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«So hatte ich den Küchenchef noch nie gesehen. Seltsam verändert. Blass sah er aus. Um Jahre gealtert. Er musste Schreckliches erlebt haben. Da draußen. Hinter der Schwingtür.» Wie fühlt es sich an, für Deutschlands prominentesten Restaurantkritiker zu kochen und dabei grandios zu scheitern? Wie schmeckt Kartoffelsalat aus der Fritteuse? Und warum können die Deutschen nicht grillen? Von verzweifelten Köchen, unberechenbaren Lebensmitteln, Kellnern mit Schwimmflügeln, dem Hummerflüsterer und dem Siegeszug der gesamtdeutschen Bratwurstpalme erzählt dieses appetitanregende Buch. «Das ist lecker, Nachschlag erwünscht!» (Hamburger Abendblatt) «Unter den schreibenden Köchen ist er ein Poet, ein Tänzer.» (Stuttgarter Nachrichten)
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Seitenzahl: 125
Stevan Paul
Monsieur, der Hummer und ich
Geschichten vom Kochen
Rowohlt Digitalbuch
Für Cathrin
Fettiger Rauch steigt von ungezählten Grillrosten hinauf in die backsteinschwere Mittagshitze, verwirbelt zwischen akkurat gestutzten Hecken. Es ist ganz still hinter den grünen Abgrenzungen, nur die Kinder stürmen ans Gatter, wenn sich die Fremden nähern, winken und lachen. Es ist ja sonst nichts los hier, die rostigen Wippen langweilen, und im Garten welken die Erziehungsberechtigten auf sonnengebleichten Liegestühlen. Von allen Seiten schaut die Stadt herein, Hochhäuser und Baukräne umzäunen das wohlgeordnete Grün, werfen schüchterne Schatten auf die gezirkelten Grasränder und verhalten sich ansonsten still und leise. Kein Ton weht herein, auch die Stadt hält sich an die vorgeschriebene Mittagsruhe zwischen 13:00 und 15:00 Uhr, und das ist mit Sicherheit das Verdienst von Herrn Böhme.
Herr Böhme ist Vorstand des Schrebergartenvereins Wohlauf 1956 e.V. und verkündet auf einem in Frakturschrift verfassten Zettel, der in einem verwitterten Glaskasten am Eingang des Vereins hängt, dass die Mittagsruhe unbedingt einzuhalten sei sowie das Rasenmähen, Heckenschneiden, Hämmern und Zimmern an Sonn- und Feiertagen zu vermeiden. Des Weiteren behalte Herr Böhme sich vor, jederzeit und ohne Vorankündigung eine Gartenbegehung zu machen! Die Warnung zeigt Wirkung, sauber und gepflegt präsentieren sich die Gärten rechts und links der schmalen Wege, dunkel lasiert glänzen die Miniaturheime in der Sonne, und selbst aus den Heeren der Gartenzwerge tanzt keine Mütze aus der Reihe. Und diese Ruhe! Wenn man stehen bleibt und die Kiesel nicht mehr unter den Schuhen knirschen, dann kann man sogar hören, wie hinter den Hecken Grillwürstchen gewendet werden.
Demis stört lautstark den Mittagsfrieden und sorgt für Orientierung: «Gia sou! Bin ich hier hinten!» Ja, da steht er, Demis, die zweite Generation der großen griechischen Gastronomenfamilie unserer Stadt, winkend hinter einem blau gestrichenen Gatter am Ende des Weges. Er sieht aus, als stünde er in seinem Restaurant, den muskulösen Oberkörper nahtlos eingenäht in ein sehr knappes T-Shirt mit Jeansaufdruck, er trägt weiße Segelhosen mit Bügelfalte zu hellbraunen Slippern. Das schwarze Haar bürstenkurz, seine Augen lachen hinter den Gläsern einer imposanten Dior-Brille. Er sieht aus, als gehöre er hier nicht hin.
«Willkommen auf griechische Boden!», brüllt er, drückt meine Freundin fest an sich und zerquetscht mir die Hand. «Kommt ma rein, ist sehr gemudlich, mache ich gleich ma Schlossfuhrung fur euch!» Als Demis uns im vergangenen Winter von seinen Plänen erzählt hatte, Land und Laube in einer Schrebergarten-Kolonie zu erwerben, da hatten wir alle herzlich gelacht, und Demis hatte geschmollt: «Ist doch gute Idee! Komm ich sonst nie raus zu de Natur!» Jetzt staunen wir – in blau-weißem Nationalstolz leuchtet die kleine Hütte mitten im gepflegten Rasengrün. Unter griechischer Flagge wachsen rote Tomaten, grüne Bohnen rekeln sich vor einer warmen Mauer aus weißen Steinen. «Ist naturlich viel Arbeit, die Rasen und die ganze Gemuse auch, aber die Gemuse muss, weil das ist de Vorschrift, jede Garten muss funfzehn Prozent Nutzpflanzen haben, Tomaten und Bohnen sinde sehr nutzlich, so, konnt ihr euch schoma da hin setzen, komme ich gleich mit de Fleisch, Grill ist auch schon fertig, alte griechische Sprichwort sagt: Die Kinder der Vernunftigen kochen, bevor sie hungern!» Demis verschwindet in der Hütte, wir setzen uns an den verwitterten Tisch in der Mitte des Gartens, rücken unsere Stühle näher ans Holz, kleine Lackfalter blättern lautlos in den Rasen. Die Liebste lächelt mich an, wir schweigen in die Stille. Es riecht nach Bratwurst. Geräuschvoll zischend fällt ein Tropfen Würstchenfett auf die glühende Grillschlange eines Elektrogrills, wir drehen die Köpfe zum Nachbargarten. Der Elektrogrill steht auf einem Tisch, der mit einer Wachstischdecke bezogen ist, hinter dem Tisch sitzt ein älterer Herr in einem dunkelgrünen Plastiksessel und wendet konzentriert vier dünne Bratwürstchen, immer von links nach rechts. Das Häuschen, vor dem der Mann sitzt, ist aus rotem Backstein, eine Fliegengittertür öffnet sich, eine ältere Dame tritt heraus, in den Händen ein Tablett mit Grillsaucen aus dem Supermarkt. Sie stellt die Grillsaucen auf den Tisch. In einer Reihe, neun Grillsaucen für vier Würstchen. Der Mann nickt schweigend den Würstchen zu und wendet sie der Reihe nach, von links nach rechts. Die Frau verschwindet im Haus.
Eiswürfel klirren, Demis naht mit Ouzo. «Ouzo!», rufe ich vorfreudig, Demis erstarrt kurz in der Bewegung, guckt gespielt entsetzt, stellt dann zärtlich die Flasche auf den Tisch und spricht Mahnendes: «Mein lieber Freund! Ouzo trinken Griechen, ich bin Kreter, wir trinken Raki. Kretischen Raki! Ist ein lecker Scheißzeug, weil machte Stimmung mit ein-zwei Glaser schon alle frohlich sehr schnell, dann kannst du nicht aufhoren und dann iste die Holle!» Wie Sirup fließt der Raki über die funkelnden Eiswürfel und verwandelt sich in flüssigen Nebel. «Sag mal, Demis, trinkt man Ouzo, ich mein Raki, trinkt man den eigentlich warm oder kalt?» – «Pass ma auf, das ist so egal, in Griechenland wir trinken zum Essen, warm aus de Schnapsglas, oder kalt mit de Eis. In Deutschland de Leute denke, du bist Alkoholkranke, wenn du drei-vier Schnaps trinkst, darum in Deutschland besser mit Eis und Longdrink-Glas, siehte gesunder aus und passt auch mehr rein, schmeckte aber immer gut, egal wie, oh, da druben ist ja de Herr Bohme, hallo Herr Booohme!» Demis winkt theatralisch. «Jaja», grummelt Herr Bohme, «ich heiße Böhme.» – «Raki?», fragt Demis. «Neinnein!» Herr Böhme winkt ab und wendet sich wieder den Würstchen zu. Die ältere Frau kommt hinzu, in den Händen einen Korb wächserner Aufbackbrötchen. Als sie Demis sieht, verjüngt sie sich vor unseren Augen um mehrere Jahre: «Herr Tsanopoulos!», freut sie sich, und auch Demis strahlt, als habe er eben die schöne Helena gesichtet: «Frau Bohme!» – «Böhme», mault Herr Böhme und sortiert Würstchen. «Frau Bohme, komme Sie ruber, bringe Sie Ihre Mann mit, hab ich hier gute Freunde und kretische Raki!» – «Ach, Herr Tsanopoulos, gerne, aber jetzt essen wir erst mal, mein Mann hat Hunger, aber dann, ja eigentlich, gerne!» Herr Böhme blickt starr ins Nichts, wie ein Reh in die Scheinwerfer eines nahenden Lastwagens.
«Die Deutsche sind bekloppt!», flüstert Demis mir verschwörerisch zu. «Konnen nicht grillen! Erst die Deutsche essen ganz viel Wurstchen, alle verbrannt, weil de Glut noch Flamme hat, dann ist de Glut perfekt, aber de Deutsche sind satt von de viele Wurstchen. Bei mir gibt keine Wurstchen, bei mir gibt Lammfleisch!» Demis zieht schwungvoll den Deckel von einer Tupperschüssel, rot glänzendes Lammfleisch funkelt unter goldenem Öl mit ganzen, zerdrückten Knoblauchzehen und Zweigen von Rosmarin und Thymian. «24 Stunden Ruhepause. In kretische Olivenol!», erklärt Demis und wirft das duftende Fleisch auf den Grill. «Kretische Olivenol ist weltberuhmt, auch deutsche Firma verkauft kretische Olivenol!» Er stürzt ins Haus und kehrt, eine Olivenölflasche schwenkend, zurück: «Da, Rapunzel! Deutsche Firma! Biologisch! Ah, Moment, hole ich … wie sagt de Deutsche … Sättigungsbeilage.» Lachend verschwindet unser Gastgeber wieder in der Hütte, und diese unglaubliche Ruhe versiegelt unsere Ohren. Wir beobachten die Nachbarn. Herr Böhme scheint beim Kauen zu zählen. 27 … 28 … 29 … 30 … Schluck. Frau Böhme isst ihr Würstchen aus der Hand.
«Klarheit! Einfachheit! Raffinesse!» Demis stellt mit großer Geste zwei bauchige Plastikschalen auf den Tisch und wirft mit Messern und Gabeln. «Wer hat das gesagt?»
Die Liebste und ich zucken die Schultern. «Alain Ducasse! Ist Gott, der Mann, koche ich, wie er sagt! Da, griechische Bauernsalat ist Klarheit und Einfachheit, ist nur Tomate, Gurke, Feta gewurfelt mit den Fruhlingszwiebel, weiße Essig, beste Olivenol aus Kreta, Salz, Weißpfeffer, fertig. Und Raffinesse ist de rote Basilikum mit feinste Geschmack.» Dass mein Lieblingsgrieche ausgerechnet einen der besten Köche der Welt zu seinem Gott erklärt, freut mich, und der Salat überzeugt. Die kühlen Gurkenwürfel krachend dick geschnitten, die saftigen, überreifen Tomaten alleine schon eine Sensation, das Basilikum wie gehaucht, große Kochkunst mit ein paar einfachen Zutaten. In dicken Schlieren schmieren wir uns Skordalia aufs Brot, eine butterglänzende Knoblauchcreme aus gekochten, zerdrückten Kartoffeln, Weißbrot und weich geschmortem Knoblauch, Zitronensaft und Olivenöl. Ein griechischer Klassiker, klar, einfach, raffiniert. Demis trägt die goldbraun gebratenen Lammschulterstücke auf, schneidet mit weichen Bewegungen das duftende Fleisch für uns in dicke, saftige Streifen, schenkt Raki nach. Die künstliche Schrebergartenruhe wird zur andächtigen Stille.
Vor dem blauen Gartentor warten Herr und Frau Böhme. Herr Böhme macht Klopfzeichen in die Luft. Frau Böhme ruft: «Klingelingeling!» – «Ist offen!» Demis wischt sich den Mund ab und eilt den Böhmes mit ausgebreiteten Armen entgegen. Die Arme schließen sich um Frau Böhme, die errötend zwischen griechischen Muskelbergen verschwindet, Herr Böhme räuspert sich, versucht ein Lächeln. «Willkommen, haben wir noch Lammfleisch und Salat und alles!» Demis schiebt die Böhmes an den Tisch. «Nein, danke, Herr Tsanopoulos, wir haben ja schon gegessen!», lächelt Frau Böhme. Demis schüttelt streng den Kopf, wie das sonst nur Eulen aus Athen können, und wackelt mit dem Zeigefinger: «Wieder mal de alte Wurstchen! Hab ich genau gesehen! Und Frau Bohme, was hab ich gesagt? Nennen Sie mich Demis!» – «Gudrun», flüstert Frau Böhme und errötet schon wieder, dann sehen beide Herrn Böhme an. «Böhme», sagt Herr Böhme, sieht zu Boden und resigniert: «Karl.»
«Gudrun! Karl!» Demis gibt den entfesselten Marktschreier. «Jetzt aber mal schnell eine Raki für euch!» – «Ach nein, lieber nicht, wir …» Frau Böhme unterbricht ihren Mann: «Doch, gerne, heute ist nämlich unser Hochzeitstag!» – «Hochzeitstag!» Demis reißt theatralisch die Augen auf. «Wievielte?» – «Zweiunddreißig Jahre!», platzt es stolz aus Frau Böhme, Herr Böhme guckt Löcher in den Rasen. «Ohlala, gut dass ich zwei Flasche Raki habe, hee, Karl, meine Gluckwunsch, musst du gluckliche Mann sein!» Der Gratulant legt einen Arm um Herrn Böhme und fragt mit strengem Blick: «Karl, warst du mal mit de Gudrun in Griechenland?» Karl versucht sich aus der Umklammerung zu lösen, aber er hat keine Chance, schicksalsergeben schüttelt er den Kopf. «Das ist gut! Weil wenn du einmal mit de Gudrun nach Kreta kommst und sieht deine Frau de Schonheit von de griechische Manner, hast du ein Problem!» Fragend sieht Herr Böhme hinauf zu Demis. «Scheidung», sagt Demis sehr ernst. Dann lacht er laut.
Raki wird eingeschenkt, Frau Böhme stößt mit ihrem Mann an, schiebt seinen Hemdsärmel ein wenig nach oben und streichelt zärtlich den weißen Haarrasen, unter dem die sonnenverbrannte Haut rötlich schimmert. «Zweiunddreißig Jahre», flüstert Frau Böhme leise lächelnd in die Eiswürfel. Es müssen schöne Jahre gewesen sein, mit Böhme, dem Brummkopf.
«Raki und Tanz sind eine perfekte Paar!» Demis baut einen gigantischen Ghettoblaster auf dem Tisch auf. «Geht mit Batterie, hab ich besondere Musik fur euch, Chasaposervikos, der Tanz der Schlachter, passt gut zu Grillparty!» Die Boxen flattern, die Bouzouki schwingt glasklar über einem Chor offensichtlich betrunkener Männer, die fröhlich ihren Zustand besingen, wie mir Demis verrät. Er klatscht dröhnend in die Hände. «Alle aufstehe, mache alle eine T, Schulter von Nachbar fassen, du auch Karl, und gehte los, laufen nach rechts, Musik horen, gehte alles von alleine.» Schüchtern suchen unsere Beine den richtigen Schwung, der Geist Anthony Quinns hakt sich ein und der Raki entpuppt sich als guter Tanzlehrer. «So, jetzt nur noch de Brautpaar!», schreit Demis, den Chor übertönend.
Schwer atmend nehmen wir gehorsam Platz. Die Liebste schenkt sich Raki nach. «Du fährst, er ist mein Freund», sage ich.
«Taxi!», antwortet sie fröhlich und füllt auch mein Glas. Herr und Frau Böhme drehen sich auf dem steinernen Gehweg vor der Laube, sie verlassen die Sirtaki-Pfade, drehen sich plötzlich elegant, gelernt und sicher, die Bouzouki jubelt. Böhmes tanzen Polka.
Demis naht vertraulich: «In Griechenland es gibt ein schone Tradition. Bei Tanzabend kann man Teller kaufen fur besonders gute Tanzer, die Teller schmeißt man dann vor die Fuße der Tanzer. Das ist ein Zeichen von großen Respekt, ist auch teuer, manche Teller kosten zwanzig Euro, ist ein Geschenk fur de Tanzer!» Demis sieht mich grinsend an und klopft mit dem Zeigefinger wie beiläufig auf die Ränder unserer blank gegessenen Teller. Wir verstehen. Gleichzeitig nehmen wir jeder einen Teller in die Hand. «Bin ich am meisten gespannt auf de Gesicht von de Karl», lacht Demis. «Fertig? Eins, zwei, drei … LOS!»
Für 4 Personen
400 g mehlig kochende Kartoffeln
Salz
100 g frisches Weißbrot
100 ml Vollmilch
2 Knoblauchzehen
100 g griechischer Sahnejoghurt
80 ml kretisches Olivenöl
Feines Meersalz
Weißer Pfeffer aus der Mühle
4 Zitronenschnitze
1 Salatgurke
4 Tomaten
200 g Schafskäse
2 Frühlingszwiebeln
4 Zweige rotes Basilikum
(ersatzweise grünes Basilikum)
Zubereitungszeit: 20 Minuten
1. Für die Skordalia die Kartoffeln in Salzwasser sehr weich kochen, pellen und heiß durch eine Kartoffelpresse drücken. Weißbrot entrinden, mit der Milch übergießen, ebenfalls durchpressen und mit den Kartoffeln mischen. Knoblauch fein würfeln und mit Joghurt unterrühren. Olivenöl in dünnem Strahl ebenfalls unterrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. Skordalia abgekühlt mit Zitronenschnitzen zum Beträufeln reichen.
2. Für den griechischen Salat Gurken, Tomaten und Schafskäse würfeln, Frühlingszwiebeln in feine Ringe schneiden und mit Essig und Olivenöl vermengen, mit Salz und Pfeffer würzen. Erst vor dem Servieren das Basilikum grob rupfen und untermengen. Den Salat und die Skordalia mit Brot zu gegrilltem Fleisch oder Fisch servieren.
Die Skordalia mit Joghurt ist eine moderne Variante der klassischen Skordalia, die üblicherweise nur mit Olivenöl glatt gerührt wird. Der Joghurt macht die Knoblauch-Kartoffel-Creme nicht nur leichter, er verleiht ihr mit seiner feinen Säure auch eine elegante Frische.
Alles muss an seinem Platz stehen, wenn die Gäste kommen, und das ist viel Arbeit. Das Restaurant hat über vierzig Sitzplätze. Oft werden Tische doppelt belegt, die ersten Gäste kommen um acht, die zweite Runde geht dann ab zehn Uhr über die Bühne. Nachts um eins, halb zwei ist meistens Feierabend, und dann haben meine zehn Kollegen und ich ungefähr sechzig Gäste satt gemacht. Jeder hat seine Aufgabe, seinen Platz, seine Verantwortung. Wir haben Köche für die Vorspeisen, Köche für Gemüse und Beilagen, einer brät das Fleisch, ein anderer bringt die Saucen, zwei arbeiten in der Patisserie. Ich bin Poissonnier. Ich bin der Fischmensch. Wenn draußen im Restaurant jemand Fisch bestellt, dann ist es meine Aufgabe, ihn zuzubereiten. Ich brate zarte Bachforellenfilets in schaumiger Butter, gare Steinbutt langsam in würziger Fischbouillon, packe ganze Zander in Salzkruste, rolle Seezungenfilets zu Seezungenröllchen, töte Hummer, breche scharfkantige Austern auf, schwarze Muscheln öffnen sich lautlos im kochenden Weinsud. Ich nicke dem Saucenmenschen zu und dem Gemüsemenschen, sie nicken stumm zurück und wissen, was zu tun ist. Vorne brüllt der Küchenchef Tischnummern über das Topfgeklapper, wir geben ihm, was er braucht, und er fügt alles zusammen, dann verschwindet das Gesamtkunstwerk in den Gastraum, und eine neue Tischnummer hat Hunger.