Munde - Felix Mitterer - E-Book

Munde E-Book

Felix Mitterer

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Beschreibung

Vier Dachspengler und ein Büromädchen steigen auf den Gipfel der Hohen Munde, den Hausberg von Telfs, um ein Bergfeuer zu machen. Doch was in fröhlicher Betriebsausflugsstimmung beginnt, mündet bald in Macht- und Prestigekämpfen ...

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Felix Mitterer: Munde

HAYMON

Felix Mitterer

Munde

aus: STÜCKE 2

Die Herausgabe der Werksammlung wurde vom Land Tirol, dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst und von der Gemeinde Telfs gefördert.

© 1992HAYMON verlagInnsbruck-Wienwww.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Aufführungsrechte für alle Stücke beim ÖsterreichischenBühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5111, A-1010 Wien

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7112-3

Umschlaggestaltung:hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Dieses Stück wurde dem Sammelband »Stücke 2«, erschienen 1992 im Haymon Verlag, entnommen. Den Sammelband »Stücke 2« erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

INHALT

Munde

Lebenslauf

MUNDE

Der Hausberg von Telfs – wo seit 1982 die Tiroler Volksschauspiele stattfinden – ist die Hohe Munde. Jeden Sommer schaute ich auf die Munde (wie die Einheimischen den Berg nennen) und entwickelte schließlich die fixe Idee, dort oben am Gipfel müßten wir einmal Theater spielen. Da mir die Gefährlichkeit eines solchen Unternehmens bewußt war – die Munde ist ein fürchterlicher Gewitterberg –, schob ich den Gedanken immer wieder weg, bis ich ihn 1988 doch vortrug und wider Erwarten bei den Kollegen auf Zustimmung stieß. Da auch Bürgermeister und Kulturreferent von der Idee angetan waren und die Bergrettung versprach, das ganze Unternehmen zu unterstützen, wagten wir das Abenteuer. Ich schrieb »Munde«, die Geschichte von vier Dachspenglern und einem Büromädchen, die auf die Hohe Munde steigen, um ein Bergfeuer zu machen. Was in fröhlicher Betriebsausflugsstimmung beginnt, mündet bald in Macht- und Prestigekämpfe.

Das Stück zu schreiben, war ein leichtes, die Produktion desselben auf 2592 Meter Höhe vorzubereiten und durchzuführen, glich einem Expeditionsunternehmen. Wir brauchten Zelte zum Übernachten für die Zuschauer, weil ein Abstieg in der Dunkelheit zu gefährlich war. Über die Zelte mußte ein Blitzschutzkäfig gebaut werden, damit das Publikum nicht vom Blitz erschlagen wurde. Die Schauspieler und das Produktionsteam bekamen Container, weil sie ja wochenlang auf dem Gipfel leben mußten. Um all diese Dinge (einschließlich Gerüste, Scheinwerfer, Zuschauerbänke, Wasserkanister und WC-Anlagen) hinauftransportieren zu können, brauchten wir natürlich einen Hubschrauber. Umweltschützer begannen zu protestieren, was mir sehr peinlich war, denn ich betrachte mich irgendwie ja selber als ein solcher. Ich hatte einfach den Aufwand naiverweise vollkommen unterschätzt, den so ein Unternehmen mit sich bringt. Die Proben auf dem Gipfel gestalteten sich außerdem schwierig, mußten immer wieder wegen Regen, Schneefall, Nebel und Gewittern unterbrochen werden.

Der Andrang zu den Vorstellungen war dann ein geradezu unglaublicher, obwohl sich die Zuschauer drei Stunden lang eine steinige und steile Bergflanke hinaufquälen mußten. Bei Gewittergefahr sagten wir die Vorstellung natürlich frühzeitig ab, trotzdem kam es zweimal zu gefährlichen Situationen, weil wider allen Wettervorhersagen (wir hielten ständig mit dem Flugwetterdienst Kontakt) ein Gewitter die Zuschauer beim Aufstieg überraschte. Ich verfluchte mich und meine verrückte Idee, betete zu allen Heiligen, gelobte auch eine Wallfahrt, wenn nichts passiere, und tatsächlich, alle erreichten heil den Blitzschutzkäfig. Nur zwölf Schafe erwischte es, die fanden wir am nächsten Morgen tot unter dem Gipfel; mir wurde fast schlecht dabei. Wenn abends ein Gewitter kam, und das Publikum war schon oben, spielten wir dafür am Morgen, gleich nach Sonnenaufgang. Die Zuschauer genossen das sehr, denn sie erhielten für ihr Geld gleich zwei Schauspiele – das Naturschauspiel und unseres.

Nachdem dieser Sommer vorbei war, hatte ich wirklich sämtliche Sünden abgebüßt. Mehr Glück als Verstand begleitete dieses Unternehmen, das muß man wirklich sagen. Und nichts war passiert, absolut nichts. Ringsum kugelten die Touristen jeden Tag von den Bergen ab, verirrten sich, wurden vom Blitz erschlagen, jedoch bei uns auf der Munde – kein einziges Unglück, nicht einmal ein verstauchter Knöchel. Fast ein Wunder. Vergessen werden wir alle diesen Sommer nie. Nicht das Team, nicht die Zuschauer. Der schweißtreibende Aufstieg, das Anschauen des Stückes, das Sitzen und Reden nachher ums Lagerfeuer, das Betrachten des nächtlichen Sternenhimmels, diese unglaubliche Ruhe – ein Gefühl, wie auf dem Mond zu sein –, das Schlafen mit unbekannten Menschen im Zelt, und dann der Sonnenaufgang und wieder der Abstieg, nicht zu vergessen das wunderbare Frühstück auf der Rauthhütte, das alles wird für immer im Gedächtnis bleiben. Und nie mehr werde ich einen so verrückten Vorschlag machen.

Es stellte sich bei den Aufführungen am Berggipfel natürlich heraus, daß das Stück an sich zuwenig zur Geltung kam. Zu übermächtig war die Konkurrenz der Natur (manche schauten lieber dem prächtigen Sonnenuntergang zu als den Schauspielern), zu große Probleme gab es auch mit der Akustik, zuviel mußte gestrichen werden, weil die Zuschauer mehr als 70 Minuten in dieser Kälte nicht aushielten, und viel zu ausgesetzt schließlich mußten die Darsteller agieren; all die intimen, leisen Stellen des Stückes gingen regelrecht verloren. Auch dem Regisseur Rudi Ladurner war dies natürlich bewußt, und so setzte er sich in den Kopf, das Stück nocheinmal zu inszenieren, und zwar in einem geschlossenen Haus, in einem stinknormalen Theater. Das tat er dann auch, im Klagenfurter Stadttheater nämlich, und natürlich war das dann die bessere Aufführung, beeindruckte das Stück an sich viel mehr.

AUSGESETZT AUF DEN BERGEN DES HERZENS

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,

siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,

aber wie klein auch, noch ein letztes

Gehöft von Gefühl. Erkennst du’s? –

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund

unter den Händen. Hier blüht wohl

einiges auf; aus stummem Absturz

blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.

Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann,

und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.

Da geht wohl, heilen Bewußtseins,

manches umher, manches gesicherte Bergtier,

wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel

kreist um der Gipfel reine Verweigerung. – Aber

ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens ...

Rainer Maria Rilke

PERSONEN:

Willi, der MeisterGerhard, der GeselleTommi, der LehrlingMemet (genannt »Alex«), der türkische GastarbeiterPetra, die Freundin des Gesellen

SCHAUPLATZ:

Gipfel der Hohen Munde, Telfs

Das Gipfelplateau mit Kreuz und Kabelfernsehsender. Gerhard kommt von der Aufstiegsroute heran, bleibt beim Gipfelkreuz stehen, reißt die Arme in die Höhe, stößt einen Juchzer aus, schaut zurück zur Aufstiegsroute, kommt nach vorne. Er trägt Bergschuhe, schockfarbenen Sportanzug, einen neuen, schockfarbenen Rucksack, über der Schulter einen alten Autoreifen. Er läßt den Reifen zu Boden gleiten, legt den Rucksack ab, entnimmt ihm eine Flasche Johnny Walker, macht einen kräftigen Schluck, schaut sich um, geht zum Gipfelkreuz, öffnet den Deckel des Holzkastens am Kreuz, nimmt das an einer Kette hängende Gipfelbuch heraus, an das ein Kugelschreiber geklemmt ist, schaut auf seine Uhr, trägt sich ins Gipfelbuch ein, gibt es nicht in den Kasten zurück, geht mit der Flasche nach vorne zum Abgrund, schaut auf Telfs hinunter, trinkt wieder, zündet sich eine Zigarette an. Tommi kommt nach einer Weile keuchend heran. Er wollte eigentlich schneller als Gerhard sein, hat es aber nicht geschafft. Er trägt eine Schirmmütze mit dem Aufdruck »Bauspenglerei Posch«, hohe, feste Turnschuhe und Blue Jeans, einen modernen, aber schon etwas abgenützten Rucksack, auf den ein großes Bündel Holz geschnallt ist, über einer Schulter trägt er einen Autoreifen, in der linken Hand einen 10-Liter-Plastikkanister mit Dieselöl. Gerhard sieht Tommi, schaut ihm grinsend entgegen.

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