Mord und Mohnkuchen - Stefan S. Kassner - E-Book
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Mord und Mohnkuchen E-Book

Stefan S. Kassner

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Beschreibung

Ein Verbrechen, eine Verschwörung und eine unerwartete Allianz …
Bereit für das nächste große Abenteuer in der charmantesten Bakery Londons?

Als ein mysteriöser Fremder mit einer Narbe in der kleinen Bakery im Londoner Stadtteil Soho auftaucht und behauptet, das Café müsse weg, ist es vorbei mit der Ruhe. Linns und Terrys kriminalistischer Spürsinn ist geweckt, denn sie möchten herausfinden, wer der Unbekannte ist und was ihn zu dieser dreisten Aussage bewegt. Die Recherche führt sie zu einem rätselhaften Bankraub, einer Verbindung zu dunklen Hexenritualen und einer Verbrecherorganisation, die Frauen zur Prostitution zwingt. Als die Dinge gefährlich werden, schmieden Linn und Terry mit alten und neuen Verbündeten einen riskanten Plan. Doch reicht das, um die Verbrecherorganisation zur Strecke zu bringen und die entführten Opfer zu retten?

Weitere Titel dieser Reihe
Honigsüßer Tod (ISBN: 9783986377755)
Bittersüßer Mord (ISBN: 9783986377762)
Giftige Versuchung (ISBN: 9783986377779)

Erste Leser:innenstimmen
„Stefan S. Kassner hat sich selbst übertroffen! Die Mischung aus Krimi, Liebe und übernatürlichen Elementen macht diese Fortsetzung unwiderstehlich.“
„Spannung, Romantik und ein bisschen Mystery – ein großartiger vierter Band dieser englischen Cosy Crime-Reihe.“
„Mysteriöse Enthüllungen und starke Charaktere! Ein absolut empfehlenswerter Kriminalroman, der für unterhaltsame Stunden sorgt!“
„Dieser Ermittlerinnen-Krimi hat alles – von komplizierten Beziehungen bis hin zu rätselhaften Verbrechen.“

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Seitenzahl: 280

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Über dieses E-Book

Als ein mysteriöser Fremder mit einer Narbe in der kleinen Bakery im Londoner Stadtteil Soho auftaucht und behauptet, das Café müsse weg, ist es vorbei mit der Ruhe. Linns und Terrys kriminalistischer Spürsinn ist geweckt, denn sie möchten herausfinden, wer der Unbekannte ist und was ihn zu dieser dreisten Aussage bewegt. Die Recherche führt sie zu einem rätselhaften Bankraub, einer Verbindung zu dunklen Hexenritualen und einer Verbrecherorganisation, die Frauen zur Prostitution zwingt. Als die Dinge gefährlich werden, schmieden Linn und Terry mit alten und neuen Verbündeten einen riskanten Plan. Doch reicht das, um die Verbrecherorganisation zur Strecke zu bringen und die entführten Opfer zu retten?

Impressum

Erstausgabe November 2023

Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98637-778-6 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-358-6

Covergestaltung: Anne Gebhardt Unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © siriratsavett88, © Abdul ,© Delphotostock shutterstock.com: © Wirestock Creators elements.envato.com: © PixelSquid360, © alexdndz, © Ramzehhh Lektorat: Daniela Guse

E-Book-Version 12.06.2024, 12:18:09.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Mord und Mohnkuchen

Für all die ‚Freaks‘ da draußen

Teilt mit uns, was ihr habt.

Anscheinend gibt es von allem etwas in der Natur, und Freaks sind überall.

Samuel Beckett (irischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger 1906 – 1989)

„Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen!“

Aus: Grimms Märchen, Hänsel und Gretel

Vorwort

Als Kind faszinierten mich die Hexe aus Hänsel und Gretel und ihr Pfefferkuchenhaus. Die süße Verführung, die nicht nur Bauchschmerzen verursacht, ist bis heute für mich Sinnbild unserer Welt, in der häufig Schein und Sein weit auseinanderliegen.

In Zeiten von Social Media und Co wird viel Augenmerk darauf gelegt, ein Bild von einer Person oder einem Produkt zu kreieren. Und obwohl wir wissen, dass uns Pfefferkuchenhäuser präsentiert werden, hinter deren Fassade etwas anderes, manchmal kaum etwas, steckt, können wir es nicht lassen, uns die Finger danach zu lecken, und möchten wie Hänsel und Gretel ein Stück herausbrechen, um davon zu naschen.

Dabei steckt in jedem von uns ein zuckersüßer Kern, der nur entdeckt werden muss. Wie ein Kuchen mit flüssiger Schokolade gefüllt oder, in einigen Fällen, ein Zwieback mit Karamellfüllung.

Diese Überlegungen sind für mich das Backpulver der Poison Bakery: Der Wunsch, dass jeder Leser seinen zuckersüßen Kern entdeckt.

Denn der ist es, der jeden von uns besonders macht.

1

Dann bis später. Ich freue mich schon, Dich zu sehen!  Bruce

Wie jede seiner Nachrichten lese ich auch diese mehrfach. Immer noch erscheint unwirklich, dass sie an mich gerichtet sind, dass ich nicht nur gewagt habe, Bruce meine Gefühle zu offenbaren, sondern diese sogar erwidert werden. Ein Monat ist vergangen, seit die Schlange überführt und wir von Bruce zu Hilfssheriffs gemacht wurden. Und natürlich, seit er und ich ein Paar sind.

Die Frage, ob dem tatsächlich so ist, wische ich beiseite. Ich habe zwar an Selbstbewusstsein gewonnen in den letzten Wochen, aber das reicht nicht so weit, dass ich mich trauen würde, Bruce in ein derartiges Gespräch zu verwickeln. Er bleibt der exotische und kostbare Vogel, der sich zwar auf meiner Hand niedergelassen hat, von dem ich aber jeden Augenblick fürchte, er flattere davon. Insbesondere, falls ich eine unüberlegte Bewegung oder Äußerung wage.

„Schauen Sie, Miss. Ein Stein“, ertönt es von einem Tisch, an dem Terry steht.

Unsere letzte Kundin, im Grunde ist das Café schon geschlossen. Aber die Dame, die mit Terry spricht, erinnert mich an eine Echse, auch hinsichtlich ihrer zeitlupenartigen Bewegungen. Da sie den Kirschkuchen in eben jenem Tempo verspeiste, sitzt sie noch in unserem Feierabend hier.

Die erwartete spitze Bemerkung Terrys bleibt aus, so dass ich an den Tisch trete. „Dann haben Sie gewonnen.“

In meinem Kopf ertönt ein Knirschen, als die Dame mit den kleinen Augen sich mir zuwendet. „Gewonnen?“

„So gut wie.“ Ich bemerke Terrys Seitenblick, schaue jedoch nicht hin. Endlich möchte ich sie mal mit einer kleinen Showeinlage überraschen und darf mich nicht ablenken lassen. „Der Hersteller dieser Kirschen verlost unter allen, die einen Stein finden, eine Fernreise.“

„Hersteller?“

„Der Obstbauer natürlich.“ Ich muss grinsen und beiße gleichzeitig die Zähne zusammen. Nicht mehr viel, und ich pruste los.

„Das ist ja was.“ Sie betrachtet den Kern, dessen Attraktivitätswerte um ein Vielfaches gestiegen sind.

„Sie müssen den nur mitnehmen und per Post an den Obstbauern schicken.“ Ich deute auf den Kern.

„Schicken? Jetzt echt?“ Mit gerunzelter Stirn sieht sie mich an.

„Sie können ihn auch persönlich vorbeibringen. Aber das ist ein weiter Weg.“

„Dann lieber schicken.“

„Sehen Sie? Meine ich doch auch. Ich notiere Ihnen die Adresse.“

Terry folgt mir zum Tresen und stößt mir, dort angekommen, den Ellenbogen in die Seite. „Miss Fleet“, flüstert sie.

„Pssst“, mache ich, denn ich muss schon wieder die Zähne zusammenbeißen, um nicht in Gelächter auszubrechen.

„So, da wären wir“, flöte ich, als ich der Kundin eine Fantasieadresse in Ashtead, dem Heimatort meiner Eltern, reiche. „Und vergessen Sie auf gar keinen Fall den hier.“ Ich deute auf den Teller.

„Natürlich. Vielen Dank.“ Sie steht auf, grabscht freundlich den Kirschkern, offenbar in freudiger Erwartung des bald nahenden Gewinns der Echsen-Zeitlupe entschlüpft, und möchte schon zur Tür eilen, als ihr noch etwas einfällt. „Was bin ich Ihnen schuldig?“

„Geht aufs Haus.“

„Auf gar keinen Fall.“ Sie fischt eine Zwanzigpfundnote aus ihrer Geldbörse, die sie auf den Tisch legt. „Schließlich haben Sie mir zum Gewinn verholfen.“

„Einem möglichen Gewinn“, sagt Terry, die hinter mir steht.

Ob die Dame diesen Einwand noch vernimmt, bevor sie durch die Tür entschwindet, weiß ich nicht, doch als ich auf das Geld schaue, plagt mich mein schlechtes Gewissen. „Das war gemein. Soll ich ihr nachlaufen und alles aufklären?“

„Und damit deine geniale Aktion zunichtemachen? Auf gar keinen Fall!“ Terry stellt sich mir mit verschränkten Armen in den Weg und garniert die Aussage mit einem betont bösen Blick, der mich zum Lachen bringt. „Vor allem – natürlich beißt niemand gerne auf einen Kirschkern, aber deshalb so ein Theater zu machen.“

„Genau das dachte ich. Wobei es meines Wissens nach sogar Fälle gab, in denen Konditoren genau deshalb verknackt wurden.“

Terry schüttelt den Kopf. „Es ist eine verrückte Welt. Zunächst mal danke, dass du mich aus dieser nervigen Situation befreit hast.“

„Es war mir eine Ehre.“

„Wollen wir heute etwas essen gehen?“

„Sorry, aber ich treffe mich später mit Bruce.“ Ich trage das Geschirr zur Theke und räume es in die Spülmaschine.

„Das freut mich. Wie läuft es denn?“

Ich lege den Kopf schief. „Schwer zu sagen. Wirklich häufig haben wir uns in den letzten Wochen nicht gesehen, was an Bruce’ unregelmäßigen Arbeitszeiten liegt.“

„Kann ich mir vorstellen, dass das nicht einfach ist.“

„Und ich möchte nicht gleich zu Anfang nörgeln, dass er zu wenig Zeit für mich hat.“

„Ebenfalls verständlich. Aber irgendwann solltest du das ansprechen, ansonsten macht es dich unglücklich.“

„Schon richtig, aber es hat so lange gedauert, bis es geklappt hat …“ Ich presse die Lippen zusammen, ohne den Satz zu beenden.

„Dass du fürchtest, es zu verlieren?“ Terry umfasst meinen Unterarm. „Kann ich absolut nachvollziehen, und ich möchte nicht wieder das Orakel spielen, aber der Grund, warum du mit Bruce zusammen bist, ist der, dass du ehrlich warst. Du hast mutig klargemacht, was du möchtest, und hattest damit Erfolg. Schwer vorstellbar, dass er dir den Laufpass gibt, wenn du das Thema ansprichst.“

Ich nicke. „Bestimmt hast du recht.“

„Und das Essen holen wir bald nach?“

„Definitiv.“ Eine Zeitlang räumen wir wortlos weiter auf. Dann fällt mir ein, dass ich meinerseits Terry schon lange nicht mehr nach ihrer Beziehung zu Philipp gefragt habe. „Wie läuft es eigentlich bei Philipp und dir?“

„Wir haben ebenfalls das Zeitproblem.“ Terry wischt Krümel von einem Tisch in ihre hohle Hand. „Kennst du diesen Punkt, an dem eine Beziehung sich auf eine andere Ebene verlagert oder eben nicht?“

„Du meinst, wenn das erste Verknalltsein sich abkühlt?“

„Genau.“

„Geht wohl allen so.“ Ich drücke auf den Knopf, der die Spülmaschine einschaltet. „Denkst du denn, dass ihr diese Ebene erreicht?“ Kaum habe ich das ausgesprochen, fürchte ich, dass die Frage zu direkt ist. Andererseits war offenkundig, dass es darauf hinausläuft.

„Gute Frage“, entgegnet Terry und zerstreut damit meine Bedenken.

„Um dir auch mal einen Rat in Beziehungsdingen zu geben. Lass es einfach auf dich zukommen.“ Ich grinse. „Du weißt sicherlich, von wem das stammt?“

„Sagen Sie nichts, was später gegen Sie verwendet werden könnte.“ Terry lächelt ebenfalls, wird dann wieder ernst. „Aber es stimmt.“

„Ist dennoch ein ungutes Gefühl, wenn man in der Luft hängt.“

„Eigentlich sind wir da ja in der gleichen Lage.“

„Irgendwie schon.“

„Die Kerle. Frau kann nicht ohne, aber auch nicht wirklich mit ihnen.“ Terry beugt sich zum Kühlschrank unter dem Tresen runter und holt eine angebrochene Proseccoflasche hervor. „Zumindest anstoßen können wir mal auf unsere verkorksten Typen.“

„Einverstanden.“

2

„Was geht da oben vor?“ Mit den Fingerspitzen streicht Bruce mir eine Strähne aus der Stirn.

Wir liegen in seinem Bett, einander zugewandt und betrachten uns gegenseitig. Etwas, das ich mir niemals hätte vorstellen können. Und die ersten Treffen waren auch eher davon bestimmt, dass wir uns möglichst schnell unserer Kleidung entledigten. Doch Bruce geht es um mehr als das, wie mir auch.

„Ich weiß, dass du viel um die Ohren hast …“, antworte ich und überlege, wie ich am besten fortfahren soll.

„Aber schöner wäre es, wenn wir uns häufiger sehen könnten?"

„Ja, das wünsche ich mir ebenfalls“, sagt Bruce, als hätte ich seine Frage beantwortet und dreht sich auf den Rücken. Die Hände verschränkt er hinter dem Kopf, während er zur Zimmerdecke starrt. „Es wird nicht einfach werden, eine Beziehung mit mir. Ich möchte von Anfang an offen mit dir umgehen.“

Ich sollte mich freuen über seine Offenheit, doch es fühlt sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Was habe ich erwartet! Dass Bruce meinetwegen beruflich kürzer tritt, den Beruf sogar an den Nagel hängt? Nein! Das ist es nicht, sondern, dass ich derartige Überlegungen überhaupt noch nicht angestellt habe. Wenn das gesamte Denken darauf ausgerichtet ist, etwas zu bekommen, bleibt kein Platz für Gedanken an das Verhalten, wenn der Fall eintrifft.

„Ist vielleicht meinem hohen Alter geschuldet, dass mir Aufrichtigkeit am wichtigsten ist.“ Bruce wendet mir den Kopf zu.

„Hohes Alter?“ Ich grinse.

„Na, immerhin gehe ich auf die Vierzig zu.“

„Das ist doch kein Alter.“ Ich fahre durch die Locken seines braunen Haars. „Und ich finde diese Aufrichtigkeit gut. Sehr gut sogar.“

„Aber?“

„Kein aber. Natürlich weiß ich, dass du einen fordernden Job hast, es so klar formuliert zu hören, muss sich erst mal setzen.“

„Das heißt nicht, dass wir keine Zeit miteinander verbringen. Wir werden uns nur nicht jeden Tag sehen können.“ Er verschränkt seine Hand in meine. „Hin und wieder benötige ich auch Zeit für mich alleine. Eine Beziehung bedeutet für mich auch, den anderen so sein zu lassen, wie er ist.“

„Ein guter Punkt.“

Bruce lacht auf. „Du hältst mich wahrscheinlich für furchtbar unromantisch, doch das bin ich nicht. Ich habe nur bereits negative Erfahrungen gesammelt. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern nur um unterschiedliche Erwartungen. Völlig wertfrei. Wenn in einer Beziehung aber nicht beide die gleiche Form der Beziehung wollen, ist das Unglück vorprogrammiert.“ Er dreht sich auf die Seite und sieht mich an. „Du hast ja auch einiges um die Ohren und bist bestimmt froh, weiterhin Zeit für Terry und auch dich selbst zu haben.“

„Stimmt“, sage ich und ignoriere den Stich im Herzen. Auf der Vernunftsebene kann ich alles, was Bruce sagt, unterschreiben, gefühlsmäßig sieht das anders aus. Ich denke an das Gespräch mit Terry und frage mich, ob das nur dem ersten Verliebtsein geschuldet ist? In einigen Monaten werde ich womöglich froh sein, dass Bruce von Anfang an Freiräume gefordert hat?

„Und doch bist du nicht richtig überzeugt.“ Bruce drückt mir einen Kuss auf den Mund. „Was hältst du davon? Wir lassen das Gesagte erst mal so stehen und genießen die Stunden, die wir gemeinsam haben. Und bei nächster Gelegenheit sprechen wir nochmal darüber?“

„Okay.“ Obwohl meine Grübeleien sich diesem Entschluss nicht unterordnen wollen, gelingt es mir, sie in den Hintergrund zu drängen.

„Wie wäre es mit Pizza?“ Bruce’ Gesicht nimmt einen Ausdruck kindlicher Freude an, und ich kann nicht anders, als ihm einen Schmatzer auf den Mund zu drücken. „Das werte ich mal als ‚Ja‘.“

„Kannst du auch.“

Während Bruce in die Küche geht, um die Karte der Pizzeria zu holen, die zu unserem Stammrestaurant geworden ist, denn wir bestellen bei jedem Treffen dort, verlasse ich ebenfalls das Bett. Bislang haben wir uns stets in Bruce’ Wohnung getroffen. Auch wenn sich die Situation in der WG kaum verändert hat und meine Mitbewohner häufig bei ihren Partnern schlafen, wir somit dort also ungestört wären, bin ich lieber hier.

Wohnungen spiegeln viel von den Persönlichkeiten, die sie bewohnen, und das trifft auch für meinen Detective Chief Inspector zu, dessen Apartment stilvolle Eleganz verströmt, ohne kalt oder nicht authentisch zu wirken. Ein großzügiger und offener Wohn-, Ess- und Schlafbereich im Industrial Style, in dem die einzelnen Bereiche durch raumteilende Regale voneinander abgetrennt sind. Schon beim ersten Besuch hörte ich die Stimme meiner Mutter im Kopf, die mahnte, dass doch so die Bettwäsche nach Essen rieche, wenn der Geruch in den Schlafbereich ziehen kann.

Ein überflüssiger Einwand, denn Bruce’ schicke Küche sieht zwar gut aus, aber eben auch unbenutzt. Bis auf Kühlschrank, Backofen und Mikrowelle. Zugegebenermaßen trägt die Liaison mit mir nicht dazu bei, die Kochsituation zu verbessern, was unsere wiederkehrenden Pizzabestellungen belegen.

„Dreißig Minuten“, verkündet Bruce, als er zurückkehrt.

Ich grinse. „Auch deshalb ist es wohl besser, wenn wir uns nicht zu häufig sehen.“

„Wieso?“

„Na, bei so einer Ernährung und das regelmäßig, kannst du deinen flachen Bauch vergessen. Mal abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt.“

Er kommt zu mir rüber und fasst mich an der Hüfte. „Wir können uns ja noch ein wenig betätigen, bevor die Pizza kommt.“

Ich lache. „Einverstanden.“

3

Womöglich ist es ausgleichende Gerechtigkeit. Oder das Universum entscheidet, dass es zurzeit zu gut für mich läuft. Als die Tür aufgeht und der schlaksige Kerl das Café betritt, wittere ich sogleich Ärger. Es liegt nicht an seinem Aussehen, obwohl eine Narbe in seiner rechten Gesichtshälfte, die sich sogar über das nur halb geöffnete Auge zieht, ihm Verschlagenheit verleiht. Vielmehr ist es die Art, wie er sich bewegt. Irgendwie nagetierartig, denn er hält immer wieder inne, um sich umzusehen und anschließend flink einige Schritte zu machen, bis er den Tresen erreicht hat. Dass er den ansteuert und keinen Tisch, sorgt zusätzlich dafür, meinen Magen rumoren zu lassen.

„Was kann ich Ihnen bringen?“ Normalerweise frage ich, was ich für den Gast tun kann, doch das will in diesem Fall nicht über meine Lippen.

„Was ist das hier?“ Der Kerl macht mit dem Arm, der wie von einem Puppenspieler geführt wirkt, eine ausholende Geste, die den gesamten Gastraum einfasst.

Die Frage überrascht mich derart, dass ich zunächst stumm bleibe. Wer den Spruch geprägt hat, dass es keine dummen Fragen gibt, hat wohl noch nie so eine gestellt bekommen wie ich gerade von dem Kerl. Die beantwortet man am besten mit einer dämlichen Antwort. „Wir fertigen das Antriebssystem des neuen Shuttles der NASA, und nebenan werden Eierwärmer gehäkelt.“

Ich genieße, wie die Ratte, wie ich mein Gegenüber taufe, entgeistert die Augen aufreißt und nun seinerseits meine Worte verarbeiten muss. „Hä!“, macht er dann.

„Eierwärmer oder Hodentemperierer. Um den Kinderwunsch im Winter zu unterstützen.“ Als wäre meine Aussage noch nicht ausreichend, trete ich hinter der Theke hervor und demonstriere pantomimisch, wie ich mir die mental gehäkelten Wärmer über meine nicht vorhandenen Hoden ziehe.

„Hä!“, macht der Typ erneut, und mir liegt bereits die Frage auf der Zunge, ob es sich um ein akustisches oder intellektuelles Problem handelt, dass er mich nicht versteht. Wahrscheinlich ist es besser, dass ich nicht dazu komme, die zu stellen. „Willst du mich verarschen?“, fragt er, was sich wie eine Drohung anhört.

Klar will ich das, glaube aber kaum, dass es eine gute Idee ist, ihm das mitzuteilen. „Womöglich haben wir einander nicht richtig verstanden“, sage ich stattdessen. Die Art, wie er die Nase rümpft und dabei die Lippen schürzt – ich habe die Situation nicht verbessert.

„Jetzt hör mal zu“, zischt er, wobei er sich zu mir vorbeugt, so dass ich seinen Atem riechen kann. Zähne putzen scheint nicht zu den Aufgaben zu gehören, die er täglich absolviert. „Ich habe deine Faxen satt. Ich wohne hier und will, dass das hier“, erneut diese Marionettenarmbewegung in Richtung Gastraum, gefolgt von einem keuchenden Räuspern, „das muss weg!“

Ich bin so verdattert, dass ich ihn nur anstarren kann, während meine Gedanken rasen. Ist das ein dummer Witz? Oder hat der Kerl den Verstand verloren?

Der Typ macht auf dem Absatz kehrt und läuft nahezu aus dem Café, wobei er mich an eine, das sinkende Schiff verlassende, Ratte erinnert.

„Was war denn da los?“, fragt Terry, die mit einem Tablett auf den Tresen zukommt.

„Keine Ahnung.“ Einen Augenblick stehe ich nur da und versuche zu ordnen, was mir durch den Kopf geht. „Dieser seltsame Typ kam rein, hat mich gefragt, was wir hier machen und dann gesagt, dass er hier wohnt.“

„Wie bitte?“ Terry sieht mich zweifelnd an, und ich kann es ihr nicht verdenken. Schon jetzt, kurze Zeit nach seinem Abgang, erscheint die Situation umso unwirklicher.

„Total schräg. Meinst du, der war einfach nur durchgeknallt oder kann das stimmen?“

„Ich tippe auf Ersteres. Wir haben einen gültigen Mietvertrag. Selbst wenn der Terminator Verdünnungsmittel geschnüffelt hat und die Räume im Rausch jemand anderem vermietet hätte, spaziert man doch nicht rein und veranstaltet so einen Zirkus. Zumal wir dann irgendwas vom Vermieter hören müssten. Zumindest ein ‚Hasta la vista‘.“ Terry grinst.

Nach Scherzen ist mir nicht zumute, doch mein Verstand folgt Terrys Einschätzung. In meinem Bauch aber hat sich ein Knoten gebildet, der sich nicht lösen will. „Bestimmt hast du recht.“

Terry streichelt mir über die Schulter. „Hey. Das hat dich richtig mitgenommen, oder? Ich habe kurz überlegt, ob ich zu dir rüberkommen soll, aber dann meldete sich gerade ein Gast für eine Bestellung.“

Ich winke ab. „Mach dir keinen Kopf. Hat mich nur unvorbereitet getroffen, das ist alles.“

„Wie sollte man sich auch auf so was vorbereiten?“

Ein Gast hebt die Hand, und Terry will schon loslaufen, als ich sie zurückhalte. „Lass mich das ruhig machen. Ich kann etwas Ablenkung gebrauchen.“

„Klar.“

Der Tag verläuft ohne weitere Aufregung und so, wie ich es mag: Ständig etwas zu tun, ohne, dass es stressig wird. Dennoch, der Knoten löst sich nicht. Bestimmt reagiere ich über. In einer Stadt wie London laufen Unmengen von Menschen herum, die seltsame Geschichten und Ansichten haben. Wieso die Ahnung, dass der Kerl nicht dazu gehört? Wobei die Art und Weise durchgeknallt war, da gebe ich Terry recht, aber etwas war in seinen Augen. Er war tatsächlich verwundert, was er sah, als wäre er schon einmal hier gewesen, bevor es das Café gab.

„Grübelst du immer noch über den Typ nach?“, fragt mich Terry, nachdem sie die Tür abgeschlossen hat und zu mir rüberkommt.

Ich zucke mit den Schultern. „Es ist albern, ich weiß.“

Terry zögert einen Augenblick. „Okay. Wir machen Folgendes. Wir melden uns beim Terminator mit irgendwas Unverfänglichem, zum Beispiel, dass der Wasserhahn tropft. Sollte die Story wahr sein, wird er uns dann ja mitteilen, dass er die Räume an jemand anderen vermietet hat, was ich nicht glaube.“

„In Ordnung.“

Ich wünschte, genauso zu denken wie Terry. Aber der Knoten ist weiter nach unten gewandert und zieht unangenehm an meinen Eingeweiden.

4

„Das muss nichts bedeuten.“

„Ja, klar“, sage ich, ohne es wirklich zu meinen. Seit zwei Tagen versuchen wir nun, den Terminator zu erreichen, ohne Erfolg. „Nur haben wir ihn bislang jedes Mal ans Telefon bekommen.“

„Und wie oft war das?“

„Hmm.“

„Eben. Vielleicht zweimal? Davon kannst du nichts herleiten.“ Terry studiert meine nachdenkliche Miene. „Weißt du was? Warum gehen wir nicht heute essen? Wollten wir doch ohnehin mal wieder machen.“

„Gerne.“ Terrys Einfall erscheint genau richtig. Ich hoffe, dadurch auf andere Gedanken zu kommen. „Ich weiß selbst nicht, warum mich das derart beschäftigt.“

„Du hast mit deiner Ahnung häufig richtig gelegen. Folgender Vorschlag. Heute Abend vergessen wir den Terminator und den komischen Kerl, und falls wir ihn morgen nicht erreichen, kannst du doch Bruce auf die Sache ansetzen.“

„Stimmt ja.“ Ich muss lachen. „In meinen Kopf hat sich noch nicht verankert, dass mein Freund ein Detective Chief Inspector ist.“

„Und ein heißer noch dazu.“

„Also gut. Dann lass uns hier fertig werden, damit wir los können.“

Das Aufräumen geht uns gut von der Hand, und bereits kurze Zeit später befinden wir uns auf dem Fußmarsch in die Brewer Street zu Bill’s Soho Restaurant, ein Laden mit stylish-heimeligem Ambiente und gutem Essen.

„Wie läuft es mit Philipp“, frage ich, nachdem wir Getränke bestellt haben. Philipp ist ein spezieller Fall, denn über Jahre hinweg verband mich mit ihm eine On-Off-Beziehung. Während ich mehr wollte, hielt sich der Kerl mich für eine schnelle Nummer warm, ohne meine ernsthafteren Gefühle zu teilen. Bei der Aufklärung zu unserem ersten Fall kamen er und Terry sich näher und bilden seither ein ziemlich ungleiches Paar.

„Schwieriges Thema.“

„Willst du nicht darüber reden?“

„Das ist es nicht. Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.“

„Verstehe.“

„Weißt du, dieser Spruch, dass Gegensätze sich anziehen, ist voll für den …“ Terry streckt die Zunge heraus und imitiert ein Furzgeräusch. „Wenn man durch ist mit all der Vögelei und Turtelei, sieht es ohne Gemeinsamkeiten ganz schön mau aus.“

„Hmm“, mache ich, denn augenblicklich frage ich mich, ob es Bruce und mir in einigen Wochen ebenso gehen wird. Welche Gemeinsamkeiten teilen wir?

„Jetzt mach dir keine Gedanken. Es kann durchaus umgekehrt sein, dass man nach und nach gemeinsame Interessen entdeckt.“ Terry grinst. „Nimm Bruce doch mal mit in die Backstube und schlag seine Sahne.“

„Du bist unmöglich!“, rufe ich, und die Gäste der Nachbartische drehen sich zu uns um, bevor wir in gackerndes Gelächter einfallen. „Philipp und du, da gibt es keine Basis?“, frage ich, nachdem wir uns beruhigt haben.

„Anfangs dachte ich, es würde funktionieren, weil wir einander lassen, wie wir sind. Aber unsere Welten sind zu verschieden.“

„Du meinst seinen Job?“

„Genau. Keinen seiner Arbeitskollegen, mit denen er teilweise auch befreundet ist, habe ich bislang kennengelernt.“

„Hast du ihn darauf angesprochen?“

„Klar.“

„Und?“

„Ausreden, dass er die Zeit lieber mit mir alleine verbringen möchte oder seine Freunde keine Zeit haben.“

„Womöglich stimmt das?“

Terry schenkt mir einen vielsagenden Blick. „Süße, ernsthaft? Wir sind doch beide nicht blöd.“

„Stimmt schon.“ Ich hole Luft und überlege, ob ich das, was mir auf der Zunge liegt, wirklich sagen soll.

„Raus damit!“ Terry weiß wieder einmal, was in mir vorgeht.

„Ich habe wirklich gehofft, dass Philipp sich geändert hat. Dass er mit dir anders umgeht.“

„Aber?“

„Ihm war schon immer am wichtigsten, was andere über ihn denken.“

Terry schlägt den Blick nieder und nickt.

Ich ergreife ihre Hand. „Tut mir leid.“

„Du kannst nichts dafür, und natürlich weiß ich das. Der erfolgreiche und gutaussehende Banker und daneben der Paradiesvogel, der von allen kritisch beäugt wird.“

„Das stimmt nicht.“ Ich drücke Terrys Hand und bin dankbar, dass sie mich daraufhin ansieht. „Für mich bist du der wertvollste Mensch, den es gibt und genau richtig, wie du bist. Mach dich nicht klein, und vor allem – verbieg dich nicht für einen Philipp oder sonst jemanden.“

„Danke.“ Terry schluckt.

Wir halten einander an den Händen, und mir wird klar, dass ich Terrys Stärke für eine Selbstverständlichkeit gehalten habe. Eine niemals versiegende Kraft, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Umfeld versorgt. Doch das Einzige, was Terry besser gelingt, ist, die Unsicherheit hinter lockeren Sprüchen zu verbergen. Selbstverständlich weiß ich das, unsere Freundschaft verbindet uns lang genug, aber hin und wieder sollte ich mir das vor Augen führen.

„Es tut mir leid“, sage ich. „Ich hätte schon früher nachfragen und dich nicht allein damit lassen sollen.“

„Ach, Linny. Du kennst mich doch. Mir muss man alles aus der Nase ziehen. Und bei dir war einiges los.“

Ich möchte widersprechen, doch Schuldzuweisungen nutzen keinem von uns etwas. „Ich bin da, okay?“

„Okay.“

Unsere Getränke werden serviert, und einen Augenblick starren wir auf die Gläser, als wüssten wir nicht, wo wir ansetzen könnten. „Es könnte so einfach sein, wenn die Kerle nicht wären.“

Terry grinst. „Man sollte einen kostenlosen Escortservice einführen. Ein schnuckeliger Typ, der es einem auf Abruf ordentlich besorgt und hin und wieder eine Glühbirne wechselt. Oder beides gleichzeitig.“

Ich verschlucke mich an meinem Getränk, weil ich lachen muss. „Du hast Ideen.“

„Du musst schon zugeben, dass die Vorstellung verlockend ist.“

„Stimmt.“

Wir bestellen das Essen und unterhalten uns den restlichen Abend nur noch über belanglose Dinge. Albern herum und ernten ein weiteres Mal die Blicke unserer Tischnachbarn, weil wir irgendwann kaum noch aufhören können zu lachen.

„Das hat mir echt gefehlt“, sagt Terry auf dem Heimweg. Sie hat sich bei mir untergehakt, und ein Lächeln umspielt ihre Lippen.

„Mir auch.“ Dass wir einander versprechen sollten, es nicht wieder so weit kommen zu lassen, spreche ich nicht aus. Das haben wir durch, und es hat nicht funktioniert. Keine Bitterkeit begleitet diese Erkenntnis, sondern Verständnis. Weder Terry noch ich lassen das aus Absicht geschehen, und ist nicht wichtiger, dass wir in der Lage sind, den Fehler einzugestehen und im entscheidenden Augenblick füreinander da sind?

„Bruce möchte, dass wir einander Freiräume lassen“, sage ich.

„Finde ich vernünftig. Auch, dass er es zu Beginn anspricht.“

„Sicherlich hast du recht. Für mich hat es sich nur so angefühlt, als wolle er mich auf Abstand halten.“

„Ganz im Gegenteil.“ Terry bleibt stehen und sieht mich an. „Das bedeutet für mich, dass er bereits langfristig denkt. Warum sollte er ansonsten ein eher unangenehmes Thema gleich zu Anfang anschneiden?“

„So habe ich das nicht betrachtet. Aber das ergibt Sinn.“

„Bei Bruce und dir habe ich ein gutes Gefühl.“ Erneut hakt sich Terry bei mir unter, und wir schlendern weiter, während ihre Positivität auf mich übergreift.

5

„Das hört sich tatsächlich seltsam an.“

Keine Ahnung, ob Bruce das ernst meint, oder es meinem Freundin-Bonus geschuldet ist. Letztlich egal, denn nachdem wir Mr Norwood, alias den Terminator, auch heute nicht erreicht haben, kann ich meine Ahnung, dass etwas nicht stimmt, kaum länger ignorieren.

„Wann hast du denn zum letzten Mal mit diesem Norwood gesprochen?“

„Gute Frage.“ Ich werfe Terry einen Blick zu, die mithört, da ich das Gespräch auf Lautsprecher gestellt habe, aber die zuckt nur mit den Schultern. „Ist sicherlich schon einige Wochen her.“

„Also könnte er auch in den Urlaub gefahren sein?“

„Klar.“

„Warum fahrt ihr nicht zunächst selbst mal vorbei und checkt das? Immerhin seid ihr doch jetzt meine Hilfssheriffs.“

Ich muss grinsen. „Aye, aye, Sir.“

„Anderes Schiff, aber ich lasse das mal gelten. Falls euch irgendetwas komisch vorkommt, meldet ihr euch.“

„Machen wir.“

„Vor allem, bevor ihr irgendeine Aktion startet, die euch in Schwierigkeiten bringt.“

„Versprochen.“

„Und falls der komische Typ wieder auftaucht, meldet ihr euch.“

„Auf jeden Fall.“

Eine Pause entsteht, als hätten wir Schwierigkeiten, vom Dienstlichen zum Privaten überzugehen.

„Wann sehen wir uns?“, frage ich.

„Sonntags schließt ihr früher?“

„Meist gegen fünf Uhr.“

„Dann hole ich dich ab, wir gehen essen, etwas Vernünftiges.“ Er lacht kurz, und ich stimme ein. „Und dann …“

Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass Terry ein rammelndes Kaninchen imitiert, und muss mir auf die Zunge beißen, nicht erneut zu lachen, was Bruce sicherlich falsch auffassen würde. „Das sehen wir dann“, beeile ich mich zu sagen, und schalte den Lautsprecher aus, bevor ich das Handy zum Ohr führe. Obwohl Terry und ich recht offen miteinander sprechen, dass sie ein Gespräch zwischen Bruce und mir über unsere „Aktivitäten“ mitbekommt, ist mir unangenehm. So beende ich das Telefonat ohne Mithörerin.

„Sagt ihr es eigentlich schon?“, fragt Terry, nachdem ich aufgelegt habe.

„Was?“

„Ich liebe dich.“

„Bisher noch nicht.“

„Lag es dir denn schon auf der Zunge?“

„Ist es seltsam, dass ich darüber nachdenken muss?“

„Nicht unbedingt. Bruce hat sich bei dir zu einer Art Über-Lover entwickelt, wahrscheinlich hast du immer noch nicht realisiert, dass du mit ihm zusammen bist, und lässt solche Gefühle nicht zu.“

„Ich dachte, du hast Pharmazie studiert und nicht Psychologie?“ Ich grinse Terry schief an, um zu unterstreichen, dass ich einen Scherz gemacht habe, denn, um ehrlich zu sein, ihre Vermutung klingt nicht weit hergeholt.

„Sagen wir mal so, was deine Psyche anbelangt, habe ich einen ziemlich guten Einblick.“

„Meinst du?“

„In deinem Innersten bist du genauso durchgeknallt wie ich. Du hast nur Wege gefunden, es anders zu kanalisieren.“ Terry lächelt ebenfalls.

„Das nimmst du zurück!“, rufe ich, gespielt entrüstet, greife nach dem Putzlappen, der vor mir auf dem Tresen liegt, und werfe ihn Terry ins Gesicht.

Die schreit auf, um sogleich in Gelächter auszubrechen. „Na warte!“ Immer noch lachend rennt sie auf mich zu, aber mir gelingt es, mich an ihr vorbeizuschlängeln, um mich hinter einem Tisch zu verschanzen.

Wir gackern und jagen einander, als wären wir wieder Kinder, und obwohl der Gedanke, dass wir uns albern verhalten, mir in den Kopf schießt, gelingt es, ihn zu ignorieren. Terry hat recht, sollen andere doch denken, was sie wollen. Diese Augenblicke sind kostbar, und man muss sie mit beiden Händen ergreifen und festhalten, bis sie sich verflüchtigen.

In diesem Fall geschieht es in dem Moment, als wir einander, immer noch lachend, an den Händen fassen. „Ich stimme dir zu.“

Terry sieht mich fragend an.

„Ich bin genauso durchgeknallt wie du, nur lass ich meinen Freak nicht so oft heraus.“

„Absolut!“, ruft Terry aus. „Erinnerst du dich noch an das letzte Highschooljahr und Donovan Grames?“

„Der Kerl, der dich als Freak beschimpft und mich gefragt hat, warum ich mich mit dir abgebe? Aber hallo!“ Beim Gedanken an den geschniegelten Typ, der Terry regelrecht tyrannisierte, droht die ausgelassene Freude von mir abzufallen.

Das scheint Terry zu bemerken, denn sie legt den Kopf schief. „Der soll dir nicht die Stimmung verderben. Ganz im Gegenteil. Du sollst an das furiose Finale denken.“

Ich reiße die Augen auf. „Stimmt!“ Jetzt bin ich diejenige, die brüllt, um im nächsten Augenblick in Gelächter auszubrechen. „Dessen Blick! Unbezahlbar.“

„Wer hätte auch damit gerechnet, dass du auf die Idee kommst, dir ebenfalls die Haare blau zu färben und am nächsten Tag mit angestecktem Nasenring in die Schule zu kommen? Um dich dann neben mich zu stellen und Donovan vor versammelter Mannschaft zu verkünden, dass er recht hat mit seiner Vermutung, dass ich dich mit meiner Freakiness anstecke.“ Terry giggelt.

Ich wische mir Lachtränen aus den Augen. „Wie konnte ich das bloß vergessen? Vor allem, da ich gedacht habe, eine Tönung zu benutzen, aus Versehen aber zur Färbung griff und meine Eltern so begrüßen musste. Die waren für einige Tage verreist und ich hatte geplant, meine Haare vorher wieder zur Ursprungsfarbe zurück zu waschen.“

Terry streicht mir über das Haar. „War in blau auch toll.“ Sie lächelt. „Das war das Großartigste, das jemals jemand für mich getan hat. Spätestens da wusste ich, dass du wirklich für mich da bist und hinter mir stehst.“

Wir schließen einander in die Arme und drücken uns fest. Als Terry sich von mir löst, grinst sie wieder, doch dieses Mal auf die schelmische Terry-Art. „Erinnerst du dich an diesen Macy Gray Song, Sexual Revolution?“ Sie stimmt die Liedzeilen an, bis sie zu dem Part kommt, in dem es darum geht, dass ihre Mom ihr gesagt habe, den Freak für sich selbst zu behalten, man ihn aber mit der Welt teilen solle, da er etwas Wunderbares sei.

Wir fallen uns erneut in die Arme und wiehern wie zwei tollwütige Stuten.

„Macy Gray hat sicherlich meine Mom.“ Ich wische mir Tränen aus den Augenwinkeln.

„Du meinst, weil deine dir auch immer rät, deinen Freak in dir einzusperren?“

„Genau.“

„Na, dem hast du in letzter Zeit doch erfolgreich entgegengearbeitet.“ Terry zwinkert mir vielsagend zu. „Wie geht es ihr eigentlich?“

„Meiner Mom? Um ehrlich zu sein, in den letzten Wochen, schon Monaten, liegt der Kontakt brach. Mehr als eine Sprachnachricht oder Textmessage war irgendwie nicht drin.“

„Tröste dich, ich bin eine viel größere Rabentochter. Ich habe Roger seit Monaten noch nicht einmal eine Nachricht geschickt.“

„Da unsere Erzeuger sich im Elternsein ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert haben, hält sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen.“

„Gut gesprochen. Trotzdem werde ich Roger die Tage mal anrufen. Zumindest mal hören, ob er noch lebt.“

„Ja, das sollte ich auch machen.“ Ich räume einen Tisch ab, und Terry schnappt sich einen neuen Lappen. Den, der in ihrem Gesicht landete, feuert sie in den Mülleimer.

Nach der Rumalberei und den Gesprächen läuft das Aufräumen still ab. Nur hin und wieder werfen wir einander eine Bemerkung zu, ohne dass ein richtiger Dialog entsteht. Dennoch ist die Atmosphäre angenehm, und als wir fertig sind, sehe ich zur Uhr. „Was meinst du? Sollen wir noch die Pferde satteln?“

„Die was?“

Ich tippel auf der Stelle, die rechte Hand imitiert das Halten von Zügeln, während die linke meinem imaginären Gaul die Gerte gibt.

Terry lacht. „Der Freak ist ausgebrochen und lässt sich wohl nicht mehr einsperren.“

„Könnte sein.“ Ich ziehe die Schürze über den Kopf und hänge sie an den Haken. „Ich dachte, dass wir dem Terminator einen Besuch abstatten können.“

„Ach so. Klar. Hast du die Adresse?“

„Bestimmt in meinem Büro. Da müsste auch der Mietvertrag sein.“