clinton von Donald Trump in einer öffentlichen Auseinandersetzung abserviert wird, dann kann ich natürlich einerseits über den Charakter Trumps herziehen, mich über seine politischen Inhalte aufregen und ihn als Brechmittel empfinden. Das ist ganz leicht und bringt mir schnellen Applaus ein. Andererseits könnte ich auch mal meinen Job als Intellektueller machen und mir bis ins Detail ansehen, mit welchen Mitteln es einem Nicht-Argumentierer gelingt, eine argumentationsstarke Gegnerin technisch erfolgreich zu treffen und zu lähmen. Weil ich nämlich sogar von so einem Unsympathen handwerklich etwas lernen kann. »Sine ira et studio« (um es mal ganz humanistisch hinzuwerfen).1
Wenn wir gegen die rhetorischen Taktiken von Ignoranten eine Chance haben wollen, dann müssen wir uns die Mühe machen, ihr Vorgehen zu entschlüsseln: die handwerkliche Perfektion, mit der kommunikative Tools eingesetzt werden, die sämtliche Regeln auf den Kopf stellen, die wir an Schule und Universitäten gelernt haben, aber enorme Effekte haben können. Argumente spielen dabei eine auffallend geringe Rolle. Die Kriterien des guten alten Besinnungsaufsatzes – eigene Gründe darstellen, dann die Gründe der anderen Position, dann eine Synthese? Praktisch obsolet. Die Vorstellung von der nüchtern vorgetragenen Sachlichkeit ohne großen physischen Bewegungsaufwand, sozusagen rollkragenpullovermäßig? Überholt. Der Ignorant ignoriert all das, gebärdet sich ganz anders und kommt damit ziemlich weit.
Dabei kann sein Auftritt die unterschiedlichsten Formen annehmen: Im Grafikdesign einer Partei (Wahlkampfplakate) oder eines Unternehmens (Werbemittel), im Film (YouTube und die Influencer lassen grüßen) und selbstverständlich im geschriebenen Wort. In diesem Buch beschränken wir uns auf die Taktik der Ignoranten in der direkten Konfrontation. Da, wo sie sich in lebendigen Szenen zeigt, live, dramatisch, mehr oder weniger öffentlich. Hier hat der Ignorant von heute seinen großen Auftritt. Man könnte das geradezu im Rahmen einer zeitgenössischen Kunstform verorten: der Performance.
So lassen sich nämlich viele öffentliche Konfrontationen von Politikerinnen und Politikern oder Personen des öffentlichen Lebens noch am ehesten verstehen. Diese Szenen haben oft etwas merkwürdig Künstliches, finden in wiederkehrenden Mustern statt und arbeiten laufend mit symbolischem Material (und oft nach genauem Drehbuch). Das eine Staatsoberhaupt wird vom anderen schon bei einer Begrüßung geplant herabgestuft; eine Regierungschefin immunisiert sich erfolgreich gegen eine beabsichtigte Demütigung; eine Partei unterläuft den parlamentarischen Standard und die Kontrollinstanz versagt. Vergleichbare Szenen finden sich aber ganz alltäglich auch in der Mikropolitik vieler Firmen und Organisationen. Auch dort ist das Bühnenverhalten oft alles und das rationale Argument – leider, leider – nichts.
Der Umgang mit Ignoranten hat schließlich auch große Bedeutung für die Zukunft einer Demokratie. Bisher war es zumindest hierzulande noch weitgehend üblich, dass etwa der Streit unter Demokraten überwiegend »hart in der Sache, verbindlich im Stil« ausgetragen wurde. Spätestens mit dem Einzug der AfD in die deutschen Parlamente ist jedoch auch dort vielfach Trump-Niveau erreicht. Ganz zu schweigen von der FPÖ oder den schweizerischen Blochers. Auf deren politische Auftritte immer wieder allein argumentativ zu reagieren (à la »Mit Rechten reden«) stoppt solche Leute nicht.
Die meisten Machtfragen werden zwar eher unspektakulär entschieden, geräuschlos im Hintergrund und oft anonym. Es gibt aber auch Situationen, wo Machtmechanismen ins Scheinwerferlicht geraten, wo man sie einfach nicht mehr ignorieren kann. Stunden der Wahrheit, in denen schmerzlich deutlich wird, was wir sonst lieber übersehen. Dann bekommen wir eine Chance, mehr darüber zu erfahren und zu verstehen, wie menschliche Kommunikation funktioniert. Und darum sollten wir dann ganz genau hinhören und hinsehen. Auch wenn uns vielleicht nicht gefällt, was wir da entdecken.
Zu diesen Situationen plötzlicher Klarheit zählen etwa die drei großen Präsidentschaftsdebatten zwischen Hillary Clinton und Donald Trump im Jahr 2016.
Was da vor Millionen von Zuschauern ablief, war kein singuläres, vorübergehendes Ereignis, das irgendwann seine Bedeutung verlieren würde. Nein, die Bedeutung bleibt, und zwar einfach deswegen, weil es sich um ein Paradigma handelte, ein Lehrbeispiel, dessen Relevanz die eines einzelnen US-amerikanischen Wahlkampfes weit übersteigt. An diesem Exempel lässt sich in geradezu beklemmender Weise die Taktik der Ignoranten deutlich machen, man könnte fast von einer »Kunst der Ignoranten« sprechen.
Und wie so oft, wenn Europäer eine Entwicklung aus den USA mit einer Mischung aus Grausen und heimlicher Faszination verfolgen und inständig hoffen, dass sie selbst davon verschont bleiben, stellt sie sich ein paar Jahre später tatsächlich auch bei uns ein. Die drei epochalen Fernsehdebatten zwischen Hillary Clinton und Donald Trump zeigen einen Zusammenprall kommunikativer Welten, der viele auch hierzulande beliebte Lebenslügen und gern gehegte Illusionen zerstört.
Nach den Fernsehdebatten zwischen Frau Clinton und Herrn Trump war sie hinterher in der links-demokratischen US-Presse noch als argumentative Gewinnerin gefeiert worden. Wer sich die drei Auftritte allerdings ganz genau ansieht und sich besonders dramatische Szenen immer wieder zumutet, erkennt deutlich, wie oft Clinton tatsächlich am Verhalten Trumps scheiterte. Ihre rhetorische Kraft, die von denen gerühmt wurde, die selbst auf eine begründende Kommunikation setzen, nützte ihr überhaupt nichts gegen einen Gegner, der das Spiel, das Clinton erwartet hatte, einfach nicht mitmachte. In entscheidenden Szenen war Clinton hilflos.
Um diesen Mechanismus und die Hilflosigkeit, die er erzeugt, geht es in diesem Buch. Wenn die Kunst der Ignoranten in ihrer Hochform auftritt, dann hat sie diesen zermürbenden Effekt. Solche Auftritte sind weder auf die USA noch auf die erste Reihe der Politik beschränkt. Diese Tatsache ging im Fall der exemplarischen Konfrontation zwischen Clinton und Trump hierzulande vor lauter Entrüstung, vor lauter moralischer Hybris ziemlich unter. Doch genau das läuft auch bei uns, im Kleinen, nach denselben strukturellen Regeln, ganz genauso jeden Tag ab. Nur dass halt keine Fernsehkamera dabei ist.
Da geht es dann zwar nicht um eine Präsidentschaft. Auch nicht darum, wie lange eine einzelne Person tatsächlich an der Macht bleibt, die sich temporär durchgesetzt hat. Stattdessen geht es vielleicht um das berufliche Überleben einer Abteilungsleiterin oder um die Gehaltsverhandlung eines Mitarbeiters, um den Widerstand gegen eine willkürliche Kündigung oder darum, einem miesen Vorgesetzten vor allen anderen entgegenzutreten. Übrigens auch um sexuelle Übergriffe (die nämlich einer vergleichbaren Struktur folgen).
Für die Betroffenen sind solche Situationen jedenfalls ebenso dramatisch wie die auf der großen TV-Bühne, wenn sie nicht sogar zu Traumata werden. Die Regeln, nach denen solche beruflichen Konfrontationen ablaufen, sind nicht anders als die zwischen Clinton und Trump. Und die denkbaren Lösungen auch nicht. Es sind Lösungen, bei denen die Taktik, derer sich Ignoranten bedienen, auch von den Betroffenen angewendet werden kann, nicht etwa nur von einer Seite.
In diesem Buch beschäftige ich mich damit, welche Mechanik in solchen Auseinandersetzungen zu Lähmung und Niederlage führen kann (auch wenn man argumentativ stärker ist). Aber wir arbeiten auch heraus, wie sich dieselbe Mechanik umdrehen lässt – im Interesse derer, die Argumenten am Ende zu ihrem Recht verhelfen wollen.
Im ersten Kapitel gehe ich auf die Bedeutung von Rang- und Revierfragen ein und stelle zwei Kommunikationssysteme vor, deren Unterschiede von enormer Tragweite sind. In Kapitel zwei und drei beziehe ich diese Systeme auf das dramatische Aufeinandertreffen von Trump und Clinton, als Beispiel für viele vergleichbare Konfrontationen. In Kapitel vier schaue ich mir an, von welchen falschen Voraussetzungen schon Clintons Vorbereitung ausging. Kapitel fünf betrachtet viele analoge Beispiele aus dem deutschen Sprachraum – Angela Merkel, Olaf Scholz, Horst Seehofer, das Verhalten der AfD in Landtagen und so weiter.
In Kapitel sechs treffen wir auf einen exemplarischen Fall aus einer deutschen Organisation. An diesem Beispiel werde ich praktisch umsetzbare Lösungsmöglichkeiten erklären. Kapitel sieben stellt die diagnostischen Tools vor, mit deren Hilfe wir den Charakter vieler Aktionen schon in einem frühen Stadium erkennen können. Kapitel acht kümmert sich darum, was wir tun können, wenn wir auf Aggressoren treffen, die Desorientierung erzeugen. Im Kapitel neun geht es um Moderatorinnen und Moderatoren, deren Beschränktheit übergriffiges Verhalten überhaupt erst ermöglicht. Kapitel zehn zeigt, dass aus Pattsituationen eine Produktivität entstehen kann, die oft unterschätzt wird. In Kapitel elf geht es um Gegner, die andere mit bloßen Formeln fertigmachen. Kapitel zwölf setzt sich mit chronischen Lügnern auseinander. Das letzte Kapitel schließlich stellt zehn bewährte Regeln der Anwendung ignoranter Technik vor – im Interesse aller, die verhindern wollen, dass die Argumentierer am Ende verlieren.
Ich will jedoch auch offen sagen, was dieses Buch nicht leistet. Es ist kein Leitfaden zur Bekämpfung des Populismus. Es ersetzt nicht die Erarbeitung einer politischen Strategie. Es reflektiert weder Trolle noch Tweets. Es analysiert auch nicht die Gründe für die Wahlerfolge populistischer Gruppen. Es entfernt keine großmäuligen Regierungschefs aus dem Amt. Sein Anliegen ist ein wenig bescheidener: seinen Leserinnen und Lesern zu zeigen, mit welchem Handwerkszeug sie Ignoranten in der direkten Konfrontation entgegentreten können. Diese Antwort werden Sie hier finden.
Noch zwei kleine technische Hinweise: Mit Ausnahme der allgemein bekannten Namen prominenter Politikerinnen und Politiker oder von Urhebern ausgewiesenen belegten Zitate sind die Eigennamen in diesem Buch ausgedacht, Ähnlichkeiten also rein zufällig. Von mir verwendetes Material mit Englisch als Originalsprache habe ich selbst übersetzt.
Mein Dank für jedwede Mühe mit diesem Text geht an Anne Kotterer und an Ekkehard Pohlmann.
Amoltern, im Frühjahr 2019
Peter Modler
Oder: Wie Bühnenbilder Politik machen
Als ich vor einigen Jahren zu einer Besprechung mit einer Konzernspitze eingeladen wurde, erwartete mich ein überaus typisches Tableau. In der Lobby des Konzerngebäudes meldete ich mich am Empfang an. Es war gerade viel los, Leute unterhielten sich und sprachen laut in ihre Smartphones, während sie auf und ab gingen, am Empfangstresen war eine kleine Schlange entstanden, alles busy, busy. Ich musste erst einmal eine Weile warten, bis von ganz oben grünes Licht kam. Ich bekam einen Besucherausweis, den ich sichtbar tragen sollte, und fuhr mit dem Aufzug ein paar Stockwerke nach oben.
Als ich dort den Lift verließ, war ich in einer schweigenden Welt angekommen. Dicker Teppichboden. Stille überall. Eine Mitarbeiterin in elegantem Outfit näherte sich mir, führte mich ums Eck und bat mich freundlich lächelnd, kurz noch Platz zu nehmen, bevor mich jemand abholen würde. Ob ich einen Cappuccino haben wolle? Wollte ich nicht. Daraufhin entfernte sie sich und ich betrachtete mir das Mobiliar, das für mich zum Warten vorgesehen war: Es war ein gut sechs bis acht Meter langes Designersofa aus Leder und Stahl. Rings um das Sofa Glasfronten, durch die man auf die Stadt sehen konnte. Das Ambiente, in dem das Sofa stand, war, gelinde gesagt, äußerst weiträumig.
Noch bevor ich mit einer einzigen Person vom Vorstand geredet hatte, war die ganze Zeit bereits mit mir gesprochen worden. Nicht verbal, wohl aber räumlich. Versuchsweise nahm ich Platz auf diesem Sofa. Doch ich stand gleich wieder auf. Es war zu offensichtlich, welcher Eindruck mir da innenarchitektonisch vermittelt werden sollte: Am besten kommst du dir klein vor. Genauso sehen wir dich hier auch und mit genau diesem Gefühl bist du uns am liebsten.
Lange bevor Machtbotschaften explizit und verbal ausgesprochen werden, werden sie in vielen Fällen bereits durch eine räumliche Inszenierung deutlich gemacht. Darauf kann man sich dann demütig einlassen oder sich von vornherein innerlich dagegen wappnen. Solche Bühnenbilder dienen in der Regel nur dem Interesse einer einzigen Seite, nicht beiden. Vielleicht sollte man derlei Installationen geradezu dankbar sein, weil sie wie ein Warnschild in aller Deutlichkeit darauf aufmerksam machen können, von welchem Rangunterschied die Gegenseite ganz selbstverständlich ausgeht.
Dennoch wird die Bedeutung dieser räumlichen Zeichen regelmäßig unterschätzt, und das nutzen die Ignoranten. Wie in diesem Beispiel: Die Professorin betritt den Raum des unterdrückerischen Institutsleiters und nimmt brav Platz in einem Couchensemble mit tief liegenden Sitzflächen, in dem sie nicht aufrecht sitzen kann, sondern nur so, dass ihr Zwerchfell eingeklemmt wird. Wenn man zum ersten Mal einen Raum betritt, kann das schon mal vorkommen. Aber wenn ein Meeting immer wieder an diesem Ort stattfindet und die Professorin regelmäßig in so einer Besprechung das Gefühl hat, nicht genügend Luft zu bekommen (kein Wunder, wenn ihr auch das Zwerchfell abgedrückt wird) – warum setzt sie sich dann freiwillig immer auf ausgerechnet diesen miesen Platz? Der Institutschef, der sich diese Versuchsanordnung vor Jahren so eingerichtet hat, wundert sich manchmal selbst darüber, dass alles Folgende so vorhersehbar abläuft. Er selbst sitzt natürlich ganz woanders.
Doch es gibt auch andere Beispiele, wie genau diese Raumregie im eigenen Interesse eingesetzt wird. Etwa der Kollege, der regelmäßig in mein Büro hereinschneit, den Besucherstuhl in Beschlag nimmt und mich dann zeitraubend zutextet. Bis zu dem Tag, an dem ich den Besucherstuhl vollgeladen habe mit Büchern und Unterlagen, so dass er sich nicht mehr hinsetzen kann. Und schon hört das auf. Oder der für das Meeting politisch besonders wichtige Platz gegenüber der Chefin und nahe an der Präsentationstechnik, wo, lange bevor das Meeting losgeht, mein Sakko über der Lehne hängt. Das ist das »Besetzt«-Zeichen, das ziemlich fraglos respektiert wird. Und schon hat sich mein Einfluss im Raum vergrößert, obwohl meine Kollegen da auch gern gesessen hätten.
Die große Politik arbeitet genauso mit den Kulissen. Es gibt ein bezeichnendes Foto aus der Endphase der Amtszeit von Präsident Barack Obama, als er zum ersten Mal den neu gewählten kanadischen Premierminister Justin Trudeau empfängt. Obama steht mit seiner Frau Michelle