Notärztin Andrea Bergen 1484 - Caroline Thanneck - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1484 E-Book

Caroline Thanneck

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Beschreibung

Der Schönheitschirurg Dr. David Thanner hat sich nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau völlig in die Arbeit vergraben und aufs Geldverdienen verlegt. Seine zwölfjährige Tochter Luise vernachlässigt er dabei völlig, worunter die Kleine sehr leidet. Wenigstens ist da noch Julia, die junge, warmherzige Haushaltshilfe, die sich um sie kümmert. Wenigstens ein Anruf aus dem Elisabeth-Krankenhaus konfrontiert den Arzt mit seinen Verirrungen: Luise liegt mit schwersten Verbrennungen in der Klinik, ihr Leben hängt am seidenen Faden. Dr. Thanner macht sich furchtbare Vorwürfe, die ihn in eine Sinnkrise stürzen, aber auch zu seinen wahren Gefühlen führen ...


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Inhalt

Cover

Was heißt denn schon makellos?

Vorschau

Impressum

Was heißt denn schon makellos?

Wer ist schon auf einen Albtraum gefasst, wenn in der Schule des eigenen Kindes eine Theateraufführung stattfindet? Ich war es nicht. Es läuft mir jetzt noch ein kalter Schauer über den Rücken bei den panischen Rufen »Feuer! Feuer! Es brennt!« Dann liefen alle verzweifelt durcheinander, um sich ihren Weg ins Freie zu bahnen. Mein Mädchen konnte ich aus Flammen und beißendem Rauch glücklicherweise schnell in Sicherheit bringen. Doch von ihrer Freundin fehlte jede Spur. Ich stürzte ich mich, ohne eine Sekunde zu überlegen, wieder in das Inferno, um das Mädchen zu suchen. Ich fand die Kleine unter den Trümmern eines Bühnenaufbaus und schleppte sie mit letzter Kraft hinaus – sie war schwerstverbrannt! Die Narben werden dem Mädchen wohl ein Leben lang erhalten bleiben, auf ihrem zarten Körper und der jungen Seele. Ihr Vater, ein gefragter Schönheitschirurg, war bei dem Unglück nicht dabei. Er glänzte wohl nicht nur bei dieser Aufführung durch Abwesenheit, wie ich erfuhr. Überhaupt scheint er ein ziemlich arroganter Typ zu sein, der lieber Hinterteile strafft und Brüste vergrößert, als ein guter Vater zu sein!

Hoffentlich steht er seinem Kind wenigstens jetzt bei.

Endlich Feierabend!

Ein Lächeln huschte über das Gesicht von Dr. Andrea Bergen.

Wie hatte sie sich auf diesen Abend gefreut. Kein Notdienst, keine Verpflichtungen. Diese Stunden gehörten ganz ihrer Familie, und die wollten sie genießen.

Vom Holzkohlegrill stieg ein verführerischer Duft auf. Tomaten, Fleisch und die geheime Würzmarinade ihres Mannes mischten sich zu einer verlockenden Komposition. Werner stand hinter dem Grill und wachte mit Argusaugen darüber, dass kein Stück zu dunkel geriet.

Andrea Bergen lief das Wasser im Mund zusammen.

»Du schwingst die Grillzange wie ein Künstler seinen Pinsel«, stellte sie fest.

»Wenn dir das schon gefällt, warte, bis ich die Kelle für die kalte Gurkensuppe schwinge.« Er zwinkerte ihr zu.

Sie lachte leise. »Egal, ob Kelle oder Zange, Hauptsache, es gibt etwas zu essen. Ich bin am Verhungern.«

»Hast du heute etwa wieder das Mittagessen ausfallen lassen?«

»Dafür war keine Zeit. Wir hatten einen Einsatz nach dem anderen. Bei dieser Hitze geben sich Kreislaufbeschwerden, Hitzschläge und Badeunfälle die Hand. Ich bin nicht mal dazu gekommen, einen Kaffee zu trinken.«

»Dann sollten wir bald essen.« Ihr Mann drehte die Würstchen über der Glut um.

Sie hatten beschlossen, das sonnige Wetter zu nutzen und im Garten zu grillen. Andrea Bergen hatte einen bunten Salat zusammengemischt, während ihr Mann seine Bowle gemacht hatte.

»Kann ich kosten?« Franzi, die zwölfjährige Tochter der beiden, beugte sich über den Krug mit dem rötlichen, eiskalten Getränk.

»Das ist die Erwachsenen-Bowle. Die Franzi-Bowle steht da drüben. Ohne Wein, dafür mit extra vielen Erdbeeren.« Ihr Vater deutete mit der Zange auf einen zweiten, kleineren Krug.

»Prima.« Franzi schenkte sich ein Glas voll ein.

Derweil stellte Dolly, die Familienhündin, die Vorderpfoten auf dem Gartentisch ab und stibitzte einen kalten, marinierten Hähnchenschenkel von einer Platte.

»Pfui, das ist nichts für dich.« Hilde kam mit einer Schüssel Kartoffelsalat aus dem Haus. »Du hast drinnen dein Futter, Dolly.«

Die Hündin wedelte freundlich, dann trottete sie zum Haus und verschwand darin.

»Auf dich hört sie«, stellte Andrea fest.

»Weil sie weiß, dass drinnen ein Schweinsohr zum Knabbern für sie bereitliegt«, erwiderte ihre Schwiegermutter schmunzelnd. »So, ich packe es dann jetzt auch.«

»Willst du wirklich nicht noch mit uns essen?«

»Ich bin noch satt vom Mittag. Vielleicht esse ich nach dem Treffen meines Bücherclubs etwas. Wir lesen einen neuen Schwedenkrimi. Ich bin schon gespannt, was die anderen davon halten. Lasst es euch schmecken.« Hilde winkte in die Runde und machte sich auf den Weg.

Andrea Bergen holte noch eine Platte mit Früchten von drinnen, dann setzte sie sich an den Gartentisch und streckte entspannt die Beine von sich.

Was war das wieder für ein Tag gewesen! Ein Einsatz hatte den nächsten gejagt. Ihr Fahrer und sie waren kaum zum Atemholen gekommen. Als Notärztin wusste sie nie, was sie bei ihrem nächsten Einsatz erwartete – ob sie zu einem Kranken, einem Unfall oder einer tätlichen Auseinandersetzung gerufen wurden. Jeder Notruf war eine neue Herausforderung, und sie hätte es auch gar nicht anders haben wollen.

Die Hitze jedoch war ein Faktor, der zusätzlich anstrengte. Zwar war das Notarzteinsatzfahrzeug klimatisiert, aber sobald sie einen Fuß ins Freie setzte, schlug ihr die Hitze entgegen wie der Hieb einer unsichtbaren Faust.

Jetzt lehnte sie sich zurück und genoss den leichten Abendwind, der in den Bäumen flüsterte, und den Duft des Lavendels, der in einem Keramiktopf auf dem Tisch blühte und die Mücken fernhielt. Im Schatten war die Luft angenehm lind.

Ihre Tochter hatte sich ein Buch mit nach draußen gebracht und senkte den Kopf darüber. Ihr Finger fuhr konzentriert die Zeile nach, die sie gerade las. Mit ihren zwölf Jahren besuchte sie die sechste Klasse und liebte alles, was mit Pferden zu tun hatte. Die Ferien standen kurz bevor, und Franzi hatte vor, einen großen Teil dieser Zeit bei »ihrem« Pferd auf dem Reiterhof zu verbringen.

Vorher jedoch musste sie die Aufführung des Schultheaters hinter sich bringen.

Die hatte Tradition. Vor den Sommerferien führte die sechste Klasse ein Stück auf. In diesem Jahr war es »Der Freundschaftsbeweis« – eine turbulente Geschichte über fünf Kinder, die ihre Ferien in einem Sommercamp verbrachten.

Franzi war eine der Hauptrollen übertragen worden. Seitdem ging sie nirgendwohin ohne ihr Textbuch. Auch jetzt brütete sie darüber und murmelte lautlos ihren Text. Dabei öffneten und schlossen sich ihre Finger immer wieder.

»Du musst nicht nervös sein, Spatz«, sagte Andrea Bergen. »Du hast wochenlang für deine Rolle geübt. Du kannst das.«

»Und wenn ich auf der Bühne plötzlich meinen Text vergesse?«

»Das wird bestimmt nicht passieren.«

»Und wenn doch?«

»Dann haben wir dich trotzdem lieb«, warf Werner ein.

»Aber ich will mich nicht blamieren.« Franzi legte die Stirn in Dackelfalten. »Warum habe ich nur zugesagt, die Jule zu spielen? Ich werde alles vermasseln.«

»Selbst berühmte Schauspieler patzen hin und wieder. Das ist halb so schlimm.«

»Finde ich nicht.« Franzi zog die Unterlippe zwischen die Zähne und trommelte gleichzeitig mit den Fingern auf die Tischplatte. Dabei rutschte sie auf ihrem Platz hin und her und schien keine Minute stillsitzen zu können.

Andrea Bergen drehte sich zur Fensterbank um, auf der Kugelschreiber und ein Notizblock lagen.

»Als ich ungefähr so alt war wie du jetzt, hat mir meine Großmutter ein Geheimrezept verraten. Es hat mir geholfen, eine wichtige Klausur zu bestehen. Jetzt gebe ich es an dich weiter.« Sie notierte etwas auf dem Zettel und faltete ihn mehrmals. »Hier, den steckst du in deine Tasche und behältst ihn während der Aufführung bei dir. Er wird helfen.«

»Was steht denn da darauf?«

»Das darfst du erst hinterher lesen.«

»Ist das ein Zauber oder so etwas?« Franzi musterte den Zettel argwöhnisch, schob ihn dann aber in ihre Hosentasche. »Ich wünschte, die Aufführung morgen wäre schon vorbei.« Sie blies die Wangen auf und ließ die Luft entweichen.

»Wir können das Stück nachher noch einmal zusammen durchgehen.«

»Ob das noch etwas nutzt?« Franzi schob verzagt ihr Textbuch von sich. »Mein Kopf ist wie leergefegt. Was soll ich nur machen, Mama? Dieser Abend wird ganz sicher eine einzige Katastrophe!«

***

Auch der nächste Tag brachte wieder Temperaturen jenseits der dreißig Grad. Keine Wolke trübte den Himmel. Die Luft war drückend heiß. Und der Wind? Fehlanzeige!

»Diese Hitze macht mich fertig.« Jupp Diederichs fächelte sich mit einem Klemmbrett Luft zu. Dabei schnaufte er wie ein Traktor am Berg.

Jupp war eine Seele von einem Menschen. Weder Überstunden noch Staus vermochten ihn aus der Ruhe zu bringen. Die Wärme jedoch machte ihm zu schaffen. Er war an diesem Tag als Rettungsassistent und Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeugs, kurz NEF, eingesetzt. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief, war das runde Gesicht des Mittvierzigers hochrot, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn.

»Ab welchen Temperaturen gibt es eigentlich für uns hitzefrei?«

»Sobald es im Juli schneit«, erwiderte Andrea Bergen. »Vorher sehe ich da leider schwarz.«

»Das hab ich befürchtet«, grummelte er. »Möchtest du auch etwas Eistee?«

»Gern. Vielen Dank.« Sie hielt ihm ihren Becher hin, und er schenkte zuerst ihr und dann sich selbst etwas Tee aus seiner Thermoskanne ein.

Hinter ihnen lagen mehr als sieben Stunden Einsatz. Das anhaltend heiße Sommerwetter lockte zahlreiche Ausflügler an den Rhein. Schon dreimal waren sie dorthin gerufen worden, weil Badende zusammengebrochen waren. Nach der Hitze belastete ein Sprung in das kühlere Wasser den Kreislauf oft über die Maßen.

Die Notärztin leerte gerade ihren Becher, als ein Funkruf hereinkam:

Einsatz im rund drei Kilometer entfernten Einkaufszentrum. Männliche Person, ansprechbar, Kreislaufprobleme, gab der Disponent der Leitstelle durch.

»Dann mal los.« Andrea Bergen legte den Sicherheitsgurt an.

»Keine Minute hat man Ruhe«, murrte Jupp, trank hastig den Rest seines Tees und ließ dann den Motor an.

Mit Sonderrechten bewegten sie sich durch den dichten Feierabendverkehr und hielten nur wenige Minuten später vor dem Einkaufszentrum an. In Windeseile nahmen sie sich ihre Ausrüstung und eilten über den Bürgersteig.

An der verglasten Drehtür wurden sie bereits erwartet. Der Center-Manager stellte sich kurz vor und lotste sie anschließend über eine Treppe, die den Angestellten vorbehalten war, zu einem Flur in der ersten Etage. Links und rechts gingen Büros ab. Eine der Türen stand offen. Dahinter war gedämpftes Stöhnen zu vernehmen.

»Der Kunde ist plötzlich zusammengebrochen und hat angefangen, Blut zu erbrechen«, berichtete der Manager aufgelöst.

Andrea Bergen horchte auf. Bluterbrechen? Das klang aber ganz anders als Kreislaufprobleme. Sie fluchte leise in sich hinein, während sie Jupp bat, einen Rettungswagen für den Krankentransport anzufordern.

»Wie lange spuckt er schon Blut?«, wandte sie sich anschließend an den Manager.

»Zwanzig Minuten ungefähr. Es hat eine Weile gedauert, bis wir ihn in eins der Büros schaffen konnten. Er kann sich kaum auf den Beinen halten.« Er ließ sie eintreten.

Vor dem Fenster des Büros lag ein Mann auf dem Boden. Er umklammerte einen metallenen Papierkorb. Darin befand sich, nach ihrer Schätzung, gut ein Liter hellrotes Blut. Auf dem Boden neben ihm zeichneten sich rote Sprenkel ab. Seine Lippen waren blutig verschmiert. Sein wild wuchernder Bart, der desolate Zustand seiner zerrissenen Hosen und des mehrfach geflickten Hemds legten die Vermutung nahe, dass dieser Mann kein Zuhause hatte.

»Ich bin Notärztin Andrea Bergen«, stellte sie sich vor und kniete sich neben den Fremden. »Können Sie mir Ihren Namen sagen?«

»Helmut Reschke«, gab er mit kratziger Stimme zurück.

Reschke? In ihrem Kopf meldete sich eine Erinnerung. Helmut Reschke. Unfallchirurg. Ein Kollege, den sie von mehreren Ärztekongressen kannte. Er war hagerer als früher. Und mit dem Bart hatte sie ihn nicht gleich erkannt.

»Sie erinnern sich«, sagte er mit einem wehmütigen Lächeln. »Hätte nicht gedacht, dass Sie mich erkennen. Manchmal erkenne ich mich selbst nicht mehr. Der Job ... der verdammte Druck ... hab zum Alkohol gegriffen, um damit klarzukommen, aber alles nur schlimmer gemacht ...« Er hustete, spuckte weiteres Blut.

Er ist wach und orientiert, hielt sie in Gedanken fest. Wir haben es mit einer oberen gastrointestinalen Blutung zu tun. Wahrscheinlich eine Ösophagusvarizen-Blutung. Durch den übermäßigen Alkoholkonsum wird seine Leber geschädigt sein. Das führt zu erhöhtem Blutdruck und vergrößerten Venen in der Speiseröhre. Diese Ösophagusvarizen können spontan bluten. Das Blut könnte aber auch aus dem Magen oder dem Darm stammen. Ohne Spiegelung ist das nicht sicher zu sagen.

»Wir werden Sie etwas erhöht lagern, damit Sie leichter Luft bekommen und kein Blut inhalieren.« Mit der Hilfe von Jupp lagerte sie ihren Patienten mit erhöhtem Oberkörper. Anschließend legte sie ihm ein Pulsoxymeter und eine Blutdruckmanschette an. Herr Reschke war tachykard, sein Herz raste. Und der Blutdruck war viel zu niedrig. Der diastolische Wert war nicht einmal messbar. Die Sauerstoffsättigung lag mit 95 Prozent allerdings noch im Normbereich.

Jupp legte auf ihre Bitte hin einen großlumigen venösen Zugang.

Andrea Bergen schloss ihren Patienten an das Druckinfusionsgerät an und infundierte eine Ringer-Laktat-Lösung, um seinen Kreislauf zu stabilisieren.

Trotzdem trübte ihr Patient zunehmend ein.

Seine Lider flatterten. Er stammelte Wortfetzen, die keinen Sinn ergaben.

Die Sauerstoffsättigung sank zusehends.

Was war da nur los?

Andrea Bergen hörte seine Lunge ab, vernahm feuchte Rasselgeräusche. Von einer Aspiration vielleicht? Wenn er nicht bald besser Luft bekam, würde er den Transport nicht überstehen. Sie musste ihn stabilisieren. Das war ihre Aufgabe als Notfallmedizinerin: einen Körper am Leben zu halten. Nicht die Heilung. Die oblag dann später ihren Kollegen im Krankenhaus.

»Ich muss intubieren.« Sie wandte sich an Jupp. »5 Milligramm Dormicum, 0,1 Milligramm Fentanyl und 20 Milligramm Hypnomidate, bitte.« Hypnomidate war das Narkosemittel der Wahl, weil es den ohnehin schon gebeutelten Kreislauf am wenigstens belasten würde.

Kurz darauf schlief ihr Patient schmerzfrei.

Während Jupp absaugte, intubierte Andrea Bergen ihren Patienten. Außerdem legte sie eine Magensonde.

Kurz darauf trafen die Sanitäter ein und lagerten den Patienten auf einer Trage, um ihn zum RTW zu transportieren.

Der Blutdruck und die Sauerstoffsättigung stiegen wieder.

Andrea Bergen bemerkte ein Venengeflecht um den Bauchnabel ihres Patienten. Das sogenannte Medusenhaupt entstand durch einen Hochdruck im Pfortaderkreislauf, oft hervorgerufen durch Blockaden im Lebergewebe.

Während ihr Patient weiter beatmet wurde, förderte die Magensonde immer weiter Blut zutage. Andrea Bergen entschied sich, mit ihrem Patienten zu fahren, um seinen Zustand bis zum Krankenhaus überwachen und notfalls eingreifen zu können, sollte es ihm wieder schlechter gehen.

Wenn sich ihr Verdacht auf eine Ösophagusvarizen-Blutung betätigte, mussten die blutenden Varizen verödet und die Blutung damit zum Stillstand gebracht werden. Doch das würde die Aufgabe der Chirurgen ein. In einem RTW war das unmöglich.

Die Fahrt zum Elisabeth-Krankenhaus dauerte eine Viertelstunde. In dieser Zeit beförderte die Sonde 800 Milliliter Blut zutage.

Um 18.14 Uhr übergab die Notärztin ihren Patienten an den diensthabenden Internisten der Notaufnahme.

Jupp traf mit dem NEF kurz nach ihnen ein.

Andrea Bergen schrieb noch ein Protokoll des Einsatzes, während ihr Kollege vom Spätdienst übernahm. Sie wusch sich und zog sich in aller Eile um. Längst war ihr Feierabend heran. Sonst schaute sie nicht auf die Uhr, aber heute wollte sie unbedingt pünktlich sein. Das hatte sie ihrer Tochter versprochen.

Um 19 Uhr begann die Aufführung des Schultheaters. Franzis großer Abend. Den durfte sie auf keinen Fall verpassen. Wenn sie es noch rechtzeitig schaffen wollte, musste sie sich sputen.

Nach einem kurzen Abschiedswort zu Jupp eilte sie zu ihrem Wagen, stieg ein und gab Gas.

Knapp war es, sehr knapp sogar ...

... aber sie schaffte es!

Zwanzig Minuten später stoppte sie vor dem roten Backsteingebäude des Gymnasiums. Die Fenster im Erdgeschoss waren hell erleuchtet, der Pausenhof war wie leergefegt. Andrea Bergen rannte über den Hof zum weit geöffneten Portal der Schule, stürmte die acht Stufen nach oben und wandte sich zur Aula um.

Die Türen des Festsaals waren weit geöffnet, einige Eltern und Großeltern standen noch im Flur des Schulhauses beisammen und unterhielten sich.

Sie war noch rechtzeitig gekommen.