New York Lights - Mrs Kristal - E-Book
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Mrs Kristal

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Beschreibung

"Es ist, als stünde ich jedes Mal vor dem nächsten First Down, würde es aber letztendlich nicht gebacken bekommen, es zu erreichen. Ein Touchdown in unserer Beziehung ist schon mal gar nicht in Sicht, denn dafür müsste ich endlich ehrlich zu meiner Freundin sein, und das schaffe ich nicht."  Geprägt von ihrer schwierigen Vergangenheit, widmet sich Lilly voll und ganz ihrem Job als Sozialarbeiterin, bei dem sie Jugendliche vor dem Absturz in die Kriminalität bewahrt. Als sie Brooklyn kennenlernt, ist für sie klar: Ein Footballspieler und Weiberheld passt nicht in ihr Leben! Doch Brooklyn ist charmanter und hartnäckiger, als Lilly erwartet hat, und schnell muss sie erkennen, dass mehr hinter der sexy Fassade steckt. Doch seine Geheimnisse und das merkwürdige Verhalten drohen alles zu zerstören … Brooklyns Ruf eilt ihm voraus: ein Playboy, wie er im Buche steht. Aber der Quarterback hat Gründe dafür, sich nicht auf Beziehungen einzulassen. Er weiß, was Frauen von ihm wollen: einen Platz im Rampenlicht und sein Geld. Das alles ist vergessen, als er auf Lilly trifft. Brooklyn will zum ersten Mal mehr. Allerdings lasten seine Geheimnisse schwer auf seinem Herzen. Kann er wirklich darauf vertrauen, dass Lilly ihn akzeptiert? Der erste Band der "New York Gladiators" von Bestseller-Autorin Mrs Kristal – eine Football-Romance-Serie über sexy Player und die Frauen, die diese mühelos um den Finger wickeln. Jeder Roman ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von anderen Geschichten gelesen werden. Happy End garantiert!

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NEW YORK LIGHTS

NEW YORK GLADIATORS

BUCH 1

MRS KRISTAL

Für Marie

1

Lilly

Das Taxi hält vor einer Bar in Manhattan, und der Fahrer sieht in den Rückspiegel zu meiner besten Freundin Jenna und mir. Er ist schon älter, ich würde ihn auf Mitte fünfzig schätzen. Sein Haar ist ergraut, und auf dem ausgewaschenen Poloshirt befinden sich sichtbare Senfflecken von dem Hot-Dog, den er gegessen hat, bevor wir eingestiegen sind. Er war dennoch sehr freundlich und hat uns sicher durch die Stadt gefahren. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit in einem New Yorker Taxi. Die Fahrer sind immer in Hektik, und dank meiner großen Schwester Lesley kenne ich alle Horrorgeschichten rund um Taxifahrer. Es ist egal, ob diese in New York oder in unserer Heimatstadt Old Colorado im gleichnamigen Bundesstaat unterwegs sind. Lesley hält Taxifahrer für eine der unseriösesten Berufsgruppen des Landes.

»Das macht siebzehn Dollar, Mädels«, sagt er und deutet auf den kleinen Monitor oberhalb des alten Radios, aus dem leise Musik der Neunzehnhundertsiebzigerjahre dudelt. Jenna öffnet ihre Handtasche und reicht dem Mann einen Zwanzig-Dollar-Schein. Er nimmt ihn an und kramt in seinem Portemonnaie nach Wechselgeld, aber meine beste Freundin winkt freundlich ab.

»Das passt so«, lässt Jenna ihn wissen.

»Oh, vielen Dank.« Er ist sichtlich überrascht von dem Trinkgeld, das wir ihm geben. »Ich wünsche euch einen schönen Abend, und wenn ihr heute Nacht ein Taxi braucht, fragt nach Cora. Sie ist meine Kollegin und die Nachtschicht für Frauen, die allein unterwegs sind.«

Jenna hat mir erzählt, dass das Taxiunternehmen, bei dem der Fahrer beschäftigt ist, seit ein paar Wochen nachts zwischen dreiundzwanzig und fünf Uhr zwei Fahrerinnen für Frauen beschäftigt, sodass diese sicher nach Hause kommen. Die Fahrerinnen nehmen auch nur ausschließlich Frauen ohne Begleitung mit. Frauen in Begleitung eines Mannes dürfen nicht einsteigen. Ich finde das eine tolle Sache und werde diesen Service unterstützen.

Jenna stößt die Tür auf, und die stickige Luft des Tages schlägt uns entgegen. Es ist unnatürlich heiß heute in New York. Selbst der Beton in den Schluchten der Hochhäuser schwitzt bei jeder Berührung mit Flüssigkeit. Laut den Wetterdiensten im Radio und im Fernsehen ist es der heißeste September seit Beginn der Wetteraufzeichnungen achtzehnhundertsiebzig.

»Mein Gott.« Jenna stöhnt, nachdem ich die Tür des Taxis hinter mir geschlossen habe und mein kurzes schwarzes Kleid richte. »Es ist so heiß.«

Sie fächelt sich Wind zu, was ziemlich lächerlich wirkt, weil ihre Hände dabei unkontrolliert hin und her schwanken. Meine beste Freundin ist wunderschön und arbeitet nicht umsonst als Model. Jenna ist eins fünfundachtzig groß und hat die Traummaße einer jeden Frau. Mit meinen eins siebzig bin ich auch nicht klein, aber bei Weitem nicht da, wo sie ist. Meine Hüften sind üppiger als ihre, meine Oberschenkel breiter und meine Brüste größer. Die mir aber sehr gut gefallen, denn bei meinem prallen C-Körbchen kann sie nur müde lächeln. Jenna ist über ein gepushtes B-Körbchen nie hinausgekommen. Als wir Teenager waren und unsere Körper sich veränderten, um zu Frauen zu werden, war ich neidisch auf ihre Wespentaille und sie auf meine Brüste. Eine Mischung aus unseren Körpern wäre wohl perfekt. Wer ist schon perfekt? Das will ich auch gar nicht sein. Ich bin zufrieden mit meinem Körper.

»Lass uns reingehen«, meint Jenna und sieht mich lächelnd an.

»Insofern du wieder atmen kannst«, gebe ich ihr grinsend zur Antwort, und sie verdreht die Augen.

»Du weißt gar nicht, wie dünn die Luft hier oben ist.« Wie immer spielt sie auf die fünfzehn Zentimeter an, die sie größer ist als ich.

»Und du weißt gar nicht, wie sehr die Straßen New Yorks stinken«, erwidere ich sogleich. »Hier unten.«

Jenna grinst und greift nach meiner Hand, um mich zum Eingang der Bar zu führen. Mittlerweile hinterfrage ich es nicht mehr, wie sie es immer wieder schafft, Zutritt zu den tollsten Läden der Stadt zu bekommen. Als gut gebuchtes und noch besser bezahltes Model verdient meine beste Freundin weitaus mehr, als ich mir jemals erträumen kann. Nach der Highschool vor sieben Jahren sind wir zusammen nach New York gezogen. Jenna hat sich bei verschiedenen Agenturen als Model beworben, und ich habe an der New York University Soziale Arbeit studiert. Mit einem Vollstipendium, sonst hätte ich mir das niemals leisten können. Nach einigen Anläufen hat Jenna eine Modelagentur gefunden und arbeitet seitdem mit dieser zusammen. Gelegentlich habe ich sie schon zu ihren Jobs begleitet. Wir waren in Paris, London, Mailand, Rio de Janeiro und Los Angeles.

Mein Studium habe ich vor zwei Jahren abgeschlossen und arbeite in einer Einrichtung für schwer erziehbare Mädchen und Jungen zwischen zwölf und achtzehn Jahren. Jenna meint, dass ich verrückt sein muss, dort zu arbeiten. Sie hält die Kids in den meisten Fällen für Kriminelle und auf dem besten Weg ins Jugendgefängnis. Ich hingegen glaube, dass jeder eine zweite Chance verdient hat. Die meisten Kids sind verlorene Seelen und wissen nicht wohin mit sich und der Welt. Sie kommen zu neunzig Prozent aus den schrecklichsten Familienverhältnissen und suchen einfach nur ein Zuhause. Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch zählt für die meisten von ihnen zum Alltag ihres noch jungen Lebens.

Im Gegensatz zu Jenna sind Lesley und ich ähnlich aufgewachsen wie diese Kids.

Wir kommen aus einer Kleinstadt am Fuße der Rocky Mountains. Unseren Dad kennen wir nicht, vermuten aber, dass es Fred, der Tankwart aus dem Nachbarort, ist. In Lesleys Geburtsurkunde ist ein F. Miller eingetragen. Grandpa hat zwischen den Zeilen einmal erwähnt, dass er eine Rolle in Moms Leben während ihrer Schwangerschaft mit meiner Schwester gespielt hat. In meine Urkunde hat unsere Mom keinen Vater eintragen lassen. Sie war fünfzehn Jahre alt, als Lesley zur Welt kam, und achtzehn Jahre bei meiner Geburt. Wir beide kamen einige Monate nach meiner Geburt in die Obhut des Jugendamtes, weil der damalige Freund unserer Mom Lesley fast zu Tode geprügelt hätte. Sie ging ihm auf die Nerven. Ich bekomme auch nach fünfundzwanzig Jahren noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. In der Obhut des Jugendamtes blieben wir nur zwei Wochen.

Danach wuchsen wir bei unseren Großeltern, den Eltern unserer Mom, Dorothee und Kirk auf. Unsere Mutter sahen wir nur sehr sporadisch. In der Regel, wenn sie mal clean war oder nach einem ihrer vielen Knastaufenthalte unterkommen musste. Meistens missbilligte sie unsere Anwesenheit. Seitdem wir erwachsen sind und Geld verdienen, insbesondere Lesley, ließ sie sich mehr und mehr blicken, weil sie genau dieses brauchte. Bis heute ist unser Verhältnis sehr angespannt. Wir können ihr nicht verzeihen, dass sie uns im Stich gelassen hat.

Jennas Mom ist die Schulsekretärin der Highschool in Old Colorado, und ihr Dad hat einen kleinen Laden für Skibedarf in der Innenstadt. Sie hat einen jüngeren Bruder, Jackson, der Freestyle-Snowboarder ist. Eine Bilderbuchfamilie aus den Rockys. Die Lakins nahmen mich oft mit in den Urlaub und ließen mich an ihrem Familienleben teilhaben. Meinen Großeltern war das unangenehm, hatten sie doch nie die finanziellen Mittel, Lesley und mir das alles zu bieten. Mrs. Lankin, Jennas Mom, wurde in dieser Zeit zu einer Ersatzmutter für mich. Denn es gab Themen, die konnte ich nicht mit meiner Grandma besprechen.

»Name«, reißt mich der Mann am Eingang der Bar aus meinen Gedanken, und ich sehe zu ihm auf. Er trägt einen schicken schwarzen Anzug, die schwarzen Haare mit Gel zurückgestrichen. Für meinen Geschmack ist er eine Spur zu geleckt. Gar nicht mein Typ. Aber so tot wie mein Liebesleben in den letzten Monaten ist, sollte ich mich wohl glücklich schätzen, wenn ich überhaupt die Aufmerksamkeit irgendeines Mannes auf mich ziehen kann. Ich bin nicht prüde, aber neben einem Supermodel zu bestehen, ist nicht immer leicht. Jenna ist ein Männermagnet. Ich blicke wieder zu dem geleckten Typen. Er flirtet mit Jenna, keine Frage, aber meine Freundin ignoriert es. Sie datet seit ein paar Wochen Pierce Gates, den Running Back der New York Gladiators. Zwar gibt Jenna es nur ungern zu, aber sie ist sehr verliebt in Pierce.

Er ist ein Traumtyp mit seinen Locken, dem stählernen Körper und dem unwiderstehlichen Lächeln. Dazu bringt er noch einen Traumjob für eine Traumfrau mit. Ich bin Pierce schon zwei Mal morgens in der Küche unserer Wohnung in Brooklyn begegnet. Jenna drängt mich darauf, umzuziehen, aber ich will nicht. Die Miete ist günstig, und mit der U-Bahn bin ich in zwanzig Minuten an der Arbeit. Wenn wir nach Manhattan ziehen, kann ich mir erstens die Miete nicht mehr leisten, und zweitens brauche ich ewig zur Einrichtung.

»Oh, und Lilly«, sagt Jenna und dreht sich zu mir herum. Ihre dunkelbraunen Augen sehen mich eindringlich an, und als würde das nicht reichen, beißt sie sich auch noch auf die Lippe. Ich werde sofort skeptisch, und mein Körper spannt sich an. Wenn Jenna mich so ansieht, hat sie etwas hinter meinem Rücken organisiert. Dabei weiß sie, wie sehr ich das hasse. Zum Beispiel hat sie heimlich meine Bewerbungen für die NYU abgeschickt. Ich war mir unsicher, ob ich Grandma und Grandpa allein lassen kann. Vor sieben Jahren gingen sie beide auf die siebzig zu. Auch wenn Lesley in Old Colorado blieb, wollte ich dennoch für sie da sein. Jenna und meine Großeltern sahen das anders. Grandma gab Jenna alle Unterlagen, die ich nicht rausrücken wollte, für die Bewerbung, und als das Vollstipendium da war, musste ich es annehmen.

»Was hast du gemacht, Jen?« Mein Unwohlsein nimmt zu, und ich merke, wie mein Inneres zu rumoren beginnt. Ich bekomme immer Bauchschmerzen, wenn ich nervös werde.

»Also ich … ich habe … ich dachte …«, stammelt sie herum, und ich ziehe die Augenbrauen hoch. Langsam werde ich ein wenig ungehalten. Jenna hat mir versprochen, dass das ein Mädelsabend wird. So wie wir ihn schon ewig nicht mehr gemacht haben, weil ich in den letzten Wochen viele Doppelschichten in der Einrichtung hatte und sie für zwei Jobs in Asien und Europa war.

»Hi Babe!« Die Stimme lässt mich zusammenfahren, und plötzlich steht Pierce hinter Jenna. Er schlingt seinen linken Arm um ihre Hüfte und küsst sie so unanständig, dass ich am liebsten wegsehen möchte. Das muss doch nicht sein. Jenna und Pierce aber haben alles um sich herum ausgeblendet und stecken sich voller Wollust die Zunge in den Hals.

»Ich habe Pierce auch eingeladen«, sagt Jenna, als sie sich endlich voneinander lösen. Sie weiß genau, dass sie mich damit in eine unmögliche Situation bringt. Ich mag Pierce, keine Frage, aber ich will mich nicht mit ihr und ihrem Freund an einen Tisch setzen. Wie sieht das denn aus? Wenn sie Zeit mit ihm verbringen möchte, kann sie mir das sagen. Ich bin ihr weder böse noch eifersüchtig.

»Hi«, sagt er charmant wie immer und gibt mir einen Kuss auf die Wange.

Pierce ist ein verdammt schöner Mann. Seine sonst lockigen Haare sind kürzer. Auch der Bartschatten auf seinen Wangen ist intensiver als sonst. Dazu trägt er ein weißes T-Shirt, das Frauen und auch einigen Männern nicht viel Fantasie lässt, was sich darunter befindet, und eine ausgewaschene Jeans.

»Schön, dass das klappt«, fügt er seiner Begrüßung an.

»Hi«, erwidere ich und lächle. »Äh … ja … schön.«

Jenna ist so unmöglich. Und sowas von tot.

»Brooklyn müsste auch gleich kommen.« Pierce lächelt Jenna an und küsst sie auf die Wange. »Ich frage nach unserem Tisch.« Für einen Mann hat er wahnsinnig viel Einfühlungsvermögen für Situationen, in denen er lieber gehen sollte. Oder ich bin eine so miese Schauspielerin, dass er sich unwohl gefühlt hat. Das wollte ich nicht, aber mich macht die Situation unheimlich sauer. Jenna hat mir versprochen, dass das ein Mädelsabend wird, und sie schleppt ihren Freund, und so wie es aussieht, auch noch dessen Kumpel, an.

Pierce dreht sich herum und spricht einen der Mitarbeiter an.

»Kannst du mir das mal erklären?« Ich packe Jenna am Arm und zerre sie mit mir mit in Richtung der Waschräume. Diese befinden sich in einem kleinen Gang, sodass wir weitestgehend ungestört sind.

»Du hättest Nein gesagt.« Wenigstens hält sie sich nicht mit dämlichen Ausreden auf, wie zum Beispiel, dass Pierce sie so sehr vermisst hat. »Komm schon, Lilly.«

»Nein«, sage ich. »Wenn du Pierce sehen willst, dann ist das okay für mich. Mann, Jenna … was soll das?«

»Ich dachte nur, dass es nett wird, etwas mit Pierce und seinem Kumpel zu machen.« Betreten sieht sie mich an. Langsam scheint es ihr auch zu dämmern, dass die Aktion absolut nicht cool ist. Ganz im Gegenteil. Es war eine dumme Idee, und am liebsten würde ich abhauen. Aber ich weiß auch, dass Jenna es nur gut meint. Sie glaubt, dass ich einsam bin und wieder einen Mann in meinem Leben brauche. Ganz unrecht hat sie damit nicht, aber doch nicht auf diese Art und Weise. Ich bin in der Lage, einen Kerl kennenzulernen.

»Jen«, flüstere ich und massiere mir meine Schläfen, um wieder ein wenig runterzukommen. »Was meinte Pierce genau damit, dass Brooklyn auch gleich kommt.«

Jenna beißt sich auf die Unterlippe und beginnt zu grinsen. Oh, Herr, erbarme dich und sag mir, dass das kein Doppeldate wird. Noch dazu ein engagiertes Doppeldate mit Brooklyn Webster. Auch wenn ich die Hoffnung darauf längst begraben habe und jede junge Frau – was sage ich da – jede New Yorkerin mit mir tauschen möchte. Brooklyn ist Pierces Quarterback und einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt. Und das nicht ohne Grund. Pierce ist schon heiß, aber Brooklyn ist wow. Ich wette, dass der Typ unter seinem Trikot und den Protektoren ein Eightpack zu bieten hat. Seine braunen Haare trägt er meist an den Seiten rasiert und auf dem Oberkopf ein wenig länger. Soweit ich es mitbekommen habe, hat er sich einen Vollbart wachsen lassen in der Sommerpause. Absolut heiß. Dazu ist er mindestens eins fünfundneunzig groß.

»Brook und Pierce sind beste Freunde so wie wir, und … wusstest du, dass sie sich seit dem Kindergarten kennen, aber …«

»Komm zum Punkt!« Ich verliere die Geduld mit der Frau und bin auf dem besten Weg, zu gehen und den Abend seinem Schicksal zu überlassen. Vor allem aber Jenna. Soll sie den Jungs mal erklären, warum ich abgehauen bin. Ich bin mir sicher, dass das lustig werden würde.

»Lilly«, sagt Jenna und greift nach meinen Händen. Intensiv mustert sie mich. »Du hattest schon so lange kein Date mehr und …«

»Und da dachtest du, dass du mir ein Date mit dem heißesten Typen in New York verschaffst, weil er der beste Freund deines Freundes ist?«

»Ich wusste, dass Brook dir zusagt.«

»Jenna!«

»Lillian!«

»Oh nein«, rufe ich fast schon aus und entziehe ihr meine Hände. »Du wirst es nicht wagen, meinen vollen Namen zu benutzen.«

»Okay Lilly«, meint sie und grinst. »Ich wusste, dass Brook dein Typ ist. Er ist Single, du bist Single, und Pierce und ich sind eure Freunde. Was ist schon dabei?«

»Was dabei ist?« Ich glaube, dass ich allmählich durchdrehe. »Es ist so viel dabei, dass wir beide mit Pierce Gates und Brooklyn Webster in einer Bar sitzen.«

»Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?« Jenna hält ihren Daumen und ihren Zeigefinger einen Millimeter auseinander. »Es wird sicher nett. Und du magst im Gegensatz zu mir sogar Football.«

»Das heißt aber noch lange nicht, dass du mich in so eine unmögliche Situation bringen kannst und …«

»Jenna, Lilly«, ruft Pierce nach uns und winkt. »Kommt ihr? Brook ist da.«

»Hast du gehört«, trällert Jenna, und ihre Laune ist binnen einer Sekunde wieder auf dem Höhepunkt. Wenn ich genauer darüber nachdenke, wird sie heute Nacht noch mehr als einen Höhepunkt erleben. Denn mit ziemlicher Sicherheit wird sie mir im Verlauf des Abends verkünden, dass sie mit zu Pierce fährt. Was ihr auch gegönnt sei. Dass mein Sexleben eine vage Erinnerung längst vergangener Zeiten ist, ist nicht ihre Schuld. Das ist heute Abend aber auch schon das einzige.

»Komm jetzt!« Jenna greift nach meiner Hand und zieht mich wie ein bockiges Kind hinter sich her. »Das wird nett, du wirst sehen.«

Mit jedem Schritt, den wir Brooklyn und Pierce näherkommen, schlägt mein Herz schneller in meiner Brust. Bisher kenne ich Brooklyn nur von diversen Plakaten in der ganzen Stadt. Mal mit mehr, mal mit weniger Klamotten am Leib. Gerade erst wurde er das neue Gesicht einer großen Unterwäschekampagne, deren Leinwände auf meinem Weg zur Arbeit in der U-Bahn aushängen. Natürlich retuschieren die Firmen immer viel mit Photoshop, das weiß jeder. Ich habe mal gelesen, dass sie sogar Penisse optisch größer machen. Sowie Brüste bei Frauen. Außerdem habe ich den einen oder anderen Klatsch und Tratsch über Brooklyn verfolgt und denke nicht, dass ich sein Typ bin. Er wird Pierce damit einen Gefallen tun, und der wiederum tut es für Jenna. Ich bin ganz unten angekommen, dass meine beste Freundin ihren Freund überreden muss, dass wiederum dessen bester Freund sich auf ein Date mit mir einlässt. Wenigstens ist es ein Doppeldate, und Brooklyn kann sich mit Pierce unterhalten.

»Da sind wir.« Jenna lässt mich los, um Brooklyn zu begrüßen. Während er sie drückt und ihr einen Kuss auf die Wange gibt, habe ich Zeit, ihn zu mustern. Er ist unnatürlich attraktiv. Zum einen ist er riesig, hat ein breites Kreuz, und das weiße T-Shirt fällt lässig über seinen muskulösen Körper. Sein linker Bizeps und die Innenseite seines Unterarms sind mit Tattoos bestückt. Er trägt so wie Pierce eine Jeans.

Doch was mich am meisten fasziniert, sind seine schwarzbraunen Augen, die von einem ebenfalls schwarzen Wimpernkranz umhüllt sind. Sein dunkelbrauner Vollbart ist gepflegt. Die Haare trägt er ein wenig länger, als ich es von Fotos in Erinnerung habe.

»Und das ist Lilly«, stellt Jenna mich vor. Da ich total in Gedanken war, als sie nach meiner Hand greift, stolpere ich ungalant nach vorne und kann es gerade noch verhindern, vor den beiden heißesten Typen New Yorks auf die Nase zu fallen. »Meine beste Freundin. Lilly, das ist Brooklyn.«

Ich schaue auf, und sein Blick trifft wie ein Komet auf meinen. Er schlägt ein und hinterlässt in mir eine Intensität, die ihresgleichen sucht. Mein gesamter Körper kribbelt.

»Hi«, keuche ich und strecke ihm zitternd die Hand entgegen. »Ich … ich bin … Lil … ly.«

Ich klinge, als würde ich soeben einen Schlaganfall erleiden, und mein Sprachzentrum ist das einzige, das in Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist furchtbar peinlich, und ich werde knallrot im Gesicht.

»Hallo«, erwidert er und lächelt leicht. Dabei biegen sich seine Mundwinkel unglaublich süß nach oben, und Grübchen bilden sich. »Ich bin Brooklyn. Jenna hat gar nicht gesagt, dass ihre beste Freundin so sexy ist.«

2

Brooklyn

Als Pierce mich gestern nach dem Training gefragt hat, ob ich Lust habe, mit seiner Süßen, Jenna, und ihrer besten Freundin Lilly essen zu gehen, war ich nicht begeistert. Mein erster Gedanke war es, abzusagen, aber da ich Jenna bereits kenne, habe ich mich ein letztes Mal darauf eingelassen. In der Hoffnung, dass sie die richtige Frau für meinen besten Freund ist. Pierce wechselt seine Freundinnen wie andere ihre Socken. Sehr regelmäßig, aber am Ende hat er doch immer das gleiche Paar an. Sie sind immer Models, immer blond und meistens relativ dämlich. Dasselbe gilt für ihre Freundinnen, die sie zu Doppeldates mitschleppen. Gleich und gleich gesellt sich gern.

Ehrlich gesagt frage ich mich, was Frauen daran toll finden, mit einem Typen, den sie frisch daten oder mit dem sie seit ein paar Wochen zusammen sind, in eine Bar zu gehen, ihre beste Freundin oder wahlweise ihre Schwester mitzubringen und diese dem besten Freund ihres Freundes schmackhaft zu machen. Diese Ideen gingen immer von Pierce‘ Freundinnen aus, nie von ihm. Dass Jenna nun auch die Idee mit einem gemeinsamen Abend hatte, hat mich ein wenig an ihr zweifeln lassen. Aber vielleicht meint sie es wirklich nur nett und möchte, dass Lilly und ich einander kennenlernen.

Ich tue Pierce allerdings jedes Mal wieder den Gefallen und komme mit. Jenna hat er mir vor drei Wochen vorgestellt. Wir waren zu einem Barbecue bei unserem Wide Receiver Dan Larson eingeladen. Plötzlich stand Pierce mit ihr an der Hand in dessen Garten. Mir und dem Rest des Teams ist direkt die Kinnlade runtergefallen. Pierce bringt seine Fickgeschichten nie mit zu Mannschaftsabenden, umso erstaunter war ich, dass er Jenna dabeihatte. Dass ich diese Damen kennenlernen muss und ganze Abende meines Lebens an sie verschwenden, das interessiert Pierce nicht. Dans Partys allerdings sind heilig. Dazu muss man nämlich sagen, dass zu diesen Abenden nur die Schwestern und Partnerinnen eines Spielers zugelassen sind. Wir wollen damit verhindern, dass Groupies mögliche Interna ausplaudern, die an diesen Abenden immer wieder zum Thema werden.

Meistens lerne ich Pierce‘ Freundinnen, wenn man es überhaupt so nennen kann, auch erst kennen, wenn wir dieses unsägliche Doppeldate haben. Als ich Jenna das erste Mal getroffen habe, war ich mehr als überrascht. Sie hat dunkelbraune, fast schwarze Haare, kleine Brüste und ist wahnsinnig nett. Und intelligent. Jenna ist wirklich intelligent, und sie hat keine Hupen wie ein Basketball. Auch das scheint eine Affinität meines besten Freundes zu sein. Jenna passt so gar nicht in Pierce‘ Sockenschublade, sodass sie vielleicht die richtige Partnerin ist. Ich würde es ihm auf jeden Fall gönnen. Pierce ist ein feiner Kerl und verdient es, glücklich zu sein.

Wir sind seit der Grundschule befreundet. Dann zog er in der Middleschool mit seinen Eltern nach New Jersey, um in der Highschool zurückzukommen. Ich hingegen bin ein waschechter New Yorker. Meine gesamte Familie stammt seit Generationen aus New York und den angrenzenden Gebieten der Metropolregion. Ich bin in Brooklyn geboren, und meine Eltern fanden es urkomisch, mich nach dem Stadtteil zu benennen. Später ging ich in Queens zur Schule und bekam ein Football-Stipendium an der New York University, um letztendlich auch von einem New Yorker Club gedraftet zu werden.

Ich würde sagen, man bekommt mich vielleicht aus New York, aber New York niemals aus mir.

Zurück zu Jenna muss ich sagen, dass ich sie sehr angenehm finde. Wenn sie angenehm ist, wird ihre beste Freundin auch keine Katastrophe sein. Also habe ich zugesagt, und umso gespannter war ich natürlich auf Lilly.

Und was soll ich sagen: Sie ist heiß!

Fuck, das ist sie. Lilly ist unglaublich attraktiv und doch irgendwie auch eine Spur zurückhaltend und süß. Ich mag ihre Art sehr. Wie sehr nerven mich die Frauen, die sich mir um meines Namens willen an den Hals werfen, als wären sie Ketten. Jede von ihnen ist der hellste Diamant. Ekelhaft ist das. Lilly hingegen scheint nicht mal meinen Blick suchen zu wollen. Stocksteif sitzt sie neben mir und dreht ihr Cocktailglas in der Hand. Ich gebe mich wie immer mit einem Wasser zufrieden. Ich trinke nie Alkohol. Schon seit vielen Jahren nicht mehr, und ich habe auch nicht vor, das zu ändern.

»Und was machst du beruflich?«, frage ich, und Lillys Kopf fährt herum, als könnte sie nicht glauben, dass ich sie angesprochen habe. Ihre Wangen sind immer noch leicht gerötet. Ob es an der Hitze in der Bar oder ihrem Cocktail liegt, weiß ich nicht.

»Ich bin Sozialarbeiterin«, erwidert sie und schenkt mir ein zauberhaftes Lächeln. »Ich arbeite mit Teeangern, die vom rechten Weg abgekommen sind.«

»Vom rechten Weg?«, hake ich nach.

»Lilly arbeitet mit Kriminellen, die mit einem Bein im Knast stehen«, unterbricht Jenna uns. Lilly verdreht die Augen, das nehme ich deutlich wahr. Ihr Körper spannt sich unweigerlich an, als ihre beste Freundin so abfällig über ihren Job spricht.

»Jenna, bitte!« Lilly ringt nach Fassung und massiert ihre Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass wir die Kids genau davor bewahren wollen?«

»Oh, bitte.« Jenny seufzt. »Was war denn neulich, als dieser Spinner dich geohrfeigt hat, weil du ihm sein Handy abgenommen hast?«

»Jenna!«

»Ist doch wahr.«

»Es ist nicht wahr«, erwidert Lilly angespannt und trinkt von ihrem Cocktail. Sie wirft Jenna noch einen Blick zu, dass sie den Mund halten soll, und sieht mich wieder an. »Die Kids sind zwischen zwölf und achtzehn Jahre alt. Ihr Leben ist und war geprägt von Gewalt, Alkohol und Drogen. In den meisten Fällen bereits im Elternhaus. Wir geben ihnen ein neues Zuhause und helfen ihnen, so gut wir können.«

Wir schweigen einen Moment, und ich muss zugeben, dass ich sie unterschätzt habe. Mir war zwar klar, dass sie mit unserer Welt in der Öffentlichkeit nichts zu tun hat, aber dass sie so einen Job hat, überrascht mich sehr. Vielmehr hätte ich sie in einem langweiligen Büro an der Upper Eastside gesehen. Vielleicht auch noch in einer schicken Boutique, aber nicht auf New Yorks Straßen.

Ich räuspere mich.

»Ich finde, das klingt sehr interessant.«

»Lass gut sein«, kanzelt sie mich ab. Überrascht sehe ich sie an. »Du musst wirklich nicht so tun, als würde es dich interessieren.«

»Nein«, sage ich und sehe zu Pierce. Er soll mir jetzt helfen, die Situation zu retten. Immerhin hat seine Freundin uns überhaupt an diesen Punkt gebracht. Es hat mich ehrlich interessiert, was Lilly beruflich macht. Es ist doch nicht meine Schuld, dass Lillys Job zwischen Jenna und ihr ein Streitpunkt ist. Wobei ich dem Jungen, der sie wegen des Handys geohrfeigt hat, gern mal einen Besuch abstatten würde. Ich bin gespannt, ob er mich auch ohrfeigt. Was denke ich denn da? Das werde ich natürlich nicht tun, und vermutlich nennt man sowas auch Berufsrisiko, oder? Lilly weiß, was sie tut, und ich schätze sie taff genug ein, dass sie meine Hilfe nun wirklich nicht braucht.

»Wie lange arbeitest du schon dort?«, starte ich einen neuen Versuch der Konversation.

»Interessiert dich das wirklich?«, giftet sie mich an. »Oder willst du nur nett sein, weil du hierzu genauso gezwungen wurdest wie ich.«

Okay, wow, sie ist mehr als angepisst über den Umstand, heute Abend hier sein zu müssen. Mit solch einer Heftigkeit hätte ich nicht gerechnet. Natürlich wurde ich auch von Pierce überredet, aber ich dachte, sie wäre einverstanden, so wie all die anderen Freundinnen und Schwestern seiner Ex-Freundinnen es auch waren. Die meisten von denen konnten es gar nicht erwarten, dass der Abend zu Ende geht und wir nach Hause gehen – zu zweit natürlich. Dass das in den allermeisten Fällen nicht passiert ist, muss ich nicht erwähnen.

»Ja, es interessiert mich wirklich«, erwidere ich druckvoll. »Und ja, ich wurde auch genötigt, herzukommen. Damit sitzen wir im gleichen Boot. Antwortest du mir nun?«

Lilly sieht mich wieder an, und ich stelle erneut fest, wie wahnsinnig hübsch sie ist. Ich mag ihre Porzellanhaut, die langen getuschten Wimpern und das liebevolle Lächeln, das nun ihre Lippen ziert. Ihre braunen Haare fallen in weichen Wellen über ihre Schultern.

»Ich arbeite seit zwei Jahren dort«, sagt sie. »Sicher ist es nicht der bestbezahlte oder sicherste Job, aber die Kids haben niemanden. Und wenn wir nicht für sie da sind … wer ist es dann?« Ernsthaft nachdenklich sieht sie mich an. »Im Knast wird es ihnen auch nicht besser gehen. Ihr Leben ist oft vorbestimmt, und sie können nichts tun.«

»Das stimmt«, erwidere ich und versuche meine Gedanken nicht abschweifen zu lassen zu der Person, wegen der ich mich mit diesen Problemkids so gut auskenne. Pierce scheint zu merken, an wen ich denke, und reißt die Unterhaltung an sich. Dankbar lächle ich ihn an.

»Wir …« Er deutet auf mich. »Brook und ich sind immer für soziale Projekte zu haben. Wir kommen gern mal vorbei und machen was mit den Kids.«

Ich sehe auf und ihn an. Damit, dass er das Wort an sich reißt, meine ich nicht, dass er uns zu Lillys Arbeit einlädt. Natürlich engagiere ich mich gern und versuche zu helfen. Aber ich stelle lieber Schecks aus oder bezahle Stipendien für die Kids, statt wirklich vor Ort zu sein, um mir das Elend anzusehen. Ich weiß, dass es feige ist, aber ich kann das nicht. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter und sehe Lilly wieder an. Sie wirkt nun viel fröhlicher.

»Ja«, ich räuspere mich, »können wir machen.«

»Das müsst ihr nicht.« Sofort hebt sie beschwichtigend die Hände. »Wir kommen klar.«

»Nein, nein.« Pierce zwinkert Lilly zu. »Wir bemühen uns um eine coole Aktion. Stimmt’s, Brook?«

»Sicher«, erwidere ich und bin heilfroh, als im nächsten Moment unser Essen gebracht wird. Die Kellnerin stellt es vor uns ab, und ich greife fast schon gierig nach meinem Besteck, um etwas zu tun zu haben.

»Du wirkst nicht so, als hättest du Lust dazu«, wirft Lilly ein und kratzt sich im Nacken, als sie mir einen fragenden Blick zuwirft. »Wirklich … du … du musst das nicht tun.«

»Ich bin eher der Typ fette Schecks, statt persönlich aufzutauchen«, gebe ich ehrlich zu und versuche zu lächeln. Obwohl das für jemanden wie sie absolut oberflächlich klingen muss. Sie arbeitet tagtäglich mit diesen Kids zusammen, baut sie auf und versucht, ihnen einen neuen, besseren Lebensweg zu zeigen. Dann komme ich, jemand, der vor allem für viele Jungs ein großes Vorbild ist und dessen Lebensweg eine Chance raus aus dem Teufelskreis ist, in dem sie sich befinden. Und was mache ich? Ich werfe lieber mit Geld um mich.

»Klar tust du das.« Lilly klingt bedient und wendet sich von mir ab. »Jenna hat erzählt, dass du eine Stiftung für krebskranke Kinder unterstützt?«, richtet sie das Wort an Pierce.

Ihr voller Fokus liegt nun auf ihm, der sofort aus dem Nähkästchen plaudert. Zwar versucht mein bester Freund immer wieder, den Schlenker auf mich und meine Wohltätigkeit zu lenken, aber Lilly lächelt nur müde. Ich balle die rechte Hand zu einer Faust und atme tief durch, um nichts Unpassendes zu sagen. Wie, dass es Gründe hat, warum ich nur spende und mich ansonsten fernhalte. Dass jeder seine Geschichte hat, die ihn zu seinen Taten bewegt, aber ich tue es nicht. Lieber sitze ich da und habe den Stempel des ›Arroganten Arschlochs‹ auf der Stirn. Mein Privatleben geht Lilly nichts an. Ich kenne sie doch nicht mal, und vielleicht sehe ich sie auch nie wieder, wenn Pierce in zwei oder vier Wochen Jennas überdrüssig geworden ist. Dennoch wurmt es mich, dass sie ein so schlechtes Bild von mir hat.

»Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?« Die Kellnerin tritt erneut an unseren Tisch heran und lächelt freundlich in die Runde.

»Für mich ein Bier, was möchtest du, Baby?« Pierce lehnt sich zu Jenna hinüber. Seine Fingerspitzen streichen sanft über ihre nackte Schulter. Vielleicht sollte ich meine Vermutung, dass er sie bald abschießt, überdenken. Ich habe meinen Kumpel noch nie so in Gegenwart einer Frau erlebt. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Auch bei seinen letzten Freundinnen, und davon gab es eine Menge, wenn man die Sockentheorie nochmal hervorkramt, war er nie derart verliebt und zärtlich. Zärtlich ist sowieso ein Attribut, das ich Pierce niemals zuschreiben würde.

»Für mich noch einen Margarita«, bestellt Jenna lächelnd und grinst Pierce an. »Lilly, du?«

»Für mich auch.«

Die Kellnerin notiert die Bestellung in ihrem digitalen Board und sieht mich an.

»Und für Sie, Mr. Webster?«, fragt sie freundlich und klimpert mit ihren Wimpern, als wollte sie mir später noch ihre Nummer zustecken. Solange ich keine Frau offiziell an meiner Seite habe, versuchen sie alle, auf sich aufmerksam zu machen. Ein weiterer Pluspunkt, den ich Lilly zuschreibe. Ihr ist es völlig egal, wer ich bin.

»Ein Wasser, danke.«

»Ich kann Ihnen unser alkoholfreies Bier empfehlen«, schlägt sie mir eine Alternative zu dem Wasser vor. Lilly sieht zu mir und verdreht die Augen, was mich grinsen lässt. Besser kann ich es auch nicht ausdrücken. »Perfekt«, flötet die Kellnerin und hat mein Grinsen auf sich bezogen. Sie notiert das Bier. »Sie werden es nicht bereuen, auf mich gehört zu haben.«

Bevor ich dieses alberne Bier, das ich nicht anrühren werde, abbestellen kann, macht sie auf dem Absatz kehrt und läuft zurück zur Bar.

»Das ist deine Schuld!« Ich pieke Lilly spielerisch mit dem Zeigefinger in den Oberarm, und sie lacht hell auf. Großer Gott, ihr Lachen geht mir durch Mark und Bein. Ich bin mir sehr sicher, dass ich es öfters hören möchte. Es ist ein ehrliches, befreites Lachen und keines dieser gekünstelten, das mir die ausgewählten Begleitungen von Pierce‘ Freundinnen sonst vorlachen. Mittlerweile müsste auch die letzte graue Zelle in meinem Hirn begriffen haben, dass Lilly nicht so ist wie andere Frauen.

»Wieso das denn?«, fragt sie und schüttelt mit dem Kopf. Dann schnappt sie sich ihr Glas und schließt ihre vollen Lippen um den Strohhalm, um den letzten Rest aus dem Margarita zu saugen. Und mein Kopfkino nimmt volle Fahrt auf. Denn in diesem ist es nicht der Strohhalm, den sie hingebungsvoll mit ihrem Mund verwöhnt, sondern meine Eichel. Fuck, das kann doch nicht wahr sein. Hitze durchflutet meinen Körper, und ich rutsche näher an den Tisch heran, um mir zwischen die Beine zu fassen. Meine Jeans ist ungeahnt eng geworden in den vergangenen Sekunden.

»Soll ich dir ein Wasser oder eine Cola nachbestellen?« Lillys Stimme dringt sehr langsam zu mir vor. »Es tut mir leid, dass du …«

»Nein«, sage ich. »Das passt schon. Ich lasse es stehen.«

»Dann gebe ich dir die …« Sie greift nach der blauen Getränkekarte, die immer noch in der Tischmitte steht, und schlägt sie auf. Sie wird doch nicht …

»Lilly.« Es ist das erste Mal, dass ich ihren Namen ausspreche. Sie sieht sofort auf und mich an. Ihr Blick trifft auf meinen, und ich stelle wieder fest, wie fesselnd er ist. »Du guckst doch nicht nach, was das Bier kostet.«

»Ich übernehme das«, erwidert sie, und ich reiße ihr energisch die Karte aus der Hand, was sie nach Luft schnappen lässt. »Ich kann mir das leisten.«

Die Karte geht zurück in ihre Hände, und sie schlägt sie erneut auf.

»Die …« Lillys Augen werden riesig, als sie wohl zum ersten Mal an diesem Abend auf die Preise sieht. Die Bar ist sehr exklusiv, eine der exklusivsten Adressen in ganz New York. Einige meiner Teamkollegen halten hier sogar Sponsorentreffen und Meetings mit ihrem Management ab. Ich vermute auch, dass sich unser Aufenthalt bereits rumgesprochen hat und vor der Tür einige Fans und Paparazzi warten. Lilly wird sich niemals auch nur ein Getränk hier leisten wollen. Die Preise sind lächerlich hoch.

»Wie bitte?« Lilly schnappt nach Luft. »Siebzehn Dollar für ein Bier? Dann nicht mal mit Alkohol.«

Sie schnaubt, was eher wie ein süßes Luftholen wirkt, und legt die Karte zurück auf den Tisch. Ich räuspere mich.

»Ich denke, ich zahle selbst«, sage ich, und bevor Lilly sich erneut beschweren kann, kommt die Kellnerin an unseren Tisch zurück und serviert die Getränke. Jenna und Lilly nehmen dankend ihre Cocktails entgegen und ich mein alkoholfreies Bier sowie Pierce sein normales.

»Sorry«, spricht Lilly die Kellnerin an und hebt die Hand. »Wir hätten gern noch ein Wasser.«

»Still, medium oder spritzig?«, erwidert sie freundlich.

»Medium«, sage ich, und sie nickt, notiert es erneut und verschwindet wieder an die Bar.

»Also dann.« Jenna hebt ihr Glas. »Cheers!«

»Cheers.« Lilly tut es ihrer besten Freundin gleich, und die Gläser der Mädels stoßen mit einem klirrenden Geräusch aneinander.

»Lil«, motzt Jenna sogleich. »Du musst mir in die Augen sehen. Du weißt doch, was sonst passiert.«

»Oh, bitte!« Lilly lacht erneut. »Jetzt erzähl mir nichts von ›sieben Jahre schlechter Sex‹.«

Lilly lacht wieder, und ich verschlucke mich an meinem Bier, das ich doch probiert habe, bei dem Gedanken, dass diese heiße Frau seit sieben Jahren keinen Sex hatte. Wer wäre ich, wenn ich ihr nicht anbieten würde, dieses Problem zu beheben. Mein Blick fällt wieder auf Lilly, und ich mustere sie. Ihre üppige Oberweite ist genau mein Geschmack, dazu die vollen Hüften und ihre sinnlichen Schenkel. Jenna ist eine wunderschöne Frau, und ich kann verstehen, dass Pierce nicht genug von ihr bekommt, aber mir ist sie zu dünn. Ich mag es lieber, wenn an einer Frau etwas dran ist. Immerhin bin ich auch kein Hungerhaken und Wall-Street-Guru, der noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen hat. Mit meinen fast einhundert Kilogramm und eins fünfundneunzig Körpergröße brauche ich keine Frau, die ich unter mir begrabe beim Sex – und das nicht in der leidenschaftlichen Version. Sondern wirklich plattmache. Bei Lilly hingegen würde das definitiv nicht passieren.

»Sieben Jahre schlechter Sex.« Pierce zieht die Augenbrauen zusammen und mustert Lilly. »Wie alt warst du damals?«

»Achtzehn«, erwidert sie lachend. »Das würde bedeuten, dass ich noch nie Sex hatte.«

»Moment«, unterbreche ich sie und hebe zur Verdeutlichung meiner Worte die rechte Hand. »Du warst vor sieben Jahren noch Jungfrau.«

Lilly zieht die Augenbrauen zusammen und schmunzelt. Eine Antwort gibt sie mir nicht. Stattdessen umschließen ihre heißen Lippen, die ich lieber um meinen Schwanz hätte, erneut den Strohhalm.

»Wie alt wart ihr vor sieben Jahren?«, will sie wissen und schaut zwischen Pierce und mir hin und her.

»Ich war zweiundzwanzig und Brooklyn einundzwanzig«, antwortet mein Kumpel für uns.

»Ich wusste gar nicht, dass Jenna einen so alten Mann datet.«

»Hey!« Pierce lacht, und auch ich muss breit grinsen. »Kennst du nicht den Spruch, dass man auf alten Pferden das Reiten lernt?«

»Oh, bitte!« Lilly rollt mit den Augen. »Wenn sie von dir noch was lernen soll, solltest du dich echt mehr anstrengen.«

Pierce wird auf einmal blass um die Nase, und während Jenna noch versucht, nicht zu lachen, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen, kann ich nicht anders, als loszuprusten. Fuck, das war ein Tiefschlag für Pierce, aber dennoch so extrem gut platziert, dass ich meinen Hut vor Lilly ziehen muss. Es gibt zwei Dinge, bei denen Pierce sich niemals eine Niederlage eingestehen kann: Football und Sex!

Von der stotternden und stolpernden jungen Frau zu Beginn des Abends ist nichts mehr übrig.

Stattdessen sitzt neben mir die interessanteste, lustigste und sexyste Frau, die mir seit Jahren begegnet ist.

3

Brooklyn

Eine Woche später

Ich schalte die Brause in der Mannschaftsdusche ab und greife nach meinem Handtuch, das ich über die massive Steinwand gehängt habe, die meine Kabine von der Nachbardusche abtrennt. Ich binde es mir um die Hüften, schlüpfe in meine Badelatschen und gehe zurück in die Umkleide, um mich anzuziehen. Das Training hat mich heute wirklich gefordert. Wieder und wieder bin ich denselben Spielzug durchgegangen, um den Verteidigern aus Miami am Sonntag möglichst schnell zu entwischen. Ich muss nicht betonen, dass meine Jungs mich absolut nicht geschont haben. Ich befürchte sogar, dass ich morgen früh eine Extrastunde bei den Physiotherapeuten einlegen muss, um meine linke Schulter behandeln zu lassen.

Wir sind gut in die Saison gestartet und haben das Auftaktspiel gegen Minneapolis gewonnen. Wir wissen alle, dass wir uns noch steigern müssen und die Saison noch verdammt lang und vor allem hart wird. Boston und Buffalo, unsere direkten Gegner an der Ostküste, haben die Teams im diesjährigen Draft verstärkt. Wir nicht, weil unser Eigentümer und der General Manager der Meinung waren, dass wir gut aufgestellt sind. Ich kann nur hoffen, dass sich das in den entscheidenden Spielen nicht als Fehler rausstellt. Ich meine, ich vertraue meinem Team, und ich bin mir auch sicher, dass sie diese Saison genauso auf Topniveau spielen werden wie letzte. Aber, und jetzt kommt das große Aber, diesen Ansporn haben alle Mannschaften.

Ich betrete die Kabine, und die regen Unterhaltungen meiner Teamkollegen schallen mir entgegen. Von ihren letzten Eroberungen, über die Milchzähne ihrer Kinder bis hin zum neuesten Sponsorenvertrag ist mal wieder alles dabei. Footballspieler sind solche Tratschtanten.

Die Wände in der Kabine sind weiß gestrichen. Davor stehen unsere Spinde in einem Halbkreis, sodass der Coach und die Kapitäne, zu denen Pierce und ich sowie unser Running Back Dean Matthews, Wide Receiver Dan Larson und Tight End Josh Anderson gehören, zu allen im Team sprechen können. Die Spinde sind rot mit schwarzen Türen in den Vereinsfarben der Gladiators. Die Rückennummer eines jeden Spielers ist in goldenen Ziffern aus Metallblättchen auf die Tür geschraubt. In der Mitte des Raums ist das Vereinslogo in hunderten einzelnen Fliesen eingelassen.

An meinem Spind angekommen, der die Nummer Sieben trägt, gebe ich die Zahlenkombination ein und öffne ihn. Wie jeden Tag ziehe ich mir das Handtuch von den Hüften, werfe es hinter mich in einen der großen Wäschekörbe und krame eine Boxershorts aus meiner Sporttasche. Pierce tritt neben mich und lächelt mich an. Der Kerl ist immer noch so krass gut drauf, dass seine hochgezogenen Mundwinkel wehtun müssen. Mit Jenna muss es wohl mehr als perfekt laufen.

Was mich zu dem Umstand bringt, dass bei mir gar nichts mehr läuft. In meinem Sexleben ist absolute Flaute, seitdem ich Lilly an jenem Abend ins sogenannte ›Frauentaxi‹ steigen lassen musste. Ich hätte sie gern nach Hause gefahren, als klar war, dass Jenna mit zu Pierce fährt. Nachdem Lilly so offen kommuniziert hat, dass Pierce schlecht im Bett ist, wollte mein bester Freund seine Süße wohl nicht mehr in Lillys Beisein vögeln. Lilly aber ließ sich nicht davon überzeugen, dass ich ein guter und sicherer Fahrer bin und auch nichts getrunken habe. Nach ihrer Nummer zu fragen, habe ich mich nicht mehr getraut, da sie immer ungehaltener wurde, als das Taxi neben uns wartete. Dabei hatte ich den Eindruck, dass wir uns gut verstanden haben in der zweiten Hälfte des Abends. Aus ihrer Sicht war dem wohl nicht so.

Seitdem bin ich mehr als nur frustriert und bekomme sie nicht aus dem Kopf. Das ist mir noch nie passiert – sowohl, dass ich den Sex, den ich wollte, nicht bekommen habe, als auch, dass eine bestimmte Frau mir nicht mehr aus dem Kopf geht.