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Thekla, Hilde und Wally stecken alle drei weit in den Sechzigern und waren bisher mehr an Kaffee und Kuchen als an Mord und Totschlag interessiert. Doch dann erschüttert eine mysteriöse Todesserie das idyllische Niederbayern: Wer trachtet alten Menschen nach dem Lebenund warum weisen alle drei Toten die gleichen merkwürdigen Flecken auf? Entschlossen legen die Damen die Kuchengabel nieder und nehmen die Ermittlungen auf.
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Seitenzahl: 344
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Jutta Mehler, Jahrgang 1949, hängte frühzeitig das Jurastudium an den Nagel und zog wieder aufs Land, nach Niederbayern, wo sie während ihrer Kindheit gelebt hatte. Ihre Romane und Erzählungen basieren häufig auf authentischen Lebensgeschichten; für ihre Kriminalromane bevorzugt sie den Schauplatz Niederbayern.www.jutta-mehler.de
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: photocase.de/Francesca Schellhaas Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-284-5 Originalausgabe
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»Ich werde älter und höre doch nicht auf,
immer noch viel zu lernen.«
Solon
Mittwoch, der 15.Juni
Nachmittags im Café Krönner
»Der Dichter ist tot«, platzte Hilde heraus, kaum hatte Thekla Zeit gefunden, sich auf dem dunkelroten Samt der Stuhlpolsterung niederzulassen.
Thekla verzog keine Miene.
Ganz im Gegensatz zu Wally. »Oh Gott, nein!«, rief sie entsetzt und presste beide Hände auf den Mund.
Thekla registrierte amüsiert, wie Hilde gespannt auf eine der Nachricht würdige Reaktion auch von ihr wartete. Doch anstatt auf Hildes Mitteilung einzugehen, verstaute sie gleichmütig ihre Sonnenbrille im Etui.
»Oh Gott, nein«, wiederholte Wally und starrte Hilde entgeistert an.
Solche Kulleraugen zu machen sollte sie sich lieber versagen, dachte Thekla schonungslos, wenn sie nicht vollkommen wie eine Kröte aussehen will. Eine Kröte mit lila Lidschatten, pinkfarbenem Lippenstift und kreisrunden Rougeflecken auf den Wangen.
»Heilige Muttergottes, der Dichter, der Dichter, der allseits verehrte Dichter…«, stammelte Wally.
Thekla rückte ihren Stuhl zurecht und lehnte sich entspannt zurück. Sie liebte die Wiener-Kaffeehaus-Atmosphäre im Krönner, deshalb – hauptsächlich aber wegen der Agnes-Bernauer-Torte – fand sie sich jeden Mittwochnachmittag hier ein, um sich mit Hilde und Wally zu treffen.
»Hast du gehört, Thekla«, sagte Hilde scharf, »der Dichter–«
»Ich bin zwar mit den Jahren grauhaarig, spitznasig und unleidlich geworden, aber taub bin ich bis jetzt noch nicht«, unterbrach Thekla sie. Dann wandte sie sich der Frau in weißer Bluse und schwarzem Rock zu, die soeben an ihren Tisch trat. »Hallo, Elisabeth.«
Sie hörte das ärgerliche Zischen, mit dem Hilde die Luft einsog, und verbot sich ein Grinsen.
Seit etliche eingefleischte Niederbayern damit angefangen hatten, sich über »Hallo« und »Tschüss« zu mokieren und gar eine hallo- und tschüssfreie Sprache zu fordern, hatte Thekla im Gegenzug konsequent und rigoros »Grüß Gott« und »Pfüat Gott« aus ihrem Sprachschatz gestrichen. Sie war schon immer aufmüpfig gewesen, besonders wenn es darum ging, gegen Ansichten zu rebellieren, die sie für vernagelt hielt.
Thekla nickte Elisabeth freundlich zu. »Dasselbe wie immer.«
»Milchkaffee, Agnes-Bernauer-Torte«, vergewisserte sich Elisabeth, die seit Jahrzehnten an den Tischen neben den Fenstern zur Steinergasse bediente. Jeden Mittwoch fragte sie erneut nach Theklas Wünschen, obwohl sich noch nie eine Änderung ergeben hatte.
Thekla nickte abermals, woraufhin sich Elisabeth an Hilde wandte. »Was darf ich Ihnen denn heute bringen, Frau Westhöll?«
Hilde schlug eilig die Speisekarte auf und fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang abwärts. In der Mitte der Seite verhielt sie kurz, murmelte: »Blätterteigpastete mit Ragout fin. Nein, das hatte ich vorige Woche«, dann machte sie weiter.
Wie lange es jetzt wohl her ist, überlegte Thekla, dass Hilde aufgehört hat, Kuchen zu essen? Fünf Jahre? Sieben? Dabei könnte sie sich drei Stück pro Tag erlauben, klapperdürr, wie sie ist. Aber sie hat sich ja noch nie viel aus Süßigkeiten gemacht, und irgendwann war wohl ganz damit Schluss – während sich das Naschen bei Wally nachgerade zu einer Sucht entwickelt hat.
Hilde war schon während ihrer gemeinsamen Schulzeit schlank und drahtig gewesen. Damals – und auch später noch – hatte sie eine sehr attraktive, sportliche Figur gehabt. Erst mit den Wechseljahren war sie regelrecht mager geworden. Und jetzt, mit gut über sechzig, spannte sich nur noch Haut über ihre Knochen, eine dünne, gelbliche Haut, die aussah wie zerknittertes Pergament.
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