Northern Nights - Inga Schneider - E-Book + Hörbuch

Northern Nights Hörbuch

Inga Schneider

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Beschreibung

Glamour, Macht und gefährliche Intrigen: Der fesselnde Liebesroman »Northern Nights« von Inga Schneider jetzt als eBook bei dotbooks. Sie ist Louise Bjerregaard, Erbin der Luxus-Hotel-Kette Rosenborg. Er, Mads Vinther, ist Besitzer eines Windparks … und der Mann, der Louise einst vor dem Traualtar sitzenließ.  Nichts verbindet die beiden mehr. Und doch kreuzen sich ihre Wege erneut. Denn Mads hat noch eine Rechnung mit den Bjerregaards offen. Und als Louises Traum von der Gründung eines ökologischen Lifestyle-Magazins zu platzen droht, sieht er seine Chance gekommen. Er bietet ihr seine Hilfe an.   Louise muss schnell erkennen, wie sehr sie sich noch zu Mads hingezogen fühlt. Doch welches Geheimnis verbirgt sich hinter seinem plötzlichen Auftauchen? Und was ist damals, in der Nacht vor der Hochzeit, wirklich passiert?  Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Enemies-to-Lovers-Roman »Northern Nights« von Inga Schneider ist der zweite Band ihrer »Rosenborg-Saga«, in der jeder Roman eigenständig gelesen werden kann. Der Roman ist auch als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich und wird Fans von Ayla Dade und Karina Halle begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:9 Std. 0 min

Sprecher:Marlene Hekk
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Über dieses Buch:

Sie ist Louise Bjerregaard, Erbin der Luxus-Hotel-Kette Rosenborg. Er, Mads Vinther, ist Besitzer eines Windparks … und der Mann, der Louise einst vor dem Traualtar sitzenließ.  Nichts verbindet die beiden mehr. Und doch kreuzen sich ihre Wege erneut. Denn Mads hat noch eine Rechnung mit den Bjerregaards offen. Und als Louises Traum von der Gründung eines ökologischen Lifestyle-Magazins zu platzen droht, sieht er seine Chance gekommen. Er bietet ihr seine Hilfe an.  

Louise muss schnell erkennen, wie sehr sie sich noch zu Mads hingezogen fühlt. Doch welches Geheimnis verbirgt sich hinter seinem plötzlichen Auftauchen? Und was ist damals, in der Nacht vor der Hochzeit, wirklich passiert? 

»Northern Nights« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über die Autorin:

Inga Schneider hat »Hygge« im Blut. Sie arbeitet als Journalistin in Dänemark und Schleswig-Holstein. Seit 2021 veröffentlichte sie bereits mehrere erfolgreiche Cosy-Crime- sowie Liebes- und Feelgood-Romane.

In Inga Schneiders »Rosenborg-Saga« erschien bereits ihr Roman »Northern Star«, der als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont und als eBook bei dotbooks erhältlich ist. Weitere Bände sind in Planung.

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eBook-Ausgabe Dezember 2023

Copyright © der Originalausgabe by Inga Schneider und SAGA Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Karol Kinal unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-862-1

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Inga Schneider

Northern Nights

Die Rosenborg-Saga 2

dotbooks.

»Liebe verzeiht entweder nichts

oder alles.«

– Honoré de Balzac

Für Dich.

Und alle, die ihre große Liebe

schon einmal gehen lassen mussten,

um die wahre Liebe zu finden.

Kapitel 1

»Lass mich heute Nacht nicht allein …«

Mads stellte sich zu Louise ans Fenster, schlang seine Arme um ihre schlanke Taille und zog sie fest an sich heran. Sein Kinn ruhte auf ihren Schultern. »Ich brauche dich«, flüsterte er, während er seinen Kopf langsam in ihre Richtung drehte und seine Nase in ihren kastanienbraunen Haaren vergrub. Er holte tief Luft und sog den blumig-sinnlichen Duft von Jasmin und Rosen ein, der sie stets umgab. »Bitte.«

Sein leises Flehen so dicht an ihrem Ohr jagte Louise einen wohligen Schauer über den Rücken. Aber sie wusste, dass es an der Zeit war, sich zu verabschieden.

Sie seufzte und öffnete die Augen. Von der Präsidentensuite des Rosenborg Kopenhagen Hotels hatte man einen atemberaubenden Blick auf das nächtliche Kopenhagen: Die goldglänzenden Lichter der Häuser spiegelten sich wie kleine Sterne im dunklen Wasser des Hafenbeckens. Der aus Drachenschwänzen gewundene Turm der Königlichen Börse wurde ebenso angestrahlt wie die mächtige Turmspitze von Schloss Christiansborg, dem Sitz der dänischen Regierung, die dahinter stolz in den Kopenhagener Nachthimmel ragte. Lediglich die Königliche Bibliothek auf der anderen Seite des Kanals war mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Der »Schwarze Diamant«, wie der Prachtbau liebevoll genannt wurde, verschwand beinahe komplett in der Dunkelheit, fast so, als wolle er sich verstecken vor dem, was kommen würde.

»Du weißt, dass das nicht geht«, wisperte Louise und trat einen Schritt nach vorne, woraufhin Mads ihr folgte.

»Und warum nicht?« Er öffnete den Haarknoten in ihrem Nacken und strich sanft ihre dunklen Locken zur Seite. Louise schmiegte ihren Körper an seinen und stöhnte leise auf, als seine Lippen begannen, ihren Hals zu liebkosen.

»Mads, die Nacht vor der Hochzeit dürfen Braut und Bräutigam nicht zusammen verbringen. Das bringt Unglück, schon vergessen?«

»Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist«, neckte er sie und biss zärtlich in ihr Ohrläppchen, woraufhin sich das Kribbeln in ihrem Bauch verstärkte.

»Bin ich auch nicht.« Als wollte sie seine Bemerkung nicht auf sich sitzen lassen, löste sie sich aus seiner Umarmung und sah ihn an. »Trotzdem solltest du nicht hier sein.« Louise lächelte und fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen, was Mads als Zeichen dafür wertete, genau dort weiterzumachen, wo er eben unterbrochen worden war.

»Du möchtest also wirklich, dass ich gehe? Möchtest mich hinaus in diese kalte, dunkle Frühlingsnacht schicken? Einsam … und allein …« Er beugte sich vor und bedeckte ihr Gesicht erneut mit sanften Küssen.

»Du übertreibst.« Sachte fuhr sie mit ihrer Hand die markanten Konturen seines Gesichts nach. Ihre Fingerspitzen glitten über sein glatt rasiertes Kinn und verharrten in Höhe des Grübchens, das sich immer über seinem rechten Mundwinkel bildete, wenn er lächelte.

»Ich weiß.« Seine Hände glitten über ihren Rücken, hinunter zum Saum ihres Spitzentops, und zogen es ihr in einer einzigen, fließenden Bewegung über den Kopf. Er beugte sich vor, nahm eine ihrer Brustwarzen in den Mund und knabberte daran. Dann richtete er sich auf und zog sie zu sich. Louise stöhnte auf und vergrub ihre Finger in seinem dunkelbraunen Haar, zog daran und presste ihre Lippen gegen seinen Mund. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinab, verharrten kurz auf dem Reißverschluss ihres Rockes und öffneten ihn. Als der Rock zu Boden glitt, lächelte Mads zufrieden.

»Du bist so wahnsinnig sexy«, murmelte er.

Als wäre sie leicht wie eine Feder, hob er sie hoch und trug sie zum Bett hinüber. Louise schlang ihre Beine um seine Hüften, klammerte sich an ihn und zog ihn mit sich auf die Matratze.

»Ich will dich«, flüsterte sie ihm ins Ohr, überwältigt von dem Verlangen nach dem Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte.

Sie versanken in einem innigen Kuss, bis Mads sich von ihren Lippen löste und begann, mit den Fingern an der Innenseite ihrer Oberschenkel entlangzukreisen, bis sie vor Erregung zitterte.

»Gefällt dir das?«, fragte er, ohne sein Tun zu unterbrechen. Seine Lippen bewegten sich langsam und vorsichtig, küssten ihren flachen Bauch, wanderten über ihre Hüftknochen hinunter bis zu ihrer Scham. Louise begann, sich auf der Matratze zu winden, rastlos, sehnsüchtig und definitiv kurz davor, den Verstand zu verlieren.

»Ja«, hauchte sie und konnte den nahenden Orgasmus bereits spüren. Dieses intensive Kribbeln, das sich immer weiter aufbäumte, die Wellen der Lust, die sie langsam überrollten und schließlich … Mads hörte auf.

»Nein, was machst du?«, rief sie verzweifelt und öffnete die Augen.

»Wer zum Teufel ruft denn jetzt hier an?«, fluchte er, kniete sich zwischen ihre Beine und horchte. »Ist das mein Telefon?«

»Ist das jetzt nicht egal?«, fragte Louise und versuchte, ihn wieder zu sich herunterzulocken. »Komm.«

»Verdammt!« Mads schüttelte den Kopf. »Ich muss da kurz rangehen«, sagte er und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. »Nicht bewegen.«

Louise seufzte, zog an ihrer Bettdecke und kuschelte sich darunter. Dass er sie unbefriedigt zurückgelassen hatte, gefiel ihr nicht.

Mads verschwand aus dem Schlafzimmer und blieb einige Zeit im Raum nebenan. Louise hörte, wie er aufgebracht mit jemandem telefonierte, bekam aber nicht mit, worum es genau ging. Sie sah zur Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. Wer um alles in der Welt könnte jetzt etwas von ihm wollen?

Als Mads zu ihr zurückkehrte, schien er immer noch wütend zu sein. Er verpasste der Schlafzimmertür einen Tritt, sodass diese krachend hinter ihm ins Schloss fiel, und setzte sich zu ihr aufs Bett. Sein Gesicht vergrub er in seinen Händen. Er atmete schwer.

»Was ist los? Wer war das?«

»Das war Rune. Auf dem Weingut ist ein Feuer ausgebrochen.«

»Ein Feuer? Das ist ja schrecklich! Wann?« Louise setzte sich auf und rutschte zu ihm herüber. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und streichelte sanft über seinen Rücken.

»Heute Abend nach Einbruch der Dunkelheit. Rune hat es durch Zufall auf seinem Kontrollgang entdeckt.« Mads seufzte, seine Muskeln waren steinhart vor Anspannung.

»Bei seinem Kontrollgang?« Louise stutzte.

»Ja. Nach allem, was in der letzten Zeit auf dem Weingut vorgefallen ist, hielten wir es für angebracht, stündlich nach dem Rechten zu sehen. Hatte ich das nicht erwähnt?«

Louise schüttelte den Kopf. Sie hätte sich bestimmt daran erinnert, wenn es so gewesen wäre. »Sind Kontrollgänge nicht ein wenig übertrieben?«

»Offenbar nicht. Schließlich hat es heute Abend gebrannt!«, fuhr Mads sie an und drehte sich zu ihr um. Sie sah ihm an, wie wütend er war. »Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Rune den Brand nicht entdeckt hätte. Es hätten Menschen sterben können!« Er sprang vom Bett auf und fuhr sich mehrmals durch die Haare. »Ich muss nach Bornholm und nach dem Rechten sehen.«

»Was?« Louise sprang ebenfalls vom Bett und ging auf ihn zu. »Du kannst doch jetzt nicht nach Bornholm fahren! Wir heiraten morgen!«

Mads verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!

»Beruhig dich«, sagte Louise. So aufgebracht hatte sie ihn lange nicht mehr erlebt. »Ich bin sicher, es wird sich alles aufklären.«

»Ja? Bist du das wirklich?« Seine blauen Augen funkelten sie an. »Ich nämlich nicht. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.«

Louise hatte keine Ahnung, was Mads damit andeuten wollte. Aber gerade heute Nacht – der Nacht vor der Hochzeit – wollte sie nicht darüber diskutieren.

»Mads, ich möchte mich nicht mit dir streiten«, stellte Louise klar und hoffte, dass ihre Worte Gehör fanden. »Ja, es stimmt. In letzter Zeit hast du mit dem Weingut kein Glück gehabt. Aber jede Pechsträhne hat einmal ein Ende.« Sie stellte sich hinter ihn, schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn versöhnlich.

Er ließ es eine Weile geschehen und rührte sich nicht. »Das hier ist viel mehr als nur eine Pechsträhne!«, murmelte er.

»Dann sind es unglückliche Zufälle«, meinte Louise. »Wer sollte dem Weingut schaden wollen? Das würde doch gar keinen Sinn ergeben.« Sie küsste ihn erneut, doch er schien mit seinen Gedanken immer noch ganz woanders zu sein. Plötzlich drehte er sich um, fasste nach ihren Händen und sah sie an.

»Lass uns abhauen, Lou!«

»Was?«

»Wir könnten den nächsten Flieger nach Bali nehmen und dort heiraten. Nur du und ich.«

»Bist du jetzt komplett verrückt geworden?« Für einen Moment dachte sie, Mads sei tatsächlich übergeschnappt, denn es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass es sich nicht nur um eine fixe Idee von ihm handelte. Er meinte es ernst.

»Wir brauchen das alles hier doch gar nicht. Überleg doch mal, Bali … das war doch auch mal dein Traum.« Er drückte sie noch fester an sich und war regelrecht euphorisch bei dem Gedanken an eine einsame Hochzeit am Strand, weit weg von Kopenhagen.

»Ja … sicher … aber«, stammelte Louise. Sie erinnerte sich daran, wie sie in den vergangenen Monaten immer mal wieder darüber gescherzt hatten, dem ganzen Hochzeitszirkus einfach zu entfliehen. Wie sie sich vorgestellt hatten, wie schön es sein könnte, den wichtigsten Tag in ihrem Leben nur zu zweit zu verbringen. Doch sie war immer davon ausgegangen, dass es auch für ihn nur eine Spinnerei gewesen war. Nie im Leben wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass Mads diese Schnapsidee wirklich umsetzen könnte.

»Aber was?« Mads streckte seine Hand aus und hob sanft ihr Kinn.

»Wir können nicht einfach abhauen. Ich meine, wir heiraten morgen … hier … in Kopenhagen. Die Kirche ist geschmückt, die Presse ist informiert, die Gäste sind alle angereist …«

»Hunderte Gäste, von denen wir nur eine Handvoll persönlich kennen«, unterbrach Mads sie. »Ich bitte dich, Lou, diese Hochzeit ist doch völlig aus dem Ruder gelaufen und hat mit dem, was wir ursprünglich wollten, überhaupt nichts mehr zu tun. Es ist eine Inszenierung, bei der dein Vater die Fäden zieht, damit seine Familie möglichst perfekt rüberkommt. Es ist, als hätten wir beide uns selbst dabei aus den Augen verloren.«

Louise nickte nachdenklich. Natürlich hatte er recht. Seit seinem Antrag vor knapp neun Monaten hatten sich die Dinge verselbstständigt. Von der Hochzeit im kleinen Kreis, so wie sie es ursprünglich einmal geplant hatten, war nicht mehr viel übrig geblieben. Ihr Vater, Jørgen Bjerregaard, einer der einflussreichsten Geschäftsmänner Dänemarks, hatte alles darangesetzt, die Hochzeit seiner einzigen Tochter zu dem gesellschaftlichen Ereignis des Jahres zu machen. Inzwischen war die Gästeliste so lang geworden, dass Louise sich fragte, wen ihr Vater aus der Kopenhagener High Society nicht zu der Feier eingeladen hatte.

»Mads, ich verstehe dich nicht. Wir haben doch alles gemeinsam besprochen … und beschlossen. Natürlich haben wir davon geträumt, die Koffer zu packen und fortzureisen …«, begann Louise, verstummte dann aber wieder.

»Warum machen wir es dann nicht einfach?« Mads ließ eine Hand unter ihre seidigen Haare gleiten, schloss sie um ihren Nacken und zog sie zu sich heran. Sie folgte seiner Bewegung und hob ihr Gesicht. Für einen Moment glaubte sie, er wollte sie küssen, doch Mads zögerte. Er neigte seinen Kopf leicht hinunter und strich sanft über ihre Lippen. Louise stieß einen gedämpften Laut aus und schloss die Augen.

»Lou, ich liebe dich.« Mads seufzte sehnsüchtig auf, als sich ihre Nasenspitzen berührten. Fast schien es, als wäre das sein letzter Versuch, sie doch noch von seiner Idee zu überzeugen.

»Es geht nicht. Ich bin eine Bjerregaard. Was würden die Leute sagen, wenn ich in einer Nacht- und Nebelaktion mit meinem Verlobten durchbrennen würde? Ich kann nicht irgendwo mutterseelenallein an einem Strand heiraten, Mads. Auch nicht, wenn es mein sehnlichster Wunsch wäre. Das kann ich meiner Familie … meinem Vater nicht antun.« Louise lehnte ihre Stirn gegen seine und merkte, wie Mads sich langsam zurückzog.

»Deinem Vater …«, sagte er mit bitterer Stimme. »Natürlich kannst du ihm das nicht antun. Aber was er mit uns macht, geht in Ordnung?« Er machte eine Pause und rückte von ihr ab. Aus Angst, er könnte sich jetzt vollkommen vor ihr verschließen, hielt sie ihn fest und suchte seinen Blick. »Schau mich nicht so an, Lou. Du weißt genau, wovon ich rede.«

Louise schluckte. Sie wusste, worauf er anspielte. Ihr Vater hatte Mads nie wirklich als Mann an der Seite seiner Tochter akzeptiert und nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich einen anderen Ehemann für Louise gewünscht hatte.

Mads war viel zu rebellisch, hatte seinen Platz im Leben noch nicht richtig gefunden und war alles andere als wohlhabend, was Jørgen Bjerregaard, dem Geld und Macht über alles gingen, ihn auch hatte spüren lassen. Trotzdem oder gerade deshalb hatte Jørgen seinem künftigen Schwiegersohn angeboten, für ihn zu arbeiten.

Doch Mads hatte abgelehnt. Er hatte von seinem Vater ein kleines Weingut auf Bornholm geerbt und wollte es weiter bewirtschaften. Er wollte unabhängig sein und konnte den Gedanken daran, ein Leben lang unter der Kontrolle von Jørgen Bjerregaard zu stehen, nicht ertragen.

»Bitte lass meinen Vater nicht zwischen uns stehen. Ich werde mich von ihm loseisen, versprochen. Aber im Moment geht es noch nicht.« Louise stoppte bei dem Gedanken daran, wie abhängig sie noch immer von ihrer Familie war. Sie hatte in Odense Kommunikationswissenschaften studiert und kümmerte sich nun um die Pressearbeit der Hotelkette ihres Vaters. Niemand, nicht einmal Mads, wusste, dass sie insgeheim andere Pläne verfolgte und davon träumte, irgendwann einmal ihr eigenes Lifestyle-Magazin herauszugeben. Sie wusste, dass alle, vielleicht sogar Mads, sie unterschätzten. Doch sie war nicht die kleine unselbstständige Louise, für die alle sie hielten. In ihr steckte mehr. Und irgendwann würde sie das allen auch beweisen. Nur im Moment war die Zeit einfach noch nicht reif dafür.

»Das verstehst du doch, oder?«

Mads schüttelte den Kopf. »Nein, um ehrlich zu sein, verstehe ich das nicht«, sagte er so leise, dass Louise zunächst dachte, sie hätte sich verhört. »Dein Vater wird immer zwischen uns stehen, solange du ihm nicht die Stirn bietest.« Er umfasste ihre Wange mit einer Hand.

Louise wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie hatte das Gefühl, dass alles, was sie jetzt sagen würde, falsch wäre. Sie atmete tief ein und seufzte. »Hör zu. Wir machen uns gleich morgen Abend nach der Feier auf den Weg nach Bornholm. Dann kannst du nach dem Rechten sehen, bevor’s für uns in die Flitterwochen geht«, sagte sie letztlich und schmiegte ihre Wange an Mads’ Hand.

Er lächelte, nahm ihre andere Hand, führte sie zu seinem Mund und küsste sie zärtlich.

»Lass uns schlafen, Lou, immerhin haben wir einen anstrengenden Tag vor uns.« Er zwinkerte ihr zu und war bemüht, die Fassung zu wahren. »Und ich muss vor dem Morgengrauen diese Suite verlassen, wenn ich deinen Vater nicht noch mehr gegen mich aufbringen will.«

»Stimmt, Papa wäre schockiert, wenn er wüsste, dass ich mich seinen Anweisungen widersetzt habe und in der Nacht vor der Hochzeit in deinen Armen liege.«

»Er wäre erst recht schockiert, wenn er wüsste, was ich jetzt noch mit dir anstellen werde.« Mads’ Finger streichelten ihren Hals hinunter und verharrten an ihrem Schlüsselbein.

»Mads Vinther, untersteh dich«, sagte Louise mit gespieltem Entsetzen. »Sagtest du nicht eben noch, dass wir uns ausruhen und endlich schlafen gehen sollten?«

Mads senkte wortlos seinen Kopf und küsste sie so leidenschaftlich, als würde er nie wieder eine Gelegenheit dazu haben.

»Ich liebe dich, Lou«, flüsterte er und vergrub sein Gesicht an ihrer weichen Haut. »Vergiss das nie.«

Kapitel 2

Als Louise am nächsten Morgen erwachte, war Mads bereits fort. Hatte sie wirklich so fest geschlafen, dass sie nicht mitbekommen hatte, dass er gegangen war? Sie streckte sich unter der Bettdecke und schielte zum Fenster. Ein paar Sonnenstrahlen fielen durch die halbgeöffneten Vorhänge ins Schlafzimmer, und durch einen schmalen Spalt konnte sie ein wenig blauen Himmel erkennen. Der Wetterbericht schien recht zu behalten: Es sah aus, als würde es ein sonniger Frühlingstag werden.

Louise gähnte, kniff die Augen zusammen und streckte sich erneut. Unglaublich, dass heute der Tag der Tage war. Wie lange hatte sie darauf hingefiebert. Und jetzt würde sie schon in ein paar Stunden endlich Frau Louise Vinther sein. Sie drehte sich zur Seite und warf einen flüchtigen Blick auf den goldenen Funkwecker auf dem Nachttisch.

»Gott, schon zehn Uhr?« Erschrocken schlug sie die weiche Daunendecke zurück und setzte sich auf. Auf einmal war sie hellwach. Warum hatte der Wecker nicht geklingelt?

»Blödes Ding«, murmelte sie, sah den Wecker vorwurfsvoll an und verpasste ihm einen Stupser, sodass er nach hinten kippte.

War es wirklich schon zehn? Verstohlen blinzelte sie zum Nachttisch herüber. Warum musste sie gerade an ihrem Hochzeitstag, dem wichtigsten Tag ihres Lebens, verschlafen? Ausgerechnet sie, die die Pünktlichkeit in Person war.

In einer knappen Stunde würde der Friseur in der Suite erscheinen, und sie hatte noch nicht einmal geduscht, geschweige denn etwas gefrühstückt.

»Mist«, schimpfte sie und klopfte sich aufmunternd gegen die Wangen. Dann stand sie auf und sprintete ins Bad.

*

Fertig gestylt betrachtete sich Louise knapp vier Stunden später in dem überdimensional großen, goldumrandeten Spiegel, der im Schlafzimmer der Präsidentensuite des Rosenborg Kopenhagen Hotels angebracht war. Immer wieder drehte sie sich um ihre eigene Achse, während der ausladende Satinrock ihres Brautkleids ähnlich wie eine Glocke von der einen zur anderen Seite schwang.

»Traumhaft«, befand sie und begutachtete über ihre Schulter hinweg den tiefen Rückenausschnitt und die darüberliegende Tattoospitze.

Sie sah perfekt aus. Das ivoryfarbene Kleid, die glitzernden Pumps, der Schleier aus feinster belgischer Spitze, der ein Erbstück ihrer viel zu früh verstorbenen Mutter war … Louise unterdrückte den aufsteigenden Kloß, den sie beim Gedanken an sie in ihrer Kehle spürte. Ellen Bjerregaard war schon vor langer Zeit gestorben, doch an so besonderen Tagen wie diesem schmerzte sie der Verlust umso mehr. Louise schloss die Augen und hielt einen Moment inne.

»Du fehlst mir«, flüsterte sie und strich gedankenversunken über den bodenlangen Spitzenschleier, der sanft über ihre Schultern fiel. Und für einen Augenblick war ihr, als würde sie der Schleier umarmen, so wie eine Mutter ihre Tochter am Tag ihrer Hochzeit in den Arm nehmen würde.

Der Schrei einer Möwe draußen vor dem Fenster ließ Louise aufschrecken. Sie schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und dachte stattdessen an Mads. Sofort änderte sich ihre Stimmung. Die Aussicht, den Rest ihres Lebens an seiner Seite zu verbringen, ließ sie breit von einem zum anderen Ohr grinsen. Sie spürte das wohlige Kribbeln in ihrem Bauch und fühlte sich wie ein Kind, das an Heiligabend sehnsüchtig auf den Besuch des Weihnachtsmanns wartete.

»Ich kann kaum glauben, dass das wirklich passiert.« Strahlend faltete sie ihre Hände und schaute zum Himmel hoch.

»Ich auch nicht.«

Beim Klang von Jørgen Bjerregaards frostiger Stimme zuckte Louise unwillkürlich zusammen. Sie hatte ihren Vater gar nicht hereinkommen gehört.

»Ist das alles, was du deiner Tochter an ihrem Hochzeitstag sagen möchtest?«, fragte sie leise und wandte sich vom Spiegel ab, um sich ihrem Vater zu präsentieren. Doch er hatte keine Augen für sie und ihr traumhaftes Brautkleid.

Jørgen Bjerregaard stand in der Tür zum Schlafzimmer und checkte den Sitz seiner goldenen Manschettenknöpfe. Er sah aus, als wäre er einer Achtzigerjahre-Serie entsprungen: Im Knopfloch seines schwarzen Smokings steckte eine weiße Rose und das weiße Leinenhemd, das er trug, zierte am Kragen eine schlichte, schwarze Fliege. Seine grauen Haare glänzten silbrig im Sonnenlicht, das durch die bodentiefen Fenster in die Suite hineinfiel.

»Es ist eine Frechheit, dass er sich geweigert hat, einen Ehevertrag zu unterschreiben«, meinte Jørgen Bjerregaard mit ruhiger, beinahe tonloser Stimme.

Louise ging zur Anrichte herüber und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Die Anwesenheit ihres Vaters machte sie nervös. Auf einmal hatte sie furchtbare Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu machen. Schließlich wollte sie ihn nicht noch einmal enttäuschen.

Die Sache mit dem geplatzten Ehevertrag hatte Jørgen ihr noch nicht verziehen. Dabei hatte sie nur ihm zuliebe Mads vor ein paar Wochen auf einen Ehevertrag angesprochen. Natürlich hatte Mads sich geweigert.

»Sehe ich aus wie ein Erbschleicher, Louise?«, hatte er gefragt und vor Wut getobt. »Ein Vertrag hat doch nichts mit Liebe zu tun.«

Liebe … mit diesem Wort hatte ihr Vater noch nie viel anfangen können, dachte Louise und trank einen großen Schluck Wasser. Wie also sollte sie ihm erklären, dass bei dem, was Mads und sie füreinander empfanden, ein Vertrag vollkommen überflüssig war?

»Mads und ich vertrauen uns eben«, antwortete sie leise und stellte das Glas zurück auf die Anrichte.

»Tz, Vertrauen«, machte Jørgen Bjerregaard und rollte mit den Augen. »Deine naive Einstellung wird der Familie eines Tages noch teuer zu stehen kommen. Du wirst schon sehen, was du davon hast.«

Louise schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht fassen, dass ihr Vater ausgerechnet heute diese Diskussion anfing. Konnte er das Thema nicht einfach ruhen lassen und sich für seine Tochter freuen? Einmal wenigstens …

»Was ist nur los mit dir, Vater? Ich stehe hier im Brautkleid vor dir, ich werde heiraten und bin glücklich … und du wirfst mir vor, ich sei naiv, weil ich den Rest meines Lebens mit dem Mann verbringen möchte, den ich über alles liebe?« Jetzt bloß nicht weinen. Sie durfte sich ihr Make-up nicht ruinieren. »Das ist nicht fair.«

Sie drehte sich von ihm weg. Die Gefühlskälte ihres Vaters erschreckte Louise immer wieder aufs Neue. Auch wenn sie natürlich längst daran gewöhnt war, versetzte es ihr jedes Mal einen kleinen Stich. Liebte er seine Tochter überhaupt?

In diesem Moment hätte sie sich nichts mehr gewünscht, als dass er zu ihr herüberkommen und sie in den Arm nehmen würde. So wie es sich für einen Vater gehörte, der seine Tochter zum Altar führte. Doch es passierte nichts.

»Werd nicht hysterisch, Louise. Wir wissen alle, wohin das am Ende führt«, ermahnte Jørgen seine Tochter stattdessen und schaute auf seinen gelbgoldenen Siegelring, auf dem das Familienwappen prangte. »Wir haben jahrzehntelang hart dafür gearbeitet, um zu dem zu werden, was wir sind. Der Name Bjerregaard steht für herausragenden Erfolg, um den viele Menschen in diesem Land uns beneiden. Glaub ja nicht, dass ich zulassen werde, dass das Imperium, das dein Großvater und ich aufgebaut haben, eines Tages in sich zusammenfällt, nur weil meiner Tochter das Hirngespinst einer romantischen Liebesheirat in den Kopf gesetzt wurde.«

Louise schnappte nach Luft und spürte, wie ihr Herz plötzlich zu rasen begann. Es war dieser unregelmäßige, hektische Herzschlag, der durch ihren Körper galoppierte. Sie drehte sich um und hielt sich an der Anrichte fest. Wie konnte ihr Vater es wagen, so mit ihr zu reden? An ihrem Hochzeitstag!

»Vater …«, versuchte sie zu widersprechen, verstummte aber sofort wieder, als sie merkte, wie sich ihre Brustmuskeln verkrampften.

Jørgen betrachtete sie kurz. Seine Augen blitzten gefährlich. »Komm jetzt!«, sagte er und hob mahnend die Hand, um deutlich zu machen, dass das Gespräch für ihn beendet war. »Wenn du diesen Mads Vinther schon heiraten musst, solltest du wenigstens pünktlich sein.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.

Louise schloss die Augen und atmete erleichtert auf, als er aus dem Schlafzimmer gegangen war. Mit wackeligen Knien warf sie einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und folgte ihrem Vater. So, wie sie es ihr ganzes Leben gemacht hatte.

*

Der Andrang vor der Kopenhagener Vor Frue Kirke war groß. Wenn eine von Dänemarks begehrtesten Junggesellinnen heiratete, war dies durchaus ein Ereignis, das die breite Öffentlichkeit interessierte. Dutzende Schaulustige hatten sich auf dem Bürgersteig gegenüber der Kirche versammelt, um die ankommende Braut zu bestaunen. In unmittelbarer Nähe des Eingangs hatten sich auch einige Fotografen der Boulevardpresse postiert, die hektisch ihre Objekte zückten, als die dunkelgraue Limousine vor dem ausgerollten roten Teppich hielt.

»Aasgeier. Sieh dir an, wie sie darauf warten, sich auf uns zu stürzen«, machte Jørgen Bjerregaard seinen Unmut darüber Luft, wie sehr die Fotografen um die Plätze in der vorderen Reihe kämpften.

Louise wusste, dass die Medien ihrem Vater schon immer ein Dorn im Auge gewesen waren. Für ihn waren sie nie mehr als ein lästiges Mittel zum Zweck, um seine Interessen durchzudrücken oder sein Ansehen zu steigern. Er wusste, dass er als Unternehmer auf eine gute Zusammenarbeit mit den Medien angewiesen war, doch als Privatmann wollte er am liebsten so wenig wie möglich mit ihnen zu tun haben. Fast machte es den Anschein, als hätte er Angst davor, dass ein dunkles Geheimnis ans Licht kommen könnte, wenn er sich den Medien gegenüber zu sehr öffnete. Er war sehr darauf bedacht, nicht zu viel über sich in der Presse preiszugeben. Nicht zuletzt auch, um den Mythos, der sich um die Familie Bjerregaard rankte, zu bewahren. Er war ein Mann, der sich nur ungern in die Karten gucken ließ, schon gar nicht von der Presse.

Louise sah aus dem Fenster auf die wartenden Fotografen, während sie nervös den Brautstrauß in ihrer Hand drehte. Vielleicht war Mads’ Idee von der einsamen Hochzeit am Strand doch gar nicht so blöd gewesen, dachte sie. Hätte sie doch nur den Mut dazu gehabt …

Im Augenwinkel bemerkte sie, dass ihr Vater sie auffordernd ansah. Seit sie das Rosenborg Kopenhagen verlassen hatten, hatten sie kaum ein Wort mehr miteinander gewechselt. Louises Gedanken waren immer noch bei dem, was ihr Vater ihr beim Verlassen der Suite mit auf den Weg gegeben hatte. Es ärgerte sie, wie ohnmächtig sie ihm und seinen Gemeinheiten jedes Mal gegenüberstand. Warum schaffte sie es nicht, ihm zu widersprechen? Warum hatte er so einen großen Einfluss auf sie? Sie war doch erwachsen und längst alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen.

Mads sah das ganz ähnlich. Er hatte ihr schon oft dazu geraten, ach, sie quasi angefleht, sich endlich von dem Dämon Jørgen Bjerregaard zu befreien. Doch ihr Vater besaß eine auf sie beinahe angsteinflößende Autorität, gegen die sie nicht ankämpfen konnte.

Mads. Ihre Gedanken schweiften ab zu diesem wundervollen Mann, der so anders war als ihr tyrannischer Vater. Wofür sie ihn nur noch mehr liebte. Mit ihm würde sie den besten Ehemann bekommen, den sie sich nur vorstellen konnte, da war sie sich sicher.

»Lächle, wenn du aussteigst. Schließlich soll niemand denken, ich würde dich zu dieser Hochzeit zwingen«, sagte Jørgen, als die Limousine zum Stehen kam, stieg aus und ging um den Wagen herum. Louise fragte sich kurz, ob er wohl die Ironie in seiner Aussage bemerkt hatte, und musste unweigerlich schmunzeln.

Die Tür der Limousine öffnete sich. Louise ergriff den ausgestreckten Arm ihres Vaters, stieg aus und sah sich um. Aus der Menge der wartenden Passanten ertönte ein lautes Ah, und Louise lächelte verlegen.

»Dann wollen wir mal«, sagte Jørgen Bjerregaard kaum hörbar, und es klang beinahe, als wäre es für ihn eine lästige Aufgabe, seine Tochter zum Altar zu führen.

Louise überhörte einmal mehr den herablassenden Unterton in seiner Stimme und blickte zur Kirche, wo ihre beiden Brüder Nikolaj und Frederik aufgeregt miteinander sprachen und wild gestikulierten.

Plötzlich beschlich sie ein Anflug von Panik, der sich in Lichtgeschwindigkeit in ihrem Körper ausbreitete. Als sie am Arm ihres Vaters den eigens für sie ausgerollten roten Teppich betrat, beschleunigte sich ihr Puls, und für einen Moment war ihr ganz schwindelig.

Nikolaj, ihr älterer Bruder, kam ihnen als Erster entgegen und stoppte sie kurz vor dem Eingangsportal. Auf seiner Stirn erkannte Louise tiefe Sorgenfalten. Irgendetwas stimmte nicht.

»Wir haben ein Problem«, sagte er aufgebracht und fuhr sich durch die gestylten Haare.

»Wovon sprichst du?«, fragte ihr Vater barsch und ließ ruckartig Louises Arm los, woraufhin sie auf dem unebenen Kopfsteinpflaster kurzzeitig ins Wanken geriet.

»Mads … Er ist nicht hier.« Frederik hatte Nikolaj eingeholt und stellte sich neben ihn. Dabei positionierte er sich automatisch so neben seinem älteren Bruder, dass die gierenden Fotografen keine Chance hatten, Louises geschocktes Gesicht abzulichten. Frederiks und Nikolajs breite Schultern verdeckten sie nahezu komplett.

»Was heißt, er ist nicht hier?« Jørgen Bjerregaard sah sich hektisch um. Plötzlich ergriff er Louises Arm und zerrte sie unsanft in Richtung Seiteneingang der Kirche, um den klickenden Objektiven der Fotografen zu entkommen. Frederik und Nikolaj folgten den beiden. »Wo steckt dieser Möchtegern-Winzer?«, raunte er.

»Vielleicht steht er im Stau«, sagte Frederik und zuckte mit den Schultern, während Louise ihren Zwillingsbruder strafend ansah. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um Witze zu machen. Sie zwang sich dazu, rational zu denken. Es musste einen logischen Grund dafür geben, warum Mads noch nicht hier war. Irgendeine Erklärung musste es geben …

»Hat jemand versucht, ihn anzurufen?«, fragte sie und schaute in die Runde. Als ihre beiden Brüder nicht antworteten, schüttelte sie den Kopf und streckte ihre Hand in Richtung Nikolaj aus. »Ich habe mein Handy nicht dabei, gibst du mir deins?«

Nikolaj holte sein Mobiltelefon aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihr. Louise atmete tief durch und wählte Mads’ Nummer. Es dauerte einige Zeit, doch dann ging er endlich ran.

»Ja.« Seine Stimme klang leise und unsicher, als hätte er sich vor diesem Anruf gefürchtet.

»Mads, ist alles in Ordnung? Wo steckst du?«

Stille.

Louise presste das Handy noch dichter an ihr Ohr und konnte trotzdem nichts weiter hören als ein leises Rauschen am anderen Ende der Leitung. Wo zum Teufel steckte er?

»Mads?«

»Lou, i-ich …« Mads seufzte gequält. »I-ich werde nicht kommen …« Sie hörte, wie er schluckte. »I-ich kann das nicht! E-es ist zu viel vorgefallen.«

Was? Louises Herzschlag setzte für einen Moment aus. Zunächst glaubte sie, sich verhört zu haben.

»W-was soll das heißen, du kannst nicht?« Als würde sie ertrinken, schnappte sie heftig nach Luft. Ihr Puls raste, und ihre Finger zitterten so sehr, dass sie Mühe hatte, das Mobiltelefon in ihrer Hand zu halten. Passierte das alles wirklich?

»E-es tut mir leid«, sagte Mads und legte auf.

Louise spürte, wie sie die Kontrolle über ihren Körper verlor. Nikolajs Handy glitt ihr aus der Hand, rutschte an ihrem langen Kleid herunter und schlug unsanft auf das Kopfsteinpflaster auf. Doch es kümmerte sie nicht. Die Welt um sie herum wankte gefährlich. Krampfhaft klammerte sie sich an Nikolaj, der in diesem Moment der einzig greifbare Halt war, den sie finden konnte. Ihre Finger bohrten sich in seinen Handrücken und hinterließen kleine Furchen auf seiner Haut.

»Was ist los?« Nikolaj fasste seine Schwester an die Schultern.

»Er … e-er kommt nicht«, stammelte sie und schnappte erneut panisch nach Luft. Auf einmal fühlte sich die Korsage ihres Kleides viel zu eng an. Sie konnte kaum atmen. »Das darf doch alles nicht wahr sein.« Als könne sie damit die Realität verdrängen, presste Louise die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Doch es war kein Traum, der sie gefangen hielt. Dies hier war real.

Sie schaute in ein verschwommenes Meer aus Gesichtern, die sie alle anstarrten. Ihr Vater, ihre Brüder, der Pastor, der zu ihnen geeilt war, und die vielen Schaulustigen, die auf dem Bürgersteig hinter ihr tuschelnd die Köpfe zusammensteckten.

»Was ist hier los, Louise?« Jørgen Bjerregaard durchbrach als Erster die Stille und fuhr sich aufgebracht mit der Hand durch die akkurat gescheitelten Haare.

»Er …«, stieß Louise hervor und spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust, der sie beinahe lähmte.

»Louise!« Eine junge Frau mit kurzem Pixie-Cut eilte herbei und konnte ihre Freundin gerade noch auffangen, als diese ohne weitere Vorwarnung in sich zusammensackte. »Camilla, … Mads, er … kommt nicht«, stammelte Louise und brach in Tränen aus.

»Ich bringe ihn um!«, schimpfte Nikolaj mit hochrotem Kopf, stemmte die Hände in die Hüfte und ging wütend auf und ab.

»Ich hab immer gewusst, dass dieser Taugenichts unserer Familie Ärger bereiten wird«, sagte Jørgen Bjerregaard, in dessen eiskalter Stimme ein Hauch Genugtuung mitklang, als hätte er dieses Szenario bereits kommen sehen.

»Nicht jetzt, Vater!«, fuhr Nikolaj ihn an, und Jørgen verstummte. Nikolaj umfasste Louises Taille, hob sie behutsam hoch und trug sie, vorbei an den klickenden Objektiven der Fotografen, zur Limousine zurück. Camilla, Frederik und Jørgen folgten ihnen.

»Fahr du mit ihr. Wir regeln den Rest. Und pass auf, dass euch keiner von denen folgt«, herrschte Jørgen Bjerregaard Camilla an und zeigte in Richtung der Paparazzi.

Camilla nickte stumm, stieg zu Louise in den Wagen und schloss die Tür hinter sich. Kurz darauf brauste die Limousine durch die Nørregade davon.

»Alles wird gut werden.« Camilla streichelte Louise behutsam über das Haar, doch ihre tröstenden Worte erreichten sie kaum. »Ich bin sicher, es gibt eine Erklärung für alles.«

»I-ich g-glaube das einfach nicht«, stammelte Louise, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. »W-wie … k-konnte er mir das nur antun?« Ihre Stimme brach erneut. Der Schmerz in ihrem Körper war mittlerweile unerträglich geworden. Sie wusste, dass sie gerade weit mehr verloren hatte als Mads …

Kapitel 3

Kopenhagen. 16 Monate später

»Ihh, was ist das denn?«

Camilla Bjørnelund verzog das Gesicht, während sie an einer kleinen schwarzen Dose mit einer schmierigen pinkfarbenen Creme darin roch. »Das ist ja eklig.« Eilig stellte sie die Dose zurück auf Louises Schreibtisch.

»Das ist ein Rote-Bete-Brotaufstrich auf Hanftofu-Basis. Vegan«, erklärte Louise seelenruhig und beschmierte eine Hälfte ihres Knäckebrots damit.

»Allein bei dem Wort bekommt man ja einen Krampf in der Zunge«, meinte Camilla und hob skeptisch eine Augenbraue. »Das willst du doch nicht wirklich essen, oder?«

»Natürlich. Es stammt von einem unserer Anzeigenkunden. Möchtest du auch?«, fragte Louise und biss beherzt in ihr Knäckebrot. Sie würde Camilla schon beweisen, dass es keinen Grund gab, beim Anblick des Aufstriches ein derartig angewidertes Gesicht zu ziehen.

Dachte sie zumindest, denn sie hatte den Geschmack, der sich in ihrem Mund ausbreitete, unterschätzt. Er war erdig und … sauer. Ja, sauer! Es war, als hätte sie einen Erdhaufen im Mund, auf dem jemand zuvor eine Flasche Essig verschüttet hatte.

Louise versuchte, ein neutrales Gesicht zu wahren, während Camilla sie gespannt dabei beobachtete und wahrscheinlich nur darauf wartete, dass Louise das Brot wieder ausspuckte.

»Essen unsere Anzeigenkunden ihr komisches Zeug überhaupt selbst?«

Louise sah Camilla mahnend an.

»Schon gut, der Kunde ist König. Ich weiß …« Camilla hob entschuldigend die Hände, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und predigte ihr Mantra. »GRØN ist auf jede einzelne Krone dieser Kunden angewiesen.«

Louise nickte und kaute beharrlich weiter, was jedoch gar nicht so einfach war, da sie das Gefühl hatte, dass sich die kleine Menge Knäckebrot in ihrem Mund ständig aufs Neue vermehrte.

Dieser Geschmack …! Jetzt wurde ihr auch noch übel. Sie unterdrückte den Brechreiz und bemerkte im Augenwinkel, wie sich auf Camillas Gesicht ein zufriedenes Lächeln ausbreitete. Lachte ihre beste Freundin sie etwa aus?

»Schmeckt’s?«, fragte Camilla mit vollem Mund, während sie provozierend einen Schokoriegel verputzte.

Louise kniff die Augen zusammen und nickte zwanghaft. »Hab nie etwas Besseres gegessen«, murmelte sie. Sie würde sich vor Camilla keine Blöße geben.

Eins, zwei, drei … geschafft!

Louise wartete, bis sich ihre Gesichtszüge normalisiert hatten, dehnte ihre Nackenmuskeln und schenkte Camilla das schönste Lächeln, das ihr angespanntes Gesicht gerade hergeben konnte.

»Zu viel Zucker ist ungesund«, sagte sie trocken und deutete auf Camillas Schoko-Erdnussriegel. »Ich hab noch zwei weitere Dosen von dem Zeug. Wenn du möchtest, kannst du gerne eine davon mit nach Hause nehmen.«

»Ich verzichte«, antwortete Camilla und schüttelte den Kopf.

»Hm …« Louise wischte sich nachdenklich den Mund ab, stand auf und ging zum Whiteboard herüber, auf das jede Menge Notizen gekritzelt waren. Ideen für Artikel, Telefonnummern von Interviewpartnern, Aufträge für Fotografen – die Deadline für die erste Ausgabe ihres neuen Lifestyle-Magazins rückte unaufhörlich näher. Mittlerweile waren es nicht einmal mehr drei Wochen, bis die Seiten in den Druck gehen würden. Wenn sie ehrlich war, konnte sie es kaum erwarten, auch wenn sie bis dahin noch jede Menge zu tun hatte.

Mit GRØN würde sie am 1. Oktober das erste Lifestyle-Magazin auf den dänischen Markt bringen, das sich ausschließlich auf ökologische Produkte und Lebensweisen sowie erneuerbare Energien konzentrierte.

In das Projekt hatte sie in den vergangenen Monaten einiges an Arbeit gesteckt. Unzählige Stunden hatte sie damit verbracht, Anzeigenkunden zu akquirieren, neue Mitarbeiter zu finden und mit Druckereien zu sprechen. Rückblickend war ihr das überraschend leicht von der Hand gegangen, und immerhin hatte sie nun so viele Anzeigenbuchungen verzeichnet, dass das Magazin gut gefüllt war. Alles lief perfekt.

Das Magazin war für Louise die Gelegenheit, um sich endlich von ihrem Vater zu lösen. Sie hatte diesen Moment von langer Hand geplant und monatelang nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.

Und dann war er plötzlich zum Greifen nah gewesen: Vor einem knappen Jahr hatte ihr Vater einen kleinen Verlag gekauft, der sich auf die Herausgabe von Inhouse-Magazinen für Hotels spezialisiert hatte. Für Louise war das die Chance gewesen.

Unter dem Vorwand, sich um den Verlag kümmern zu wollen, hatte sie ihren Job in der Unternehmenskommunikation im Bjerregaard-Imperium an den Nagel gehängt und die Geschäftsführung des Verlags übernommen.

Natürlich war ihr Vater davon alles andere als begeistert gewesen. Innerhalb der Familie war es ein offenes Geheimnis, dass er seiner Tochter diese Aufgabe nicht zutraute. Doch offensichtlich hatte er sich nach außen hin keine Blöße geben wollen und dem Wechsel zähneknirschend zugestimmt.

»Wenn er wüsste«, sagte Louise und kam um ein Lächeln nicht herum. Sie konnte es kaum abwarten, Jørgens Gesicht zu sehen, wenn sie ihm ihr erstes eigenständiges Projekt präsentierte.

»Was?« Camilla sah sie fragend an. Erst jetzt bemerkte Louise, dass sie die ganze Zeit über mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen war.

»Ach, nichts«, tat sie es ab und sah erneut aufs Whiteboard. »Du hast da wirklich ein Auge drauf, ja?« Louise zeigte mit dem Stift auf eine Deadline, die bereits mehrfach dick unterstrichen war, und sah zu Camilla herüber, die sich gerade die Reste ihres Schokoladenriegels aus den Mundwinkeln wischte.

Camilla nickte, drehte sich weg und ging zum Fenster. Sie war eine Meisterin darin, die Dinge in ihrem Leben mit bewundernswerter Gelassenheit zu sehen, wofür Louise sie oft beneidete. Sie selbst hatte schon immer mehr dazu geneigt, pessimistisch durchs Leben zu gehen. Und die Sache mit Mads vor knapp eineinhalb Jahren hatte ihr den Rest gegeben.

»Wenn wir die Erstausgabe in den Sand setzen, können wir den Laden gleich dichtmachen. Das weißt du, oder?«, fragte Louise noch einmal mit Nachdruck. »Es geht nicht nur um das Magazin. Wenn’s schiefläuft, haben wir eine Menge Kohle in den Sand gesetzt, und der ganze Verlag ist dann im Eimer.«

Louise schloss die Augen und atmete tief ein. Auf ihren Schultern lag ein unfassbarer Druck. Es stand so viel für sie und ihre Mitarbeiter auf dem Spiel.

GRØN war das erste Projekt, das sie ohne die Hilfe ihrer einflussreichen Familie und ohne das Wissen ihres schier übermächtigen Vaters auf die Beine gestellt hatte. Nicht mal ihre beiden Brüder hatte sie in ihr Vorhaben eingeweiht. GRØN war so geheim, dass selbst diejenigen, die irgendwie mit dem Projekt zu tun hatten, eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnen mussten, damit vor der Veröffentlichung ja keine Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. Zwischendurch wunderte sie sich selbst darüber, dass es ihr gelungen war, ihre Magazin-Pläne geheim zu halten. GRØN sollte der Grundstein für Louises Leben in Freiheit und Unabhängigkeit sein. Würde ihr Vater erfahren, was sie hier trieb, würde er sie wohl hochkant vor die Tür setzen. Oder vielleicht sogar enterben?

»Beruhig dich, Lou. Wir haben alles im Griff.« Camilla trat vom Fenster weg und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. »Die Artikel sind fantastisch, das Layout steht, und die wenigen Fotos, die noch fehlen, kommen spätestens übermorgen. Ich habe das im Griff, versprochen.« Camilla hob ihre schmale Hand, als würde sie einen Eid schwören.

»Es muss perfekt werden.«

»Ich weiß.« Camilla zwinkerte ihr aufmunternd zu.

Louise setzte kleine grüne Haken hinter die Themen, die sie bereits abgearbeitet hatte, trat einen Schritt zurück und verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust. Camilla hatte recht. Es waren wirklich nicht mehr viele Punkte offen, die Erstausgabe war so gut wie fertig. Wenn sie es genau nahm, bedurfte es nur hier und da noch ein wenig Feinschliff. Sie nickte zufrieden und war erleichtert, was auch Camilla nicht entging.

»Siehst du, wir liegen sehr gut in der Zeit. Und jetzt lächle endlich mal wieder«, sagte Camilla und zwickte ihre Freundin in die Seite.

»Lass das.« Louise drehte sich von ihr weg, zwang sich aber zu einem Lächeln, um Camilla nicht zu enttäuschen. »Zufrieden?«

»Na ja … ich weiß, dass du es besser kannst.« Camilla hob eine ihrer stark geschwungenen Augenbrauen, ließ es zu Louises Erleichterung aber letztlich darauf beruhen und bohrte nicht weiter.

Seit der geplatzten Hochzeit mit Mads fiel es Louise schwer zu lächeln. Der Schmerz war inzwischen einer unbändigen Wut gewichen. Sie wünschte sich wirklich, dass Mads ihr nie wieder unter die Augen treten würde. Nach seinem unrühmlichen Abgang hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Selbst seine Sachen hatte er aus der gemeinsamen Wohnung von einem seiner Angestellten abholen lassen. Es war, als würde Louise für ihn gar nicht mehr existieren … als wäre ihre Liebe einfach erloschen.

Und sosehr sie ihn deshalb auch verabscheute, sie schaffte es einfach nicht, ihn komplett aus ihren Gedanken zu verbannen. Immer wieder schob er sich in ihren Kopf. Wie auch jetzt.

»Was Mads wohl dazu sagen würde«, entfuhr es Louise, und sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.

»Wie kommst du denn jetzt auf den?«, fragte Camilla und rollte mit den Augen, als hätte sie es satt, seinen Namen zu hören.

»Nun, er hat mir immer gesagt, ich soll mich von Vater loseisen und etwas eigenes auf die Beine stellen. Und jetzt mach ich das«, meinte Louise und ärgerte sich, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. In Camillas Augen war Mads ein rotes Tuch und es nicht wert, dass sich Louise auch nur noch eine Sekunde lang mit ihm beschäftigte.

»Wann hast du eigentlich vor, deinem Vater von GRØN zu erzählen?«, wechselte Camilla das Thema, und Louise war dankbar dafür. »Ich meine, langsam solltest du schon mit ihm darüber reden.«

Louise seufzte und nickte. Sie konnte das unangenehme Gespräch nicht ewig vor sich herschieben. Irgendwann musste ihr Vater von GRØN erfahren. »Der 30. September wäre doch ein guter Zeitpunkt. Am besten spätabends, wenn das Magazin bereits ausgeliefert ist und es kein Zurück mehr gibt.«

»Oder jetzt«, meinte Camilla und drehte sich zu Louise um.

»Auf gar keinen Fall«, protestierte Louise und lachte. Wie konnte Camilla nur auf so einen Gedanken kommen. »Wieso jetzt?«, hakte sie vorsichtshalber noch einmal nach.

»Weil er eben unten ins Gebäude gegangen ist.«

Kapitel 4

Louise hatte ihren Vater seit einiger Zeit nicht mehr im Verlag gesehen. Genauer genommen hatte Jørgen Bjerregaard seit einem knappen Dreivierteljahr keinen Fuß mehr hineingesetzt.

Doch jetzt war er hier. Aalglatt und mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen stand er vor ihr. Seine silbergrauen Haare lagen wie immer perfekt gescheitelt um seine Stirn herum, während seine blauen Augen sie mit gewohnter Ausdruckslosigkeit fixierten.

Dass er ohne Ankündigung bei ihr aufgetaucht war, machte Louise misstrauisch. Nervös knibbelte sie an ihren Fingern. Er war bestimmt nicht zu ihr gekommen, um sie zu fragen, wie es ihr ging. Das hatte er noch nie getan. Warum also sollte er jetzt damit anfangen?

»Vater«, sagte Louise und versuchte, ihre Nervosität zu verbergen. Doch ihre Stimme zitterte und wich vom üblichen Klang ab. »Was machst du denn hier?«

Jørgen Bjerregaard betrat wortlos Louises kleines Büro, schloss die Glastür hinter sich und setzte sich auf den Schwingstuhl an ihrem Schreibtisch. Er legte die Hände in den Schoß und sah sich schweigend um. Sein Blick blieb an der grauen Ledercouch hängen, neben der die Panthella-Stehleuchte des dänischen Designers Louis Poulsen stand und ein angenehm warmes Licht verströmte.

»Wie ich sehe, hast du dich eingerichtet, auch wenn ich finde, dass es hier eher nach einem Wohnzimmer als nach einem Büro aussieht«, sagte Jørgen und betrachtete ein großes Wandbild über dem Sofa, das die Kopenhagener Skyline unter einem funkelnden Sternhimmel zeigte.

»Also mir gefällt’s. Ich mag es nicht, wenn Büros kalt und unfreundlich aussehen«, antwortete Louise. »Ich möchte mich an meinem Arbeitsplatz wohlfühlen.«

Jørgen Bjerregaard lachte abfällig. »Wohlfühlen …«, murmelte er und schlug die Beine übereinander.

Louise überhörte seine Bemerkung und stand auf. »Kann ich dir einen Kaffee anbieten? Oder lieber einen Espresso? Fairtrade. Dieselbe Marke, die Nikolaj auch in seinen Hotels anbietet.«

»Lassen wir das«, antwortete Jørgen, ein wenig zu barsch für Louises Geschmack. »Kommen wir lieber gleich zur Sache. Ich muss dringend mit dir reden, Louise. Setz dich!«

»Okay.« Louise nickte irritiert und setzte sich zurück an den Schreibtisch. »Ist etwas passiert?«

Jørgen Bjerregaard räusperte sich und zog einen weißen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts. Er schaute noch einmal prüfend darauf, als wollte er sichergehen, dass es auch der richtige Umschlag war, und schob ihn über den Schreibtisch.

Louise erinnerte sich an die Katastrophe, zu der es gekommen war, nachdem ihr das letzte Mal ein Mann einen Umschlag überreicht hatte. Sie beschlich das ungute Gefühl, dass es dieses Mal nicht anders sein würde.

Mit klopfendem Herzen nahm sie den Umschlag entgegen, öffnete ihn und zog mehrere Papiere heraus. Es dauerte eine Weile, doch als sie begriff, was dort geschrieben stand, riss es ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg.

»Das kannst du nicht machen!«, sagte sie, als sie fertig gelesen hatte, und legte den Brief zurück auf den Tisch. Mit einem Mal war ihr speiübel.

»Mein liebes Kind, ich kann tun, was ich will! Mir gehört schließlich dieser Verlag … noch.«

»Ich bin längst kein Kind mehr«, blaffte Louise und merkte, wie ihr linkes Ohr heiß wurde. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie sich zu sehr aufregte. Bleib ruhig!

»Gerade jetzt führst du dich wie dieser trotzige Teenager auf, der einmal in meinem Haus gewohnt hat«, erwiderte Jørgen Bjerregaard und machte eine abwertende Handbewegung. Er stand auf, ging zum Whiteboard herüber und las die Notizen, die darauf standen.

Louise presste die Lippen zusammen, während eine Mischung aus Ohnmacht und Wut sich in ihr breitmachte. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, dachte sie und versuchte, sich zu beruhigen. Doch in ihrem Kopf rasten die Gedanken bereits wie wild umher. Wie um alles in der Welt hatte er von GRØN erfahren?

»Dir ist doch hoffentlich klar, dass ich keine andere Wahl habe, als diesen Unsinn zu beenden, bevor du noch mehr Schaden anrichten kannst.«

Louise schluckte. Hatte es in ihren Reihen etwa einen Maulwurf gegeben, der sich nicht an die Absprachen gehalten hatte? Mist!

»Das ist kein Unsinn, Vater«, versuchte Louise zu widersprechen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, fest entschlossen, sich dieses Mal nicht von ihm einschüchtern zu lassen. Doch ihre Beine waren weich wie Wackelpudding, und der Druck auf ihrer Brust wurde mit jeder Minute stärker.

»Wenn meine Tochter hinter meinem Rücken ein Magazin herausbringen möchte, in dem es um eine grüne Lebensweise geht … in dem Artikel über nachhaltigen Urlaub und die Abkehr von überflüssigem Luxus stehen …« Er betrachtete abschätzig erneut die Notizen auf dem Whiteboard an der Wand neben sich. »… Und das dazu noch in einem Verlag, hinter dem der Name Bjerregaard steht. Ein Familienname, der wie kein anderer in diesem Land mit den Worten Luxus und Exklusivität in Verbindung gebracht wird.« Er machte erneut eine bedeutungsschwere Pause, kam zurück zum Schreibtisch und haute mit der flachen Hand auf den Tisch. »Dann kann ich sehr wohl von Unsinn reden, Louise!«

»Die Themen, die in GRØN behandelt werden, entsprechen genau unserem Zeitgeist. Vater, du musst einsehen, dass die Menschen heutzutage ein anderes Verständnis von Luxus haben. Es geht nicht mehr um Prunk und Überfluss. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit GRØN erfolgreich sein werden. Sieh doch nur …« Louise stand auf, zog einen Artikelausdruck von der Pinnwand neben dem Whiteboard und zeigte ihn ihrem Vater. »Ich habe mit Søren Magnussen gesprochen. Selbst er hat erkannt, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren für uns alle geworden ist. Wir können unsere Augen nicht mehr davor verschließen.«

Jørgen Bjerregaards Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, während Louise beharrlich auf den Layoutentwurf in ihrer Hand zeigte.

Das Interview, das sie mit dem Designer Søren Magnussen geführt hatte, war revolutionär gewesen. Magnussen war eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Landes. Unter anderem bezeichnend für sein Leben im Überfluss war, dass er seit Jahren eine der nobelsten Suiten im Rosenborg Kopenhagen bewohnte.

Als Louise erfahren hatte, dass er an einem neuen Image bastelte und sich künftig mehr für Nachhaltigkeit einsetzen wollte, hatte sie ihre guten Kontakte spielen lassen und ihn um ein Interview gebeten. Sie hatte ihn davon überzeugen können, dass GRØN die ideale Plattform war, um seinen Imagewandel öffentlich zu machen. Der Artikel über ihn war ein Knaller und sollte der Aufmacher für die Erstausgabe sein.

Beim Interview mit Søren Magnussen war alles perfekt gelaufen. Ihr Vater war zu dem Zeitpunkt noch auf einem Kreuzfahrtschiff durch die Karibik geschippert, und Louise war fest davon überzeugt gewesen, dass niemand aus dem Bjerregaard’schen Imperium den eigentlichen Grund ihres Besuches bei dem Designer mitbekommen hatte. Tja, falsch gedacht!

War Søren Magnussen etwa die undichte Quelle, die aus dem Nähkästchen geplaudert hatte? Wenn’s so wäre, könnte sie ihn wenigstens auf Schadensersatz verklagen, schoss es ihr durch den Kopf. Vorausgesetzt, sie konnte ihm nachweisen, dass er sie verraten hatte.